Das Zusammenleben neu gestalten

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pierre10
cum angelis psallat Domino
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Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von pierre10 »

Wir sollten versuchen, unser Verhalten anderen gegenüber so zu gestalten, dass das Miteinander am Beginn jeder Begegnung steht.

Wir können zum Beispiel einführen, dass jeder jedem beim Zusammenkommen erst einmal etwas Freundliches sagt. Ganz einfach, es sollte Usus sein, dass ein Mensch, der in einen Laden geht um etwas zu kaufen zuerst der Verkäuferin/Kassiererin ein nettes Wort sagt zu ihrem Aussehen, zu ihrem Lächeln oder zu sonst etwas anderem. Die Verkäuferin sollte ebenfalls dem Kunden etwas Freundliches sagen.

Gehen wir zur Arbeit, wäre es schön, den Kollegen ein freundliches Wort zu sagen und damit die Stimmung des Büros von Anfang an positiv gestalten.

Und noch wichtiger scheint mir zu sein, den Lebenspartner/in schon morgens beim Aufwachen mit einem lieben Wort zu begrüßen, es verändert die Stimmung für den ganzen Tag.

Vielleicht liegen viele Probleme unserer Zeit darin, dass sich Menschen mit anderen nicht so richtig Wohlfühlen. Warum nicht einfach etwas durch unser eigenes verhalten ändern?"

Pierre
Grenzen im Kopf sind sehr hinderlich

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Diese ewig gutgelaunten Dauerfreundlichen mit eingefrorenem Lächeln gehen einem mit der Zeit aber auch auf den Sack.

regina 32
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Beitrag von regina 32 »

ich weiss noch, wie ich eines Tages in Utah war und alle Mormonen mich lächelnd mich einem seeligen Grinsen begrüßten, sie waren alle so gut drauf, dass ich mich fehl am Platz fühlte,
Ich sagte irgendwann, der nächste. der mich angrinst, den haue [Punkt]



nichts desto trotz gebe ich Pierre recht, ein nettes Wort, und der Tag verläuft ganz anders.

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Linus
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von Linus »

pierre10 hat geschrieben:Wir sollten versuchen, unser Verhalten anderen gegenüber so zu gestalten, dass das Miteinander am Beginn jeder Begegnung steht.
"Leck mich am Arsch, siehst du schlecht aus!" ist die nettgemeinte Begrüßung eines guten Freundes. (er ist wenn sofa hier mitliest eine Enneagramm 8)
Wir können zum Beispiel einführen, dass jeder jedem beim Zusammenkommen erst einmal etwas Freundliches sagt.
Gut.
Ganz einfach, es sollte Usus sein, dass ein Mensch, der in einen Laden geht um etwas zu kaufen zuerst der Verkäuferin/Kassiererin ein nettes Wort sagt zu ihrem Aussehen, zu ihrem Lächeln oder zu sonst etwas anderem.
Wenn ich das mache, denkt sie wohl ich hätt nen Notstand und will sie anbraten :roll: Pierre wann warst du das letzte mal einkaufen?
Die Verkäuferin sollte ebenfalls dem Kunden etwas Freundliches sagen.

Es reicht schon wenn die Formen des allgemeinen Anstands gewahrt blieben (Nicht duzen, das Vis a Vis ansehen etc)
Gehen wir zur Arbeit, wäre es schön, den Kollegen ein freundliches Wort zu sagen und damit die Stimmung des Büros von Anfang an positiv gestalten.
Sowieso.
Und noch wichtiger scheint mir zu sein, den Lebenspartner/in schon morgens beim Aufwachen mit einem lieben Wort zu begrüßen, es verändert die Stimmung für den ganzen Tag.

Vielleicht liegen viele Probleme unserer Zeit darin, dass sich Menschen mit anderen nicht so richtig Wohlfühlen. Warum nicht einfach etwas durch unser eigenes verhalten ändern?"

