Feindbilder -

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Bob
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Beitrag von Bob »

Hier ein Gedankenaustausch mit einem Historiker, der sich ausgiebig mit meinem Kapitel "Im Namen Gottes" beschäftigen - und mir wirklich dabei helfen konnte, meine bis dahin vorhandenen Erkenntnisse überprüfen zu können:

Bob: "Mit diesem imperialen Anspruch (der katholischen Kirche), Macht über die 'Erdenscheibe' zu haben, entwickelte sich auch das Instrumentarium der manipulativen Sublimation, der geistigen Verdrängung, bis hin zur Verfälschung der Historie – obwohl es schon immer die 'Sieger' waren, die die Geschichte schrieben. Die erst Jahrzehnte nach dem Tod Jesu entstandenen Kolportagen der vier Evangelisten Lukas, Markus, Johannes und Matthäus – die Berichte anderer verschwanden vermutlich in den geheimen Archiven des Vatikans oder wurden vernichtet, wenn sie die 'Einheit der Kirche' gefährdeten – interpretierte man nun so, dass sie zum anmaßenden Selbstverständnis einer angeblich von Gott exklusiv legitimierten Kirche passten.

Ibn Khaldun: "Also zu allererst einmal: Die meisten christlichen Gelehrten hielten die Erde nicht für eine 'Scheibe', antikes Wissen wurde auch im europäischen Mittelalter rezipiert. Die 'Einheit der Kirche' ist auch etwas, was es so nie und gerade in der Antike nicht gab. Außer vielleicht noch in der Zeit des Frühchristentums, als dieses noch eine jüdische Sekte war - die heute nicht mehr als eine historische Randnotiz wäre, wenn sich nicht in ca. 1000 Jahren eine Weltreligion daraus entwickelt hätte.
Den Vatikan gab es damals noch nicht, bzw. es handelte sich beim Vatikan um einen römischen Friedhof, der später deshalb Bedeutung erlangte, weil hier Petrus beerdigt worden war. Das Christentum war zu dieser Zeit immer wieder mal eine verfolgte Religion, einige römische Kaiser verfolgten die Christen grundsätzlich, andere nur dann, wenn sie störend auffielen, und wieder andere ignorierten sie.

Was die apokryphen Evangelien angeht, so sind sie doch einigermaßen phantastisch bzw. gnostisch. Die Gnosis ist eine sehr schwierig zu verstehende religiöse Strömung aus Ägypten, die Elemente des Christentums zwar aufgriff, aber nicht aus dem Christentum entstanden war und auch keinen Einfluss auf die anderen christlichen Kirchen hatte.
Wichtig ist aber festzuhalten, dass die meisten christlichen Gruppierungen die vier Evangelisten, wie wir sie kennen, in ihre Vorstellungen integrierten. Die apokryphen Evangelien hatten große Bedeutung für die Christen - nur eben, dass sie nicht 'kanonisch' wurden. Viele Details, die heute ganz selbstverständlich sind, wie Ochs und Esel oder die Namen der Eltern der Jungfrau Maria, Joachim und Anna, wurden durch apokryphe Schriften überliefert und gehörten im Mittelalter zum kirchlichen Wissenskanon.

Bob: "Ein beispielhaftes Ergebnis solch verklärender wie nachhaltiger Manipulation ist die Apostelgeschichte des Lukas. Die berichtet, dass sich 'fünfzig Tage nach des Heilands Fahrt in den Himmel' alle Jünger in Jerusalem versammelt hätten. Dort 'goss GOTT seinen Heiligen Geist über ihnen aus', und 'es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer' - was viele der mehr oder weniger Anwesenden, wenn es denn die Wahrheit wäre, sehr beeindruckt haben muss: Gleichzeitig dreitausend Menschen seien an diesem Tag, dem heutigen Pfingsten, getauft worden.

Ibn Khaldun: "Die Art und Weise, wie das berichtet wird, ist natürlich ohne Frage eine für uns moderne Menschen unglaubwürdige - nichtsdestotrotz muss man diese Geschichte nicht gleich als 'phantastisch' abtun. Jesus hatte zu seinen Lebzeiten viele Zuhörer, Freunde und Bewunderer, eine Basis gab es also. Auch wenn nicht an einem einzigen Tag dreitausend Menschen getauft worden sind (das ist in der Tat ein wenig 'phantastisch'), so kann man doch festhalten, dass das Christentum sich besonders in den unteren Schichten verbreitete und es innerhalb weniger Jahre auch Gemeinden außerhalb des syrojudäischen Raums gab. Wenn Du also die 'dreitausend' einfach in 'sehr viele' übersetzt (die Möglichkeit der Zahlensymbolik wäre hier auch noch in Betracht zu ziehen) und den Tag etwas auflöst, dann steht dahinter nur der Fakt, dass das Christentum sich nach dem Schock von Jesu' Tod konstituierte und Zulauf bekam, sozusagen der Beginn der Weltreligion.
Aber natürlich ist die Geschichte hier hereingemogelt. Paulus ist noch immer Saulus, der Streit zwischen ihm und den Aposteln, die Jesus persönlich kannten, ob man das Christentum auch für die Heiden öffnen solle, ist zu diesem Zeitpunkt nicht einmal angedacht. Dass also die Apostel zu diesem Zeitpunkt sämtliche in Jerusalem Anwesenden in ihren jeweiligen Muttersprachen bekehrten, passt mit der Geschichte nicht überein ...

Bob: "Das Ergebnis diesbezüglicher Studien war (den Buchdruck gab es noch nicht in Europa) nur einer kleinen geistigen Elite zugänglich; siehe auch Stauferkönig Friedrich der Zweite. Und man war seitens der katholischen Kirche aus machtpolitischen Gründen daran interessiert, dass Wissen exklusiv und in den Stuben und Köpfen der Gelehrten blieb, nur der Kirche selber zur Verfügung stand. Warum sonst die Bekämpfung von Giordano Bruno und Galileo Galilei und anderen?

Ibn Khaldun: "Du siehst das zu sehr aus der wissens- und informationsgesellschaftlichen Perspektive, wo Wissen, bzw. Wissensvorsprung die Grundlage für Macht ist. Das lässt sich aber so nicht auf das Mittelalter übertragen. Da war praktisches Wissen nötig, Gelehrtenwissen eher nicht. Und Macht basierte auf Gewalt. Die Wissensgesellschaft ist eine Gesellschaft, die sich erst seit dem Aufkommen der Tagespresse um 1800, in Deutschland und Spanien sogar erst viel später gebildet hat.

Giordano Bruno und Galilei wurden nicht aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse getötet bzw. unter Hausarrest gestellt (zumal war Giordano Bruno Mönch!), sondern weil sie das Gottesbild der Kirche antasteten. Es ging hier nicht einfach um Macht (das sicher auch), sondern vor allem darum, die Menschen vor Irrlehren zu schützen:
Das irdische Leben war für den mittelalterlichen Menschen ein 'Jammertal'; der Tod weniger erschreckend als für uns heute - weil er Aussicht auf das 'Paradies' brachte. In das kamen aber nur die, welche der 'reinen Lehre' angehörten. Was aus heutiger Sicht also zu verurteilen ist, war aus damaliger heilsgeschichtlicher Sicht der Versuch von Schadensbegrenzung - denn wer nicht ins Paradies kam, hatte sozusagen umsonst gelebt. Die Mentalität des europäischen Mittelalters ist uns, wie Du vielleicht merkst, genauso fremd, wie die asiatischer Kulturen.
Auch um die 'Einheit der Kirche' war es selbst im europäischen Mittelalter nicht besonders gut gestellt. Der Papst in Rom war als Bischof von Rom nur einer unter vielen, der zwar als das Oberhaupt der katholischen Kirche anerkannt und in theologischen Fragen durchaus gehört wurde - in machtpolitischen Fragen aber machten die Bischöfe als Landesfürsten das, was ihnen persönlich und dynastisch [sic!] am besten in den Kram passte, auch gegen ihre Amtskollegen und 'sogar' gegen den Papst ... (Ende)


Dieser Gedankenaustausch mit einem Deutsch-Spanier, den ich hier "Ibn Khaldun" nenne, war für mich wirklich bereichernd. Denn er basierte auf einer Diskurs-Kultur, bei der "Pointierung" erlaubt war - um aus These und Antithese die Synthese entstehen zu lassen. Khaldun wurde mein Freund - weil wir uns gegenseitig respektieren, trotz aller Unterschiede, auf welchem Weg wir uns der "Wahrheit" zu nähern versuchen: ich mehr "dialektisch", und er mit der akademischen Disziplin des Historikers ... :ja:
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Bob
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Beitrag von Bob »

Peti schrieb: "Bob, jetzt bin ich enttäuscht von dir. Aus einem Forum kann man sich doch kein Bild über die ganze Kirche machen. Alle weltanschaulichen Foren haben eine Tendenz zu Extrempositionen, und auch kontemplative Klöster alleine sind nicht die ganze Kirche. Schau in eine Gemeinde, in charitative Einrichtungen und sprich mit den Menschen: Du wirst weniger Vorurteile und Fundamentalismus finden, als du glaubst ...

