Protestantismus und Willkürgott

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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overkott
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Beitrag von overkott »

anselm hat geschrieben:Das Theodizee-Problem ist aber ein ECHTES Problem und kein konstruiertes.
Das ist richtig. Der Tod ebenfalls. Der christliche Glaube leugnet nicht die echten Probleme und hat in seiner Weltsicht keine andere Welt vor Augen als andere. Aber andere sehen die Welt anders, haben keinen Glauben, keine Hoffnung und vielleicht keine Liebe.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Linus hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:....
Du konstruierst Dir zunächst einen Gegensatz ([Punkt]) von Vernunft und Glauben und landest prompt im Dilemma des Erklärungsnotstandes....
Das Theodizee-Problem ist aber ein ECHTES Problem und kein konstruiertes. Du hast vermutlich nur einen Lebenskompromiss für dich gefunden, um dieses Problem zu unterdrücken.

Viele Grüße
Anselm
Das bestreitet ja auch niemand. Bloß den Gegensatz von Glaube und Vernunft.... (ist fast so als wollte man zwischen "Mohr" und "Neger" einen Gegensatz feststellen)
Dieser User führt zwar den Namen "Anselm", vergißt dabei jedoch zuverlässig das "Credo ut intelligam" .....

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Edi
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Beitrag von Edi »

Lutheraner hat geschrieben:Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, weshalb greift er nicht ein, wenn nach unserem Verständnis etwas schlimmes geschieht?
Dies Frage kann unsere Vernunft nicht beantworten. Wir können nur zu Weisheiten wie "Gottes Wege sind unergründlich" greifen - und akzeptieren damit, dass wir mit unserer Vernunft hierauf keine Antwort geben können.
Lies mal nach bei Otts Grundriß der Dogmatik, da steht die Antwort drin. Jesus hat ja auch beim Sturm auf dem See Genezareth eingegriffen, war also Herr auch über die Naturgewalten.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Raphael

Beitrag von Raphael »

anselm hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:.... Du konstruierst Dir zunächst einen Gegensatz ([Punkt]) von Vernunft und Glauben und landest prompt im Dilemma des Erklärungsnotstandes....
Das Theodizee-Problem ist aber ein ECHTES Problem
Wer hat wo die Realität der Theodizeefrage bestritten?
anselm hat geschrieben: und kein konstruiertes.
Der Punkt ist, daß nicht die Theodizeefrage selber konstruiert wird, sondern Lutheraner stellt einen unvereinbaren Gegensatz zwischen Vernunft und Glaube her.
Bei meiner Position des fehlenden Widerspruches zwischen Vernunft und Glaube kann die Theodizeefrage ganz offensichtlich anders angegangen werden, als dies bei Rationalisten der Fall sein muß.
Insbesondere kritische Rationalisten zeichnen sich dadurch aus, daß sie sich mithilfe des Münchhausen-Trilemmas selber einmauern und es dann anderen in die Schuhe schieben, wenn sie über diese selbst hergestellten Mauern nicht mehr hinüberschauen können.
anselm hat geschrieben:Du hast vermutlich nur einen Lebenskompromiss für dich gefunden, um dieses Problem zu unterdrücken.
Eine andere Lösung als die Deine kann nur auf - um in Deiner Terminologie zu bleiben - "Unterdrückung" hinauslaufen. Wer sollte da auch etwas anderes erwarten dürfen? :|

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overkott
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Beitrag von overkott »

Edi hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, weshalb greift er nicht ein, wenn nach unserem Verständnis etwas schlimmes geschieht?
Dies Frage kann unsere Vernunft nicht beantworten. Wir können nur zu Weisheiten wie "Gottes Wege sind unergründlich" greifen - und akzeptieren damit, dass wir mit unserer Vernunft hierauf keine Antwort geben können.
Lies mal nach bei Otts Grundriß der Dogmatik, da steht die Antwort drin. Jesus hat ja auch beim Sturm auf dem See Genezareth eingegriffen, war also Herr auch über die Naturgewalten.
Das scheint ja unglaublich! Ist nicht auch der Mensch Herr über die Natur? Natürlich sieht das Christentum den Menschen in seiner Niedrigkeit und Größe, in seinen wachsenden Möglichkeiten und seinen prinzipiellen Grenzen. Aus christlichem Glauben heraus sagen wir: Paradieszustände, wie sie in der Sehnsucht hinter der Theodizeefrage zum Ausdruck kommen, sind nicht von dieser Welt.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