Pierre

Pierre, wenn ich was zu gesellschaftlichen Umgangsformen wissen will, dann les ich Asfa Wossen Asserates "Manieren" oder den Elmeyer.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Bei uns im Dorf hat eine Supermarktkette eröffnet. Bei den Namenschildern des Personals steht mit drauf: "Ich bin freundlich."
Igendwie tut mir das Personal leid. - Freundlich sein auf Kommando?

Auf der einen Seite möchte ich Pierre ja recht geben, aber auf der andere Seite kennt jeder von uns die Situationen, wo er im Stress ist, mit etwas überfordert ist, total k.o. und übermüdet..... - und dann noch freundlich sein? Ist bestimmt nicht leicht. Vielleicht dann zumindest versuchen den Mund zu halten und kein böses Wort sagen... Aber ich habe extra geschrieben versuchen, denn das ist bestimmt auch schwer. Was also an sochen Tagen/in solchen Situationen machen?

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Staubkorn
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Beitrag von Staubkorn »

Lieber Pierre
Ich halte "oberflächliche" Komentare nicht als hilfreich eine gute "Stimmung" zu "erzeugen". Mir fällt es schwer etwas "nettes" zum Äußeren zu sagen, aber ich sage gerne etwas zu einem Menschen, wenn mir ein "positiver Charakterzug" auffällt. Ich bemerke immer wieder, wenn ich einen Menschen sehe, wie er einen anderen Menschen etwas "Gutes" tut, innerlich sehr berührt bin.
Ich kannte ein Paar die beiden haben sich jeden Morgen voreinander auf den Knien verbeugt. Für viele hier scheint es "Unsinn" zu sein, aber für sie war ein ein "Bedanken an Gott, dass sie sich gefunden haben". Übrigens, sie waren keine Christen. ;)
Ein Altvater wurde gefragt: "Was ist Demut?"
Er antwortete: "Demut ist, wenn du einem Bruder vergibst, der gegen dich gesündigt hat, noch bevor er selbst zu dir kommt und dich um Vergebung bittet."

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pierre10
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Beitrag von pierre10 »

Als ich den Beitrag schrieb, wusste ich, dass ich angegriffen werde. Aber soll ich deshalb mich verbiegen? Da ich bei uns den Haushalt mache, meine Frau forscht und schreibt über Musik und Harmonielehre, bin ich alle 2 Tage beim Einkaufen. Selten geschieht es, dass ich an einem Menschen nun gar nichts Positives finde. Oberflächliche Kommentare sind mir auch ein Greuel, ich vermeide sie.

Und ich bin nicht freundlich auf Kommando (wer könnte mich kommandieren :mrgreen: ) sondern lebe meine Empfindungen aus.

Ohne eingefrorenes Dauergrinsen ..........

Erstaunlich ist, wie viele mir gerade hier auf einem christlichen Forum beweisen wollen, dass Freundlichkeit was Negatives ist.

Pierre, trotz allem.......
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

pierre10 hat geschrieben:Als ich den Beitrag schrieb, wusste ich, dass ich angegriffen werde. Aber soll ich deshalb mich verbiegen? Da ich bei uns den Haushalt mache, meine Frau forscht und schreibt über Musik und Harmonielehre, bin ich alle 2 Tage beim Einkaufen. Selten geschieht es, dass ich an einem Menschen nun gar nichts Positives finde. Oberflächliche Kommentare sind mir auch ein Greuel, ich vermeide sie.

Und ich bin nicht freundlich auf Kommando (wer könnte mich kommandieren :mrgreen: ) sondern lebe meine Empfindungen aus.

Ohne eingefrorenes Dauergrinsen ..........

Erstaunlich ist, wie viele mir gerade hier auf einem christlichen Forum beweisen wollen, dass Freundlichkeit was Negatives ist.

Pierre, trotz allem.......
Du hast Recht: Wenn ich am Morgen in die Tretmühle gehe, dann begrüße ich die Damen & Herren ganz bewußt freundlich-lächelnd; ich spüre dann immer, wie sich die Stimmung aufhellt.