Bob: Das mag stimmen - und es ist grundsätzlich kein Problem für mich, wenn ich meine Positionierungen als "Momentaufnahme" zu relativieren habe. Denn genau das ist mein Verständnis von "Aufklärung": die permanente und (auch selbst-)kritische Hinterfragung ...
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Bob
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Beitrag von Bob »

Linus hat geschrieben:
Bob hat geschrieben:Naja, mein lieber Linus - als (hoffentlich! :mrgreen: ) leiblicher Vater der "Erz(b)engel"-Söhne Michael und Gabriel scheinst du wenigstens noch nicht ganz deinen restlichen Humor verloren zu haben.
Da weißt du mehr als ich - ich weiß weder, daß ich Kinder bisher gezeugt, noch daß meine Frau welche geboren hätte, du verwechselst da was (wenn ich "Familie" schreibe, meine ich Großfamilie - mit Eltern, Bruder, Schwester, Schwager, Schwägerin samt deren Kinder.)
während deine pseudolässige und aufgesetzte Pose (ich weiß natürlich nicht, ob du das bist), mit der du per Avatar kokettierst, mich eher an einen zynisch, arroganten Sektenführer aus den Staaten, womöglich einen "wiedergeborenen" Pseudo-Christen a la Bush erinnert ...
1. Das bin nicht ich.
2. Das ist Rolf Palfrader vulgo Robert Heinrich I. von Österreich (ORF1 "Wir sind Kaiser")
3. Ich kokettier maximal mit der Idee einer Gott gegebenen Monarchie. 90 Jahre Interregnum sind genug! :mrgreen:
Bez. eigener Söhne (Erz(b)engel Gabriel und Michael, wie du mal schriebst) habe ich dich wohl tatsächlich missverstanden - sorry!

Bez. deines Avatars: Ich hatte deinen und den des Pierre pointiert gegenübergestellt - und inwieweit du dich mit deinem Avatar selber identifizierst, kann ich selbstverständlich nicht genau beurteilen; in einem auf das Medium Sprache reduzierten Forum kann es wohl per se immer zu Missverständnissen kommen, die im "real life" so nicht passieren würden. Im Übrigen gefällt es mir ganz gut, wie pointiert auch du deine Positionierungen interpretierst ...

Womit ich keinesfalls einverstanden bin, sind Versuche, den mir sehr sympathischen Pierre zu diffamieren - nicht von dir, aber von anderen. Da bin ich "Partei" - denn für mich ist es selbstverständlich, einen 76-jährigen Menschen zu respektieren. Und wenn dieser dann noch Humor hat, umso lieber - ich vermute mal, dass Pierre meine in den Thread "Wie frei ist ist der Mensch?" reingestellte Geschichte "Sara auf dem Esel" sehr gut verstanden - und darüber gelächelt hat. Das freut mich; mehr darf ich von niemandem erwarten ... :)
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the man who wasn`t there
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Beitrag von the man who wasn`t there »

Bob, bitte hinterfrag dich mal einen Moment selbst, was du eigentlich in diesem Forum diskutieren willst. Das Katholiken alle kleinkarrierte Idioten sind, die nur ihren Katholizismus kennen? Und nicht etwas wie du die weite Welt bereist haben?

Selbst wenn das stimmen würde, liefe das nur auf den Versuch hinaus dich hier zu produzieren. Da finde ich es in dem Zusammenhang auch nicht sonderlich hilfreich, wenn du hier Auszüge aus deinem Buch propagierst. Sowas macht man eigentlich nicht in Foren - in den meisten Foren ist das eigene Produktmarketing sogar ausdrücklich nicht erwünscht.

Der ganze Thread sieht jetzt so aus: Erst bist du ausgenommen höflich, wünscht den teilnehmenden Diskutanten auch noch Gottes Segen, um sie bei der Stange zu halten. Doch mit zunehmendem Verlauf wirst du immer aggressiver und beginnst mit Rundumschlägen gegen die gesamte Gemeinde, weil du trotz toleranter Aufgeklärtheit, einfach einen grundsätzlich katholischen Hintergrund nicht mal in diesem Forum akzeptieren willst. Es ist für mich wirklich sehr schwer darin etwas anderes zu sehen als den Wunsch danach Aufmerksamkeit zu erheischen, seine Ego zu befriedigen, Selbstdarstellung zu betreiben.

Wenn du so allumfassend, "allgebildet" über Feindbilder diskutieren willst, wäre dann nicht ein reines Philosophie-Forum wesentlich besser für dich geeignet?

Und eine ehrliche Wertung verkneife ich mir an dieser Stelle auch nicht: Was du den "engstirnigen" Katholiken entgegen hältst ist eine x-beliebige Wischiwaschi-Esotherik. Was du über das Leben, die Evolution etc. schreibst, ist völlig unbeleckt jeder wissenschaftlichen Lektüre. Das alles geht so in Richtung wellness-Spiritualität für gestresste Wochendendsinnsucher. Entschuldige, mir war aber grade nicht danach zu beschönigen.

Bob
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Beitrag von Bob »

Und wie geht's Ihnen sonst, lieber "the man who wasn`t there"? 8)

OH, SISTER, AM I NOT A BROTHER TO YOU
AND ONE DESERVING OF AFFEKTION?
AND IS OUR PURPOSE NOT THE SAME ON THIS EARTH?
TO LOVE AND FOLLOW HIS DIRECTION.

Bob Dylan :)




PS: Abgesehen davon, dass mein Roman noch nicht gedruckt ist, vermute ich hier in diesem Forum keinesfalls die potenzielle Käuferschaft, für die ich Promotion machen würde; "meine" Zielgruppe ist völlig anders konditioniert. Doch warum sollte ich NICHT aus dem Kapitel "Im Namen Gottes" zitieren dürfen? Meine Webseite bzw. Links dorthin werde ich hier NIE reinstellen ... 8)
Zuletzt geändert von Bob am Freitag 16. Mai 2008, 15:49, insgesamt 3-mal geändert.
"Religions have promised many roses - but you end up with only thorns." (U. G. Krishnamurti)

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Edi
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Beitrag von Edi »

the man who wasn`t there hat geschrieben:Selbst wenn das stimmen würde, liefe das nur auf den Versuch hinaus dich hier zu produzieren.
Er produziert sich doch die ganze Zeit hier. Manche merken das selber ja schon gar nicht mehr. Sein Gesinnungsgenosse Pierre wohl ebenso wenig.
Auf derart lose und oberflächliche Aussagen kann man gerne verzichten, erst recht in einem christlichen Forum.

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Peti
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Beitrag von Peti »

Bob hat geschrieben:Hier ein Gedankenaustausch mit einem Historiker, der sich ausgiebig mit meinem Kapitel "Im Namen Gottes" beschäftigen
ademischen Disziplin des Historikers ... :ja:

Mit "einem Historiker",dessen Meinung sicher diskusionswürdig ist kann man schlecht allgemeingültige Aussagen machen.(Genau so wenig wie mit einem Psychologen, Philosophen oder Theologen)
Ich glaub, da muss man sich mehr Mühe geben, Standartwerke lesen,die aktuelle Diskussion in einer Wissenschaft verfolgen.
In der Theologie könnte man massgeliche kirchliche Dokumente studieren:Z.B. die Enzyklika "Deus Caritas est" von Papst Benedikt XVI.
Aber die meisten Kirchenkritiker tun das nicht,sondern gebrauchen oft nur Schlagwörter daraus.

Stirner
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Beitrag von Stirner »

ad_hoc hat geschrieben:
Stirner hat geschrieben:
Es gibt eben verschiedenen Religionen, Philosophien, wissenschaftliche Zugänge und Erkenntniswege über das Wesen der Welt und womöglich des transzendentalen. Diese Feststellung ist doch banal und ich dachte man dürfte sie hier voraussetzen. Wenn ich mich mit jemandem im Gespräch befinde, der offensichtlich einen anderen Hintergrund hat als ich, macht es doch wenig Sinn ihn über das “offensichtlich andere” zu outen, zu brandmarken und für zu leicht zu befinden, nur weil er andere Zugänge zum Wesen der Sachen pflegt als man selbst?!!?
Warum bist Du dann nicht auf einem rein humanistischen und weltanschaulichen Forum? Willst Du hier überzeugen oder überzeugt werden und bist enttäuscht darüber, dass beides wohl nicht so verläuft, wie Du es Dir in Deinen Vorstellungen erträumt hast?
Hättest du meine Beiträge wirklich gelesen dann bräuchtest du diese Frage wohl nicht stellen.

Mir geht es weder um das missionieren, noch will ich selbst missioniert werden, sondern um ein Miteinander in einer enger werden Welt, die eben nicht mehr nach alten Abgrenzungsschemata ein zu teilen ist.

Hier bleibt zwar vielleicht - in der “virtuellen Welt organisierter Foren” - schön jeder in seiner Selbstbestbeweihräucherungsecke. Innerhalb “globalisierter Gesellschaften” atmen wir aber die gleiche Luft und die Freiheit des einen hört da auf, wo der andere Räume besetzt und Regeln definiert. Deine Kirche bleibt nicht im “inner circle“, in dem was sie der Welt aufdrückt, zum Guten wie zum Schlechten und da geht es dann eben nicht darum ob deine Wahrheit die richtigere ist.

Warum aber darf diese andere Welt nicht kommentieren und erfragen was ihr offensiv in selbige tragt?

