Sterben und Tod

Aktuelle Themen aus Politik, Gesellschaft, Weltgeschehen.
Benutzeravatar
lutherbeck
Beiträge: 4004
Registriert: Montag 21. Dezember 2009, 09:09

Sterben und Tod

Beitrag von lutherbeck »

Liebe Kreuzgängster,

Sterben und Tod werden oft verdrängt und Spezialisten überlassen, evtl. könnten wir über dieses Thema hier unter allen möglichen Gesichtspunkten einmal sprechen?

Zum Anfang ein Beitrag von dem Soziologen Prof. Reimer Gronemeyer über den Wandel der Sterbekultur:

http://www.ard.de/themenwoche28/gesun ... index.html

Lutherbeck :)
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

Raimund J.
Beiträge: 6092
Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Raimund J. »

lutherbeck hat geschrieben:Liebe Kreuzgängster,

Sterben und Tod werden oft verdrängt und Spezialisten überlassen, evtl. könnten wir über dieses Thema hier unter allen möglichen Gesichtspunkten einmal sprechen?

Zum Anfang ein Beitrag von dem Soziologen Prof. Reimer Gronemeyer über den Wandel der Sterbekultur:

http://www.ard.de/themenwoche28/gesun ... index.html

Lutherbeck :)
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php? ... 15&start=
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Benutzeravatar
lutherbeck
Beiträge: 4004
Registriert: Montag 21. Dezember 2009, 09:09

Re: Sterben und Tod

Beitrag von lutherbeck »

Ok, war einfach ein weiterer Versuch, ernsthaft über dieses Thema ( gehört bei mir zum Alltag... ) zu sprechen.

Ich akzeptiere aber natürlich auch die, in unserer Gesellschaft übliche, Sprachlosigkeit über dieses Thema...

:)
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

Benutzeravatar
Melody
Beiträge: 4263
Registriert: Mittwoch 22. März 2006, 16:05
Wohnort: in der schönsten Stadt am Rhein... ;-)

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Melody »

Naja, Du selbst hast ja nun bis auf einen Link auch nichts zum Thema gesagt?
Wenn ich ein Thema erstelle, sollte ich doch auch erst einmal sagen, was mich selbst dabei bewegt, bevor ich von anderen eine Resonanz erwarte, oder nicht?! Selbst wenn man sich Deinen Link durchgelesen hat, fehlten meines Erachtens einfach erste Gedanken des Threaderstellers dazu... :achselzuck:

Den Hinweis von Raimund auf einen vergleichbaren Thread halte ich im übrigen durchaus für berechtigt.
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

Benutzeravatar
lutherbeck
Beiträge: 4004
Registriert: Montag 21. Dezember 2009, 09:09

Re: Sterben und Tod

Beitrag von lutherbeck »

Ich war eben der Meinung, daß die im Link aufgezeigten Gedanken ein Gespräch in Gang bringen würden.

Ich persönlich erlebe immer wieder ein völliges "überrascht sein" von der Tatsache, daß wir alle endlich sind...

So kommt es, daß auch in den Todesanzeigen meiner nahezu hundertjährigen Patienten oft genug Floskeln wie "plötzlich und unerwartet" auftauchen...

Ich denke aber, daß wir alle jeden Tag so leben sollten, als wäre es der letzte - dazu gehört v. a. der zwischenmenschliche Bereich - auch hier im Forum!

:)
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

Benutzeravatar
Melody
Beiträge: 4263
Registriert: Mittwoch 22. März 2006, 16:05
Wohnort: in der schönsten Stadt am Rhein... ;-)

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Melody »

Wer setzt sich schon gerne mit dem Tod auseinander... ich nicht... bzw. wohl eher noch mit meinem eigenen als mit dem Tod geliebter Menschen (selbst wenn die Beziehung problematisch war)... insofern kommt es immer "plötzlich und unerwartet"...

Was mich angeht, hast Du aber tatsächlich recht, was diese Sprachlosigkeit betrifft. Ich will überhaupt nicht nachdenken. Der Tod bleibt letztlich das große Geheimnis, und ich weiß nicht, was ich glauben soll. Mir hilft der christliche Glaube dabei nicht wirklich, gerade auch weil ich keine gläubige Familie hatte bzw. habe.

Wie gesagt, ich will und kann darüber nicht nachdenken. Wenn ich es tue, kommen sofort die Bilder von meiner Mama hoch... und das vermeide ich lieber...

Okay, ein Gedanke, den ich beim Lesen des Artikels hatte, war, dass ich von einem ehemaligen guten Freund weiß, dass sein Vater zu Hause starb... plötzlich und unerwartet... und wenn ich das richtig verstanden habe, hat er mit seiner Mama mehrere Stunden noch neben ihm gelegen, als er bereits tot war (so hab ich das zumindest im Kopf, ich hoffe, ich hatte das nicht missverstanden).

Meine Mama dagegen starb im Krankenhaus nach einer Woche im Koma. Als ich 10 Minuten nach ihrem Tod eintraf, hatte ich keine einzige Minute allein für mich. Stattdessen drängte mein Vater darauf, dass wir dann auch zeitnah gehen, damit das Personal seine Arbeit verrichten kann und man nicht weiter stört.
Ich habe mir die fehlende Zeit vor der Trauerfeier genommen, wo sie vorher noch offen aufgebahrt war. Eine Stunde war ich dort in Begleitung meines Ex-Freundes, und wir haben zusammen gebetet und gesungen und sie ein letztes Mal berührt...