Aber das ist eine alte Erfahrung: "Wie man sich bettet, so schallt es heraus" :mrgreen:

"Positiv" ist nicht schlecht :mrgreen:
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

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Edi
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Beitrag von Edi »

Raphaela hat geschrieben:Bei uns im Dorf hat eine Supermarktkette eröffnet. Bei den Namenschildern des Personals steht mit drauf: "Ich bin freundlich."
Igendwie tut mir das Personal leid. - Freundlich sein auf Kommando?
Pierre hat nicht ganz unrecht. Nur auf Komamndo geht das nicht, aber das hat er sicher auch nicht gemeint. Das mit dem Komamndo freundlich zu sein, sehen wir ja heute. Ruft man in einer Bank oder Firma an, dann antwortet die Telefonistin z.B.: Kreissparkasse Dudenweiler, Sie sprechen mit Frau Tusnelda Ofenputzer, was kann ich für Sie tun? Solche angelernten bzw. von der Geschäftsleitung befohlenen Sätze nützen niemand etwas. Hernach konnte man des öfteren schon erleben, dass es dann mit der "Freundlichkeit" bald zuende war, wenn jedenfalls die Person ´gar nicht dazu imstande ist. Einmal sagte ich jemand auf die Frage, was kann ich für sie tun? "Nicht so viel reden und das der Geschäftsleitung mitteilen, dass das Ganze ein Quatsch ist."
Wenn die Freundlichkeit aber von Herzen kommt, ist dagegen gar nichts einzuwenden, im Gegenteil.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Edi hat geschrieben:
Raphaela hat geschrieben:Bei uns im Dorf hat eine Supermarktkette eröffnet. Bei den Namenschildern des Personals steht mit drauf: "Ich bin freundlich."
Igendwie tut mir das Personal leid. - Freundlich sein auf Kommando?
Pierre hat nicht ganz unrecht. Nur auf Komamndo geht das nicht, aber das hat er sicher auch nicht gemeint.
Ich hatte auch nicht Pierre damit gemeint. Aber dieses Schild..... Stell dir mal vor, da kommt ein Kunde, der nicht gut drauf ist und es ist vielleicht schon spät am Abend, die Kassiererin kann auch nicht mehr so freundlich sein wie sie will...
Jedenfalls das Ganze weitergedacht: Es gibt garantiert dann Kunden, die das Personal auf den Text auf dem Namenschild ansprechen und dann wird evtl. ziemlich sauer gesagt: "Sie haben gefälligst freundlich zu mir zu sein!" - Daher die provozierende Frage anschließend.

Aber ich hatte ja noch eine Frage gestellt: Was tun, wenn man wirklich fertig ist, unter Stress steht und evtl die andere Person auch?

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Freundlichkeit entwaffnet - fast immer.


Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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pierre10
cum angelis psallat Domino
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Beitrag von pierre10 »

ad_hoc hat geschrieben:Freundlichkeit entwaffnet - fast immer.


Gruß, ad_hoc
Aber auch die völlig unerwartete Antwort hat diesen Effekt.

Es macht mir seit vielen Jahren Freude, auf Antworten, Fragen, Kommentare völlig anders zu antworten, als der andere es erwartet.

Zum Beispiel auf die Frage: Guten Tag, wie Geht es Dir? Der begrüßende erwartet ein: Danke gut. Wenn wir aber etwas ganz anderes sagen, es vielleicht auch noch in eine Frage kleiden, verunsichern wir unser gegenüber.

Beispiel einer Antwort: Aber das interessiert Dich doch gar nicht, oder soll ich Dir von meiner Prostata erzählen?

Pierre mit einem Lächeln.
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pierre10
cum angelis psallat Domino
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Kleine Geschichte zum Thema

Beitrag von pierre10 »

Die Geschichte mit dem Lächeln und der Wut.

Vielen Jahre lang führte mich mein Beruf einmal in der Woche nach Paris.

An einem wunderschönen Sommerabend spazierte ich die Champs Elysées hinauf, auf der rechten Seite Richtung Arc de Triomphe, also auf der Sonnenseite, da wo immer richtige Menschenmassen auf und ab flanieren, manchmal auch eilig rennen.

Ich hatte an diesem Abend eine wunderschöne Stimmung in mir, meine Besprechun-gen waren gut gelaufen, alles war schön in mir.

