Leseordnung im Osten und Westen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Leseordnung im Osten und Westen

Beitrag von Nietenolaf »

Der Thread wurde nicht von Nietenolaf eröffnet. Er wurde vom Thread Wer kann die Evangelien künftig ins Forum stellen? abgesplittet. (Jürgen)
Stefan hat geschrieben:Ich finde, wenn sich niemand meldet und Lea mal nicht kann, ist es Aufgabe der beiden Moderatoren.
Meine Taglesungen / Evangelien sind andere als eure, schätze ich mal (schon wegen des julianischen Kalenders); obwohl ausgerechnet dieses Jahr die Osterdaten wieder zusammenfallen, so daß für die Zeit der Fasten-/Blumentriode evtl. eine Übereinstimmung da ist? Ich habe keine Ahnung.

N

PS: Vergleicht einmal. Heute, am 16.(3.) Februar lese ich 3 Joh. I, 1-15 und Lk. XIX, 29-40 / XXII, 7-39 (letzte Woche vor Beginn der Großen Fastenzeit).

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Nietenolaf hat geschrieben:PS: Vergleicht einmal. Heute, am 16.(3.) Februar lese ich 3 Joh. I, 1-15 und Lk. XIX, 29-40 / XXII, 7-39 (letzte Woche vor Beginn der Großen Fastenzeit).
Heute: Jak 1, 1-11; Mk 8, 11-13

Is also nix mit Übereinstimmung. Daran gleich noch die Frage geknüpft: werden bei "Euch" die Kapitel und Verse gleich gezählt wie bei "uns"?
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Die Vers- und Kapitelzählungen im Alten Testament entsprechen bei den Orthodoxen der Zählung der LXX. Die Vulgata weicht teils davon ab, die Vulgärübersetzungen und die Nova Vulgata erst recht.

Im Neuen Testament folgen die Orthodoxen dem Textus receptus, der größtenteils der Vulgata (Clementina) entspricht.

Die je neuesten Schreie der Exegese (Tischendorff, Soden, Westcott, Hort, Nestle, Aland etc. pp.), die sich im Westen stets geschwind in hektischen Textänderungen ausgewirkt haben, nimmt der Osten allenfalls im wissenschaftlich-theologischen Diskurs zur Kenntnis. Praktische Auswirkungen hat das nicht.

Wir entfernen uns darum gewissermaßen mit jeder Neuauflage der Bibel vom gemeinsamen Ursprung.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Erich, du mußt die dreizehn Tage Unterschied berücksichtigen, also beim dritten Februar schauen. Interessanter wäre noch, die Lesungen von „gestern“ – Mariæ Lichtmeß – zu vergleichen. Ich habe vor Jahren mal ein paar Vergleich angestellt und, soweit ich mich erinnere, für eine Reihe von Festen bemerkenswerte Übereinstimmungen gefunden. Jedenfalls solange ich lateinischerseits in den alten Schott schaute. Nahm ich den neuen, dann nahm die Übereinstimmung ab (schon wegen der Verdreifachung des Zyklus).
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

Aber ist nicht die Einteilung in Kapitel und Verse eine eher junge Erscheinung? (Jung in Hinblick auf die Kirche: Kapiteleinteilung nach Erzbischof Stephen Langton, 13 Jhdt.; Verszählung nach dem französischen Buchdrucker Robert Etienne: 1551 erstmals bei einer griechisch-lateinischen Ausgabe des Neuen Testaments eingeführt).
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Cicero
Beiträge: 979
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26

Beitrag von Cicero »

Ketelhohn hat geschrieben:Erich, du mußt die dreizehn Tage Unterschied berücksichtigen, also beim dritten Februar schauen. Interessanter wäre noch, die Lesungen von „gestern“ – Mariæ Lichtmeß – zu vergleichen. Ich habe vor Jahren mal ein paar Vergleich angestellt und, soweit ich mich erinnere, für eine Reihe von Festen bemerkenswerte Übereinstimmungen gefunden. Jedenfalls solange ich lateinischerseits in den alten Schott schaute. Nahm ich den neuen, dann nahm die Übereinstimmung ab (schon wegen der Verdreifachung des Zyklus).
Ich hätte mich erschrocken wenn es anders wäre.