Und nie werde ich den Moment vergessen, als der Sarg zugenagelt wurde.
So. Und nun hab ich doch wieder Tränen in den Augen.
Also was erwartest Du von diesem Thread?!


Im übrigen finde ich die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Hospiz sehr gut und habe solche Gedanken auch schon mal durchgespielt. Aber ich wäre psychisch nicht einmal dazu in der Lage, ein Altenheim zu besuchen.

Ich habe aber - mangels Familie - tatsächlich Angst, selbst einmal einsam und allein zu sterben. Ich finde es auch schlimm, wie oft man heute hört, dass Menschen erst Wochen nach ihrem Tod in ihrer Wohnung aufgefunden werden, weil sich die Nachbarn über den Gestank wundern...
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

Benutzeravatar
lutherbeck
Beiträge: 4004
Registriert: Montag 21. Dezember 2009, 09:09

Re: Sterben und Tod

Beitrag von lutherbeck »

Du trägst tatsächlich einige Schwierigkeiten mit diesem Thema mit Dir herum - aber das ist völlig ok!

Zudem ist ein "sich Eingestehen" davon bereits der erste Schritt; vielleicht schaffst Du es ja in einer Trauergruppe (gibt es in nahezu jeder größeren Gemeinde/Stadt) den Tod Deiner Mutter im Kreise einfühlsamer Begleiter gut zu verarbeiten?

Ich persönlich kenne viele Menschen, die über diese Stufe Jahre später tatsächlich dazu gekommen sind, sich in der Hospizarbeit zu engagieren!

Das wirken dieser Menschen habe ich an jedem Sterbebett bisher immer als Segen empfunden!

Dieser Segen aber fällt auch auf die Begleiter zurück - es sind wunderbare Persönlichkeiten dabei!

Und die Nachdenklichkeit in Deinen Worten gefällt mir gut - in Dir lebt eine starke Seele; daß Du eines Tages alleine sein wirst, halte ich für unwarscheinlich!

Ich will Dich hiermit jedenfalls ausdrücklich ermuntern, Dich einer Trauergruppe anzuschließen - es wird ein Segen für Dich sein!

:daumen-rauf:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

Benutzeravatar
Reinhard
cum angelis psallat Domino
Beiträge: 2161
Registriert: Montag 30. Mai 2011, 11:06
Wohnort: in der ostdeutschen Diaspora

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Reinhard »

lutherbeck hat geschrieben:... dieses Thema ( gehört bei mir zum Alltag... )
Ja, tut es bei mir auch.

Meine Frau ist auch im Bereich Palliativmedizin tätig, da gehört der Umgang mit dem Tod fast zum Täglichen.
Und da bin ich als Praxismitarbeiter und Ehemann natürlich auch nahe dran. es lässt sich definitiv nicht wegdrücken.

Zudem habe ich früher mal als Sanitäter gearbeitet, und da sind mir ein paar Menschen "unter den Händen" weggestorben.
Das kenne ich also auch, einschließlich der ungeheuren Hilflosigkeit in so einer Situation.

Und Drittens leben wir hier in einem weitgehend atheistischen Umfeld, so dass der christliche Glaube und die Perspektive auf ein ewiges Leben
bei den meisten Menschen - und eben auch Sterbenden - fehlt.

Wie kann man damit leben, ohne zu verzweifeln, oder zynisch zu werden (was hier wohl eine Art Verdrängen wäre) ?
Und: man kann ja nicht angesichts des Todes den Leuten einen Glauben aufdrängen, damit sie nicht in die Hölle kommen ...

Meine Frau beobachtet bei vielen Sterbenden, dass sie auch als Agnostiker doch oft eine Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tod haben.
Und, dass auch viele Agnostiker in Frieden sterben.

Kann man das jetzt in einer Art Allversöhnung deuten ? - Nein, ich glaube, das darf man nicht !
Genauso verfehlt wäre ein fatalistisches (und selbstgerechtes ?) - "tja, dann kommen sie eben in die Hölle".

Was ich glaube, ist das, was die Orthodoxen hier immer sagen: "Wir wissen, wo Gott ist, aber nicht, wo Gott nicht ist."
Das nicht als Alibi, sondern als eine starke Hoffnung und tiefe Überzeugung, dass der Ewige auch diese Menschen liebt, und ihnen niemals, niemals Unrecht täte.
Und deshalb bei jedem dieser Menschen sieht und beachtet, was sie an Kryptoglauben hatten oder haben.
Glauben zu können ist schließlich zu einem Teil auch Gnade. Und der Ewige sieht das Herz jedes Menschen.

Immer wieder bete ich für die Menschen, die es selber nicht können. Das ist eine ganz wichtige Sache, etwas das zum "Salz sein" unteilbar dazugehört !
Wir, die wir beten können, müssen mehr oder weniger die Welt mit durch-beten. (als eine Form des mit-tragens)
Das ist unsere Verantwortung !
Wie wichtig das Gebet für den anderen ist, habe ich auch für mich selber mehrfach erlebt, wo andere Mitchristen mich im Gebet mit getragen haben, da wo ich fest saß. (vielleicht erzähle ich später mal mehr dazu)

Es wird viel mehr im "unsichtbaren Kampf" entschieden als wir ahnen.