Auf einmal merkte ich, dass die Menschen, die mir entgegen kamen, mich fast um-rannten. Ich hatte richtig Mühe vorwärts zu kommen, manche stießen mich sogar an, wie es in einem Gedränge nun mal vorkommt.

Da stellte ich mir die Frage, ob meine innere, heitere Stimmung damit zu tun haben kann. Keine einfache Frage!!

Da fiel mir ein, dass ich mich am Vortage über einen Mitarbeiter geärgert hatte. Ich ließ diese Wut wieder in mir hochkommen und siehe da, die Menschen um mich her-um kamen deutlich weniger nah an mich heran. Dabei bemühte ich mich, diese Wut nach außen nicht zu zeigen. Aber ob ich nach rechts oder links ging, immer hatte ich mehr als einen Meter Platz vor mir.

Dann ließ ich die Wut fallen, kam wieder zurück zu diesem herrlichen Sommerabend, freute mich auf ein gutes Essen mit lieben Freunden.... und schon waren die Passan-ten wieder dicht um mich herum. Meine Stimmung war ausgeglichen, ja glücklich, das mussten die Menschen gespürt haben. Denn mein Lächeln war für viele (bei dem Bart) kaum erkennbar, sie schauten mich auch nicht an, es muss an der Aus-strahlung gelegen haben.

Seit dieser Zeit nutze ich das Lächeln als Geschenk an die Menschen um mich her-um.

Pierre, der sich nicht mehr erinnert, ob diese Geschichte schon einmal hier stand
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overkott
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Beitrag von overkott »

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Ein Lächeln geht um die Welt.

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Man kann auch mit einem Lächeln morden.

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ar26
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Beitrag von ar26 »

Ein Gefühl wie ein versenkter Elfmeter, mir fällt nur das hier ein:

http://www.youtube.com/v/uPwFEJpHX20&hl=de&fs=1

Nein im Ernst. Mit seinen Mitmenschen tagtäglich so umzugehen, wie es die christliche Nächstenliebe fordert, ist oftmals ein hartes Ringen, bei dem man immer wieder scheitert. Man muss sich immer wieder auf einen neuen Versuch einlassen.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

Kurt
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Beitrag von Kurt »

ar26 hat geschrieben:Nein im Ernst. Mit seinen Mitmenschen tagtäglich so umzugehen, wie es die christliche Nächstenliebe fordert, ist oftmals ein hartes Ringen, bei dem man immer wieder scheitert. Man muss sich immer wieder auf einen neuen Versuch einlassen.
Keine Frage, die Theorie hat wohl jeder kapiert.
Allerdings bezweifle ich, daß man mit einem antrainierten Lächeln oder guten Vorsätzen zu Silvester, die im ersten Moment prima klingen, die Theorie auch adäquat umsetzt.

Es ist ja auch nicht so, daß jemand, der viel redet kommunikativ ist, und jemand der nichts sagt, gut zuhören kann.

Der Threadtitel gibt übrigens das Thema "Das Zusammenleben neu gestalten" vor. Es ist ja nett, aber impliziert dieser Titel nicht schon den versteckten Vorwurf, das alte Zusammenleben sei so schlecht, daß man es gestalten müsse, und dann auch noch neu?

Wichtig am Zusammenleben ist nicht so sehr das Lächeln. Wenn es ehrlich gemeint ist, dann schadet es nicht. Aber Ehrlichkeit und Vertrauen, wofür man Zeit braucht, ist wichtiger als ein flüchtiges Gefühl, nett gewesen zu sein.

Übrigens habe ich neulich den Begriff des Gutmenschen bei Tolstoi gelesen, der sich des Themas schon angenommen hat.

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pierre10
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Beitrag von pierre10 »

Kurt hat geschrieben: Der Threadtitel gibt übrigens das Thema "Das Zusammenleben neu gestalten" vor. Es ist ja nett, aber impliziert dieser Titel nicht schon den versteckten Vorwurf, das alte Zusammenleben sei so schlecht, daß man es gestalten müsse, und dann auch noch neu?

Wichtig am Zusammenleben ist nicht so sehr das Lächeln. Wenn es ehrlich gemeint ist, dann schadet es nicht. Aber Ehrlichkeit und Vertrauen, wofür man Zeit braucht, ist wichtiger als ein flüchtiges Gefühl, nett gewesen zu sein.
Vielleicht müssen wir immerwährend am Zusammenleben arbeiten, es wieder und wieder "neu gestalten", einfach weil sich die Bedingungen um uns herum dauernd ändern.

Pierre
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Kurt
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Beitrag von Kurt »

pierre10 hat geschrieben:Vielleicht müssen wir immerwährend am Zusammenleben arbeiten, es wieder und wieder "neu gestalten", einfach weil sich die Bedingungen um uns herum dauernd ändern.
Man kann ja auch die Bedingungen ändern.

Übrigens ist es eine der bekannteren Kölschen Lebensweisheiten:
"Wer poppe will, muß fründlich sinn". :roll:

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pierre10
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Beitrag von pierre10 »

Eine Geschichte fand ich in meinen Notizen zu diesem Thema, ich würde sie nennen: Das fehlende Lachen in Venedig

Sie ist ein wenig lang, aber passt hier her.

Es muss 1982 gewesen sein, da ich in Venedig ein Erlebnis hatte, das zunächst ganz harmlos, später jedoch bedeutsamer wurde.

Es war Hochsommer, Anfang Juli, die Sonne schien auch abends noch warm, die Stadt war voller Menschen und der Markusplatz überlaufen von Touristen, die vom Strand kamen, sich die Füsse müde gelaufen hatten und nun in ihr Quartier zurück gingen. Zum Abendessen war es noch zu früh, so genoss ich die Stimmung von San Marco, sass wie so oft im Strassencafé und beobachtete die Menschen, die an mir vorbei gingen.

Irgendetwas aber war für mich an diesem Abend nicht richtig. Nach einigen überlegen und in mich hinein horchen fand ich den Grund: Bei den vielem Menschen, die ich sah, fand ich kaum ein freundliches Gesicht, nein, besser gesagt, ich fand kein Lächeln, keinen Ausdruck von Freude. Das war wie ein Schock, denn ich selbst befand mich ein einer Hochstimmung, an einem wundervollen Ort und dann umgeben von Menschen ohne Freude!

Was ist Freude? Als ich in diesem Café mich selbst mit dieser Frage konfrontierte, war ich erstaunt, dass ich mir noch nie wirklich Gedanken darüber machte. Sicher ist Freude eine Emotion, ein Gefühl, ein Empfinden, das wir immer dann haben, wenn wir uns wohl fühlen in uns selbst, in unserem Umfeld, im Beruf usw.

Warum also zeigten die Menschen auf diesem herrlichen Platz und an einem prachtvollen, heitern Abend keine Freude?

Warum sah ich auf den Gesichtern mehr Verdruss, Bitterkeit, Gleichgültigkeit und auch Langeweile?

Wo kommt Freude eigentlich her? Bin ich mit meiner Suche nach Freude, nach positivem Empfinden von Situationen, von anderen Menschen abhängig, die mir Freude bringen oder bereiten? Kann ich mir selbst Freude schaffen? Habe ich die Möglichkeit, vielleicht sogar die Aufgabe, mir selbst und anderen Freude zu bereiten?

Viele Antworten auf diese Fragen sind mir erst viel später gekommen, an diesem Abend war ich nur überrascht, dass mich diese unzufriedenen Menschen, die da am mir vorbei gingen, auf solch philosophische Gedanken brachten.

Nun aber war ich neugierig, gab es auf diesem Platz und unter diesen vielen Leuten wirklich niemand, der froh und glücklich war?

Auf einmal hörte ich Lachen! Es war fast obszön, in dieser Stimmung ein fröhliches Lachen zuhören. Ich reckte mich und versuchte, die "Quelle" dieser Fröhlichkeit zu finden.
Etwa ein Dutzend Tische weiter sah ich ein junges Paar, das sich fröhlich lachend unterhielt. Ich lehnte mich wieder zurück, die Welt war nun wieder in Ordnung, es gab also doch noch Freude auf diesem Platz.