overkott hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, weshalb greift er nicht ein, wenn nach unserem Verständnis etwas schlimmes geschieht?
Dies Frage kann unsere Vernunft nicht beantworten. Wir können nur zu Weisheiten wie "Gottes Wege sind unergründlich" greifen - und akzeptieren damit, dass wir mit unserer Vernunft hierauf keine Antwort geben können.
Lies mal nach bei Otts Grundriß der Dogmatik, da steht die Antwort drin. Jesus hat ja auch beim Sturm auf dem See Genezareth eingegriffen, war also Herr auch über die Naturgewalten.
Das scheint ja unglaublich! Ist nicht auch der Mensch Herr über die Natur? Natürlich sieht das Christentum den Menschen in seiner Niedrigkeit und Größe, in seinen wachsenden Möglichkeiten und seinen prinzipiellen Grenzen. Aus christlichem Glauben heraus sagen wir: Paradieszustände, wie sie in der Sehnsucht hinter der Theodizeefrage zum Ausdruck kommen, sind nicht von dieser Welt.
Eben und genau das widerspricht unserer Vernunft.

Warum hat der allgütige, allmächtige und allwissende Gott nicht das Erdbeben von Lissabon verhindert, das die Theodizee-Frage damals wieder aufwarf, warum nicht andere schlimme Naturkatastrophen wie vor zwei Jahren den "Weihnachts-Tsunami" oder die Zerstörung von St. Louis?
Es erschließt sich nicht unserer Vernunft und damit steht das Christentum über der Vernunft oder man hält Gott nicht für allgütig, allmächtig und allwissend.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Lutheraner hat geschrieben:Warum hat der allgütige, allmächtige und allwissende Gott nicht das Erdbeben von Lissabon verhindert, das die Theodizee-Frage damals wieder aufwarf, warum nicht andere schlimme Naturkatastrophen wie vor zwei Jahren den "Weihnachts-Tsunami" oder die Zerstörung von St. Louis?
Es erschließt sich nicht unserer Vernunft und damit steht das Christentum über der Vernunft oder man hält Gott nicht für allgütig, allmächtig und allwissend.
Gott hat seiner Allmacht Grenzen gesetzt und lässt das Unheil zu, zu unserer Besserung. Zudem sollte man auch berücksichtigen, dass der Mensch gefallene Schöpfung ist. Wie gesagt die Antwort steht bei Ott.

Zudem kann man bei einigen kath. Heiligen finden, dass sie einzelnen Menschen gesagt haben, warum sie zu leiden haben. Gott sieht immer auf das EWIGE Leben und dazu muss alles dienen, was er zulässt. Ich bin überzeugt, dass sich durch Liebe zu Gott und Gebet vieles verhindern liesse und dass Gott eben auch Unheil zulässt, damit die Menschen sich erinnern, dass sie nicht nur auf sich selbst vertrauen und in den Tag hineinleben, sondern da EINER da ist, dem sie Rechenschaft abzulegen haben.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Lutheraner hat geschrieben:Es erschließt sich nicht unserer Vernunft und damit steht das Christentum über der Vernunft oder man hält Gott nicht für allgütig, allmächtig und allwissend.
Doch es erschließt sich auch der Vernunft!

Zunächst jedoch finde ich es erfreulich, daß Du dem Christentum Übervernünftigkeit zugestehst. Denn damit hast Du dich - Katholiken sprechen dann manchmal davon, daß da wohl der Hl. Geist am Werke war - aus den Fesseln des Widerstreites von Vernunft und Glauben befreien können. Man ist versucht von "Lösung, aber nicht Erlösung" zu sprechen.