Das fängt bei Erziehungsfragen an (siehe Spanien und Geschlechtertrennung in den Schulen) und hört bei religiös, fundamentalistischen Kriegsbegründungen, wie argumentativen Busch Bezügen, zum führen von “Glaubenskriegen” auf.

Auch das ist "Wirkung" von Wahrheiten, vor allem aber die Auslegung derselben in gesellschaftlich, kulturelle Kontexte und Konflikte. Da die jeweilige Auslegung aber immer einem Wandel unterworfen war historisch, sich Paradigmen auch verschoben haben und geändert, innerhalb deiner Kirche (siehe Zölibat und Päpste die selbst Kinder von anderen Päpsten und Priestern waren auch nach dem Edikt), also auch offensichtliche Widersprüche im angeblich doch "so Absoluten" bestehen, warum ist das von außen und von "den auch Betroffenen" dann nicht diskursiv zu erfragen bitte?

Mir geht es völlig konkret und ohne jedes Geschwafel um die Frage eines vielleicht vermeidbaren “clash of religions and culture” und du antwortest eben auf deine Weise, indem du dich jeder denkbaren Antwort schon verweigerst.

Wenn es nicht möglich ist sich über diese Räume und Freiheiten innerhalb des identen Lebensraums aus zu tauschen und vielleicht Zugeständnisse zu machen, auch jenseits der eigenen absoluten Überzeugungen, ist es tatsächlich eine finale Konfrontation im “Endsiegdiskurs”, dann kann es auch kein Miteinander geben.

Im übrigen ist deine Frage an mich und die Forenwahl schon deshalb in sich absurd, weil dieses Forum laut seinen nachlesbaren Regeln und Selbstauskünften Leute anderer Geisteshaltungen und Glaubens einlädt sich am Gespräch zu beteiligen. Eben das Gespräch kann aber nicht unter der Prämisse geführt werden, dass eben diese Leute erst einmal konvertieren und DEINE Perspektive annehmen, als Grundlage dessen was sie äußern.

Du proklamierst hier die “Geschlossene Gesellschaft”, weil es keine Schnittmengen geben kann. Das Gespräch ist damit tatsächlich absurd, versuch es aber nicht mir “in die Schuhe zu schieben“ bitte.

ad_hoc hat geschrieben: Stirner hat geschrieben:
Ihr knüppelt jede Frage nach gemeinsamen Schnittmengen und “worauf man sich denn vielleicht einigen könnte?” mit absoluten Wahrheiten nieder….
Du willst es nicht begreifen, was?
Ist es für Dich so unvorstellbar, dass es Fragen nach gemeinsamen Schnittmengen gibt und "worauf man sich denn vielleicht einigen könnte", die gar nicht beantwortet werden können, weil es weder Schnittstellen oder Einigungsmöglichkeiten aufgrund der unterschiedlichen Inhalte und Gewichtungen gar nicht geben kann?
In was für einer Vorstellungswelt lebst Du eigentlich, dass Du annimmst, man könne grundsätzlich über alles reden und eine für beide Seiten akzeptable Einigung unter Aufgabe bzw. Verzicht bestimmter Positionen erzielen?
In der Tat will ich das nicht begreifen so …

Ich frage nach “miteinender leben können” und “Grenzen einhalten und abstecken” und begründe die Notwendigkeit dazu mit den konkreten Eingriffen der Kirchen in das Zusammenleben ALLER und deine Antwort ist - “Darüber könne man nicht reden weil nur wir die absolute Wahrheit haben und die nicht verhandelbar sei (obschon die hier auch gar keiner verhandeln will)!” Damit vielleicht sogar - diese mit allen Mitteln und in der Konfrontation durchsetzen zu müssen? Du bist gefährlich für alle die nicht mit dir sind in deiner Sache.

Es gibt nur eben trotzdem eine Differenz in der Unteilbarkeit des Glaubens und seiner Ansprüche einerseits und der Teilbarkeit von Lebensraum in dem nicht alle eines Glaubens sind andererseits …

Eine Einigung liegt nicht im “Verbiegen” deines Glaubens, sondern in der Anerkennung anderer Geisteshaltungen und dem Entscheid denen auch aus deiner Perspektive “Raum zum Leben” zu - zu gestehen. Eben dies scheinst du grundsätzlich nicht zu wollen und zu können und damit definierst du pauschal als “natürliche Feinde” auch alle diejenigen die von dir nichts anders Wollen als die Freiheit sie selbst zu sein. Das wäre ein Ansatz zur Definition einer Faschismusgenese den du da vorlebst.

Stirner
Zuletzt geändert von Stirner am Freitag 16. Mai 2008, 15:51, insgesamt 3-mal geändert.

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incarnata
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Beitrag von incarnata »

Linus hat geschrieben:
Stirner hat geschrieben:...absoluten Wahrheiten
...
unqualifiziert zu erachten - man weiß ja schließlich ALLE Erkenntnisprozesse außer den eigenen sind des Teufels …
...
weil ich nicht diesen Glaubens bin hätte ich nie als KO Kriterium für einen Dialog gehalten.
...
Wahrheit hat nunmal als Eigenschaft daß sie absolut ist - relative Warheiten sind eben keine Wahrheiten, nur Mutmaßungen - daß ist die Mindestschnittmenge für Dialog, dden du offenbar nicht zu teilen imstande bist.

Es wär schön, wenn jegliche Erkenntnis von Gott stammte, allerdings fehle ich so oft, daß ich wieder und wieder bichten muß - soviel zu "meine (und nur die) Erkenntnis ist richtig"
Da liegt der Hase im Pfeffer bei allen Diskussionen mit Menschen,die nicht an die Exsistenz einer absoluten Wahrheit glauben:
Für uns Christen ist die absolute Wahrheit exsistent in der Person Jesu Christi,der ja von sich gesagt hat: ich bin der Weg,die Wahrheit und das Leben.
Das heisst natürlich nicht daß wir als Menschen in der Diskussion mit anderen
um Fragen,die wir mit Hilfe unserer beschränkten menschlichen Erkenntnis
zu bewältigen suchen automatisch im Recht sind-hier geht es immer um das Finden von Kompromissen.Aber in den grundsätzlichen Glaubensfragen
müssen wir kompromisslos sein-ohne Andersgläubigen deshalb ihre Würde
als Menschen und ihre Fähigkeit zur Erkenntnis Gottes aus den Teilen der Fülle,die auch ihnen in ihren Religionen offenbart wurden abzusprechen.Wir
glauben aber,daß uns die ganze Fülle offenbart wurde-die auch uns allerdings auf Grund unserer Sündhaftigkeit erst nach unserem Tode völlig aufgehen
wird.Daß wir und auch die Gläubigen anderer Religionen diese Chance der Erlösung erhalten,dazu ist Gott Mensch geworden und hat das Kreuzesopfer vollbracht.Es irrt der Mensch solang er strebt-aber deshalb sind doch vom Standpunkt des Glaubenden aus nicht alle Glaubensaussagen gleich wert.
Der politisch korrekte Relativismus hindert die Menschen letztlich den Sprung
in das volle Licht des Glaubens zu tun:das ist das Problem unserer kulturell
und wissenswässig so vernetzten Zeit.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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pierre10
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Beitrag von pierre10 »

@stirner

Ja mein Lieber so ist es nun einmal. Nimm eine entsprechende Menge Menschen, Du wirst darunter einige finden, mit denen ein Dialog machbar ist, und viele, die im Strom mitschwimmen und wiederholen, was sie hörten.

Kreative Ideen sind den Mitschwimmern ein Greuel.

Liebe Gedanken

Pierre
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Bob
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Beitrag von Bob »

Peti hat geschrieben:
Bob hat geschrieben:Hier ein Gedankenaustausch mit einem Historiker, der sich ausgiebig mit meinem Kapitel "Im Namen Gottes" beschäftigte - mit der akademischen Disziplin des Historikers ... :ja:

Mit "einem Historiker", dessen Meinung sicher diskussionswürdig ist, kann man schlecht allgemeingültige Aussagen machen - genauso wenig wie mit einem Psychologen, Philosophen oder Theologen.
Ich glaub', da muss man sich mehr Mühe geben, Standardwerke lesen, die aktuelle Diskussion in einer Wissenschaft verfolgen.
In der Theologie könnte man massgeliche kirchliche Dokumente studieren: z.B. die Enzyklika "Deus Caritas est" von Papst Benedikt XVI. Aber die meisten Kirchenkritiker tun das nicht, sondern gebrauchen oft nur Schlagwörter daraus.
Lieber Peti - woraus schließt du, dass ich oder mein Historiker-Freund "Ibn Khaldun" allgemeingültige Aussagen machen wollen? Denke (wenn du willst!) doch einfach mal darüber nach, wie ich "Aufklärung" verstehe - deren Primat, die permanente Hinterfragung des Bestehenden und deren Ergebnis, immer nur als temporär gültige "Momentaufnahme" zu verstehen ist. Und das ist eben das Gegenteil einer "alleinseligmachenden" und auf immer gültigen "Wahrheit" - der man sich schon von ihrem Wesen her nur "annähern" kann ...
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Stirner
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Beitrag von Stirner »

Pierre hat geschrieben:@stirner

Ja mein Lieber so ist es nun einmal. Nimm eine entsprechende Menge Menschen, Du wirst darunter einige finden, mit denen ein Dialog machbar ist, und viele, die im Strom mitschwimmen und wiederholen, was sie hörten.