Diese Geschichte könnte hier enden, wenn nicht meine Spontaneität wäre. Denn als ich weiterbummelte, kam ich an dem Tisch der "Lachenden Menschen" vorbei. Da stellte es sich heraus, dass es kein Paar, sondern 2 junge Frauen waren, die sich immer noch freundlich und lachend unterhielten

So konnte ich mich nicht zurückhalten und sagte:
"Sie scheinen die einzigen fröhlichen Menschen hier auf dem Markusplatz zu sein! Danke schön!"
und ging weiter. Ich nutzte diesen schönen Abend zu einem ausgiebigen Bummel durch die schmalen Gassen, voller Menschen, Läden, Geräuschen und Gerüchen. Diesmal konnte ich trockenen Fußes durch die Stadt, bei letzten Besuch war Venedig überschwemmt und ich konnte nur auf schmalen Stegen balancieren.
Denn diese Stadt wird mit schlimmer Regelmäßigkeit überschwemmt, immer dann, wenn der Ostwind die Wassermassen der Adria in die Bucht von Venedig drückt.

Langsam begannen die Läden zu schließen, ich wende mich wieder dem Markus-Platz zu um unter der Vielzahl der kleinen und größeren Restaurants mir eines zum Abendessen auszusuchen. Es sollte anders kommen, denn kaum auf dem Markusplatz zurück, auf dem es selbst kaum Restaurants gibt, kommen mir diese beiden „lächelnden“ Frauen entgegen.
" Sie hatten völlig recht, uns war nicht aufgefallen, wie wenig Menschen in dieser Stadt Freude ausstrahlen" sagte die eine der Beiden. "Erst nach Ihrer Bemerkung wurden wir aufmerksam und haben uns die gleichen Fragen gestellt wie Sie".

Die beiden waren so zwischen 28 und ca. 32 Jahre alt, die eine, mit ganz kurzen Haaren, Schweizerin aber in den USA lebend war eher schweigsam und hörte nur aufmerksam zu. Die andere, etwas älter, war Deutsche und arbeitete in einem medizinisch-technischen Beruf in einer Schweizer Klinik. Das alles erfuhr ich beim Essen, das wir in einem kleinen Restaurant gemeinsam einnahmen. Logisch, mir waren die Beiden aufgefallen, weil sie lachten und lustig waren, so wurde der Abend kurzweilig, beide erzählten aus ihrem Leben, von der großen Reise, die sie nach Griechenland und Italien führte und die nun bald zu Ende ging.

Gemeinsam ging es zurück zum Parkhaus, Adressen wurden getauscht, ich lud beide ein, meine Frau und mich im Elsass zu besuchen und bedankte mich für das Lachen und den unterhaltsamen Abend.

Wieder zuhause, erzählte ich von meinen Eindrücken und schilderte lebhaft diesen Abend in Venedig. Denn mir war so sehr bewusst geworden, wie wenig die Menschen sich freuen können, vor allem über einfache Dinge, die einfach da sind und nicht erst mühsam erworben werden müssen wie die Sonne, der herrliche Markusplatz, das gute Essen, ..........

Pierre
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Arlette
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von Arlette »

pierre10 hat geschrieben:Wir sollten versuchen, unser Verhalten anderen gegenüber so zu gestalten, dass das Miteinander am Beginn jeder Begegnung steht.
Freundlichkeit tut demjenigen gut, der sie ausübt, ebenso wie demjenigen, der sie empfängt. So einfach ist das. Kein Grund, sich über so einen guten Vorschlag aufzuregen.
Und warum muss man hinter jedem höflich-freundlichen Wort gleich aufgesetztes Verhalten wittern?