Eine vom Glauben beleuchtete Vernunft erkennt, daß es ein Geheimnis des Glaubens ist, wenn aus dem Tod das Leben hervorgeht; auch aus einem Tod durch Erdbeben und Tsunamis ..........

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Eben und genau das widerspricht unserer Vernunft.
Kein Mensch besitzt volkommene Vernunft oder volkommene reine Weisheit, auf das er alles volkommen vernünftig begründen könnte. Auserdem ist unsere Vernunft "defeckt" Thomas von Aquin stellte schon fest das die Vernunft in die Irre leiten kann und es besser ist das die Vernunft Magd des Glaubens sei.
Dereinst wenn wir die Antwort bekommen, wenn wir nicht mehr defeckt sind, werden wir dann sagen "na eh logisch".
Gott hat seiner Allmacht Grenzen gesetzt und lässt das Unheil zu, zu unserer Besserung.
Gott hat sich keine Grenzen gesetzt, die Antwort ist zu "billig", der widerspricht in Hiob Gott "persönlich". Gott ist zwar ein Handelnder Gott, aber kein Weltenlenker der aktiv alles Geschehen zulassen muß oder Altiv andauernd alles anstößt. Wir müssen akzeptieren dinge geschehen, wir sind Kinder Gottes und frei und am "Erwachsenwerden" und keine HAustiere die er andauernd kommandieren muß. Und wir müssen sehen das das Handeln Gottes in der Welt in der Regel eben nicht sichtbar vor sich geht. Und das dieses Handeln in den Gesetzmässigkeiten der Schöpfung geschieht.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

anselm
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Beitrag von anselm »

Raphael hat geschrieben:...
Dieser User führt zwar den Namen "Anselm", vergißt dabei jedoch zuverlässig das "Credo ut intelligam" .....
Witzig formuliert. Aber woher willst du das wissen? Vielleicht (rein hypothetisch) spiele ich nur Advocatus Diaboli?

In einem recht allgemeinen Sinne von "glauben" muss allerdings jeder sein persönliches Programm "credo ut intelligam" oder "fides quaerens intellectum" durchführen, da irgendwelche Glaubensüberzeugungen immer am Anfang der Erkenntnis stehen müssen.

Allerdings kann man bei einem Widerspruch zur Anfangsannahme entweder diesen Glauben überprüfen, oder aber die Weltsicht dem Glauben anpassen.

Viele Grüße
Anselm

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overkott
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Beitrag von overkott »

Die Frage nach dem Zusammenhang von Logos und Liebe führt zur Frage nach der Personalität Gottes und seiner Sichtbarkeit und Erfahrbarkeit in der Schöpfung.

Es liegt auf der Hand, dass der Glaube an Gott die christliche Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Schöpfung und des Lebens ist.

Die Beobachtung von Naturgesetzen führt zu Staunen und Ehrfurcht vor einer Vernunft, die menschliches Denken übersteigt, aber menschlichem Denken auch zugänglich ist, ja an der der Mensch sogar aktiv teilhaben kann.

Die Beobachtung des Lebens führt zum Glauben, dass das Leben in der Liebe seinen Ursprung hat.

Beim Lesen im Buch der Schöpfung spiegelt der religiöse Mensch seine Seele. Er entdeckt die Schöpfung als beatmet, belebt und beseelt.

Gleichzeitig ist ihm die Seele der Welt unsichtbar wie die Seele seiner Mitmenschen, ja sogar wie seine eigene.

Und doch scheint ihm die Seele Sitz der Personalität zu sein.

Die Personalität des Mitmenschen aber ist erfahrbar.

Auch in Teilhandlungen eines Mitmenschen haben wir immer den Eindruck der ganzen Person zu begegnen.

So wird einem religiösen Menschen die Welt- und Lebenserfahrung zur Gotteserfahrung in Liebe, Leben, Vernunft und Gutem.

Weil aber das Erleben der Erkenntnis bedarf, um zur Erfahrung zu werden, wird das religiöse Erleben erst durch eine Reflexion im christlichen Glauben zur christlichen Gotteserfahrung.