Kreative Ideen sind den Mitschwimmern ein Greuel.

Liebe Gedanken

Pierre
Lieber Pierre,

Danke für die freundlichen Worte. Das hat einfach gut getan gerade ... ;-)

Auch dir einen warmen Gruß,

Stirner

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Edi
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Beitrag von Edi »

Pierre hat geschrieben:@stirner

Ja mein Lieber so ist es nun einmal. Nimm eine entsprechende Menge Menschen, Du wirst darunter einige finden, mit denen ein Dialog machbar ist, und viele, die im Strom mitschwimmen und wiederholen, was sie hörten.

Kreative Ideen sind den Mitschwimmern ein Greuel.
Manche quaken den Unfug nach, den andere über die Kirche und Gott schreiben und meinen das sei kreativ. Ja für einige ist auch das Rühren in der Gülle schon kreativ und was ist es denn, was wir hier immer wieder zu lesen bekommen? Nicht die Kritik an der Kirche z.B. ist das Problem, wo diese berechtigt ist (oft beruht sie aber nur aus Vorurteilen und geschichtlichen Unkenntnissen oder auch bewusster Fehldarstellungen), sondern die schäbige Gesinnung, die viele Kritiker oft genug auszeichnet, die meinen besser zu sein. Soviel zu "kreativen" Ideen.

Wer andere als reine Nachplapperer bezeichnet, soll zusehen, ob er nicht auch nur nachplappert, was ihm der eigene Ungeist einflüstert. Auf dem Gebiet gibt es auch keinen Altersvorteil.

Kirche ist im Idealfall, den wir natürlich wegen der menschlichen Fehler und Schwächen nie haben werden, geistgesteuert, also kreativ im wahrsten Sinne des Wortes, aber das können nur jene verstehen, die sich nicht von andern Kräften behindern lassen.

Aber das war jetzt schon zuviel gesagt, du mit deiner selbstgemachten Beschränkheit, wirst das nie verstehen und meinst alle Leute seien so beschränkt wie du es selber bist.
Mit solchen Leuten ist wahrhaft keine furchtbare Diskussion möglich.
Das beweist du hier am laufenden Band.
Zuletzt geändert von Edi am Freitag 16. Mai 2008, 16:14, insgesamt 3-mal geändert.

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pierre10
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Beitrag von pierre10 »

Nach dem ich so einiges in diesem Thread gelesen habe kann ich nur den Kopf schütteln über die vielen Feindbilder.

Warum gibt es einige, die unverdrossen auf denen herumknüppeln, die eine etwas andere (vielleicht feindliche) Ansicht haben?
Würden alle in diesem Forum mit der gleichen Denkweise schreiben, wäre es ganz schön langweilig.

Warum aber können einige, ich will hier keine Nicks nennen, nicht so verständnisvoll sein, die andere Meinung zumindest stehen zu lassen, sie schon kommentieren aber nicht in Grund und Boden verdammen?

Meine Frau stellte heute die Frage, warum ich mich in diesen Foren betätige?

Ganz einfach, hier habe ich im Gegensatz zu anderen banaleren Foren einige wenige Menschen getroffen, mit denen es sich für mich lohnt, Gespräche zu führen. Ich bin auf Grund von Alter und Behinderung nicht mehr so reisefähig wie früher, so kommen mir solche Gespräche sehr gelegen.

Dass ich einigen aus Prinzip nicht mehr antworte, liegt an deren für mich unqualifizierter Angriffslust, alles was anders ist zu verurteilen.

So habe ich bei der Lektüre dieser Seiten oft gelächelt und mir gesagt: Ah so.

Liebe Gedanken an alle, die nicht ganz so eng in ihrer Denkweise sind.

Pierre
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Bob
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Beitrag von Bob »

Das Komische hier ist, dass einige anzunehmen scheinen, man wolle sie "missionieren" - anstatt einen unter wirklich erwachsenen und souveränen Menschen ganz normalen Gedankenaustausch anzustreben, in den jeder nur das Seine einbringen kann ...

Darum zur Klarstellung:

Ich bin NICHT die katholische Kirche! :D Und ich möchte ebenso wenig missioniert werden, wie ich es mit anderen versuchen würde! 8)

Es überrascht mich jedoch, wie viele hier mitlesen ... :huhu: ... offenbar ist das Thema "Feindbilder" sehr aktuell ... :ikb_bash:
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the man who wasn`t there
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Beitrag von the man who wasn`t there »

Bob hat geschrieben: Und das ist eben das Gegenteil einer "alleinseligmachenden" und auf immer gültigen "Wahrheit" - der man sich schon von ihrem Wesen her nur "annähern" kann ...
Ja, richtig. Aber was willst du denn dann diskutieren, wenn du das begriffen hast?

In der christlichen Lehre geht es eben nicht um den Grad der Aufgeklärtheit des Einzelnen, um Wissen, um Intellekt, um Titel. (Es hat allerdings auch niemand etwas dagegen). Ist doch auch klar, denn auch ein ungebildeter Mensch sollte ja irgendwie die Gelegenheit haben mit Gott ins Reine zu kommen. Selbst das unglückliche an Aids erkrankte Mädchen in Afrika, daß noch nie eine Bibel gesehen hat und weder lesen noch schreiben kann, ist ein Kind Gottes und bedarf keinerlei Bildung um den Weg zu finden. Das ist ja das Geniale :freude:

Daneben kann jeder Christ sich aber gerne bilden, bis ihm der Kopf über läuft. Und in allen weltlichen Dingen ist es uns allen tatsächlich oft angenehmer, wenn jemand gebildet ist und von einer Sache etwas versteht. Das schließt sich doch nicht aus.

Warum glaubst du heißt es christlicher GLAUBE, hmm? Und nicht etwa christliche Wissenschaft, christliche Philosophie etc? Weil offensichtlich auch der gebildetste Mensch auch nur an Gott glauben kann. Glauben ohne weltliches Wissen.

Wenn du diese beiden Dinge nicht auseinander gepfriemelt bekommst, wirst du immer der Versuchung unterliegen, Gott, den Christen oder der Bibel irgendwo "nachzuweisen" das sie irren.

Soweit ich Gott überhaupt verstanden habe (und ich habe ihn sicherlich so gut wie überhaupt nicht verstanden, ich vertraue ihm einfach - Punkt) ist es Gott ziemlich naheliegend relativ egal was ich weiß oder auch nicht weiß.

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Edi
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Beitrag von Edi »

the man who wasn`t there hat geschrieben: Warum glaubst du heißt es christlicher GLAUBE, hmm? Und nicht etwa christliche Wissenschaft, christliche Philosophie etc? Weil offensichtlich auch der gebildetste Mensch auch nur an Gott glauben kann. Glauben ohne weltliches Wissen.
Der christliche Glaube wird doch hier mindestens von einem gewissen Pierre, der lange genug im Forum schreibt und dessen Ansichten zu dem Thema daher wohlbekannt sind, als etwas angesehen, was nur Leute akzeptieren, die in dieser Beziehung doof, rückständig und unselbstständig sind und selber nichts reflektieren, sondern nachplappern, was irgendein Kirchenoberer wie der Papst oder wer auch immer ihnen vorsagen.
Was Bob und ähnliche hier mitteilen, habe ich so genau gar nicht gelesen, weil für es für mich nicht sonderlich interessant ist und am eigentlich Spirituellen vorbeigeht.

Der echte Glaube besteht aber aus eigenen Erfahrungen mit Jesus Christus und dabei kann und soll die Kirche auch nur dahingehend wirken, dass der Einzelne diese Erfahrung selber macht und machen kann. Glaube ist Gottbeziehung und keinesfalls ein Nachplappern dessen, was andere vorgeben. Wer aber an Christus glaubt, der wird sehen, dass die Kirche in ihren Grundaussagen recht hat. Der leere Glaube - die Bibel spricht von einem toten Glauben - nützt aber nichts und wer den mit dem echten Glauben verwechselt, der blickt eben nichts. Wie aber will einer das blicken, wenn er selber nie vom Gottes Geist berührt war? Es ist doch wie wenn ein Wurm, der im Dunkel der Erde haust, über die Schönheit des Adlerflugs etwas sagen wollte. Darum heraus aus eurem Sündenpfuhl, dann erst könnt ihr mitreden!

Dass es solche Nachplapper auch gibt, ist richtig, aber das ist nicht der Sinn des Glaubens, sondern selber aus Gottes Geist zu schöpfen. Hier wird also etwas völlig durcheinandergebracht, wenn es anders behauptet wird. Dass manche Christen, die eher im Anfangsstadium sind, auch Vorgaben brauchen, bis sie mal reifer geworden sind, ist keine Frage.

Stirner
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Beitrag von Stirner »

Gestattet mir einen kleinen Ausflug entlang eines erst einmal nicht zugehörigen Beispieles, zur Klärung der Grundlage „des Vermittelbaren„, auch über Grenzen verschiedener Anschauungen.

Mir geht es um Regeln für ein Zusammenleben von Kirche und andersorientierten aber laut Aussage einige Mitschreiber kann man diese Regeln nicht von anderen Grundlagen aus beleuchten und alles geht letztlich auf die immer eindeutige Frage der „einzigen Wahrheit“ zurück in der Auslegung.