Wie wäre es denn im Umkehrschluss, wenn uns z.Bsp. die Leute, die in der Dienstleistung beschäftigt sind, anblaffen würden, uns weder begrüßen noch nach unseren Wünschen fragen würden? Da hätten wir wohl eher einen Anlass, uns zu beschweren....
Der Gütige ist frei, auch wenn er ein Sklave ist. Der Böse ist ein Sklave, auch wenn er ein König ist.
(Aurelius Augustinus)

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pierre10
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von pierre10 »

Arlette hat geschrieben:
pierre10 hat geschrieben:Wir sollten versuchen, unser Verhalten anderen gegenüber so zu gestalten, dass das Miteinander am Beginn jeder Begegnung steht.
Freundlichkeit tut demjenigen gut, der sie ausübt, ebenso wie demjenigen, der sie empfängt. So einfach ist das. Kein Grund, sich über so einen guten Vorschlag aufzuregen.
Und warum muss man hinter jedem höflich-freundlichen Wort gleich aufgesetztes Verhalten wittern?
Danke. Vielleicht können nur relativ starke Menschen anderen bedingungslos freundlich entgegen kommen. Mir scheint sicher, dass ich mich in solchen Momenten der Freundlichkeit auf eine gewisse Weise "entblöße", und genau das kann schwachen Charakteren Mühe machen.

Freundlichkeit ist so etwas wie das Gegenteil der Machtausübung.

Pierre, mal wieder nachdenklich (kommt scheinbar öfter vor ;) )
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Kurt
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von Kurt »

pierre10 hat geschrieben:Vielleicht können nur relativ starke Menschen anderen bedingungslos freundlich entgegen kommen. Mir scheint sicher, dass ich mich in solchen Momenten der Freundlichkeit auf eine gewisse Weise "entblöße", und genau das kann schwachen Charakteren Mühe machen.
... sagt Pierre mit einem "Lächeln"?
Freundlichkeit ist so etwas wie das Gegenteil der Machtausübung.
Manchmal ist sie auch identisch.

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pierre10
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von pierre10 »

Kurt hat geschrieben: Manchmal ist sie auch identisch.
Sicher nicht, eher das Gegenteil.

Pierre
Grenzen im Kopf sind sehr hinderlich

ad_hoc
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von ad_hoc »

Bewußte Freundlichkeit ist bewußte Manipulation. Wenn das keine Machtausübung ist..... ;)
Man darf halt "Macht" nicht grundsätzlich im negativen Sinn werten.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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pierre10
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von pierre10 »

ad_hoc hat geschrieben:Bewußte Freundlichkeit ist bewußte Manipulation. Wenn das keine Machtausübung ist..... ;)
Man darf halt "Macht" nicht grundsätzlich im negativen Sinn werten.

Gruß, ad_hoc
Da sind wir wieder bei den negativen Assoziationen. Warum muss Mensch immer wieder versuchen, in die Aussagen der anderen das wenig Gute hineinzulegen, zu suchen. Lieber ad_hoc, damit meine ich nicht Dich, sondern die Abfolge in dieser Diskussion, wie in vielen anderen. Das führt zu einem tiefen inneren Misstrauen, niemand glaubt wem auch immer.....

Pierre, lächelnd und nachdenklich
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ad_hoc
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von ad_hoc »

Deshalb zur Erläuterung:
Wenn wir anderen Menschen begegnen, manipulieren wir bereits; durch unser Aussehen, durch unsere Handlungen, durch unsere Worte.
Aus meiner Sicht ist Manipulation zunächst weder positiv noch negativ zu werten. Entsprechend der Handhabung und der Zielvorstellung entscheidet sich sichtbar erst im weiteren Verlauf, ob es sich um negative oder positive Manipulation handelt.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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pierre10
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Re: Das Zusammenleben neu gestalten

Beitrag von pierre10 »

ad_hoc hat geschrieben:Deshalb zur Erläuterung:
Wenn wir anderen Menschen begegnen, manipulieren wir bereits; durch unser Aussehen, durch unsere Handlungen, durch unsere Worte.
Aus meiner Sicht ist Manipulation zunächst weder positiv noch negativ zu werten. Entsprechend der Handhabung und der Zielvorstellung entscheidet sich sichtbar erst im weiteren Verlauf, ob es sich um negative oder positive Manipulation handelt.

Gruß, ad_hoc
Völlig richtig nach meinem Verständnis.

Pierre
Grenzen im Kopf sind sehr hinderlich

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