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Was ist eine Sekte?

Verfasst: Montag 13. September 2004, 09:41
von cathol01
Gabriele (anderer Thread) hat geschrieben:Man sollte die ganze Sache mit den Freikirchlern nicht so negativ sehn. Eine Freikirche ist keine Sekte.
Wie definiert ihr eine Sekte? Wann ist eine religiöse Gemeinschaft eine Sekte und wann nicht?

Verfasst: Montag 13. September 2004, 09:44
von cathol01
Manche sagen: Eine Sekte ist eine religiöse Gemeinschaft dann, wenn sie die elementarsten Menschenrechte nicht respektiert. Aber soll man hier mit den Menschenrechten argumentieren?

Ich würde mal folgendes sagen: Eine Sekte ist eine religiöse Gemeinschaft dann, wenn sie nicht mehr in Kommunikation mit den anderen Geistesströmungen steht, sondern sich abkapselt.

Verfasst: Montag 13. September 2004, 13:15
von Geronimo
Abkapseln allein macht nicht den Sektencharakter aus. Sekte ist, wenn die Mitglieder verboten bekommen (durch mehr oder weniger subtile Hirnwäsche), dass es schädlich ist, mit anderen außerhalb der Sekte zusammenzukommen; wenn die Sekte absolute Verfügung über die Finanzen des Mitglieds fordert/erhält. Dazu kommt die Selektion von Wissen, d.h. das Mitglied darf nur bestimmte Medien konsumieren, bestimmte Bücher lesen (meist vom Begründer der Sekte). Dem Mitglied wird erklärt, dass alles außerhalb der Sekte schlecht sei und man es deshalb verteufeln und meiden Der Kontakt zu den Angehörigen soll abgebrochen werden bzw. wird unterbunden. Dem Mitglied wird suggeriert, dass ein Austritt aus der Gemeinschaft die Verdammnis nach sich ziehe.

Geronimo

Verfasst: Montag 13. September 2004, 13:41
von Edith
Geronimo hat geschrieben:Abkapseln allein macht nicht den Sektencharakter aus. Sekte ist,
wenn die Mitglieder verboten bekommen mit anderen außerhalb der Sekte zusammenzukommen;
wenn die Sekte absolute Verfügung über die Finanzen des Mitglieds fordert/erhält.
Dazu kommt die Selektion von Wissen, d.h. das Mitglied darf nur bestimmte Medien konsumieren, bestimmte Bücher lesen (meist vom Begründer der Sekte). Dem Mitglied wird erklärt, dass alles außerhalb der Sekte schlecht sei und man es deshalb verteufeln und meiden Der Kontakt zu den Angehörigen soll abgebrochen werden bzw. wird unterbunden. Dem Mitglied wird suggeriert, dass ein Austritt aus der Gemeinschaft die Verdammnis nach sich ziehe.

Geronimo
vorsichtig Leute.... diese Definitionen passen auch auf einige Orden.....
:roll: (zumindest auf den ersten Blick... bitte fresst mich jetzt nicht...)

Verfasst: Montag 13. September 2004, 13:58
von Stephen Dedalus
Traditionell könnte man vielleicht zwei Sektenbegriffe unterscheiden:

1. Den soziologischen (wie von Max Weber und Ernst Troeltsch verwendet)
Die SEKTE steht bei Ihnen für alle voluntaristischen Gruppen, also Gemeinschaften, in denen man nicht automatisch durch Taufe oder Wohnort (wie traditionell bei Staats- und Landeskirchen) Mitglied ist, sondern durch persönliche Glaubensentscheidung und (Glaubens-)Taufe oder einen anderen Initiationsritus. Dieser Begriff ist aber m. E. heute nicht mehr wirklich tragfähig, denn er trifft auf viele Kirchen des moderneren Typus zu, wie etwa Baptisten oder Methodisten u.ä. Niemand würde diese Gruppen heute aber noch ernsthaft als *Sekten* bezeichnen. Außerdem wird auch in unserer säkularisierten Gesellschaft die Zugehörigkeit zu einer Kirche immer mehr zum *voluntaristischen Akt* - viele Kinder werden nicht mehr getauft, sondern müssen sich später den Weg selbst suchen. Heute tragen also auch die großen Kirchen daher Merkmale der *voluntaristischen* Freikirchen.