Daher möchte ich einen kurzen Exkurs als unbeteiligter unternehmen in das Kircheninterne und hoffe ihr könnt mir das einmal an einem solchen Beispiel herleiten, welches nicht einmal die „Andersgläubigen“ braucht, in der Abgrenzung aber eben doch ein konkretes Miteinander verbindlich regelt. Das Zölibat …

Wenn doch alles was ihr glaubt und was euerer Kirche als Doktrin entspringt „indiskutabel“ ist im Sinne von - nur auf der Grundlage des Glaubens selbst verständlich und dann immer eineindeutig, wie hier ad_hoc und Raphael, sowie Linus es gerne darstellen - wie kann man auf dieser, eurer ureigenen Grundlage folgenden formalen Widerspruch erklären …?

Jesus hat doch verheiratete Männer zu Aposteln berufen, wenn ich nicht irre. Damit waren also die ersten Priester- Equivalente nicht „zölibatär“ und meines Wissens gab es auch keinen eindeutigen "Auftrag" dies zu werden.

Papst Johannes Paulus II hatte dutzenden von Evangelischen Pfarrern ermöglicht zu konvertieren und Katholische Seelsorger zu werden, ohne das diese dafür das Zölibat annehmen mussten.

Eingeführt wurde selbiges auch erst durch Papst Innozenz II im Jahre 1139 und es spielten dabei wohl auch Erbrecht und kirchliche Eigentumsansprüche ein Rolle in der Begründung. Zu einer Zeit als weltliche Macht und kirchlicher Einfluss in der Welt direkt konkurrierten und es viele gegenseitige Versuche der Unterwanderung und Kontrolle gab - Stichwort Laieninvestitur ...

Kirchenhistorisch ist es dann noch uneindeutiger. Hier einmal ein paar Päpste die selbst Söhne von anderen Päpsten waren:

931-935 Papst Johannes XI; Sohn von Papst Sergius III.
536-537 Papst St. Silverus ; Sohn von Papst St. Homidas
401-417 Papst St. Innozenz I; Sohn von Papst Anastasius I.

Dann gab es viele Päpste die als Söhne von Bischöfen oder von anderen Priestern (nach deren Weihe) gezeugt wurden. Im Sinne der Kirche und Lehre ergibt sich hier nun doch ein offensichtlicher Konflikt - waren diese Päpste denn „schlecht“, ihr Vorleben falsch, wie geht das mit den Absolutheitsansprüchen zusammen oder mit der Kernaussage des ersten Vatikanischen Konzils?

Päpste die nach dem Edikt von 1139 uneheliche Kinder zeugten

1484-1492 Papst Innozenz VIII - mehrere Kinder
1492-1503 Papst Alexander VI - mehrere Kinder
1503-1513 Papst Julius - 3 Töchter
1534-1549 Papst Paul III - 3 Söhne, 1 Tochter
1559-1565 Papst Pius IV. 3 Söhne
1572-1585 Papst Gregor XIII. 1 Sohn

Daraus könnte man zumindest schlüssig folgern, dass es eine Differenz zwischen der Idee des Zölibats und der Realität gibt, ebenso wie unterschiedliche Lösungen, die zumindest intern praktiziert wurden. Auch im Sinne der inneren Glaubwürdigkeit einer Kirche, die sich ja ohnehin im zunehmend kritischen Licht einer eher „ungläubigen“ Öffentlichkeit sehen muss scheint diese Punkt also spannend. Auch sind diese Päpste teilweise Selig gesprochen worden meines Wissens, man kann sie also doch nicht als „nicht konform“ betrachten, trotzdem steht das Zölibat aber auch nicht infrage, es scheint auch „heiliger Bestandteil absoluter Wahrheit“, seltsam.

Wie ist es also mit dem als absolut postulierten Unmöglichkeit Fragen zu stellen vor anderem Hintergrund, wenn doch selbst simple Regeln für das eigene Zusammenleben schon offenbar „wandlungsfähig“ und kontrovers sind? Wirklich kein innerer Widerspruch möglich im Absoluten Raum eurer Überzeugungen und kein Gespräch über verschiedene Auslegungen eurer Wahrheiten im konkreten Miteinander?

Ich mag es irgendwie nicht recht glauben, ganz eng entlang des Vorlebens der Kirche selbst!

Stirner

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Edi
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Beitrag von Edi »

Stirner hat geschrieben:Jesus hat doch verheiratete Männer zu Aposteln berufen, wenn ich nicht irre. Damit waren also die ersten Priester- Equivalente nicht „zölibatär“ und meines Wissens gab es auch keinen eindeutigen "Auftrag" dies zu werden.
Der Zölibat ist Kirchengebot geworden für Priester, aber nur in der lat. Kirche. Gottesgebot ist er nicht. In der hlg. Schrift in Matth. 19 sagt Jesus zu dem Thema einiges. Kann man nachlesen. Die orthodoxe Kirche hat den Zölibat für Priester nicht, nur für Bischöfe.

Man sollte also zwischen Kirchengebot und Gottesgebot unterscheiden können. Jesus hat nichts gegen den Zölibat gehabt, eher hat er ihn empfohlen, aber für die Apostel nicht unbedingt verlangt. Zölibatär lebten viele Priester in der Frühgeschichte der Kirche.

Die Kirche weiss sehr wohl selber, dass der Zölibat Kirchendisziplin ist, und nicht Gottes unmittelbar zwingendes Gebot und man ihn daher wieder abschaffen könnte, so man es wollte.

Ohne Glaube ist weder der Zölibat noch die Ehe für Priester das Richtige. Beides kann Versuchungen bringen wie wir wissen. Ich weiss nicht, warum man dieses Thema immer wieder neu zur Sprache bringt. Theologisch sind die Dinge ja klar. Es hilft auch nichts, wenn man ewig in der Vergangenheit der Kirche herumwühlt und da sicher manches findet, was zu kritisieren ist. Es ist nicht mehr änderbar.
Gott fragt den Menschen eines Tages nicht danach wie der eine oder andere Kirchenobere gelebt hat, sondern er fragt jeden von uns wie wir gelebt haben. Jeder muss sich selber vor Gott verantworten und die Kirchenoberen ebenso. Also, was hat man von einer Kirchenkritik, vor allen wenn es sich um lang vergangene Zeiten handelt? Oder will jemand hier noch die Knochen von Adam und Eva ausgraben und diese zerschlagen?

Stirner
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Beitrag von Stirner »

@Edi

Grundsätzlich interessiert mich dieses Thema auch nicht und was die Kirche mit der Kirche und ihren Gläubigen tut ist mir zunächst völlig egal. Warum ich dieses Thema hier (Beispielhaft) einbrachte habe ich hingegen exakt begründet.

Nach den anderen Kommentatoren hier, gibt es nämlich anscheinend keinen Handlungsspielraum und keine Unterscheidung zwischen Göttlichem und Kirchlichem und damit keine Grundlage für verhandelbares.

Wenn es aber - wie du hier im Widerspruch zu deinen Mitautoren - gerade schreibst, selbstverständlich diese Unterscheidung von diesen konkreten Handlungs- und Interpretationsebenen gibt, müsste eben auch der Diskurs über ein Miteinander führbar sein, selbst wenn man eben nicht "eines Glaubens ist", weil das Zusammenleben und das konkrete Wirken der Kirchen im gesellschaftlichen Kontext und die Folgen für die Nichtgläubigen Teile der Gesellschaft eben eher dem theologisch - diskursfähigen zu zu ordnen sind, als dem "omnipotenten Göttlichen Recht".

Genau dies war mein Punkt.

Stirner

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Beweis

Beitrag von sofaklecks »

Nichts beweist die Notwendigkeit des Zölibats besser als der törichte Versuch einiger weniger Päpste aus einflussreichen Familien während der Renaissancezeit, eine Dynastie zu gründen und die Papstwürde vererblich zu machen.

sofaklecks

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Maria Magdalena
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Beitrag von Maria Magdalena »

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man eigendlich darüber lachen!
Denn es ist schon witzig, wie du lieber Bob und aller anderen, der Liga der aufgeklärten Hunanisten im Grunde genau das tut, was ihr auf der anderen Seite den Christen( besonders den Katholiken) vorwirft.
Was ich bis jetzt hier gelesen habe, ist doch nur ein gegenseitiger Austausch von Vorurteilen bzw. sich sein jeweiliges Feindbild bestättigen zu lassen. Und dies ist tatsächlich keine Basis ,um in einen wirklichen Dialog miteinander einzutretten, weil er doch voraussetzt, dass man bereit ist, trotz bzw. gerade wegen der unterschiedlichen Anschauungen, im gegenseitigen Respekt und unter Achtung der grundsätzlichen Meinung seines Gegenübers einen Gedankenaustausch zu beginnen. Wobei hier weder ein möglicher Erfolg/ Misserfolg, noch jeweilige Rechthaberei oder gar sich persönliches profilieren zu wollen ,eine Rolle spielen sollten. :ikb_crutch:

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Edi
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Beitrag von Edi »

Stirner hat geschrieben:@Edi
Nach den anderen Kommentatoren hier, gibt es nämlich anscheinend keinen Handlungsspielraum und keine Unterscheidung zwischen Göttlichem und Kirchlichem und damit keine Grundlage für verhandelbares.
Ich weiss nicht, auf was du hier konkret anspielst. Unsereins und da bin ich hier ja gewiss nicht allein, kritisiert ja auch manches, was in der Kirche HEUTE so abgeht, selbst Bischöfe werden da nicht ausgenommen.
Für einen Christen verhandelbar ist gewiss nicht das Evangelium und alles, was sich daraus an Konsequenzen ergibt.