Und was machen wir dann mit dem Schmerz und der Trauer, wenn so viele Menschen um uns herum sterben ?
Verdrängen hilft ja nur als Kurzzeit-Maßnahme, und so gibt es eigentlich nur eines, das wirklich hilft: die ganze Not, den Schmerz, die Hilflosigkeit vor Gott werfen. Ja, manchmal wirklich vor Gott "auskotzen" :heul: :heul:
... das ist eigentlich der einzige Ausweg, wenn man das nicht alles wegdrücken will.

Als mein Vater relativ jung starb, sagte mir mein Vermieter, ein Mennonit, damals einen wichtigen Satz: Nur Gott kann trösten !
Ganz ernst gemeint trifft das wohl den Punkt.
"Alle eure Sorgen werft auf IHN, denn ER sorgt für Euch", - ganz praktisch.
(über die "kleine Münze", wie das im Alltag aussieht, müssten wir anhand konkreter Fragen weiter reden)

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Linus »

lutherbeck hat geschrieben:So kommt es, daß auch in den Todesanzeigen meiner nahezu hundertjährigen Patienten oft genug Floskeln wie "plötzlich und unerwartet" auftauchen...
Das habe ich meiner Frau, im Falle eines Frühablebens meinerseits auch untersagt. (Du darfst schreiben, was du willst, bloß ned, "plötzlich und unerwartet")

Sterben tat i gern, wanns a nur bald sein kinnt.

Linus
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Raimund J.
Beiträge: 6092
Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Raimund J. »

lutherbeck hat geschrieben:Ok, war einfach ein weiterer Versuch, ernsthaft über dieses Thema ( gehört bei mir zum Alltag... ) zu sprechen.

Ich akzeptiere aber natürlich auch die, in unserer Gesellschaft übliche, Sprachlosigkeit über dieses Thema...

:)
Ich wollte nur darauf hinweisen, daß es durchaus Interesse an solchen Themen gibt. Wir hatten sogar noch einen Strang, praktisch mit gleichlautendem Betreff wie der von Dir eröffnete:

http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php? ... 81&start=0

Ich war vorhin in einem größeren Buchladen, da lag im "Bestseller-Regal" auch so ein Sachbuch zum Thema Sterben, irgendwie scheint das momentan wieder ein "Modethema" zu sein, allerdings fand ich das Inhaltsverzeichnis schon sterbenslangweilig . ;)

In dem Buch ging es nur um die medizinische Sicht. Das allerwichtigste aus katholischer Sicht wäre ja, im nahenden Tod den Beistand eines Priesters zu haben, der die Absolution erteilt und das Sakrament der letzten Ölung (Krankensalbung) spendet!
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Benutzeravatar
Melody
Beiträge: 4263
Registriert: Mittwoch 22. März 2006, 16:05
Wohnort: in der schönsten Stadt am Rhein... ;-)

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Melody »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Das allerwichtigste aus katholischer Sicht wäre ja, im nahenden Tod den Beistand eines Priesters zu haben, der die Absolution erteilt und das Sakrament der letzten Ölung (Krankensalbung) spendet!
Dafür müsste der Sterbende aber zunächst mal katholisch sein... und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

Raimund J.
Beiträge: 6092
Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Raimund J. »

Melody hat geschrieben:
Raimund Josef H. hat geschrieben:Das allerwichtigste aus katholischer Sicht wäre ja, im nahenden Tod den Beistand eines Priesters zu haben, der die Absolution erteilt und das Sakrament der letzten Ölung (Krankensalbung) spendet!
Dafür müsste der Sterbende aber zunächst mal katholisch sein...
Ja stimmt natürlich, ich dachte da zunächst mal recht egoistisch für mich selbst ...
Melody hat geschrieben: und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*
Da müssten sich mal die Theologen und Spezialisten dazu äussern, wie die Chance auf das Seelenheil bei Nichtkatholiken ist, ich mag mir da kein Urteil erlauben ... Persönlich hoffe ich immer auf die Barmherzigkeit Gottes!
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Benutzeravatar
LumenChristi
Beiträge: 214
Registriert: Samstag 26. November 2011, 23:23
Wohnort: Erzbistum Freiburg

Re: Sterben und Tod

Beitrag von LumenChristi »

Ich kann ein Buch zum Thema empfehlen, "Gott liebt mich doch", das zur Seligsprechung von Chiara Luce Badano erschienen ist. Es dokumentiert das Sterben eines 19jährigen Mädchen an einer Tumorerkrankung. Es ist für mich die Dokumentation eines wahrhaft christlichen Sterbens.
Vielmehr habe ich Euch Freunde genannt...
Joh 15, 15

...denn Dir habe ich meine Sache anvertraut.
Jer 11, 20

Benutzeravatar
lutherbeck
Beiträge: 4004
Registriert: Montag 21. Dezember 2009, 09:09

Re: Sterben und Tod

Beitrag von lutherbeck »

Melody hat geschrieben: und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*

...

Da müssten sich mal die Theologen und Spezialisten dazu äussern, wie die Chance auf das Seelenheil bei Nichtkatholiken ist, ich mag mir da kein Urteil erlauben ... Persönlich hoffe ich immer auf die Barmherzigkeit Gottes!
Nun, da ist wohl mein lutherisch gefärbter Glaube gut: Gott ist barmherzig und gnädig gegenüber allen Menschen!

:)
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

Benutzeravatar
Melody
Beiträge: 4263
Registriert: Mittwoch 22. März 2006, 16:05
Wohnort: in der schönsten Stadt am Rhein... ;-)

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Melody »

lutherbeck hat geschrieben:
Melody hat geschrieben: und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*

...

Da müssten sich mal die Theologen und Spezialisten dazu äussern, wie die Chance auf das Seelenheil bei Nichtkatholiken ist, ich mag mir da kein Urteil erlauben ... Persönlich hoffe ich immer auf die Barmherzigkeit Gottes!
Nun, da ist wohl mein lutherisch gefärbter Glaube gut: Gott ist barmherzig und gnädig gegenüber allen Menschen!

:)
Nicht dass es so, wie es jetzt da steht (das ist ja auch nicht alles mein Zitat!), zu Missverständnissen kommt. Ich bezog mich nur darauf, dass Raimund schrieb, dass das Wichtigste aus katholischer Sicht das Sakrament der Krankensalbung etc. sei...

Natürlich hoffe ich trotzdem auf Gottes Barmherzigkeit...

Nichtsdestotrotz würde ich mich wohler fühlen, wenn geliebte Menschen mit den Sakramenten der katholischen Kirche versehen sterben würden. Das wäre doch eine große Beruhigung.

PS: Ich selbst möchte auch unbedingt ein ordentliches Requiem im alten Ritus... jenseits dessen, dass ich hoffe, dass ich selbst die Sterbesakramente erhalten kann...
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

Benutzeravatar
ChrisCross
Beiträge: 2645
Registriert: Freitag 22. April 2011, 23:28

Re: Sterben und Tod

Beitrag von ChrisCross »

lutherbeck hat geschrieben:
Melody hat geschrieben: und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*

...

Da müssten sich mal die Theologen und Spezialisten dazu äussern, wie die Chance auf das Seelenheil bei Nichtkatholiken ist, ich mag mir da kein Urteil erlauben ... Persönlich hoffe ich immer auf die Barmherzigkeit Gottes!
Nun, da ist wohl mein lutherisch gefärbter Glaube gut: Gott ist barmherzig und gnädig gegenüber allen Menschen!

:)
Wie vereinbarst du das mit Luthers Prädestinationslehre, die den unfreien Menschen durch Gottes Bestimmung ohne Ausweichmöglichkeit in die Hölle führt?
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Linus »

äh ich dachte das wär Calvin gewest?
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Benutzeravatar
Marcus
Beiträge: 3077
Registriert: Dienstag 13. Juni 2006, 14:48

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Marcus »

Richtig. Anders als der Calvinismus lehrt das Luthertum nicht die Lehre von der doppelten Prädestination.

Dass (viele) Menschen verlorengehen, hängt nach ev.-luth. Lehre nicht daran, dass diese zum Unheil vorherbestimmt wurden, sondern daran, dass sie hartnäckig der Gnadenwirksamkeit des Hl. Geistes, der allein einen rechten Glauben bewirken kann, widerstreben. Nach dem Verständnis kann der sündige Mensch die Gnade nur so annehmen wie ein Ertrinkende den ihm direkt zugeworfenen Rettungsring. Die Möglichkeit, dass dieser in der Lage wäre, aus eigener Kraft zum Rettungsring hinzuschwimmen, wird negiert. Soll heißen: Der Mensch ist demnach bei seiner Bekehrung stets passiv, niemals aber aktiv. Nichtdestotrotz ist aber auch der Nichtschwimmer durchaus fähig, den Rettungsring zu ignorieren und abzusaufen. Es wird schließlich niemand zu seinem Glück gezwungen.

Das ist meine weniger theologische, aber sinnbildliche Zusammenfassung der Dogmatik von Prof. Dr. Franz Pieper, einst Präsident der Lutherische Kirche – Missouri-Synode.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Benutzeravatar
ziphen
Beiträge: 1396
Registriert: Donnerstag 26. August 2010, 18:44

Re: Sterben und Tod

Beitrag von ziphen »

Der nächste Radiogottesdienst am 29. Januar, der u.a. über NDR Info und WDR5 (?) ausgestrahlt wird, wird sich auch mit dem Thema Sterben befassen.


Ich selbst habe mit dem Tod bisher wenig Berührung gehabt. Zwar sind meine Großeltern schon zum Teil verstorben, jedoch war ich damals noch zu klein und war deshalb nicht auf der Beerdigung etc. Fand ich nicht schlimm, denn ich kannte sie eh kaum, da die Beziehung zu meinen Eltern schlecht war. Auch ein paar Onkel und Tanten sind schon verstorben, aber das ist auch schon ziemlich lange her. Auch zu denen waren die Beziehungen nicht sonderlich.

Mir steht die Beschäftigung mit dem Thema im Grunde noch bevor. Meine noch lebenden Großeltern sind jetzt schon sehr alt und auch nicht mehr sehr gesund. Dort kann man schon jeden Tag damit rechnen. Und meine Beziehung zu Ihnen ist recht gut. Ich fürchte, es würde mich schon sehr treffen.

Bei mir selbst ist es so, dass ich dem Thema Tod recht entspannt entgegen sehe. Wenn es geschieht, dann geschieht's. Vielleicht schon jetzt. Dessen bin ich mir bewusst. Ich kann nur auf SEINE Gnade hoffen.
Wenn böse Zungen stechen, / mir Glimpf und Namen brechen, / so will ich zähmen mich; /
das Unrecht will ich dulden, / dem Nächsten seine Schulden / verzeihen gern und williglich.