2. Der theologische Sektenbegriff geht eher von der Lehre einer Sekte aus. Kernfragen sind dabei etwa die Stellung zu den altkirchlichen Bekenntnissen, zur Bibel, die Anerkennung der Sakramente etc. Eine Sekte kennzeichnet sich theologisch vor allem durch:
- Ablehnung der kirchlichen Bekenntnisse (Nizänum, Apostolicum)
- Zusätzliche Sakramente oder Nichtanerkennung der Taufe einer christlichen Kirche
- Zusätzliche Offenbarungen, die zur Hl. Schrift hinzutreten, besonders zusätzliche hl. Schriften (wie das Buch Mormon)

Das Problem ist, daß auch Gruppen, die theologisch somit als Sekten anzusehen sind, ganz harmlos sein können (wie etwa die anthroposophische Christengemeinschaft), während andere Gruppen zwar theologisch keines der genannten Kriterien erfüllen, aber trotzdem psychische Abhängigkeiten schaffen und Menschen seelisch gefährden (wie etwa manche Pfingstlerischen Gruppen).

Gruß
Stephen D.

Verfasst: Montag 13. September 2004, 15:13
von Fichtel-Wichtel
Sekte laut Duden!
1.kleinere von einer Glaubensgemeinschaft,einer Kirche abgespaltene, religiöse Gemeinschaft,die andere Positionen als die ursprüngliche Gemeinschaft betont.
2.(meist abwertend)kleinere Gemeinschaft ,die in meist radikaler,einseitiger Weise eine Ideologie vertritt,die nicht den ethischen Grundwerten der Gesellschaft entsprechen.

Gruß,
Elisabeth

Verfasst: Montag 13. September 2004, 16:24
von Geronimo
Jepp, Edith ... doch gibt es einen Unterschied. Die Ausrichtung auf das Wort Gottes ... und die Art und Weise, wie der Ordensgründer sich in die Verkündigung dieses Wortes einfügt ... und die Tatsache, dass doch die meisten Orden nicht aus der Welt sind, sondern sich gerade durch die Arbeit in der Welt und für die anderen Christen definieren.

Es gibt mit Sicherheit im Christentum religiöse Gemeinschaften, die sich verselbständigt haben oder dazu neigen, einen Aspekt des christlichen Glaubens dermaßen überzubetonen, dass die Gesamtaussage der Verkündigung darunter leidet.
Nur darf man sich wohl auch darauf verlassen, was die Kirche als solche zu ihren Gemeinschaften zählt und wo sie selbst mit Vorbehalt spricht. Da neige ich dazu, mich auf die Kirche zu verlassen.

Ich gehe auch davon aus, dass Thierry hier nicht von irgendwelchen obskuren Sekten redet, sondern wohl genau auf das abhebt ... auf die "christlichen" Sekten oder die Grauzone.

Geronimo

Verfasst: Montag 13. September 2004, 16:42
von Edith
jaja...
ich mein ja nur.... dass man das leicht reininterpretieren kann in unsere Orden.
Auch da gibts keinerlei monätäre Verfügung, auch da gibts Klausur (was die Trennung von der Umwelt ja faktisch mit sich bringt), auch da gibts klare "Wünsche" was man zu lesen hat und was man gar nicht erst bekommt.... etc pp.

Das wird von außen dann schon gelegentlich für "sektoid" gehalten... besonders von Psychologen.... :roll:

Verfasst: Montag 13. September 2004, 17:07
von Geronimo
@Edith - sicher. Und wenn man manche "ordensgeschädigte" Leute anschaut, drängt sich einem auch der Vergleich auf ... auf rein psychologischer Ebene.