Von daher ist eine christliche Gotteserfahrung nicht möglich ohne Offenbarung, Bibel, Kirche und Gebet.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Der EKD-Vorsitzende Bischof Huber hatte in der FAZ eine Stellungnahme zu Ratzingers Vernunft-These geschrieben:

http://www.ekd.de/aktuell/061031_huber_faz.html

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lutheraner hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Luther kennst du wohl; bezüglich seiner hast du recht. Sonst scheinst du weniger Ahnung zu haben. Tertullian war erstens kein Kirchenvater
[/color]
Aber selbstverständlich. Er war sogar der erste der auf Latein schrieb.
Als Kirchenväter werden in der lateinischen Kirche nur acht Kirchenlehrer angesehen: die westlichen Väter Ambrosius, Augustin, Hieronymus und Gregor der Große sowie die östlichen Väter Athanasius der Große, Basilius der Große, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomus. Die Orthodoxen anerkennen als Kirchenväter im strikten Sinne (also „Väter“ und Kirchenlehrer) allein die drei letztgenannten, also Basilius, Gregor und Johannes.


Raphael hat geschrieben:Auf die Schnelle folgt 'ne Quelle: Kirchenväter
Was das Heiligenlexikon dort bezüglich der Orthodoxen schreibt, ist leider hanebüchener Blödsinn. So komplett falsch, daß es weh tut.
[/size]
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Edi
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Beitrag von Edi »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Was das Heiligenlexikon dort bezüglich der Orthodoxen schreibt, ist leider hanebüchener Blödsinn. So komplett falsch, daß es weh tut.
Nebenbei: Das http://www.heiligenlexikon.de/Grundlagen/Impressum.html Heiligenlexikon stammt ja auch von dem prot. Pfarrer Johannes Schäfer, der das nur in der Freizeit macht, wie er mir geschrieben hat. Ich korrespondiere mit ihm gerade wegen eines andern "Fehlers", geändert hat er das aber seit 3 Wochen noch nicht.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lutheraner hat geschrieben:Kurz gesagt, die Theodizeefrage ist, weshalb ein allmächtiger, allgütiger und allwissender Gott das Böse zuläßt. Diese Frage ist für uns Menschen nicht beantwortbar.
Die »Theodizee« ist keine Frage, sondern die Antwort. Seitdem Leibniz unter diesem Titel Bayles Skeptizismus widerlegte, steht der Begriff für den philosophischen, rein rational begründeten Nachweis der Vernunftgemäßheit Gottes und des göttlichen Handelns und Wirkens – wobei das Thema der Sache nach natürlich Jahrtausende älter ist.

Mit Äußerungen wie der oben zitierten zeigst du, daß du die gesamte abendländische Philosophiegeschichte verschlafen hast. Statt dessen behauptest du, was du nicht zu beantworten vermagst, sei vernunftwidrig.
Lutheraner hat geschrieben:Stellen wir uns vor du bist ein guter und kräftiger Mensch, der sieht wie ein dir eindeutig körperlich unterlegener und unbewaffneter Mensch ein Mädchen vergewaltigt.
Du siehst nur den Augenblick. Gott schaut alles für dich Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige als gegenwärtig. Wie kannst du an deinen Schöpfer den Maßstab deines Horizontes legen?
Lutheraner hat geschrieben:Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, weshalb greift er nicht ein, wenn nach unserem Verständnis etwas schlimmes geschieht? Dies Frage kann unsere Vernunft nicht beantworten. Wir können nur zu Weisheiten wie "Gottes Wege sind unergründlich" greifen - und akzeptieren damit, daß wir mit unserer Vernunft hierauf keine Antwort geben können.
Auf die von dir aufgeworfenen Fragen gibt es, wie gesagt, durchaus sehr vernünftige Antworten. Aber natürlich gibt es auch Dinge – ja: sehr viel mehr sogar –, die kein Mensch auch nur näherungsweise zu erfassen vermag. Aber das spricht doch nicht gegen deren Vernunftgemäßheit.