Ob der eine oder andere Pfarrer oder Bischof bis hin zum Papst immer alles richtig macht, ist eine ganz andere Frage. Aber das sollte man dann auch am Evangelium messen und nicht anhand anderer Maßstäbe.
Zuletzt geändert von Edi am Freitag 16. Mai 2008, 17:29, insgesamt 2-mal geändert.

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Peti
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Beitrag von Peti »

Bob hat geschrieben:[
"Wahrheit" - der man sich schon von ihrem Wesen her nur "annähern" kann ...
Woher weiss man das man sich nicht von ihr entfernt? Impliziert das nicht schon einen Begiff von Wahrheit?
Ich glaube man erkennt eine Wahrheit nur wenn man ihr dient.(Ich seh meinen Beruf als Altenpfleger so)
Jesus Christus kommt man nicht näher, wenn man sich auf die offensichtlichen Fehler von Christen in der Geschichte konzentriert.
Man muss ihm nachfolgen.

Stirner
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Beitrag von Stirner »

Edi hat geschrieben:
Stirner hat geschrieben:@Edi
Nach den anderen Kommentatoren hier, gibt es nämlich anscheinend keinen Handlungsspielraum und keine Unterscheidung zwischen Göttlichem und Kirchlichem und damit keine Grundlage für verhandelbares.
Ich weiss nicht, auf was du hier konkret anspielst. Unsereins und da bin ich hier ja gewiss nicht allein, kritisiert ja auch manches, was in der Kirche HEUTE so abgeht, selbst Bischöfe werden da nicht ausgenommen.
Für einen Christen verhandelbar ist gewiss nicht das Evangelium und alles, was sich daraus an Konsequenzen ergibt.

Ob der eine oder andere Pfarrer oder Bischof bis hin zum Papst immer alles richtig macht, ist eine ganz andere Frage. Aber das sollte man dann auch am Evangelium messen und nicht anhand anderer Maßstäbe.
@Edi

Das will ich dir gerne beantworten worauf ich anspiele, siehe Zitat unten als Grundlage für die Herleitung.

Ich habe selbst nirgends "den Glauben" diskreditiert, noch habe ich Glaubensgrundlagen diskutieren wollen, wie könnte ich auch als Agnostiker? Diese Fragen spielen für mich in der Tat absolut keine Rolle und da bin ich bitte nicht zu verwechseln mit Bob!

Ich habe alleine nach Möglicheiten für ein Miteinander gefragt und mich dabei gewundert, dass tatsächlich die Frage schon als indiskutabel qualifiziert wurde - hier ein konkretes Beispiel typischer Bezugnahmen:

ad_hoc hat geschrieben: Stirner hat geschrieben:
Ihr knüppelt jede Frage nach gemeinsamen Schnittmengen und “worauf man sich denn vielleicht einigen könnte?” mit absoluten Wahrheiten nieder….
Du willst es nicht begreifen, was?
Ist es für Dich so unvorstellbar, dass es Fragen nach gemeinsamen Schnittmengen gibt und "worauf man sich denn vielleicht einigen könnte", die gar nicht beantwortet werden können, weil es weder Schnittstellen oder Einigungsmöglichkeiten aufgrund der unterschiedlichen Inhalte und Gewichtungen gar nicht geben kann?
In was für einer Vorstellungswelt lebst Du eigentlich, dass Du annimmst, man könne grundsätzlich über alles reden und eine für beide Seiten akzeptable Einigung unter Aufgabe bzw. Verzicht bestimmter Positionen erzielen?
Stirner

the man who wasn`t there
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Beitrag von the man who wasn`t there »

Stirner hat geschrieben: Nach den anderen Kommentatoren hier, gibt es nämlich anscheinend keinen Handlungsspielraum und keine Unterscheidung zwischen Göttlichem und Kirchlichem und damit keine Grundlage für verhandelbares.
Also ich will jetzt nicht päpstlicher sein als der Papst, aber wenn dir der Punkt so wichtig ist, solltest du vielleicht nochmal an mindestens einem Beispiel verdeutlichen wo du eine unzulässige Verallgemeinerung der von dir beschriebenen Art siehst.

Ich komme im Alltag mit meinen Mitmenschen so gut oder schlecht aus, wie wohl jeder andere auch. Ich fang auch nicht jeden menschlichen Kontakt damit an, erst mal Glaubensfragen zu klären. Im verbal zwischenmenschlichen Bereich spielt das doch zumeist auch gar keine Rolle. Wenn ich von jemandem weiß, das der zB Moslem ist, hat das für mich im Umgang weder eine positive noch eine negative Auswirkung. Unser säkularisierter Alltag macht das ja auch völlig nebensächlich. Wenn ich einem Kollegen bei etwas helfen kann, ist es doch egal ob der Atheist oder Katholik ist. Der Gegenstand der Hilfe ist meist zutiefst atheistisch - die Hilfe allerdings nicht immer.

Man muß aufpassen, daß man da nicht so lange überall Konflikte reininterpretiert, bis tatsächlich welche auftauchen. Nebenbei bin ich auch noch Bürger dieses Staates und lebe im Einklang mit dem Grundgesetz (was meinen religiösen Glauben in keinster weise einschränkt). Und selbstverständlich verhalte ich mich auch gegenüber diesem meinem Staat und meinen Mitbürgern loyal (egal was jeder einzelne glauben mag).

An welche möglichen Konflikszenarien denkst du denn da, die, wenn ich dich recht verstehe, ein größeres Bewußtsein für Feindbilder bedürften? Ich hab übrigens überhaupt gar keine Feinde - zumindest ist mir keiner bekannt.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Stirner hat geschrieben:Ich habe alleine nach Möglicheiten für ein Miteinander gefragt und mich dabei gewundert, dass tatsächlich die Frage schon als indiskutabel qualifiziert wurde.
Das Miteinander hat man doch im Alltag dauernd. Ich schrieb schon mal hier im Forum in einem andern Thread, dass ich weder meinem Nachbarn, wenn er Zeuge Jehovas oder ungläubig ist, den Schädel einschlage noch umgekehrt. Man hilft dem andern mal, wo es ansteht, soweit wie man ihn kennt oder auch mal umgekehrt.

Hier hat jemand so getan bzw. geschrieben, als ob Christen im Leben ganz unverträgliche Leute sein müssten, das ist doch ein Unding und zudem verbietet das auch der Glaube.

Bob
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Beitrag von Bob »

Peti hat geschrieben:
Bob hat geschrieben: ... "Wahrheit" - der man sich schon von ihrem Wesen her nur "annähern" kann ...
(...) Jesus Christus kommt man nicht näher, wenn man sich auf die offensichtlichen Fehler von Christen in der Geschichte konzentriert. Man muss ihm nachfolgen.

Bob: Nöö - man DARF. Wenn man es möchte ... :P ... im Übrigen würde es kaum jemanden interessieren, was vonseiten der Kirchen in der Vergangenheit geschah, wenn ihre eklatanten und verhängnisvollen Irrtümer nicht noch heute nachwirken würden. Und solange besonders die katholische Kirche sich nur für "Fehler einzelner Glieder" (so Papst Johannes Paul II. zur Jahrtausendwende) mehr oder weniger halbherzig "entschuldigt" hat, braucht sich niemand zu wundern, wenn ihr Selbstverständnis als "alleinseligmachende" Kirche kritisch hinterfragt wird.

Es ist schön, lieber Peti, wenn du als Altenpfleger anderen Menschen hilfst; das zeugt von deiner menschlichen Qualität - doch man muss kein katholischer oder Christ einer anderen Kirche sein, um Gutes zu tun; auch die rein "humanistische" Motivation kann moralisch, ethische Handlungsanleitung sein.

Man darf in einem virtuellen Forum viel behaupten, was nicht nachprüfbar ist - doch für mich, den viele hier als angeblich "gottlos" zu diffamieren versuchen, sah mein "christlicher" Tag so aus:

Vorhin erledigte ich Einkäufe für meine viel weniger vitale ältere Nachbarin. Da ich momentan genügend Zeit habe, wurde daraus anschließend ein längeres Gespräch, so wie ich auch unterwegs noch mit einer älteren Dame sprach - wozu sich gleich noch zwei andere gesellten. ;)
Und du kannst davon ausgehen, dass wir NICHT über Benedikt den Neunten sprachen, der 18-jährig zum Papst wurde, bis ihn dann ein "Schlaganfall im Amt" dahinraffte - "während einer unkeuschen Handlung", wie es überliefert ist ... :mrgreen:


PS: Weil du auch was von dir, lieber Peti, erzählt hast, hier was Privates von mir - falls du dich wunderst, warum ich so viel über die Geschichte der Kirchen weiß:
Ich war mal mehrere Jahre in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Diakonie als Journalist tätig; zu unseren Aufgaben gehörte es, verschiedene Projekte (Drogen, Mittagstisch, Kleiderverkauf, Altenbetreuung, ...) der evangelischen Kirche nach außen hin darzustellen und zu begleiten.