Bloß geht es ja erstmal um die Ausgangslage - da finde ich Stephens Hinweise recht hilfreich: Privatoffenbarungen, die peu a peu zum Zentrum des Glaubens gemacht werden, Ablehnung bestimmter kirchlicher Praktiken bzw. Hinzufügen von quasi sakramentalen Akten.

Also, wenn die Gewichtung gar nicht mehr stimmt ...

Geronimo

Verfasst: Montag 13. September 2004, 17:22
von roncalli
"Sekte" ist kein genau definierter Begriff, weder soziologisch noch theologisch .... und doch weiß/spürt jeder, was damit gemeint ist. ;)

"Sektenhaftes" gibt es freilich auch in den so genannten "Großkirchen" und in den von ihnen anerkannten Gruppen und Gemeinschaften. ("Das ist ja wie in einer Sekte...!" kann man schon auch einmal in Klöstern und geistlichen Bewegungen von unzufriedenen Mitgliedern hören.)
Auch der Stil der Missionierung und der Umgang mit Austretenden können "sektenhaft" sein!

Verfasst: Montag 13. September 2004, 17:43
von Geronimo
Das steht außer Fragen, Roncalli. Bloß ist zwischen "Sektenhaftigkeit" und Sekte wirklich ein Unterschied, den man nicht man verwischen darf. Alles, was mit Religion zu hat, kann zwanghafte und "sektoide" (dolles Wort, Edith :kiss: ) Züge annehmen.

Wir sollten uns aber doch auf die Definition stützen, die auch von den Sektenbeauftragten der Kirchen benutzt werden. Sonst entsteht ja leicht die Gefahr, dass jemand jemand alles, was ihm zu rigide oder zu strenggläubig erscheint, einfach in die Schublade "Sekte" steckt. Dann wird "Sekte" einfach zur pauschalen Verunglimpfung gebraucht, zur Diffamierung von Gemeinschaften.

Entstand nicht die Frage aus einer Diskussion über den Jesus-Tag?

Geronimo

Verfasst: Montag 13. September 2004, 18:32
von roncalli
Was ist eine Sekte?
Kriterien, die das Evangelische Zentrum für Weltanschauungsfragen in seinem Materialdienst (EZW 6/98, S.191) anführt:
- Die Gruppe ist klar ausgerichtet auf eine Führerfigur oder Führerideologie
- Sie bindet ihre Anhänger eng an sich bzw. an das eigene Heilskonzept
- Es gibt keinerlei soziales oder diakonisches Engagement
- Die Gruppe sieht sich von Feinden umstellt und weiß eher zu sagen, wogegen sie ist, als wofür sie eintritt
- Kritik ist weder innerhalb noch von außen möglich. Wer Fragen stellt, wird gemieden oder verteufelt.
- Wer nicht mitmacht, gilt als dumm, minderwertig, verloren.
- Wer die Gruppe verlassen will, wird bedroht; Aussteiger oder Abtrünnige werden tyrannisiert.

Verfasst: Montag 13. September 2004, 22:20
von Biggi
Geronimo hat geschrieben: Dann wird "Sekte" einfach zur pauschalen Verunglimpfung gebraucht, zur Diffamierung von Gemeinschaften.

Entstand nicht die Frage aus einer Diskussion über den Jesus-Tag?
Nein, aus einer Erwähnung der "Paneuropa-Sekte" im Kaiser-Karl-Thread. Hab daraufhin einen neuen Paneuropa-Thread eröffnet und warte noch immer auf eine halbwegs plausible Begründung für den Sektenvorwurf. Glaub allmählich, da kütt nix mie... Was mich in meiner Vermutung, dass der Vorwurf aus der Luft gegriffen ist und nur von einem zum andern kolportiert wird, bestätigt.