Vielmehr kann es nicht verwundern, daß unsere geschöpfliche Vernunft sich nur schwer und gleichsam per inspirationem über ihre eigene, geschöpfliche Ebene erheben kann. Aber sie vermag es denn doch, auch wenn sie nicht entfernt in der Lage ist, die Natur Gottes zu erfassen, wie sie ist.

Durch unsere vernunftbegabte Geistseele sind wir Abbild Gottes, und so können wir, was immer wir sinnen, nur per analogiam auf Gott übertragen. Insofern können wir von der „Vernunftgemäßheit Gottes“ reden. Wir müssen bloß wissen, daß wir nur unsern irdischen Maßstab kennen. Das Urbild können wir nicht ermessen. Wir können aber erkennen, daß Gott dies Urbild ist: die Vernuft selbst, der Logos.
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overkott
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Beitrag von overkott »

Im Licht der Offenbarung reflektiert, verstehen wir Logos als Synonym für Jesus Christus, worin sich nicht nur die Komplexität des Logosverständnisses zeigt, sondern insbesondere auch die Komplexität der christlichen Reflexion über Gott. Gott ist mehr als der Logos: Logos und Liebe.

Philosophisch erscheint er uns wie animus und anima, dreifaltig wie die menschliche Seele: im väterlichen Über-Ich, im kindlichen Ich sowie im geistlichen Es.

Gott erschließt sich dem Menschen deduktiv durch Offenbarung in Wort und Tat, wie sich auch die Menschen durch Wort und Tat einander offenbaren; und wie wir uns induktiv durch Analogieschluss und Intuition ein Bild unserer Mitmenschen machen, so können wir es auch im Hinblick auf die Seele der Schöpfung des dreifaltigen Gottes.

Sebastijonas
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Wohnort: Hannover

Beitrag von Sebastijonas »

Lutheraner hat geschrieben:Warum hat der allgütige, allmächtige und allwissende Gott nicht das Erdbeben von Lissabon verhindert, das die Theodizee-Frage damals wieder aufwarf, warum nicht andere schlimme Naturkatastrophen wie vor zwei Jahren den "Weihnachts-Tsunami" oder die Zerstörung von St. Louis?
Es erschließt sich nicht unserer Vernunft und damit steht das Christentum über der Vernunft oder man hält Gott nicht für allgütig, allmächtig und allwissend.
Ich verstehe das Problem nicht. Wie steht die "Nichtverhinderung" des Erdbebens von Lissabon gegen die Vernunft?

Legena Aurea hat geschrieben:Es war einer ſiech, den hatte Sanct Thomas gar lieb gehabt, da er noch auf Erden war geweſen; der ging mit gutem Vertrauen zu Sanct Thomas Grab und bat ihn um Heilung, und ward alsbald geſund. Aber als er heimkam, gedachte er bei ſich, daß Geſundheit des Leibes vielleicht der Seele Schade wäre. Darum ging er wieder hin zu dem Grab und betete: wäre ſeine Geſundheit der Seele nichts nütz, ſo möchte er ihm die Krankheit wieder geben. Da ward er zu derſelben Stunde wieder ſo krank als zuvor.
Verða kann at mærin minniz
mín, þá er ligg ek kvaldr í pínu,
berr mik þar til ván, á vǫrrum
víst ef léki á Dóminús técum.

Raphael

Beitrag von Raphael »

anselm hat geschrieben:Vielleicht (rein hypothetisch) spiele ich nur Advocatus Diaboli?
Gegen diese Hypothese sprechen mehrere Fakten:
1. Der advocatus diaboli hat eine bestimmte Funktion innerhalb des Heiligsprechungsprozesses. Seine Aufgaben sind genau umrissen und erledigen sich innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens.
Ein Gläubiger, der sein - mehr oder weniger gesamtes - Glaubensleben als ein "advocatus diaboli" führen will, verrät nicht nur seinen eigenen Glauben, sondern auch den seiner Mitgläubigen.
2. Virtuelle Bekanntschaft habe ich mit Dir bereits in Deinen Tagen bei kath.net gemacht. Es sind also genügend Jahre ins Land gegangen und es gab vielerlei Möglichkeiten, um sich ein genaueres Bild vom Gegenüber zu machen. Das Bild, was sich dabei bei allen virtuellen Ungenauigkeiten herausschälte, ist mit einem advocatus diaboli in keinster Weise in Übereinstimmung zu bringen.
3. Aus dem RL sind mir einige Verhaltensweisen von Dir bekannt, die ebenfalls nicht zu dem modus operandi eines advocatus diaboli passen.

Alles in allem:
Kein advocatus diaboli, sondern "Sand im Getriebe" der katholischen Kirche ...............

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overkott
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Beitrag von overkott »

1. Advocatus diaboli gibt's nicht mehr
2. Der Heiligsprechungsprozess läuft heute anders

anselm
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Beitrag von anselm »

Lieber Raphael,
auch wenn es nicht wirklich wichtig ist,
Raphael hat geschrieben: Virtuelle Bekanntschaft habe ich mit Dir bereits in Deinen Tagen bei kath.net gemacht. ....
aber bei kath.net habe ich noch nie gepostet. Vielleicht meinst du orden-online (muss schon viele Jahre her sein, das Forum gibts ja schon lange nicht mehr) ?
Raphael hat geschrieben: 3. Aus dem RL sind mir einige Verhaltensweisen von Dir bekannt, die ebenfalls nicht zu dem modus operandi eines advocatus diaboli passen. ....
Was bedeutet die Abkürzung RL?? (Nur damit ich evtl. verstehe, was du meinen könntest).

Viele Grüße
Anselm

HeGe
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Beitrag von HeGe »

RL = Real Life.
- Nutzer nicht regelmäßig aktiv. -

anselm
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Beitrag von anselm »

HeGe hat geschrieben:RL = Real Life.
Danke für die Info.

Aber dann verstehe ich die daran anknüpfende Bemerkung von Raphael garnicht mehr, denn ich glaube nicht, dass wir uns im RL schon einmal begegnet sind. Vielleicht verwechselt er mich mit jemand anderem?

Raphael

Beitrag von Raphael »

anselm hat geschrieben:
HeGe hat geschrieben:RL = Real Life.
Danke für die Info.

Aber dann verstehe ich die daran anknüpfende Bemerkung von Raphael garnicht mehr, denn ich glaube nicht, dass wir uns im RL schon einmal begegnet sind. Vielleicht verwechselt er mich mit jemand anderem?

[Bild gelöscht, MFG SD]

anselm
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Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Hallo Raphael,
dann verwechselst du mich wirklich mit jemand anderem.

Da unsere Diskussion aber nicht zum Thema des Threads passt, werde ich dir eine PN schreiben.

Viele Grüße
Anselm

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nee, Raphi, Sokrates isser nich!
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Beitrag von Raphael »

anselm hat geschrieben:Hallo Raphael,
dann verwechselst du mich wirklich mit jemand anderem.

Da unsere Diskussion aber nicht zum Thema des Threads passt, werde ich dir eine PN schreiben.

Viele Grüße
Anselm
In der Tat habe ich Dich da wohl verwechselt!
Deshalb nehme ich die Vorwürfe mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns zurück.


Ich bitte jedoch um Verständnis, wenn ich bei kritischen Rationalisten "allergisch" reagieren sollte. :roll:

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incarnata
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Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Beitrag von incarnata »

Sehr schöner Text ! So viel Gedanken über die tiefere Bedeutung von
Haltungen und Gebetsrichtungen sollten sich mal unsere modernistischen
"Liturgiegestalter" machen.Dann könnte man auch in unseren Lateinisch-
katholischen etwas mehr von dem gleichzeitigen Ablauf der
Liturgie im Himmel wie auf der Erde erfahren.Beim NOM muß man sich
schon sehr anstrengen entsprechend würdige Messen zu finden;bei den
Messen im vorkonziliaren Ritus ist`s etwas einfacher.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

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