Trisagion hat geschrieben: ↑Montag 12. Oktober 2020, 01:27
Im übrigen zitierst Du das
Mortalium animos (Papst Pius XI) in unzulässiger Weise. Eine Deutsche Übersetzug habe ich nicht auf die Schnelle gefunden, hier also Latein und Englisch:
Etenim Ecclesiae magisterium – quod divino consilio in terris constitutum est ut revelatae doctrinae cum incolumes ad perpetuitatem consisterent, tum ad cognitionem hominum facile tutoque traducerentur – quamquam per Romanum Pontificem et Episcopos cum eo communionem habentes cotidie exercetur, id tamen complectitur muneris, ut, si quando aut haereticorum erroribus atque oppugnationibus obsisti efficacius aut clarius subtiliusque explicata sacrae doctrinae capita in fidelium mentibus imprimi oporteat, ad aliquid tum sollemnibus ritibus decretisque definiendum opportune procedat.
For the teaching authority of the Church, which in the divine wisdom was constituted on earth in order that revealed doctrines might remain intact for ever, and that they might be brought with ease and security to the knowledge of men, and which is daily exercised through the Roman Pontiff and the Bishops who are in communion with him, has also the office of defining, when it sees fit, any truth with solemn rites and decrees, whenever this is necessary either to oppose the errors or the attacks of heretics, or more clearly and in greater detail to stamp the minds of the faithful with the articles of sacred doctrine which have been explained.
Es steht hier klar unterschieden die
tägliche Ausübung der Lehre, aber die
gelegentliche Ausübung des Definierens. Es steht hier nicht, daß täglich definiert wird!
Ich bin leider sehr in Anspruch genommen, komme aber gern noch einmal auf diese Frage zurück.
Eine amtliche deutsche Übersetzung von
Mortalium animos wurde im
Wiener Diözesanblatt 66, Nr. 3 vom 4. April 1928 veröffentlicht und 1980 und in 2. Auflage 1990 von Karl Haselböck in Wien (als Nr. 51 der Serie "Freude an der Wahrheit") erneut abgedruckt.
Die entsprechende Stelle lautet:
Und das Lehramt der Kirche ist ja durch göttlichen Ratschluß zu dem Zweck auf Erden eingerichtet worden: sowohl, daß die geoffenbarten Lehren unversehrt und unbeeinträchtigt für immer bestehen bleiben; als auch besonders, daß dieselben leicht und sicher den Menschen zur Kenntnis gebracht werden können. Das Lehramt der Kirche wird zwar durch den Römischen Papst und die mit ihm in Gemeinschaft stehenden Bischöfe Tag für Tag ausgeübt. Aber falls es irgendwann einmal erforderlich ist, entweder den Irrtümern und Angriffen der Häretiker nachhaltiger entgegenzutreten, oder Lehrstücke des heiligen Glaubens mit größerer Klarheit und gründlicherer Darstellung den Seelen der Gläubigen einzuprägen: dann umfaßt das Lehramt der Kirche jedoch auch die Aufgabe, rechtzeitig dazu zu schreiten, etwas in feierlichen heiligen Formen und mittels Dekreten genau zu bestimmen.
Man muß allerdings auch den Folgesatz zitieren:
Quo quidem extraordinario magisterii usu nullum sane inventum inducitur nec quidquam additur novi ad earum summam veritatum, quae in deposito Revelationis, Ecclesiae divinitus tradito, saltem implicite continentur, verum aut ea declarantur quae forte adhuc obscura compluribus videri possint aut ea tenenda de fide statuuntur quae a nonnullis ante in controversiam vocabantur.
Deutsch:
Durch eine solchen außerordentlichen Gebrauch des Lehramtes wird nichts Erdachtes neu eingeführt und keineswegs irgendetwas Neues hinzugefügt zu der Gesamtheit derjenigen Wahrheiten, die im hinterlegten Gut der Offenbarung, welches der Kirche anvertraut wurde, wenigstens einschlußweise enthalten sind. In Wirklichkeit wird entweder etwas erklärt, das vorher dem einen oder dem anderen unverständlich scheinen konnte; oder es wird etwas als Gegenstand des verpflichtenden Glaubens festgestellt, was vorher von manchen zum Gegenstand einander widerstreitender Meinungen gemacht wurde.
(Der Papst sagt hier übrigens interessanterweise "tenenda" nicht "credenda", er schließt also nicht nur das Offenbarungsgut (fide divina credendum), sondern auch die mit dem Offenbarungsgut eng zusammenhängenden Wahrheiten (fide catholica tenendae) in die Definibilia ein)
Das Lehramt (in seiner zweifachen Form, ordentlich und außerordentlich) existiert demnach:
1) um die Offenbarungswahrheiten unversehrt für alle Zeiten zu tradieren;
2) um dieselben leicht und sicher den Gläubigen zu vermitteln.
Das geschieht wie gesagt auf zwei mögliche Arten wie uns das Vatikanum lehrt (D 1792
Dei Filius, cap. 3:
sive solemni iudicio, sive ordinario et universali magisterio, bereits von mir zitiert und erläutert) und wie auch hier der Papst sagt. (Man beachte den Folgesatz).
Der Papst nennt hier die gewöhnliche Art allerdings zuerst, um sodann etwas ausführlicher auf die außerordentliche zu sprechen zu kommen, die eben dann zum Zuge kommt, wenn es gilt, einem besonderen Widerspruch zu begegnen, oder eine Unklarheit besonders auszuräumen.