Paul Gerhardt: O Welt, sieh hier dein Leben

Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Monergist »

ChrisCross hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:
Melody hat geschrieben: und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*

...

Da müssten sich mal die Theologen und Spezialisten dazu äussern, wie die Chance auf das Seelenheil bei Nichtkatholiken ist, ich mag mir da kein Urteil erlauben ... Persönlich hoffe ich immer auf die Barmherzigkeit Gottes!
Nun, da ist wohl mein lutherisch gefärbter Glaube gut: Gott ist barmherzig und gnädig gegenüber allen Menschen!

:)
Wie vereinbarst du das mit Luthers Prädestinationslehre, die den unfreien Menschen durch Gottes Bestimmung ohne Ausweichmöglichkeit in die Hölle führt?
Beides ist - mit Verlaub - in dieser Form unglaublicher Unsinn, wobei man herkunftsbedingt ChrisCross' Pius-Kinderkatechismus-Propaganda letztlich noch eher verzeihen kann als die Vereinfachung lutherbecks... Es ist vielmehr so wie von Marcus bereits angesprochen: Klassisch lutherisch ist die Lehre von der sog. einfachen Prädestination. Hiernach lehrt die Schrift eindeutig zwei Wahrheiten, die von dem menschlichen Verstand nicht abschließend erfasst werden können und erst in der Ewigkeit aufgeklärt (Merksatz: Wie zwei Geraden, die sich erst in der Unendlichkeit schneiden): Menschen werden ohne jegliches eigenes Zutun durch das Ergreifen des Glaubens an die objektive Rechtfertigung des Sünders durch den Kreuzestod Christi zum ewigen Leben errettet, gehen aber durch eigene Schuld verloren, wenn sie dies nicht tun, also nicht auch subjektiv gerechtfertigt werden. Entscheidend ist nun, dass demnach allein die Seligen durch Gottes ewigen Ratschluss erwählt sind, nicht aber die Verdammten. Obschon die Rechtfertigung aller Menschen - die in Anbetracht der Erbschuld und der eigenen Sündhaftigkeit aufgrund der vermeitlichen Gerechtigkeit Gottes allesamt die Hölle verdient haben - durch Christi stellvertenden Tod objektiv am Kreuz verdient worden ist (er hat als Unschuldiger die Strafe für die Schuldigen getragen), wird diese also nicht auch für alle wirksam.

Wer den rechtfertigenden Glauben ergriffen hat, der kommt nach lutherischer Auffassung überhaupt nicht ins Gericht, sondern ist bereits jetzt durch die Bedeckung mit der makellosen Gerechtigkeit Christi gerechtfertigt; wer dies nicht getan hat, wird hingegen nach seinen Werken gerichtet und zu 100% verdammt, da bereits eine einzelne Sünde im Leben nach Gottes Gerechtigkeit die Strafe der Hölle erfordert.

Für das Thema bedeutet dies, dass der lutherische Christ (sofern er dies glaubt), darauf hoffen muss, dass er oder seine Angehörigen/Freunde diesen Glauben haben - was auch außerhalb sichtbarer lutherischer Gemeinschaften denkbar ist (bis zum Tod ist alles möglich, hiernach nichts mehr). Dann weiß er sich oder Andere mit Gewissheit "im Himmel", andernfalls wären sie ebenso sicher verdammt. "Mein" früherer lutherischer Pfarrer ist deshalb immer ausgeflippt, wenn er auf Beerdigungen gehört hat, dass andere lutherische Pfarrer davon gesprochen haben, dass Gott dem Verstorbenen im Gericht gnädig sein soll.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
ChrisCross
Beiträge: 2645
Registriert: Freitag 22. April 2011, 23:28

Re: Sterben und Tod

Beitrag von ChrisCross »

Monergist hat geschrieben:
ChrisCross hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:
Melody hat geschrieben: und rückwirkend kann ich da bei bereits Verstorbenen auch nichts mehr dran ändern...

Bei meinem Vater hoffe ich ja darauf, dass ich auf dem Sterbebett die Chance zu einer "Nottaufe" habe... *seufz*

...

Da müssten sich mal die Theologen und Spezialisten dazu äussern, wie die Chance auf das Seelenheil bei Nichtkatholiken ist, ich mag mir da kein Urteil erlauben ... Persönlich hoffe ich immer auf die Barmherzigkeit Gottes!
Nun, da ist wohl mein lutherisch gefärbter Glaube gut: Gott ist barmherzig und gnädig gegenüber allen Menschen!

