Jes. 5,1 - cornu

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Bollak
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Jes. 5,1 - cornu

Beitrag von Bollak »

Hieronymus schreibt: "vinea facta est dilecto meo in cornu filio olei"

Die 70 schreiben: "en keratos" (wie kann man hier griech. Lettern herkriegen?)

Die Frage: Hat Hieronymus und die 70 hebr. "qrn" absichtlich nicht im Sinne Luthers (Hügel) verstanden?

Auch den "öligen Sohn" kann ich mir nicht deuten, obwohl "ben schmn" sich so deuten ließe. Soll das bei Jes. etwa eine Anspielung auf den Gesalbten sein?

Erbitte und Danke für substantielle Tips zur Stelle.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

wie kann man hier griech. Lettern herkriegen?
Ganz einfach losschreiben:
ἀμπελὼν ἐγενήϑη τῷ ἠγαπημένῳ ἐν κέρατι ἐν τόπῳ πίονι.
Κέρας oder cornu ist ganz normal auch „Horn“ im Sinne eines Bergs, wie im Deutschen oder fast jeder andern Sprache. Denk ans Matterhorn.
Auch den "öligen Sohn" kann ich mir nicht deuten
Ist da das Hebräische verderbt und von daher in die Vulgata eingedrungen? – Ich ziehe ja sowieso die LXX vor. Da steht ἐν τόπῳ πίονι.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Bollak
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Horn

Beitrag von Bollak »

Hallo,

weder Stowasser noch Georges wissen was von cornu = Horn, im Gegensatz zu Passow für keras. Der Fact, daß einzelne Spitzen ein solches Toponym tragen, sagt m. E. nichts darüber aus, ob Horn allgemein synonym für Berg verstanden wird. Im Dt. ist es jedenfalls so nicht.

Es könnte ja noch etwas bisher Unverstandenes dahinter stecken, im 4. Sinne.


Trotzdem, Danke fürs bisherige

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Robert Ketelhohn
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Re: Horn

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bollak hat geschrieben:weder Stowasser noch Georges wissen was von cornu = Horn, im Gegensatz zu Passow für keras.
Vide apud Georges s. v. «cornu» n° 6) a).
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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Also die neue Dürer-Bibel übersetzt Jesaja 5,1 in etwa mit "ein Weinberg gehörte meinem Schatz auf fetter/fruchtbarer Höhe."

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Esperanto
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Re: Jes. 5,1 - cornu

Beitrag von Esperanto »

Bollak hat geschrieben:Hieronymus schreibt: "vinea facta est dilecto meo in cornu filio olei"

Die 70 schreiben: "en keratos" (wie kann man hier griech. Lettern herkriegen?)

Die Frage: Hat Hieronymus und die 70 hebr. "qrn" absichtlich nicht im Sinne Luthers (Hügel) verstanden?

Auch den "öligen Sohn" kann ich mir nicht deuten, obwohl "ben schmn" sich so deuten ließe. Soll das bei Jes. etwa eine Anspielung auf den Gesalbten sein?

Erbitte und Danke für substantielle Tips zur Stelle.

Der Ölsohn ist also nicht der Messias, sondern ein fetter Boden.

maliems
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Beitrag von maliems »

Der Kommentar der Echter-Bibel (Würzburg 1954) schreibt: Der Weinberg liegt auf einem fruchtbaren Bergesvorsprung (wörtlich: "auf einem Horn, dem Sohn des Fettes"); vgl. die noch heute gebräuchliche Bezeichnung einer Weinbergslage als "Hörnchen".

Das Wörterbuch von Heinichen kennt für cornu auch: Landzunge oder entlegene Gegend.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Mir scheint der Zusammenhang wichtig:

Jes 5,1

cantabo dilecto meo canticum patruelis mei vineae suae vinea facta est dilecto meo in cornu filio olei

Ziemlich wörtlich:

Ich werde meinem Erwählten ein Lied singen. Meines Onkels (seine) Weinberge sind zum Weinberg gemacht meinem im Salbhorn erwählten Sohn.

Glatter:

Ich werde meinem Erwählten ein Lied singen, dem die Weinberge meines Onkels vermacht sind, meinem mit dem Salbhorn erwählten Sohn.

Es handelt sich meiner Meinung nach also rhetorisch um eine Inversion (Wortumstellung), die bildlich die Erwählung zum Ausdruck bringt.

Dass Hieronymus wohl an cornu olei gedacht hat, geht aus 1Sam 16,13 sowie 1Kön 1,39 hervor.

Ich denke, Luther hat da Übersetzungsprobleme gehabt, ist zügig darüber hinweggegangen und hat einen Text genommen, der ihm irgendwie sinnvoll erschien.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Das Buch Jesaja ist für die Theologie Jesu ausgesprochen wichtig, weil er gerade dieses Buch sehr auf sich persönlich bezieht.

Ähnlich wie in Jes 5,1 erzählt Jesus selbst ein Gleichnis vom Weinberg in Mt 21,33 ff. (und Parallelstellen in den synoptischen Evangelien).

Deshalb scheint auch die Stelle mit dem Salbhorn in Jes 5,1, christologisch gedeutet, eine sehr viel größere Bedeutung zu haben, als man oberflächlich vermuten kann.

ieromonach
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Jes 5,1

Beitrag von ieromonach »

Vielleicht findet sich hier ein Hinweis auf "Horn des Heils" die Hörner an den Ecken des Altares im Tempel. Das Horn ist ja ein Zeichen des Göttlichen. Also Teilhabe am Göttlichen durch das Horn des Heils (Ölhorn ?) -; Weinberg = Israel = Kirche;
Horn = Evangelium. Hinweis auf den Heilbringer (Christus).???


+P.Theodoros (fehlbar)

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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Also ich wusste bisher ja gar nicht, dass es überhaupt Salbhörner gibt. Aber laut Goethe anscheinend schon:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/ ... id=GS00852

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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Und es kommt sogar im 1. Buch der Könige vor:
http://209.85.135.104/search?q=cache:_R ... =firefox-a

maliems
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Beitrag von maliems »

Im Klotz (Handwörterbuch der lat. Sprache, 1853) lese ich

S. 1148 s.v. cornu:

Berghorn, Bergspitze, vgl. das dt. Aarhorn, Wetterhorn usw. und das semitische "Khärän".

(letztere Verschriftlichung mangels hebr. Buchstaben von maliems. wenn ich mich recht entsinne entstammt Klotz einer prot. Pfarrersfamilie. das als nebenbemerkung, dass in einem lateinwörterbuchauch semitische einflüsse/parallelen erwähnt werden. beachtlich.)

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overkott
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Beitrag von overkott »

maliems hat geschrieben:Der Kommentar der Echter-Bibel (Würzburg 1954) schreibt: Der Weinberg liegt auf einem fruchtbaren Bergesvorsprung (wörtlich: "auf einem Horn, dem Sohn des Fettes"); vgl. die noch heute gebräuchliche Bezeichnung einer Weinbergslage als "Hörnchen".

Das Wörterbuch von Heinichen kennt für cornu auch: Landzunge oder entlegene Gegend.
Was die heutige Bezeichnung der Weinbergslage anbelangt, vermutlich auch in einer prot. Gegend, dürfte dies ebenfalls auf die Wirkungsgeschichte der Lutherbibel hinweisen.

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