Aber es ist selbstverständlich, daß, wenn das Lehramt ein Lehramt und kein Leeramt sein soll, beide Formen der Vermittlung
verbindlich und somit irrtumslos sein müssen, und es auch sind, was ja auch das Vatikanum lehrt, wenn es einschärft, in beiden Fällen müsse die vorgelegte Wahrheit
fide divina et catholica geglaubt werden. Das wäre unmöglich, (und das ist selbstverständlich die Vorbedingung) wenn der betreffende Punkt kein Offenbarungsgut wäre (oder mit ihm eng zusammenhinge) und er nicht als solches vorgelegt würde. Aber das genügt dann auch.
D 1839 (
Pastor aeternus, cap. 4) sagt nichts anderes, wenn auch die Stelle oft (ob bewußt oder unbewußt, sei dahingestellt) mißverstanden wird (unter Auslassung von D 1792), als sei "ex cathedra" nur außerordentlich oder "feierlich", bzw., als sei "unfehlbar" nur außerordentlich oder "feierlich". Das ist wie wir sahen irrig.
Nun zu dem Beispielsatz: "Jesus ist ein guter Mann". Eine außerordentliche ("feierliche") Definition wäre in der Tat: "Wir verkünden Kraft Unseres Amtes, daß alle glauben müssen, daß Jesus ein guter Mann war." Aber das ist nicht nötig. Für eine ebenso verbindliche und irrtumslose Verlautbarung genügte es zu sagen (um bei dem Beispiel zu bleiben): "Daß Jesus ein guter Mann war, ist eine in der heiligen Schrift gelehrte Wahrheit, die von der Kirche verpflichtend den Gläubigen vorgelegt wird und Wir auch heute wieder einschärfen," oder negativ formuliert: "Wer behaupten würde, Jesus sei kein guter Mann, verstöße damit unwiderruflich gegen die Lehre der Kirche und der Schriften".
Solche, gewöhnliche, nicht feierliche, aber doch genügend peremptorische Verlautbarungen sind Legion, wenn man sie auch nicht auf jeder Seite jeder Enzyklika findet, aber doch oft genug.
Beispiele aus Enzykliken Papst Leos XIII. etwa gibt Sisto Cartechini, Dal opinione al domma: valore delle note teologiche, Rom 1953, S. 43. Siehe auch M.J. Scheeben, Handbuch der katholischen Dogmatik I, Freiburg 1873, S. 228-229.
Sie sind unter den genannten Auflagen auch
fide divina et catholica credendae.
Zum Mißverständnis trägt vielleicht "definit" in D 1839 bei.
Definit ist aber nicht in einem strikt juridischen (forensischen) Sinne zu nehmen, wie "definieren", sondern hat eine weitere, allgemeinere Bedeutung, etwa "bestimmen", "klarstellen", wie "declarare" und "statuere" im oben zitierten Folgesatz. Das wissen wir mit Sicherheit aus den Konzilsakten (Bischof Vinzenz Gasser als
Relator der
Deputatio de fide am 11. 7.1870):
Quelle Mansi Konzilsakten 52:1316 hat geschrieben:Vox definit significat quod papa suam sententiam circa doctrinam, quae est de rebus fidei et morum, directe et terminative proferat, ita ut iam unusquisque fidelium certus esse possit de mente sedis apostolicae, de mente Romani Pontificis.
Deutsch:
Das Wort definiert bedeutet, daß der Papst sein Urteil zu einer Lehre, die Glauben und Sitten betrifft, direkt und bestimmt ausspricht, so, daß jeder Gläubige sicher sein kann, was dazu die Meinung des Apostolischen Stuhles, die Meinung des Papstes, ist.
Satis est!
Das reicht für einen ex cathedra-Spruch, Solemnitäten und kurialer Stil sind dazu u.U. wünschenswert, aber nicht erforderlich. Siehe das obige Beispiel "von Jesus dem guten Manne".
Ich stimme allerdings zu (aber das ist dem Abbruch des Konzils zuzuschreiben und der Tatsache, daß eine weitere Konstitution nicht mehr verabschiedet werden konnte), daß das genaue Verhältnis zwischen den Parallelstellen D 1792 und D 1839, und namentlich die genaue Tragweite der ordentlichen und universellen Unfehlbarkeit des Lehramts klarer herausgearbeitet werden könnte und wohl auch sollte. Eine zweite Konstitution
De Ecclesia kam aber nicht mehr zum Abschluß.
Zu Weiterem in diesem Punkte wird es hienieden wohl auch nicht mehr kommen. Denn das Schließen von Schlupflöchern ist nicht mehr an der Tagesordnung, spätestens nachdem 1962 von Jolly John Türen und Fenster dem wehenden Zeitgeist geöffnet wurden, und in der Theologie schon lange vorher, zumindest seit dem Krieg, das Kleinreden des Lehramts und seiner Prärogativen zum guten Ton gehört hat. Das eine hat natürlich das andere bewirkt und sollte wohl auch darauf vorbereiten.
Und Neo-Konservativen und Halb-Traditionalisten von heute ist diese schwammige Theologie gerade recht, denn sie erlaubt ihnen
to have their Pope and it eat him, bzw. den angeblichen "Papst" vollends zu ignorieren. Katholisch ist das nicht (mehr).
Hinc illae lacrimae.