Lieber Raphael,
Raphael hat geschrieben:
Was die Scheidung der Menschheit in zwei Gruppen mit entgegengesetzten Interessen anbetrifft,
was die Trennung von Gut und Böse anbetrifft, dachte ich an das durch die Gebrüder Grimm zum Sprichwort gewordene
Die Guten ins Töpchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Hier im auschnittsweisen Zusammenhang:
Aschenputtel gehorchte, weinte aber, weil es auch gern zum Tanz mitgegangen wäre, und bat die Stiefmutter, sie möchte es ihm erlauben. »Du, Aschenputtel«, sprach sie, »bist voll Staub und Schmutz und willst zur Hochzeit? Du hast keine Kleider und Schuhe und willst tanzen!« Als es aber mit Bitten anhielt, sprach sie endlich: »Da habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast, so sollst du mitgehen.« Das Mädchen ging durch die Hintertüre nach dem Garten und rief: »Ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir lesen,
die guten ins Töpfchen,
die schlechten ins Kröpfchen.«
Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und ließen sich um die Asche nieder. Und,die Täubchen nickten mit den Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick und lasen alle guten Körnlein in die Schüssel. Kaum war eine Stunde herum, so waren sie schon fertig und flogen alle wieder hinaus. Da brachte das Mädchen die Schüssel der Stiefmutter, freute sich und glaubte, es dürfte nun mit auf die Hochzeit gehen.
Solche Denkweisen lassen sich bis auf einen Zeitraum von 20 000 bis 30 000 Jahren zurückverfolgen. Sie hängen immer mit Funden zusammen, die belegen, dass die Menschen numerische Überlegungen anstellten und Zahlensysteme entwickelten. Es geht dabei also nicht allein um christliche Utopien wie von Ihnen angedeutet, sondern um das menschliche Bedürfnis lang vor den ersten Hochkulturen nach Messbarkeit.
Dadurch konnte die Natur richtig eingeschätzt werden (Kalender) und es wurde die Jagd erleichtert. Der Mensch begann sich weiter zum Geistigen hin zu entwickeln. Falls Sie das interessiert, empfehle ich
Erwachendes Denken - Geistige Leistungen aus evolutionspsychologischer Sicht von Friedhart Klix, Spektrum.
Die ersten theologischen Dualismen findet man bei Zarathustra.
Sie wurden in späteren Kulturen weiterentwickelt. Für uns besonders relevant ist das Johannesevangelium mit seinem stark entwickelten Dualismus.
In Jesu Gleichnissen tauchen Dualismen im Zusammenhang mit rabbinischer Rhetorik besonders häufig auf. Sie erstrecken sich dort keinesfalls nur auf Gut und Böse, auch auf töricht und weise , uvm und werden gleichfalls aus Ausdruck binären Denkens ebenso häufig in gleichartigen Begriffspaaren wie Klugheit-Reinheit u. ä. verwendet ("Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben." Mt 10, 16).
Raphael hat geschrieben:
empfehle ich Ihnen als ehemaligem Theologiestudenten "De Civitate Dei" von Aurelius Augustinus. Sehr lehrreich, insbesondere für diejenigen, welche meinen, das bundesrepublikanische Grundgesetz sei der Weisheit letzter Schluß!
Danke. Der hier vorherrschende manichäische Einfluss, den ich für sich nicht negativ beurteile, gehört nicht zu meinen theologischen Lieblingsideen. Mir bedeutet eine Theologie mehr, wenn sie Frieden stiftet, versöhnt und Offenheit für fremde Kulturen und Ansichten vermittelt. Für mich ist Jesus vor allem Friedensbringer, ohne den ich niemals mit der Bibel bekannt geworden wäre. Mir bedeutet im Leben mehr das Konstruktive. Gottes Reich ist ein unsichtbares Friedensreich, das sich u. a. darin äußert, wie man mit seinem Nächsten umgeht. Wenn ich also meinen Bruder verteufle, gehöre ich nach meiner persönlichen Ansicht nicht zur Malchut, da mir das Königreich Gottes als Ausdruck göttlichen Friedens und nicht fanatischer Zwietracht erscheint.
Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! Oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Lukas 17, 20-21
Herzlich
Dieter