Und mein Klarname wurde das erste Mal zuzeiten Luthers urkundlich erwähnt; es gab da einen, der zog mit den aufständischen Bauern um Thomas Müntzer rum; mein Namensgeber aus der väterlichen Linie war damals sowas wie ein Friedens-Richter. In der mütterlichen Linie gab es bis ins 19.Jahrhundert hinein viele Juden - die aber nach Pogromen zum Protestantismus konvertierten.
Nur mal 'ne kleine Info, warum ich so denke und gewichte, wie es nun mal ist. Ich selber sympathisiere heute mit dem Buddhismus - der Dalai Lama ("Ozean der Weisheit") ist für mich der größte lebende Mensch. Mein anderes "Vorbild" ist U. G. Krishnamurti - der im vorigen Jahr starb ... 8)
"Religions have promised many roses - but you end up with only thorns." (U. G. Krishnamurti)

the man who wasn`t there
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Beitrag von the man who wasn`t there »

Bob hat geschrieben: ...im Übrigen würde es niemanden interessieren, was vonseiten der Kirchen in der Vergangenheit geschah, wenn deren eklatante und verhängnisvolle Irrtümer nicht noch heute nachwirken würden. Und solange besonders die katholische Kirche sich nur für "Fehler einzelner Glieder" (so Papst Johannes Paul II. zur Jahrtausendwende) mehr oder weniger halbherzig "entschuldigt" hat, braucht sich niemand zu wundern, wenn ihr Selbstverständnis als "alleinseligmachende" Kirche kritisch hinterfragt wird.

Ich und die meisten Christen die ich kenne, wären sofort bereit diese "Irrtümer" einzusehen. Ich habe absolut nicht den Anspruch an mich und andere fehlerlos zu sein - und das kann durchaus auch mal ein schlimmer Fehler sein.

Trotzdem würde ich mich strikt weigern hier von einem Irrtum zu sprechen, der sich als Kritik am christlichen Glauben manifestiert. So nach der Art: "seht ihr, was diese Kirche alles verbrochen hat, da kann es ja nicht so weit her sein mit deren Gott".

Auch wenn das scheinbar nur ganz schwer zu vermitteln ist, ein weiterer Versuch: ich weiß nicht wie Gott diese Dinge betrachtet. Und für mich ist nur Gott allein die Instanz der ich zubillige zu richten. "Richten" hier im Sinne von auf "der Basis der ganzen Wahrheit zu urteilen". Es gibt hier einen Paralellstrang im Scriptorium der sich damit beschäftigt, wie man Gut und Böse erkennen kann, ob überhaupt und mit welcher Begründung und ob es Gut und Böse in dieser primitiven Form überhaupt gibt. Im christlichen Glauben ist es ziemlich leicht nachvollziehbar so, daß der Gläubige kein Richter ist, weil er eben nicht die Eigenschaft der Allwissenheit hat. Und diese Eigenschaft ist nunmal notwendige Voraussetzung um ein gerechtes Urteil zu fällen - jedenfalls im Sinne eines christlich gerechten Urteils. Wenn überhaupt jemand richtet, dann der Schöpfer, der qua Schöpfung allwissend ist.

So, soll ich mich nun ernsthaft hinstellen und sagen: das war ganz schlecht und böse, zum Teufel mit dieser Kirche? Also, obwohl ich weit davon entfernt bin allwissend zu sein? Kannst du ungefähr erkennen, daß das nicht nur eine billige Ausrede ist oder der Versuch hier etwas zu verschleiern oder verstecken?

Ich mache sicherheitshalber mal ein anderes Beispiel: Soll oder muß ich behaupten, daß Adolf Hitler ein schlechter Mensch war und deshalb ganz furchtbar bestraft gehört? Auch das tue ich nicht. Was weiß ich denn, was hier die "Wahrheit" ist. Das weiß nur Gott alleine. Möglicher weise hat auch Hitler sein ganzes Leben in dem Glauben gelebt hoch Vernünftiges und Sinnvolles zu tun, wie vermutlich fast jeder Mensch. Ich will da nicht richten.

Du [Punkt] vermutlich an diesen Stellen den Methoden der kritischen Vernunft der Aufklärung. Ich vertraue hier nur Gott alleine. So groß auch mein Respekt an vielen Ideen der Aufklärung ist, die letzte Wahrheit konnte auch sie nicht schaffen. Die Aufklärung ist und bleibt ein ambitioniertes Projekt menschlichen Denkens. An den Gott an den ich glaube, reicht sie aber als richtende Instanz nicht heran.

Ich mache mir deshalb über solche Dinge gar keine großartigen Gedanken. Nehmen wir aber mal an, ich sollte nun darüber ein letztes Urteil abgeben, ob die Kirche oder wer auch immer hier und dort zu verurteilen ist. Also, was müßte ich tun? Ich müßte mich mit der Sache eingehendst beschäftigen. ich müßte mich vermutlich wochen- wenn nicht sogar monatelang in ein stilles Kämmerlein zurückziehen und versuchen alle Fakten offen zu legen und alle logischen Wenns und Abers gegeneinander abzuwägen. Was auf den ersten Blick "böse" aussieht, mag auf den zweiten Blick "gut" sein, und umgekehrt.

Außer, daß ich zu keinem verbindlichen Urteil kommen würde, würde ich wochenlang der Welt entzogen sein. Jetzt stell dir mal vor, du würdest bei allem im Leben versuchen wollen immer ein letztes reifes Urteil anzustreben. Das wäre ein ganzes Leben im stillen Kämmerlein. Der christliche Gott ist aber ein Gott der Nächstenliebe - in Wort und Tat. Ich soll meinen nächsten lieben und mir nicht das Hirn über etwas zermatern, daß ohnehin nur Gott selbst beurteilen kann.

Jetzt kann man sagen, okay, daß ist aus weltlicher Sicht eine katastrophale politische Einstellung. Man kann darüber auch genau umgekehrter Meinung sein, gerade wenn man über Feindbilder nachdenkt. Ich habe zB durchaus zusammen mit anderen Christen und Nicht-Christen gegen den Irak- und Afghanistan Krieg auf der Grundlage des Grundgesetzes demonstriert. Ich bin also kein apolitischer Mensch. Ein Mensch der mit seinen Möglichkeiten versucht die Nächstenliebe halbwegs hinzubekommen, kann kein apolitischer Mensch sein. Trotzdem werde ich nicht hergehen und alle Beteiligten die den Irakkrieg befürworteten oder ihn durchführten richten. Das muß ich gar nicht, und kann trotzdem politisch aktiv sein.

Nachvollziehbar?

Stirner
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Beitrag von Stirner »

the man who wasn`t there hat geschrieben:
Stirner hat geschrieben: Nach den anderen Kommentatoren hier, gibt es nämlich anscheinend keinen Handlungsspielraum und keine Unterscheidung zwischen Göttlichem und Kirchlichem und damit keine Grundlage für verhandelbares.
Also ich will jetzt nicht päpstlicher sein als der Papst, aber wenn dir der Punkt so wichtig ist, solltest du vielleicht nochmal an mindestens einem Beispiel verdeutlichen wo du eine unzulässige Verallgemeinerung der von dir beschriebenen Art siehst.

Ich komme im Alltag mit meinen Mitmenschen so gut oder schlecht aus, wie wohl jeder andere auch. Ich fang auch nicht jeden menschlichen Kontakt damit an, erst mal Glaubensfragen zu klären. Im verbal zwischenmenschlichen Bereich spielt das doch zumeist auch gar keine Rolle. Wenn ich von jemandem weiß, das der zB Moslem ist, hat das für mich im Umgang weder eine positive noch eine negative Auswirkung. Unser säkularisierter Alltag macht das ja auch völlig nebensächlich. Wenn ich einem Kollegen bei etwas helfen kann, ist es doch egal ob der Atheist oder Katholik ist. Der Gegenstand der Hilfe ist meist zutiefst atheistisch - die Hilfe allerdings nicht immer.

Man muß aufpassen, daß man da nicht so lange überall Konflikte reininterpretiert, bis tatsächlich welche auftauchen. Nebenbei bin ich auch noch Bürger dieses Staates und lebe im Einklang mit dem Grundgesetz (was meinen religiösen Glauben in keinster weise einschränkt). Und selbstverständlich verhalte ich mich auch gegenüber diesem meinem Staat und meinen Mitbürgern loyal (egal was jeder einzelne glauben mag).

An welche möglichen Konflikszenarien denkst du denn da, die, wenn ich dich recht verstehe, ein größeres Bewußtsein für Feindbilder bedürften? Ich hab übrigens überhaupt gar keine Feinde - zumindest ist mir keiner bekannt.
@the man who wasn`t there,

Vielleicht bist du erst zu einem Zeitpunkt eingestiegen, wo diese Frage an mich schon gegenstandslos wurde?

Meine Ausgangspunkte dafür waren immer völlig konkret und sind hier auch noch nach zu lesen. Es ist ein bisschen mühsam und für die Mitleser vielleicht nervig, wenn ich mich andauernd wiederhole, in den konkreten Bezügen.