:)
Wie vereinbarst du das mit Luthers Prädestinationslehre, die den unfreien Menschen durch Gottes Bestimmung ohne Ausweichmöglichkeit in die Hölle führt?
Beides ist - mit Verlaub - in dieser Form unglaublicher Unsinn, wobei man herkunftsbedingt ChrisCross' Pius-Kinderkatechismus-Propaganda letztlich noch eher verzeihen kann als die Vereinfachung lutherbecks... Es ist vielmehr so wie von Marcus bereits angesprochen: Klassisch lutherisch ist die Lehre von der sog. einfachen Prädestination. Hiernach lehrt die Schrift eindeutig zwei Wahrheiten, die von dem menschlichen Verstand nicht abschließend erfasst werden können und erst in der Ewigkeit aufgeklärt (Merksatz: Wie zwei Geraden, die sich erst in der Unendlichkeit schneiden): Menschen werden ohne jegliches eigenes Zutun durch das Ergreifen des Glaubens an die objektive Rechtfertigung des Sünders durch den Kreuzestod Christi zum ewigen Leben errettet, gehen aber durch eigene Schuld verloren, wenn sie dies nicht tun, also nicht auch subjektiv gerechtfertigt werden. Entscheidend ist nun, dass demnach allein die Seligen durch Gottes ewigen Ratschluss erwählt sind, nicht aber die Verdammten. Obschon die Rechtfertigung aller Menschen - die in Anbetracht der Erbschuld und der eigenen Sündhaftigkeit aufgrund der vermeitlichen Gerechtigkeit Gottes allesamt die Hölle verdient haben - durch Christi stellvertenden Tod objektiv am Kreuz verdient worden ist (er hat als Unschuldiger die Strafe für die Schuldigen getragen), wird diese also nicht auch für alle wirksam.

Wer den rechtfertigenden Glauben ergriffen hat, der kommt nach lutherischer Auffassung überhaupt nicht ins Gericht, sondern ist bereits jetzt durch die Bedeckung mit der makellosen Gerechtigkeit Christi gerechtfertigt; wer dies nicht getan hat, wird hingegen nach seinen Werken gerichtet und zu 100% verdammt, da bereits eine einzelne Sünde im Leben nach Gottes Gerechtigkeit die Strafe der Hölle erfordert.

Für das Thema bedeutet dies, dass der lutherische Christ (sofern er dies glaubt), darauf hoffen muss, dass er oder seine Angehörigen/Freunde diesen Glauben haben - was auch außerhalb sichtbarer lutherischer Gemeinschaften denkbar ist (bis zum Tod ist alles möglich, hiernach nichts mehr). Dann weiß er sich oder Andere mit Gewissheit "im Himmel", andernfalls wären sie ebenso sicher verdammt. "Mein" früherer lutherischer Pfarrer ist deshalb immer ausgeflippt, wenn er auf Beerdigungen gehört hat, dass andere lutherische Pfarrer davon gesprochen haben, dass Gott dem Verstorbenen im Gericht gnädig sein soll.
Mag sein, dass ich da etwas verwechselt habe, dass Calvin so lehrte ist mir klar, nur dachte ich, dass Luthers Vergleich vom Pferde, das von Gott oder vom Teufel geritten wird, so auszulegen ist. Der Teufel wird das Pferd ja kaum in den Himmel reiten, oder?
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

Benutzeravatar
ChrisCross
Beiträge: 2645
Registriert: Freitag 22. April 2011, 23:28

Re: Sterben und Tod

Beitrag von ChrisCross »

Nachtrag:

