Martyrium - Verpflichtung des Katholiken?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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ar26
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Martyrium - Verpflichtung des Katholiken?

Beitrag von ar26 »

Grüß Gott,

zunächst eine Vorbermerkung: Ich würde gern Antorten zu der im Nachfolgenden geschilderten Problematik erhalten. Insbesondere bitte ich darum, auf meinen Beitrag nur dann zu beantworten, wenn konkret und auf der Grundlage der katholischen Glaubens- und Sittenlehre etwas anzumerken ist (bitte auf logische und stringente Argumentation achten).

Ich hab mich kürzlich ein wenig mit der Lebensgeschichte der Hl. Maria Goretti beschäftig. Diese wird ja insbesondere als Märtyrerin der Reinheit verehrt. Meine Frage ist, worin genau bestand ihr Martyrium?
Böse/kritische Stimmen sagen zu diesem Fall, daß die Kirche mit der Kanonisation die Aussage getroffen habe, es sei besser zu sterben als die Vergewaltigung über sich ergehen zu lassen. Hieraus liese sich zudem der Schluß ziehen, wer sich bis zur Tötung wehrt, handelt richtig, wer dies nicht tut, handelt (zumindest objektiv) falsch.

Ein ähnliches Problem stellt sich mir im Fall von Franz Jägerstetter, der ja unter Verweis auf seine Wahl lieber als Wehrdienstweigerer zu sterben, denn für eine falsche verbrecherische Politik zu sterben als Märtyter kanonisiert werden soll (oder schon ist?).
Auch hier das Problem, wer verweigert hat und dafür starb, handelte richtig , wer aber in der Wehrmacht kämpfte (es gab ja genügend gläubige Katholiken, die dies taten) handelte falsch?

Ein weiterer Punkt der insbesondere die Konstellation der Vergewaltigung betrifft, ist die Frage, wie man den Vorgang beurteilen müsste, wenn statt einer Vergewaltigung eine sexuelle Nötigung (Täter zwingt Opfer sich aus eigenem Handeln hinzugeben) vorliegt, vis compulsiva statt vis absoluta, wie wir Juristen sagen würden :D.

Im dt. StGB beispielsweise sind beide Verbrechensformen zu einem einheitlichen TB verknüpft, so daß es grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob der Täter durch reine Eigengewalt oder durch Schaffung einer Zwangslage die Tat begeht.

Für konstruktive Anworten bedanke ich mich schon jetzt.

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incarnata
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Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Beitrag von incarnata »

Als Seliger oder Heiliger wird verehrt,wer einen heroischen Tugendgrad
erreicht hat.Das Besondere an Maria Goretti ist,daß es um die Ablehnung
einer Verführungssituation geht(anders als zB. bei Vergewaltigungen in
Kriegszeiten oder wenn mehrere Männer gewalttätig beteiligt sind,wo von
Verführung keine Rede sein kann und relatives Stillhalten statt massiver körperlicher Gegenwehr noch am ehesten wenigstens das Leben rettet).
Wichtiger noch ist,daß Maria G. vor ihrem Tod ihrem Peiniger verziehen
und für ihn gebetet hat,was letztlich zu dessen kompletter Lebenswende
führte.Maria G. hatte sich ja schon vorher durch besonderen Eifer im
Praktizieren eines christlichen Lebens hervorgetan.
Bei Jägerstätter geht es darum einen auszuzeichnen,der als einfacher Mann
das Antichristliche des Nationalsozialismus erkannt hat und daher nicht
bereit war einen Eid auf den"Antichrist" Hitler zu leisten.Bereit zur
Vaterlandsverteidigung war er durchaus,sonst hätte er nicht die Grundausbildung mitgemacht.Er hat sich nicht leichtfertig geweigert,den
Eid zu leisten und sich schwere Gedanken insbesondere wegen seiner
Verantwortung als Familienvater gemacht.Er konnte sein Gewissen eben
nicht so leicht wie andere mit dem Gedanken beruhigen,"mei,der Hitler
ist mir zwar unsympatisch,aber ich kann ein anständiges Deutschland
nach ihm nur retten wenn ich`s vor den sovjetischen Teufeln verteidige"
Für sein Gewissen bedeutete ein Eid auf Hitler eine schwere Sünde und
mit einer solchen wollte er nicht möglicherweise im Krieg fallen.Das ist
das heroische an ihm,eben das Vermeiden der Lüge eines halbherzigen
Eids unter Inkaufnahme der eigenen Vernichtung.
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Raimund J.
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Re: Martyrium - Verpflichtung des Katholiken?

Beitrag von Raimund J. »

ar26 hat geschrieben: zunächst eine Vorbermerkung: Ich würde gern Antorten zu der im Nachfolgenden geschilderten Problematik erhalten. Insbesondere bitte ich darum, auf meinen Beitrag nur dann zu beantworten, wenn konkret und auf der Grundlage der katholischen Glaubens- und Sittenlehre etwas anzumerken ist (bitte auf logische und stringente Argumentation achten).


Hier handelt es sich um ein Diskussionsforum und nicht um eine Prüfung zum zweiten Staatsexamen.
ar26 hat geschrieben: Hieraus liese sich zudem der Schluß ziehen, wer sich bis zur Tötung wehrt, handelt richtig, wer dies nicht tut, handelt (zumindest objektiv) falsch.

Ein ähnliches Problem stellt sich mir im Fall von Franz Jägerstetter, der ja unter Verweis auf seine Wahl lieber als Wehrdienstweigerer zu sterben, denn für eine falsche verbrecherische Politik zu sterben als Märtyter kanonisiert werden soll (oder schon ist?).
Auch hier das Problem, wer verweigert hat und dafür starb, handelte richtig , wer aber in der Wehrmacht kämpfte (es gab ja genügend gläubige Katholiken, die dies taten) handelte falsch?


"Richtig" und "falsch" sind keine passenden Kategorien. Es handelt sich hier um Gewissensentscheidungen. Wer keine Märtyrerschaft auf sich nimmt, handelt im Sinne der Glaubenslehre nicht falsch.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

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ar26
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Danke für die Antworten!

Beitrag von ar26 »

Raimund, natürlich handelt es sich hier nicht um eine akademische oder vergleichbare Prüfung, allerdings sind die Fragen zumindest aus meiner Sicht kompliziert, so daß gehaltvolle Antworten not tun.

Sehe das bei der Hl. Maria Goretti auch so. Ihre Ermordung war mehr oder weniger ein Vergeltungsakt für die Zurückweisung.

Wie ist aber der Fall, wenn anders als bei incarnatas Schilderung die Gewalt nicht direkt physisch sondern indirekt psychisch ausgeübt wird, mittels eines Nötigungsmittels, so daß sich die Person aus eigenem Antrieb hingibt?

Bei Franz Jägerstätter muss aber nun dochmal Farbe bekannt werden. Wenn er erkannt hat, daß der Dienst in der Wehrmacht Sünde ist und ihn deshalb verweigert hat, dann haben alle, die anders gehandelt haben gesündigt? Ja oder Nein?

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