Kirche (nicht zwingend Glauben) wirkt in der säkularen Welt und nimmt doch konkret Einfluss auf das Miteinander. Ein Beispiel das ich anführte (weil es ein eben plakatives und konkretes ist) war das, der vom Vatikan unterstützten Beibehaltung getrennt geschlechtlicher Schulsysteme in weiten Teilen Spaniens - auch da, wo die Mehrheit der Menschen dies gar nicht wollen und wo der Einfluss eher auf einen "Franko Bonus" zurück zu führen ist. Dabei auch den Verweis auf die Verfassung, die zwar eigentlich eine Trennung zwischen Kirche und Staat festschreibt, wobei Katholische Religionslehrer aber gegen diesen Grundsatz als einzige vom Staat bezahlt werden in Spanien. Die Lobby einer Christlichen Minderheit (in dieser Frage Minderheit), sorgen also für einen gesellschaftlichen Status Quo mit Hilfe eines dort noch sehr einflussreichen Vatikan, sogar gegen den erklärten Willen einer Regierung. Hier bei uns ist jetzt nicht Spanien natürlich, aber die Frage ist ja auch welche Freiräume besetzt Kirche wenn sie es kann wie sie will und warum verhält sie sich in verschiedenen Systemen mit unterschiedlichen Maßstäben? Da wird es sehr konkret dann. Andere Beispiele wären Fragen nach dem Einfluss den eine Kirche in politischen Kontexten nehmen darf? Dürfte sie heute noch Kriege für "gerecht" erklären, weil die Feindbilder passen? (sie tat es angesichts des Irakkrieges z.B. zum Glück nicht aber das Ansinnen wird heute noch an sie getragen. Von Gläubigen wird ein Placet für den bellum istum erbeten, so wie es die amerikanischen Christen angesichts der Irakintervention auch schriftlich formulierten, als Rechtfertigung für das eigene Tun. Das grundsätzliche Abstandnehmen von diesem Konzept in Form einer klaren Aussage, dass es den gerechten Krieg nicht geben kann und das Völkerrecht hier zuständig sei, fehlt von dieser Kirche aber). Eine andere Frage wäre die nach dem Zusammenleben mit Muslimen, der Trennung zwischen Kirche und Staat (wo diese eher eine formale ist) und damit vielleicht auch ein Verlust von konkretem Einfluss dieser Kirche in der denkbaren Konsequenz …

Es mangelt also durchaus nicht der konkreten Bezüge und es geht um Macht und Einfluss auf die Lebensrealitäten aller, nicht um den persè friedfertigen Alltag eines Christen selbst am säkularen Arbeitsplatz. Es geht um Verhütung und Aids, um Homosexualität, um die kulturelle (rest-)Identität in den Postkolonialen Ländern Afrikas (dort lebte ich und weiß aus eigener Ansicht worüber ich spreche) und um andere Gewichtungen im politischen Setting einer Kirche mit Außenwirkung, wie z.B. im verhassten „Befreiungstheologischen Ansatz„, dessen man sich ja entledigte.

Es geht um die tausendundein Ding, bei denen Kirche für alle wirkt, nicht nur für die eigenen Schäfchen und nicht im „individuellen aufeinandertreffen„, sondern systematischen.

Stirner

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Peti
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Beitrag von Peti »

Bob hat geschrieben:
Peti hat geschrieben:
Bob hat geschrieben: ... "Wahrheit" - der man sich schon von ihrem Wesen her nur "annähern" kann ...
(...) Jesus Christus kommt man nicht näher, wenn man sich auf die offensichtlichen Fehler von Christen in der Geschichte konzentriert. Man muss ihm nachfolgen.

Bob: Nöö - man DARF. Wenn man es möchte ... :P ... im Übrigen würde es kaum jemanden interessieren, was vonseiten der Kirchen in der Vergangenheit geschah, wenn ihre eklatanten und verhängnisvollen Irrtümer nicht noch heute nachwirken würden.

Ach Bob, du grosser Aufklährer. Natürlich darf man sich mit den dunklen Seiten der Kirchengeschichte beschäftigen, und du kannst mir glauben, ich hab das in meiner kirchenkritischen Zeit ausführlich getan.Ich hab auch Philosophie studiert bis zum Bakkalaureat, besonders die Philosophiegeschichte von der Aufklährung bis zur Gegenwart.
Was mich aber im Nachhinein aber am meisten begeistert hat, ist die Geschichte der Heiligen und Ordensgründer.
Hier bekommt man ein ganz anderes Bild von Kirche.

Bob
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Beitrag von Bob »

Hallo "the man who wasn`t there" -

NEIN, das ist von mir NICHT nachvollziehbar - und besonders soweit es die in der Menschheitsgeschichte singulären Verbrechen eines Hitler betrifft, eine vollkommen inakzeptable und indifferente Positionierung. Ich denke und gewichte da so wie alttestamentarische Juden - wie ich es schon in diesem Thread schrieb, als Zitat aus dem Kapitel "Im Namen Gottes":

(...) Mit dem Christentum und dem Islam entstanden Kulturen, die irdisches Leid sublimieren, „vergeistigen“ - und gleichzeitig als „unvermeidbar“, weil „von Gott gewollt“ definieren. Was den Selbstgerechten jeder dieser beiden Religionen, die solches bei anderen Menschen verursachen, sehr zupass kommt. Denn die konnten und können meist mit einer „wohltätigen“ Spende in die Schatullen der jeweiligen religiösen und weltlichen Gerichtsbarkeit die unangenehmeren Folgen ihres Tuns vermeiden – die „Christen“ unter ihnen schon darum, weil Jesus auf seinem Leidensweg und mit der Kreuzigung ja bereits für alle vergangene und künftige menschliche Fehlbarkeit und irrige Sünde gelitten, und Gott ohnehin das letzte Wort habe.

Für die Anhänger des mosaischen Glaubens aber ist das kein „göttliches Gesetz“. Sie wollen Gerechtigkeit – „Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn“ – in diesem einen Leben, und zwar noch vor dem „Fegefeuer". Für alttestamentarische wie moderne Juden sind Gut und Böse zwei Seiten der selben Medaille, beides steht in einer Beziehung zueinander. Und nicht nur der dem eigentlichen Wesen der Spiritualität verpflichtete Mensch sollte sich mühen, zuerst in sich selber für den Sieg des Guten zu wirken, nicht einem aus irrationalen Ängsten und Machtopportunismus entstandenen Feindbild oder dem „Teufel“ die Verantwortung für bösartiges Handeln in die Schuhe schieben.

So hat es mir der Vater von Sara erklärt. Die jüdische Art des Denkens - die mich mit ihrer intellektuellen Kraft und ihrem mystischen Geheimnis seit langem fasziniert, vor allem die des europäischen Judentums - hat mich gelehrt, die Dinge dialektisch, in ganzheitlich, komplexen Zusammenhängen zu sehen. Es ist kein Zufall, dass es Juden sind, die beim Finden und Suchen von Antworten für die Zukunft Erfolg haben, in Kultur wie Wissenschaft. Für das Überleben in der Diaspora mussten sie lernen, sich in ihre Umgebung, in das Andere hineinversetzen zu können. Daraus entstand – korrespondierend mit der Denkschule alter Griechen wie etwa Sokrates - das didaktische Instrumentarium von These und Antithese, das zur Synthese führt. Und dieser Weg, etwas verstehen und kommunizieren zu wollen, hat sie dann zwangsläufig der Aufklärung verpflichtet und zu Demokraten gemacht – auch eine Konsequenz aus der Tatsache, dass es fast immer die Tyrannen waren, unter deren Machtpolitik sie in den vielen Jahrhunderten ihrer Diaspora zu leiden hatten, deren Opfer sie wurden. Die Despoten aller Coleur waren es, die die Fähigkeiten, die Kenntnisse der Juden für ihre Interessen zu instrumentalisieren suchten, vor allem in Geldwesen und Handel. Und wenn dann der jüdische Bankier oder Goldschmied sein Geld und vielleicht sogar etwas Zinsen zurückhaben wollte, veranlasste der selbstgerechte Herrscher ganz einfach ein Pogrom.

Ich erinnere mich gerne an die Gespräche mit Saras Vater, dessen Familie mit dem Diamantenhandel wohlhabend wurde. Besonders neugierig war ich, wenn er mich in die mystischen Bedeutungen von Zahlen, in die Kabbalah einzuweihen versuchte – obwohl es doch letztlich bei Andeutungen bleiben musste. Weil dafür „ein Menschenleben zu kurz“ ist, wie er sagte. Seitdem habe ich tiefen Respekt vor der große menschliche Weisheit integrierenden Kraft des Judentums – das mir trotzdem ein manchmal sehr fremdes, ein codifiziertes Geheimnis blieb. Vielleicht – wenn ich überhaupt von mir auf andere schließen darf - ist das einer der Gründe, weshalb die Beziehung von Juden und Nichtjuden oft so ambivalent ist, so widersprüchlich ... (Ende des Auszugs)



PS: Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, solltest du vielleicht mal etwas genauer in diesem Thread nachlesen, worüber bereits geschrieben wurde ...
"Religions have promised many roses - but you end up with only thorns." (U. G. Krishnamurti)

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