Wie kann man denn Willensfreiheit nach Luther und dies hier aus W&W's Kirchenlexikon vereinbaren:
Ignaz von Döllinger hat geschrieben:Im J. 1516 gab er eine mystische Schrift des 14. Jahrhunderts, die »Deutsche Theologie«, heraus. Es war wohl nicht der speculative Pantheismus dieser Schrift, der ihn so sehr anzog; es war dieß seiner ganzen Geistes- und Lebensrichtung ein allzu fremdes Element, dessen wahre Beschaffenheit und Bedeutung er hier nicht einmal verstanden zu haben scheint. Vielmehr machten die Consequenzen, die in dieser Schrift aus pantheistischen Vordersätzen bezüglich des menschlichen Willens gezogen werden, ihm das Buch so wichtig und theuer: daß es nämlich nur Einen Willen geben, den göttlichen, daß nur dieser Eine, der göttliche Wille in der Creatur wirke, daß also weder von Freiheit des menschlichen Willens, noch von einem den Willen bindenden Gesetze die Rede sein könne. Darum sollte das »edle Büchlein übertröstlich in Kunst und göttlichem Werth« sein.
ebd. hat geschrieben:Der Streit mit Erasmus über den menschlichen Willen und dessen Freiheit oder Knechtschaft, der Luther in den beiden nächsten Jahren beschäftigte, offenbarte wieder die Eigenthümlichkeiten des Mannes. Die einfachsten, klarsten Stellen der heiligen Schrift in ihr Gegentheil zu verkehren, war nie einem Menschen so leicht geworden, wie ihm; wenn die Bibel voll von Ermahnungen ist, daß der Mensch selber etwas thun, die Sünde meiden, sich reinigen solle, so sei, behauptete er, der Sinn: Thut es, wenn ihr könnt, aber freilich, ihr könnt es nicht; oder: Gott wolle damit nur der Ohnmacht der Menschen spotten, als ob er sagte: Laßt doch einmal sehen, ob ihr es thun könnt. Wenn ihm Erasmus die Stellen, nach denen Gott nicht das Verderben der Menschen, sondern ihr Heil will, entgegenhielt, so setzte ihm Luther seine Unterscheidung zwischen einem geoffenbarten und einem verborgenen Willen Gottes entgegen; vermöge des letztern wolle Gott allerdings die ewige Verdammniß des größten Theils der Menschen, während er freilich in der heiligen Schrift ganz anders rede, sein verborgener Wille also seinem geoffenbarten geradezu widerspreche. Den Glauben und zwar den höchsten Grad des Glaubens setzte er darein, daß der Mensch auch das sich logisch Widersprechende dennoch für wahr und gewiß halte, also fest annehme, daß Gott nicht nur gerecht, sondern auch barmherzig sei, indem er Millionen Menschen, ja die große Mehrzahl des Menschengeschlechtes erst durch seinen allmächtigen Willen verdammenswürdig mache und sie dann in die ewigen Qualen der Hölle stürze. Und bei dieser Gelegenheit, sowie bei der Vertheidigung und Empfehlung seiner Rechtfertigungslehre, pflegte er gegen den Unglauben, der in solchen Dingen auch der menschlichen Vernunft Gehör geben wolle, zu eifern; der Teufel sei es, der die römischen Pfaffen verführe, Gottes Willen zu messen mit der Vernunft; »denn daß zwei und fünf sieben sind, kann ich fassen mit der Vernunft; wenn es aber von oben herab heißt: Nein, es sind acht, so soll ich’s glauben wider meine Vernunft und Fühlen«. Deßhalb müsse man, verlangte er, als Christ der Vernunft den Hals umdrehen, ihr die Augen ausstechen und die Bestie erwürgen. Überhaupt trug er auch in diesen Schriften seine Behauptungen mit jenem Tone zweifelloser Gewißheit und Evidenz vor, den niemand besser zu handhaben wußte, als er. Seinen Gegner, dem früher auch er, wie das ganze Zeitalter, seine Huldigung und Bewunderung dargebracht hatte, behandelte er in diesem Schriftenwechsel mit jener wegwerfenden Geringschätzung und schmähsüchtigen Scurrilität, die ihm nun schon zur Natur geworden war; unbedenklich schilderte er ihn als einen Epikuräer, Skeptiker und Atheisten, schrieb ihm aber dann einen entschuldigenden Brief, in dem er ihn mit Berufung auf die Vehemenz seines Temperamentes, das er nun einmal nicht in seiner Gewalt habe, zu versöhnen suchte; Erasmus aber hielt ihm in seiner Antwort einen Spiegel vor und schilderte mit einigen treffenden, einschneidenden Zügen sein ganzes Treiben. Seit diesem bald zur Öffentlichkeit gelangten Briefe war Erasmus für Luther einer jener Menschen, deren er nie anders als mit dem Ingrimme eines brennenden Hasses gedachte, eine giftige Schlange, ein Feind Christi und aller Religion, ein vollkommenes Ebenbild und Abdruck Epikurs und Lucians. Inzwischen hatte der Zwist mit Erasmus keine weiteren Folgen für Luther und den Fortgang seines Unternehmens; Erasmus selbst hatte vorausgesehen, daß er wohl vergeblich versuchen werde, gegen den Strom der Popularität, von dem sein Gegner getragen ward, zu schwimmen; vielmehr diente die Ansicht, die Luther hier verfocht, sichtlich dazu, sein System bei der Menge noch beliebter zu machen; denn die Folgerung leuchtete jedem ein, daß der Mensch, wenn er keinen freien Willen habe, auch keiner moralischen Zurechnung und Verantwortlichkeit fähig sei.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Monergist »

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, inwieweit Luthers Privatmeinung zu der Thematik im Lauf der Jahre im Fluss war (er hat sich ja nicht an einem Tag ein neues Dogmatikbuch gekauft), so wie von mir dargestellt ist die Lehre zur Prädestination jedoch schließlich Bekenntnis geworden.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
ChrisCross
Beiträge: 2645
Registriert: Freitag 22. April 2011, 23:28

Re: Sterben und Tod

Beitrag von ChrisCross »

Monergist hat geschrieben:Ich weiß ehrlich gesagt nicht, inwieweit Luthers Privatmeinung zu der Thematik im Lauf der Jahre im Fluss war (er hat sich ja nicht an einem Tag ein neues Dogmatikbuch gekauft), so wie von mir dargestellt ist die Lehre zur Prädestination jedoch schließlich Bekenntnis geworden.
Ich habe den Artikel schon einmal gänzlich gelsen und gerade noch einmal auf Stichwörter überprüft. Ich konnte jedenfalls keine Änderung seiner Meinung erkennen oder überhaupt ansatzweise angedeutet finden. Auch die beiden Literaturhinweise zur Praedestination gehen nach der Formulierung eher in die Richtung Negation der Willensfreiheit. Ignaz von Döllinger soll ja ein ausgesprochener Luther-Experte gewesen sein, ich kann mir also kaum vorstellen, dass er gerade bei diesem auch in Hinblick auf Erasmus bedeutendem Thema geschlampt haben sollte.
Vielleicht rührt das Missverständnis zum einen daher, dass Luther und Calvin ihre Lehren unterschiedlich mit ähnlich verheerenden Resultaten begründeten und zum anderen die Bekenntnisschriften vielleicht nicht unbedingt seine in allen Punkten eigene Lehre feststellen. Wenn ich mich recht erinnere, gab es doch schon damals Streit um gewisse Formulierungen...
Zuletzt geändert von ChrisCross am Dienstag 24. Januar 2012, 21:15, insgesamt 1-mal geändert.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

Benutzeravatar
Monergist
Beiträge: 225
Registriert: Dienstag 6. März 2007, 18:00

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Monergist »

Im Übrigen ist es ja so, dass der unfreie Wille in geistlichen Dingen nicht notwendig damit gleichzusetzen ist, dass Gott nicht die Errettung aller nach lutherischem Verständnis will. Im Luthertum gilt das Kreuzesopfer ganz eindeutig objektiv allen und nicht nur den Erwähltten wie bei den Calvinisten. Mit dem Wort und den anderen Gnadenmitteln versucht Gott demnach, alle an sich zu ziehen, Einige widerstehen nur aufgrund ihrer Verstocktheit. Da hier die Logik teilweise ausgeblendet wird, wird das Thema allerdings auch im Bekenntnisluthertum nicht allzu gerne diskutiert und meist nur auf Nachfrage erläutert.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

Benutzeravatar
Nassos
Beiträge: 9048
Registriert: Montag 1. Juni 2009, 01:48

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Nassos »

lutherbeck hat geschrieben:Liebe Kreuzgängster,

Sterben und Tod werden oft verdrängt und Spezialisten überlassen, evtl. könnten wir über dieses Thema hier unter allen möglichen Gesichtspunkten einmal sprechen?