Dazu eine kleine Anekdote:
Ein ukrainisch Katholischer Priester trifft mit Schwestern aus dem Libanon zusammen, die ihr Stundengebet in arabisch singen.
Der Priester fällt spontan in Kirchenslawisch in den Gesang ein.
Nach der Hore haben die noch eine Weile so weitergemacht und Melodien verglichen. Die Ähnlichkeiten waren gewaltig.

Mit den Leseordnungen muß es so ähnlich sein, immerhin sind wir miteinander verwandt.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Ketelhohn hat geschrieben:Interessanter wäre noch, die Lesungen von "gestern - Mariæ Lichtmeß - zu vergleichen.
Gestern (02. Februar nach altem Stil), da das Fest der Darstellung des Herrn auf den Sonntag vom Jüngsten Gericht (d.i. der Fleischentsagung) fiel, war folgendes dran:
Matutin - Lk. II, 25-32.
Liturgie - 1 Kor VIII, 8 - IX, 2; Matth. XXV, 31-46; und der Darstellung des Herrn: Hebr. VII, 7-17; Lk. II, 22-40.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Erich Dumfarth hat geschrieben:»Aber ist nicht die Einteilung in Kapitel und Verse eine eher junge Erscheinung? (Jung in Hinblick auf die Kirche: Kapiteleinteilung nach Erzbischof Stephen Langton, 13 Jhdt.; Verszählung nach dem französischen Buchdrucker Robert Etienne: 1551 erstmals bei einer griechisch-lateinischen Ausgabe des Neuen Testaments eingeführt).«
Die Ausgabe des Robert Estienne (Robertus Stephanus) ist ja der sog. Textus receptus, Erich. Deren Vers- und Kapitelzählung dürftest du darum ziemlich nahtlos bei den Orthodoxen finden. Jedenfalls bei den Russen – die Griechen haben meines Wissens in jüngerer Zeit auch am Text zu basteln begonnen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nietenolaf hat geschrieben:»Darstellung des Herrn: Hebr. VII, 7-17; Lk. II, 22-40.«
Das Evangelium ist dasselbe. Na ja, in diesem Fall wirklich keine Überraschung.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Ketelhohn hat geschrieben:... die Griechen haben meines Wissens in jüngerer Zeit auch am Text zu basteln begonnen.
Sicher? Wie sollten die das machen? Für die Lesungen existieren nämlich eigentlich nur Nummern, und in dieser Form werden sie in den Menäen, Typika etc. überliefert und festgehalten; also z.B. gestern für das Fest der Darstellung des Herrn: Apostel-Lesung Nr. 316 und Evangelium nach Lukas Nr. 7. Die gottesdienstlichen Apostel-/Evangelienbücher sind nach diesen Nummern unterteilt, jede Lesung hat eine eigene Einleitung (z.B. beim Apostel meist "Brüder, ..."). Auch in den "normalen" Ausgaben der Hl. Schrift finden sich diese Nummern als Randnotiz.
Wenn nun jemand an den Texten herumbastelt, gerät dann dieses System der für den Jahreskreis nummerierten Lesungen nicht irgendwie durcheinander? Ich glaube also nicht. Ich muß spontan an die bärtigen Typen auf dem Athos denken ;)

N

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Meines Wissens hat die »Kirche von Griechenland« (unter dem Metropoliten von Athen; die direkt unter Constantinopel stehenden Griechen gehören nicht dazu) 1991 einen revidierten Bibeltext herausgegeben, der sich zumindest teilweise den westlichen Textrevisionen anschließt. Inwieweit das auch für die Perikopenbücher relevant ist – und falls ja, ob man da auch schon Revisionen veranstaltet hat – das weiß ich nicht.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema