Was antworten, warum GOTT nicht vor Erdbeben warnt

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
josef
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Was antworten, warum GOTT nicht vor Erdbeben warnt

Beitrag von josef »

Hallo an Alle,

Was soll der Christ einem Skeptiker antworten
der fragt,
warum denn GOTT, wenn ER schon Erdbeben zuläßt,
nicht die Menschen wenigstens vor dem Beben warnt
und ihnen so die Möglichkeit gibt sich und ihre Kinder vor Schaden und Tod zu bewahren?

Wo doch JESUS in Matthäus 10,29 unmißverständlich sagt:

·29 "Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren VATER."

Und in Matthäus 10,30:

·30 "Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt."



Gruß
josef

Stefan

Beitrag von Stefan »

Warum lässt denn Gott das Leben überhaupt tödlich enden?
(Tut er das?)

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Warum ist das Kind unserer Bekannten mit spina bifida geboren und von der Hüfte ab gelähmt?
Warum fahren Leute in den Urlaub und ihr Leben endet dabei auf der nächsten Autobahn?
Warum werden in der Bundesrepublik jährlich ca. 100 Kinder Opfer von Gewaltverbrechen?
Warum gibt es unheilbare Krankheiten?
Warum sterben u.E. immer die Guten zuerst und die Bösen zuletzt?

Also, Josef, diese Liste ist endlos fortzusetzen, von Erdbeben angefangen bis was weiß ich wohin ....
Und? Was erkennen wir daraus?

Ich würde mal sagen, so ist das Leben. Wir akzeptieren gern und bereitwillig das, was uns in der Schöpfung schön erscheint (was meist das ist, was uns keinen Kummer bereitet). Indem wir das Leben akzeptieren, müssen wir aber Glück und Leid gleichermassen akzeptieren. Diese beiden Dinge kann man nicht voneinander trennen.

Die Frage - warum lässt Gott das zu? ist eine, die den Christen immer wieder in Gesprächen gestellt wird und die sich Christen auch selbst stellen. Täten sie das nicht, wären sie gefühllose Klotze.
Nehmen wir den Fall der kleinen Sonja, der uns die letzten Tage mit Entsetzen erfüllt hat. Wer möchte da nicht Gott anschreien - DU könntest das verhindern! Warum tust DU nichts? Es ist GENUG!
Wir dürfen dies und m.E. sollen wir das sogar. Was sollte Gott sonst von uns halten, wenn wir nicht mitleiden und dieses Mitleid vor ihn tragen?

Bloß Antworten darauf, die schlüssig und in Diskussionen einleuchtend klingen - die bekommen wir so einfach nicht von ihm serviert.

Um noch mal auf Sonja zurückzukommen - ich weiß, es ist unpopulär, vom Bösen zu sprechen und es zu personifizieren. Ich tue es trotzdem. Der Teufel wandelt auf Erden, da bin ich zutieftst überzeugt davon. Und wen er im Griff hat, der lässt alles Menschliche hinter sich. Wir stecken knietief im Morast. Wer von euch betet denn ab zu mal zum Erzengel Michael, unseren himmlischen Mitstreiter gegen den Satan? Übrigens der Schutzpatron Deutschlands.
Wir können jede Hilfe gebrauchen.

Geronimo

(gespannt, in welche Schublade ich jetzt gesteckt werde ;)
Zuletzt geändert von Geronimo am Dienstag 13. Januar 2004, 15:12, insgesamt 2-mal geändert.

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Ich denke, wenn ich nicht an ein Leben nach dem Tod glaube, ist dieses Leid, das oft Unschuldige trifft, ungerecht (falls man dann überhaupt an einen Gott glaubt).

Aber wenn ich ernsthaft an ein Leben nach dem Tod glaube, kann ich auch an einen Ausgleich glauben.

Es kommt darauf an, was ich als die Gesamtheit des Lebens betrachte:
Das Leben von Geburt bis zum Tod, oder das Leben von der Geburt bis hinein in die Ewigkeit.

Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Es gibt ein Element des Nichtseins in der Welt. Das besagt die Lehre von der Schöpfung. Und das ist für mich die Antwort auf die Theodizeefrage.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

Ralf

Beitrag von Ralf »

Meine Antwort ist immer die, dass ich es nicht weiß, aber den Herrn eines Tages mal fragen werde. Und meine Frageliste ist lang.

Christian
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Beitrag von Christian »

Hallo,

die Frage nach dem "warum" ist die menschlichste Frage aller Fragen.
Wir fragen nach dem Grund der Schöpfung und auch nach dem Sinn des Leids und wir werden als Menschen niemals den Sinn verstehen,weil wir die Göttlichkeit nicht begreifen können.

Zur Erinnerung als Jesu ans Kreuz geschlagen wurde fragte er :Vater warum hast du mich verlassen

Auf dem Ölberg bat Jesu darum das der Kelch an Ihm vorbeigehen möge,jedoch er nahm den Kelch an,damit Gottes Wille geschehe.

So wie Jesu sich dem Willen des Vaters gebeugt hat,so müssen wir uns beugen.

Den Grund,unserer Prüfung, werden wir vielleicht niemals erfahren.

Christian

Edith
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Re: Was antworten, warum GOTT nicht vor Erdbeben warnt

Beitrag von Edith »

josef hat geschrieben:Hallo an Alle,

Was soll der Christ einem Skeptiker antworten
der fragt,
warum denn GOTT, wenn ER schon Erdbeben zuläßt,
nicht die Menschen wenigstens vor dem Beben warnt
und ihnen so die Möglichkeit gibt sich und ihre Kinder vor Schaden und Tod zu bewahren?
Gruß
josef
Warum sollte Gott mich vor dem Tode bewahren? Wo es doch das Tor ist, durch das ich gehe, um zu Ihm zu gelangen? 8)

Stefan

Beitrag von Stefan »

Eben, Edith - man sieht hier, daß der Fragende zwar hypothetisch den Schöpfergott als existent voraussetzt, aber die Konsequenz, nämlich den erlösenden Gott schlabbert. Das ist ein prinzipielles Spannungsverhältnis, welches nicht nur Atheisten Schwierigkeiten bereitet, sondern auch manchen Christen: Einseitigkeiten in Bezug auf Schöpfung und Erlösung. Darin lösen sich m.E. auch die hier bereits mehrfach diskutierten Schubladen progressiv/liberal einerseits sowie konservativ/traditionell andererseits auf, aber das ist ein anderes Thema.

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

cathol01 hat geschrieben:Es gibt ein Element des Nichtseins in der Welt. Das besagt die Lehre von der Schöpfung. Und das ist für mich die Antwort auf die Theodizeefrage.
Hallo cathol,

bin theologisch ja ziemlicher Laie. Hab aber schon ein paarmal von der "Theodizeefrage" gehört, weiß aber nicht was damit gemeint ist. Würd mich über eine ganz kurze Erklärung freuen.

Mit dem Nichsein hab ich mich selbst auf eigene Faust früher viel beschäftigt (hab mal eine Theorie von Sein und Möglichkeitenraum entworfen und unsere Welt als die zunehmende Vereinigung der beiden dargestellt - kam aber nicht aus einer Religion, sondern hab ich aus der Chaostheorie entwickelt). Daher würde mich eigentlich interessieren, was genauer Du sagen willst, da es mir nicht ganz klar ist. Aber nur, wenn Du Lust hast, es zu erklären.
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

cathol01 hat geschrieben:Es gibt ein Element des Nichtseins in der Welt. Das besagt die Lehre von der Schöpfung. Und das ist für mich die Antwort auf die Theodizeefrage.

Woraus ergibt sich da die Antwort? Erläutere das doch näher. Der Zusammenhang leuchtet mir nicht ein.

Gruß
Geronimo

Cicero
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Re: Was antworten, warum GOTT nicht vor Erdbeben warnt

Beitrag von Cicero »

Edith hat geschrieben: Warum sollte Gott mich vor dem Tode bewahren? Wo es doch das Tor ist, durch das ich gehe, um zu Ihm zu gelangen? 8)
Carlo Carretto hat geschrieben: "Wenn ich gestorben bin - und ich hoffe bald, denn ich habe den Herrn kennengelernt und sehne mich danach, sein Antlitz zu sehen..."Carlo Carretto, Gib mir deinen Glauben. Gespräche mit Maria von Nazareth. Freiburg i.Br. 1980.
Niemand wird Carlo Carretto zu recht nachsagen können,
er habe nicht gerne hier unter Brüdern und Schwestern gelebt.
Und dann so ein Satz. Und er ist in seinen Schriften kein Einzelfall,
kein Ausrutscher, sondern er hat Methode.

Wenn mir ein Leben in der Herrlichkeit Gottes verheißen ist, warum sollte ich dann zögern zu sterben, wenn die Zeit an mir ist.

Tullius
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Registriert: Dienstag 13. Januar 2004, 14:20

Re: Was antworten, warum GOTT nicht vor Erdbeben warnt

Beitrag von Tullius »

josef hat geschrieben: Was soll der Christ einem Skeptiker antworten
der fragt,
warum denn GOTT, wenn ER schon Erdbeben zuläßt,
nicht die Menschen wenigstens vor dem Beben warnt
und ihnen so die Möglichkeit gibt sich und ihre Kinder vor Schaden und Tod zu bewahren?
Wo doch JESUS in Matthäus 10,29 unmißverständlich sagt:

·29 "Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren VATER."
Und in Matthäus 10,30:
·30 "Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt."
Vielleicht solltest du dem Skeptiker mit einer anderen Bibelstelle zu antworten versuchen und den hlg. Paulus sprechen lassen, der seine innerste Sehnsucht in diesen Zeilen zum Ausdruck bringt:

Phil 1,21 Denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn.
Phil 1,22 Wenn ich aber weiterleben soll, bedeutet das für mich fruchtbare Arbeit. Was soll ich wählen? Ich weiß es nicht.
Phil 1,23 Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein - um wie viel besser wäre das!

Um wieviel besser wäre es bei Christus zu sein, schreibt der Völkerapostel. Die Stunde seines Martyriums wird für ihn eine Glücksstunde gewesen sein. Wäre ihm ein Stein bei einem Erdbeben auf den Kopf gefallen - seis drum, er hätte diesen Tod als von GOTT gegeben mit Freuden angenommen, - um dann bei IHM sein zu dürfen.

Es ist bestimmt nicht einfach eine solche Haltung und ein solches GOTTVERTRAUEN wie der hlg. Paulus zu praktizieren, - aber sich darin üben und zu versuchen diese Einstellung zu erlangen, ist es bestimmt wert.

Ob es der Skeptiker fassen kann? - Wohl eher nicht !

Weiterhin frage den Skeptiker, ob er sich die Frage nach GOTT überhaupt stellen würde, wenn es nicht manchmal Katastrophen geben würde. Hinterfrage bei ihm den Sinn einer " göttlichen Zulassung ".

Frage den Skeptiker auch, - warum die letzten Russlandheimkehrer im Lager Friedland " Grosser GOTT wir loben dich " gesungen und GOTT nicht die Schuld für den furchtbaren Krieg in die Schuhe geschoben haben.

Da hat dein Skeptiker genug Stoff mit dem er sich beschäftigen kann.

mfg Tullius

Gast

Beitrag von Gast »

Julia Wolf hat geschrieben:Hab aber schon ein paarmal von der "Theodizeefrage" gehört, weiß aber nicht was damit gemeint ist. Würd mich über eine ganz kurze Erklärung freuen.
Die "Theodizeefrage" ist die Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts menschlichen Leidens und dem Bösen in der Welt. Sie wird in jeder monotheistischen Religion gestellt.

Anders gefragt: "Woher kommt das Böse in der Welt, wenn Gott als allmächtiger Schöpfer doch gut ist?"

Oder (s. Hiob): "Warum leiden Unschuldige (Gerechte), während es bösen Menschen, die sich einen Dreck um Gottes Gebote scheren, gut geht?"

An der "Theodizeefrage" haben sich ganze Generationen von Theologen und Philosophen verkopft, ohne sie "gelöst" zu haben.

Wenn Du mich fragst: Ich kenne die Antwort auch nicht - aber ich habe auch noch nie zu den bohrenden "warum"-Fragern gehört.

Grüße, Margarete

anselm
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Beitrag von anselm »

Das Theodizee-Problem ist vermutlich eine der zentralen Fragen, der sich der christliche Glaube stellen muss.

@Stefan, mir ist allerdings nicht klar, warum die Theodizee ein Problem für Atheisten sein sollte. Für Atheisten existiert dieses Problem einfach nicht, denn das Problem taucht nur auf, wenn ein guter und allmächtiger Gott angenommen wird.

@Tullius + einige andere Antworten, wenn ich es richtig interpretiere sehr ihr eine Antwort auf die Theodizee-Frage in der Abwertung der Welt. Also, wenn die Welt "schlecht" ist, dann ist Sterben (und in euerer Deutung = Gottes Angesicht sehen) ein Gewinn. Das ändert aber nichts daran, dass auch dann Gott diese schlechte Welt geschaffen hat.

Die Antwort von @Ralf gefällt mir ehrlichgesagt am besten, aber sie löst das Problem für uns Weltkinder leider überhaupt nicht.

Also, warum hat Gott eine Welt geschaffen, von der viele Menschen sagen würden, dass sie schlecht ist? Zu unserer Prüfung?? Diese Antwort verstehe ich am allerwenigsten.

Viele ratlose Grüße
Anselm

Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben: @Stefan, mir ist allerdings nicht klar, warum die Theodizee ein Problem für Atheisten sein sollte. Für Atheisten existiert dieses Problem einfach nicht, denn das Problem taucht nur auf, wenn ein guter und allmächtiger Gott angenommen wird.
Das Theodizee-Problem ist glaube ich älter als das Christentum. Nun gut, es ist eine Frage der Sichtweise:

Gläubigen stellt sich das Theodizeeproblem einfach nicht, weil sie (meistens) weder an einen Anspruch auf eine leidfreie Welt annehmen noch durch das Leid in eine Sinnkrise geraten (vorausgesetzt, sie glauben an die Erlösung).
Das Theodizee Problem wird von Atheisten als Begründung für ihren Atheismus genannt - und wird damit für sie zum Problem, weil es sie am Glauben hindert - und sie dadurch in eine Sinnkrise geraten.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Hallo, Anselm

ich hatte versucht, dies in meiner Antwort zu erklären. Die Welt ist weder gut noch schlecht, sondern beides. Wie eine Medaille mit zwei Seiten. Wenn man das immens Schöne haben will (oder geschenkt bekommt), ist es unmöglich, das immens Schlechte nicht dazu zu bekommen. Wir leben halt nicht im Paradies.
Für mich ist der Gedanke an Nach-demTod-ist-es-ganz-toll eigentlich keine Beruhigung. Ich lebe hier und jetzt. Vor Jahren sagte einmal der Pfarrer, in dessen Gemeinde ich damals heimisch war, die Leute sollten sich nicht immer mit dem Später und Nach dem Tod beschäftigen - Himmel und Hölle würden hier auf der Erde gestaltet und wer hier keinen Himmel bereitet (sich und anderen) würde auch später drüben keinen finden. Wenn ich mir ansehe, wie viele Menschen in einer richtigen selbstgezimmerten Hölle leben, stimme ich ihm zu. Der Himmel, den wir hier haben und gestalten, ist erstmal der einzige, den ich erfassen kann und wo ich tatkräftig dran mitwirken kann.

Also - die Welt ist für mich einfach so wie sie ist und Gott sie geschaffen hat. Wenn ich über das Böse nachgrübeln würde, müsste ich mich im Endeffekt ja auch über die Tierwelt aufregen, wo so viele "putzige" Tierchen von anderen "putzigen" Tierchen elendig gefressen werden und dies manchmal bei lebendigem Leibe (siehe Insekteneier in Pferden etc.) Weder die Natur noch wir sind paradiesisch.

Warum Gott indes diese Welt so gemacht hat, bleibt mir verschlossen und es interessiert mich auch nicht sehr. Da gibts wirklich Wichtigeres zu ergründen.

Geronimo

P.S. Nimm z.B. mal die Liebe zwischen Mann und Frau - halten doch die meisten Menschen für das Erstrebenswerteste, Größte, Himmlischste und was weiß ich auf der Welt. Wie viele Verbrechen wurden aus Liebe und Leidenschaft begangen, wie viele Teufeleien entstanden aus Liebe, die fehlging. Liebe trägt in sich den Kern des Leides, das ist mal klar. Und jeder der liebt, weiß das. Kehrseite halt ...

Marlene
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Beitrag von Marlene »

anselm hat geschrieben: Also, warum hat Gott eine Welt geschaffen, von der viele Menschen sagen würden, dass sie schlecht ist? Zu unserer Prüfung?? Diese Antwort verstehe ich am allerwenigsten.
Hallo Anselm,
eigentlich haben wir für die Antwort auf diese ja nur die Bibel. Auch wenn die Schöpfungsgeschichte nur ein Mythos ist, so erklärt sie doch einiges: Gott hat die Welt als gut geschaffen. Und die Menschen auch. Aber er hat sie mit einem freien Willen ausgestattet. Denn er wollte keine Schachfiguren, die er auf seinem Schöpfungsschachbrett hin und her schieben kann, sondern verantwortungsvolle Partner. Aber in diesem freien Willen steckt das Prinzip des Allesmachbaren und des Offenen - auch zum Bösen hin. Gott lässt uns erkennen, was Gut und Böse ist. Und er lässt uns entscheiden, was wir wollen. Und damit geht das ganze Durcheinander los ... und die Fragerei weiter. Wo greift er ein? Wie greift er ein? Greift er überhaupt ein? Leidet er mit uns? Was denkt er???

Ich fürchte, wenn man sich in diese Fragen reinkniet, kann man ganz schön abdrehen.

Jesus hat uns einen barmherzigen und liebenden Vater ans Herz gelegt. Er hat uns gezeigt, wie das Reich Gottes auf Erden sein könnte, dass es für den da ist, der die Welt überwindet und der mit seinem Glauben die Berge versetzt. Eine Wahnsinnsforderung , Überforderung? Aber doch unheimlich einleuchtend, oder? Und die Fragen stellen sich nicht mehr.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Geronimo hat geschrieben:Die Welt ist weder gut noch schlecht, sondern beides.
Ja. Aber grundsätzlich gilt folgendes: Eine der Hauptfunktionen der Schöpfungslehre besteht darin, die Abhängigkeit alles Geschaffenen von Gott und folglich die wesensmäßige Gutheit der Schöpfung zu betonen. Gott ist gut, und dieser gute Gott schafft das Gute. Das ist auch der Grund oder das Motiv der Schöpfung: Gott will das Gute mitteilen. Damit ist Schöpfung gut und somit jedes Seiende ein Gutes. Von Gott kann nur Gutes kommen. Das Christentum und ganz besonders der christliche Schöpfungsgedanke behauptet, dass die Welt als Schöpfung Gottes wesenhaft gut ist. Diese Tatsache wird ausgedrückt in einer fundamentalen These des Christentums, der so genannten Transzendentalienlehre: "esse qua esse bonum est" ("das Sein ist als solches gut"); "omne ens est bonum" ("alles Sein ist gut"). Diese Sätze drücken eigentlich nichts anderes aus als das, was schon in der Bibel mehrmals unterstrichen wird: Im ersten Schöpfungsbericht wird beschrieben, wie Gott alles betrachtet und sagt: "Es war sehr gut" (Gen 1,31) , und im Brief an Timotheus heißt es: "Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut" (Tim 4,4). Auch Augustinus betont, dass alles, was Gott geschaffen hat, gut ist, und es eigentlich für die Schöpfung in ihrer Ganzheit kein Böses gibt.

Wenn das Sein als Sein gut und so auch die Schöpfung gut ist, dann ist auch der mit ihr geschaffene Mensch gut. Symbol für diese ursprüngliche Gutheit oder Unschuld des Menschen ist Adam. Das heißt nicht, dass Adam vollkommen wäre, sondern der Mensch wird in Adam als potentiell gut symbolisiert. Adam ist das Symbol für das Element träumender Unschuld und schöpferischer Möglichkeiten, das in jedem Menschen vorliegt. (Tillich)

Wir sollen also ja sagen zur Schöpfung, zu aller Schöpfung: ein Ja zur Erde, zum Universum, zur Behauptung, dass Gott der Erde genau so nah ist wie den Sternen, ein Ja zur Materie. Es ist nicht nötig, die Materie zu fliehen, um zu Gott zu gelangen, denn die Materie (auch die irdische) ist nicht gegengöttlich, im Gegenteil, sie ist als Setzung Gottes vollkommen in all ihren Stufen. Dieses Ja zur Schöpfung ist zutiefst christlicher Schöpfungsglaube, der sich damit dem Lebensgefühl der Antike entgegensetzt.

Jedes Individuum hat vor Gott und vom Ewigen her einen unendlichen Wert. Deshalb ermöglicht die Orientierung an der Schöpfungslehre, und somit jede Religion, die ihre Wurzeln in der alttestamentlichen Überlieferung hat, eine freie Gesellschaft.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Geronimo hat geschrieben:
cathol01 hat geschrieben:Es gibt ein Element des Nichtseins in der Welt. Das besagt die Lehre von der Schöpfung. Und das ist für mich die Antwort auf die Theodizeefrage.
Woraus ergibt sich da die Antwort? Erläutere das doch näher. Der Zusammenhang leuchtet mir nicht ein.
Die Theodizeefrage ist in der Tat so alt wie die Philosophie selbst und hat zur Zeit in der religionsphilosophischen Forschung wieder Hochkonjunktur. Wie kann ein allmächtiger Gott, der zugleich der Gott der Liebe ist, so viel Elend zulassen? Wie kann ein allmächtiger Gott gerechtfertigt werden im Hinblick auf Wirklichkeiten, in denen auch nicht der geringste Sinn entdeckt werden kann? So könnte man die Frage formulieren. Ich möchte mit Paul Tillich antworten. Er unterscheidet bei der Beantwortung der Theodizeefrage zwischen physischem Übel und moralischem Übel. Das physische Übel (z.B. Leiden, Tod) ist "die natürliche Folge kreatürlicher Endlichkeit" und das moralische Übel (z.B. Sünde, Selbstzerstörung) ist "die tragische Folge kreatürlicher Freiheit". Tillich glaubt, dass Gott nicht Objekte schaffen kann, die nichts als bloße Objekte sind, sondern etwas schaffen muss, was Freiheit besitzt und damit den Gefahren der Freiheit ausgesetzt ist. Da Gott das Wagnis der Schöpfung endlicher Freiheit auf sich genommen hat, kann weder das physische noch das moralische Übel seine Allmacht und Güte in Frage stellen. Diese Sichtweise scheint also den gravierendesten Herausforderungen stand.


Die zentrale Frage innerhalb des Theodizeeproblems ist aber für Tillich die Frage nach der individuellen Theodizee, d.h. die Frage, warum einige Wesen von jeglicher Art Erfüllung scheinbar ausgeschlossen sind. Diese Schwierigkeit löst Tillich über den Begriff der von Gott geschaffenen Subjektivität. Zunächst weist er darauf hin, dass man nicht mit absoluter Sicherheit sagen kann, ob andere Personen von der Liebe Gottes oder von der letzten Erfüllung geschieden sind oder nicht, auch wenn es von außen so scheinen mag. Die Frage nach der individuellen Theodizee kann aber trotzdem beantwortet werden aufgrund des Prinzips der gegenseitigen Partizipation, das bedeutet, dass es bei jeder persönlichen Erfüllung zugleich um universale Erfüllung geht. Das Schicksal des einzelnen kann nicht vom Schicksal des Ganzen, an dem es teilhat, getrennt werden. Die „endgültige“ Antwort liegt Tillich zufolge im Geheimnis des schöpferischen Grundes. Die Unterscheidung zwischen erfüllten und nicht erfüllten Einzelnen widerspricht der letzten Einheit von Individualisation und Partizipation im schöpferischen Grund des göttlichen Lebens. Eine „letzte“ Antwort findet Tillich schließlich in der Partizipation des göttlichen Lebens an der Negativität des kreatürlichen Lebens. Gott als schöpferisches Leben umschließt auch das Endliche, somit auch das Nichtsein. Er nimmt an unserem Leben, v.a. auch an dessen negativen Aspekten, an unserem Leiden teil, indem er es (in Jesus Christus) überwindet und so die Schöpfung erfüllt. In dieser Gewissheit, dass Gott der Grund des Seins und Sinnes ist, wurzelt der Mut zum Sein jedes Geschöpfes. Trotz der Bedrohung des Nichtseins hat der Mensch den Mut zur Bejahung des eigenen Seins. Auf die Quelle dieses Mutes weist das Symbol der Schöpfung hin.

Im zweiten Band der Systematischen Theologie schreibt Tillich, dass die Frage, wie der liebende und allmächtige Gott das Übel zulassen kann, sich erst beantworten lässt, wenn man die Frage, wieso Gott die SÜNDE zulassen kann, beantwortet hat. Diese Frage lässt sich jedoch einfach beantworten: Wäre die Sünde nicht zugelassen, so wäre auch die Freiheit nicht zugelassen. Das aber würde die dem Menschen eigene Natur - seine endliche Freiheit - zunichte machen. Würde Gott die Möglichkeit der Entfremdung nicht vorsehen, so wäre die Welt nur ein "Paradies träumender Unschuld", mit einem Gott, der mit sich selbst in toter Identität verbleibt. Aber ist Gott nicht vielmehr eine Macht des Seins, wenn er die Entfremdung überwindet, als wenn er sie einfach verhindern würde?
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

cathol01 hat geschrieben:
Ja. Aber grundsätzlich gilt folgendes: Eine der Hauptfunktionen der Schöpfungslehre besteht darin, die Abhängigkeit alles Geschaffenen von Gott und folglich die wesensmäßige Gutheit der Schöpfung zu betonen. Gott ist gut, und dieser gute Gott schafft das Gute.

quote]

Okay. Die Sache mit dem Tillich lese ich mir heute abend durch, so viel Zeit habe ich momentan nicht. Komme aber darauf zurück.

Das Mißverständnis scheint mir generell zu sein, dass dieses Gute nicht endgültig definiert werden kann, sondern nur vom Menschlichen her so bezeichnet wird. Was heißt GUT? Was wir für gut befinden. Was heißt GUT für Gott? Möglicherweise was ganz anders. Und da hört bei mir das Denken darüber auf, weil ich nicht weiß oder wissen kann, ob mein Begriff einer guten Schöpfung mit dem von Gott überhaupt nur andeutungsweise übereinstimmt. Der GUTE Gott, der LIEBENDE Gott - ist immer in allgemeinen Sprachgebrauch DER Gott, der DAS tut oder täte, was wir als GUT oder als LIEBEND empfinden. Ich nehme an, dass der GUTE GOTT, der GOTT all unserer Kirchenlehrer und all unserer Heiligen, die ihn individuell erfahren haben, alles andere als in unserem Sinne GUT ist. Er ist Gott; mehr gibts darüber nicht zu sagen. Alles andere wäre für mich süßliches Gesülze. Und um zu erfahren, was in Gottes Sinne GUT bedeutet, werde ich wohl erst in seine Herrlichkeit eingehen müssen.
Deshalb kann ich mit dem Begriff GUT in Bezug auf Schöpfung oder Gott nichts anfangen. Deshalb erübrigen sich auch für mich persönlich die Fragen nach dem Wieso und Warum von Leid auf der Welt.

Abhängigkeit der Schöpfung von Gott bejahe ich natürlich. Wenn Gott aber seine Schöpfung sah und meinte, dass sie gut sei, bedeutet das was anderes.
Hört sich vielleicht ein bißchen verquer an, was ich hier schreibe, aber ich kann es nur schwer in Worte fassen.

Gruß
Geronimo

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Danke Margarete für Deine Antwort. Sie ist sehr klar, jetzt habe ich eine gute Vorstellung davon, was die Theozidee ist.

Herzliche Grüße
Julia
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T. Boesche-Zacharow

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Hallo cathol,

vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen. Bin erst jetzt dazu gekommen, sie aufmerksam zu lesen. Sie sind sehr interessant für mich.

Aus meiner Sicht fällt mir dazu ein, dass Nichtsein ja Möglichkeiten bedeutet. Dort, wo etwas ist, ist etwas festgelegt. Z.B. wo eine Mauer ist, ist eine Mauer und kein Tisch, kein Baum, keine Wolke...
Dort, wo nichts ist, bestehen Möglichkeiten. Türen, Fenster eröffnen Möglichkeiten. Der leere Raum, nicht dessen Wände, gibt die Möglichkeit, in einer Wohnung zu leben, sie verschieden einzurichten, die unterschiedlichsten Tätigkeiten auszuführen.

Laotse sagt es ja so ähnlich:

"Dreißig Speichen umgeben eine Nabe:
In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.
Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen:
In ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk.
Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde.
In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk.
Darum: Was ist, dient zum Besitz
Was nicht ist, dient zum Werk."

Die Chaosforschung hat entdeckt, dass dort, wo keine starre Ordnung besteht, Kreativität beginnen kann, und dass funktionierende Systeme beides brauchen: Ordnung und Chaos (Chaos könnte man ja auch als ein Nichts an Ordnung beschreiben).

So gewährt erst das Nichts unsere Entfaltungsmöglichkeit, und erst die Schuldfähigkeit die Möglichkeit der Entscheidung zum Guten und somit vielleicht überhaupt die Wahrnehmung des eigenen Selbst als handelndes und entscheidendes Wesen.

Gut empfinde ich ganz grundsätzlich das Bejahen der Schöpfung und Schlecht das Verneinen der Schöpfung (wäre gleich dem Wunsch, dass es nur noch reines, ödes Nichts - im Gegensatz zum buddhistischen Nichts - gäbe). Was das jeweils in der ganz konkreten Lebenssituation bedeutet ist natürlich wieder etwas anderes. Aber erst die Freiheit, sich gegen die Schöpfung zu entscheiden, gibt mir auch die Freiheit, mich für die Schöpfung zu entscheiden, sie zu bejahen (und damit auch den Schöpfer) und darin Freude zu erleben. Liebe bedeutet für mich, aus tiefsten Grunde zu bejahen, die Schöpfung, einen Menschen oder den Schöpfer. Wahrscheinlich ist es unmöglich, letztendlich etwas getrennt davon zu bejahen und wirklich zu lieben, sondern wirkliche Liebe ist nur in der Liebe zum Schöpfer, in der Liebe zu den Menschen und in der Liebe zu der Schöpfung möglich.
Das Bejahen beinhaltet aber auch für mich das Bejahen des Nichts als Möglichkeitenraum, nur nicht das Bejahen des Nichts als ausschließliche Allumfassende Öde (d.h. die grundsätzliche Ablehnung und Negation des Daseins), denn dann wäre es als Möglichkeitenraum nutzlos.

Liebe heißt für mich das Bejahen des kreativen und wachsenden Miteinanders von Sein und Nichtsein. In dieses kreative Miteinander hat sich Jesus Christus auch mit hineinbegeben, indem er Vernichtung, Ablehnung, Hass und Verachtung mit in sein Leben hineingenommen hat und in Bejahung und Liebe verwandelt hat.

Ich weiß nicht, wie weit das theologisch richtig ist, aber so empfinde ich es und noch einmal danke für Deine Erklärungen.

Herzliche Grüße
Julia
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T. Boesche-Zacharow

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Karl Rahner zur Theodizee:
[...] Wenn Sie mich fragen: »Warum lässt Gott so viel Böses in der Welt zu«, dann muss ich gestehen: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es einen unendlich guten und heiligen Gott gibt, aber wie die Tatsache des Bösen in der Welt, wie Auschwitz und andere Dinge damit vereinbar sind, weiß ich nicht. Eines aber weiß ich: Wenn Sie aus Protest gegen das Böse in der Welt Gott aus Ihrem Leben streichen wollen, wird die Geschichte noch viel schlimmer, denn dann haben Sie eine abgründig böse und absurde Welt und sonst nichts. Wenn Sie das im Namen der Liebe zu anderen wirklich verantworten können – gut, aber ich glaube nicht, dass man das kann. Wer wie beispielsweise Milan Machovec fragt: »Wie kann man nach Auschwitz noch an Gott glauben?«, dem kann man mit Recht darauf antworten, dass zumindest ein Teil dieser unglücklichen Menschen betend und an Gott glaubend in die Gaskammern gegangen ist. Und so möchte ich sagen: Über eine letzte von mir durchschaute Versöhnung dieser scheinbar widersprechenden Erfahrungen verfüge ich zwar nicht, aber ich glaube dennoch, dass man mit diesen beiden Erfahrungen leben kann und muss, obwohl man sie nicht in eine höhere Synthese hinein überbieten kann. Es gibt natürlich auch Menschen, die behaupten, ein ernsthaft Böses gäbe es nicht. Für sie ist das Böse lediglich eine unvermeidbare Reibungserscheinung der Entwicklung. So können wir es als Christen sicherlich nicht machen. Wir sind diejenigen, die das Böse viel radikaler ernst nehmen müssen als alle anderen. Und trotzdem müssen wir an dem Bekenntnis zu dem einen, lebendigen, ewigen, heiligen und guten Gott festhalten und hoffen, dass diese Synthese für uns einmal aufgeht. Walter Dirks hat in seinen Erinnerungen an Romano Guardini erzählt, wie der 80-jährige Theologe gegen Ende seines Lebens einmal gesagt habe: »Wenn ich in die Ewigkeit komme, dann werde nicht nur ich mich vor Gott verantworten müssen, sondern dann werde auch ich fragen, wieso denn so viel unbegreifliches Leid, Schmerz, Sinnlosigkeit in der Welt sein könne, und dann müssten ihm die Engel und Gott antworten.« Machen wir es also wie Guardini, warten wir es ab.

Aus: Gespräch mit den Schülern des Gymnasiums St. Pölten 1983,
in: Karl Rahner: »Politische Dimensionen des Christentums«.
Ausgewählte Texte zu Fragen der Zeit.
Herausgegeben und erläutert von Herbert Vorgrimler.
Kösel-Verlag, München 1986.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

Bernd Heinrich Stein

Beitrag von Bernd Heinrich Stein »

Genau die Fragestellung des Threads wurde von dem Referenten des letzten Auditoriums im Zisterzienser Kloster Bochum erörtert (Link in der Sigantur).
Bei einem der nächsten Auditorien werden dann die Mitschnitte der Vorträge ausgelegt. Falls jamand von euch daran Interesse haben sollte schribt mir einfach eine PN mit einer eamil-adresse. Ich übersende dann die eingescannten Papiere.

Heinrich

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Thread verschoben nach Theologie.

Geronimo

Peter
Beiträge: 1249
Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 22:26

Beitrag von Peter »

Ich greife gerne noch einmal deine Ausgangsfrage auf Josef, und variiere sie etwas. Mir ist neulich beim Lesen der Geschichte Jakobs (Genesis) etwas aufgefallen.

Da ist dieser begnadete Patriarch, zu dem Gott in Visionen sprach. Nachdem seine Söhne den Lieblingssohn Josef nach Ägypten verkauft hatten, wäre es Gott doch ein leichtes gewesen, ihm «mal eben» mitzuteilen, dass Josef lebt und wohlauf ist; aber nein, Jakob muss den langen und schmerzhaften Weg der Trauer gehen … und wird alt in dem Glauben, sein geliebter Sohn sei zerrissen worden.

Kaum hat sich Josef jedoch seinen Brüdern geoffenbart – kaum ist der lange und schmerzhafte Weg täglicher Treue an ein unerhofftes Ziel gelangt, ein Weg, von dem wir nichts über Jakob wissen als dass er um Josef getrauert hat –, da beginnt Gott wieder zu ihm zu reden:

«Da sprach Gott in einer nächtlichen Vision zu Israel: Jakob! Jakob! Hier bin ich!, antwortete er. Gott sprach: Ich bin Gott, der Gott deines Vaters. Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen; denn zu einem großen Volk mache ich dich dort. Ich selbst ziehe mit dir hinunter nach Ägypten und ich führe dich auch selbst wieder herauf. Josef wird dir die Augen zudrücken» (Gen 47).

Ich weiß nicht, wie es euch ergangen wäre. Ich hätte gesagt: «Na prima. Das hätteste mir aber auch was früher sagen können …» — Nichts von Widerspruch. Jakob bricht auf.

Ich halte dieses Detail der Josefserzählung für ein Lehrstück dessen, was uns ‹frommt›. Viele von uns haben außerordentliche Gnaden erlebt, Sternstunden des Glaubens – und werden doch in Situationen geworfen, die absurd erscheinen und gerade mal durchlebt werden können. Ich habe von den Bauern, die den Bergsturz in Randa in der Schweiz (1993) erlebt haben, erstaunliche Erlebnisse von Bewahrung gehört – aber andererseits kommen Menschen bei Unglücken und Lawinen um. Dieses Tal (bildlich gesprochen) muss durchwandert, durchmessen werden, und wenn sich Gott irgendwo zu erkennen gibt, ist das reine Gnade – und kein Anrecht.

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