Zum Anfang ein Beitrag von dem Soziologen Prof. Reimer Gronemeyer über den Wandel der Sterbekultur:

http://www.ard.de/themenwoche28/gesun ... index.html

Lutherbeck :)
Unter anderem in unseren allabendlichen Gebeten:

Herr, gib mir Tränen, das Gedenken des Todes und Zerknirschung. (aus dem Gebet des Hl. Johannes Chrysostomus entsprechend der Zahl der Stunden des Tages und der Nacht. 5. Stunde der Nacht).

Und allabendlich das Gedenken an unsere Entschlafenen. Also nicht nur den eigenen Tod vor Gott bedenken, sondern auch den unserer entschlafenen Mitmenschen.

Die Gebete für die Sterbenden werden natürlich erst dann gesprochen, wenn "es soweit ist".
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

Raimund J.
Beiträge: 6092
Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Raimund J. »

Nassos hat geschrieben: Unter anderem in unseren allabendlichen Gebeten:

Herr, gib mir Tränen
Tränen in Zusammenhang mit dem Gedenken an verstorbene Angehörige und Freunde, oder wie ist das zu verstehen?
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Benutzeravatar
Lupus
Beiträge: 2701
Registriert: Samstag 13. September 2008, 13:48
Wohnort: Bad Waldsee

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Lupus »

"Herr, gib mir Tränen!"
entspricht bei uns ungefähr der leider oft in Vergessenheit geratenen "Gewissenserforschung" im Rahmen des Abendgebetes. "Herr lass mich erkennen, wo ich heute gefehlt habe: Gutes unterlassen und Böses getan und schenke mir die Gabe der Reue!" Echte,tiefempfundene Reue kann zu Tränen führen.

+L.
Christus mein Leben, Maria meine Hoffnung, Don Bosco mein Ideal!

Benutzeravatar
Gamaliel
Beiträge: 8609
Registriert: Donnerstag 22. Januar 2009, 07:32

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Gamaliel »

Lupus hat geschrieben:"Herr, gib mir Tränen!"
entspricht bei uns ungefähr der leider oft in Vergessenheit geratenen "Gewissenserforschung" im Rahmen des Abendgebetes. "Herr lass mich erkennen, wo ich heute gefehlt habe: Gutes unterlassen und Böses getan und schenke mir die Gabe der Reue!" Echte,tiefempfundene Reue kann zu Tränen führen.

+L.
Im Missale 62 gibt es unter den Votivorationen auch jene "Ad petendam compunctionem cordis" bzw. früher "De petitione lacrymarum".


Auf Deutsch im Schott: "Um die Gabe der Tränen":
Oration hat geschrieben:Allmächtiger und mildreicher Gott, Du ließest dem dürstenden Volke
eine Quelle lebendigen Wassers aus dem Felsen strömen; so entlocke auch
unserem harten Herzen Tränen der Zerknirschung, damit wir unsere Sünden
beweinen können und durch Dein Erbarmen deren Verzeihung erlangen.

Raimund J.
Beiträge: 6092
Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Raimund J. »

Danke für die Erklärungen! Ja, als Bitte um Erweckung der Reue (für begangene Sünden) wird es verständlicher!
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Benutzeravatar
lutherbeck
Beiträge: 4004
Registriert: Montag 21. Dezember 2009, 09:09

Re: Sterben und Tod

Beitrag von lutherbeck »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Danke für die Erklärungen! Ja, als Bitte um Erweckung der Reue (für begangene Sünden) wird es verständlicher!
Auch ich als Lutheraner bin damit im Gleichklang!

:)
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

Benutzeravatar
Nassos
Beiträge: 9048
Registriert: Montag 1. Juni 2009, 01:48

Re: Sterben und Tod

Beitrag von Nassos »

Vielen Dank, vor allem an Sie, lieber Pater Lupus!

Das Gedenken des Todes soll auch hierzu beitragen, sich stets bewusst zu werden, dass es irgendwann mal vorbei ist, dass man nicht ewig lebt und somit an die "Eigenverantwortung" erinnert wird.
Echte Zerknirschung soll erreicht werden. Gedenken wir schließlich der Worte des Psalms 51 (50): Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

Ich mache mir manchmal Gedanken - was das Sterben angeht - über die Situation, wo man starke Schmerzmittel verabreicht bekommt (Morphium), und dass das die Seele schwächt. Irgendwo las ich, dass hiervon abzusehen sei, um die Seele vor Schaden zu bewahren (warum auch immer).
Sicherlich ist das schon mal hier im Forum diskutiert worden? Es ist ein schwieriges Thema.

Lieben Gruß,
Nassos
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema