Erstmal vielen Dank an Kai, Vinzenz und Philipp für die Blumen.
Martina, ich weiß, daß es Dich gibt. Noch nicht wirklich sicher, aber zur Not könnten da ein Hacker und ein Privatdetektiv die nötigen Beweise für Deine Existenz heranschaffen. Aber kenne ich Dich dann auch? Bin ich Dir begegnet? Habe wir uns unterhalten? Haben wir Freundschaft geschlossen? Verstehen wir einander? Bist Du gar in meinem Herzen? Nichts davon...
Ich hoffe die Analogie zu Gottesbeweisen ist klar. Dir geht es um die Begegnung mit Gott als dem Wesentlichen der Religion - und ein Gottesbeweis hilft da erstmal nicht, da hast Du schon recht. Aber nimm mal an, daß es Leute gibt, denen eingeredet wurde, daß es Dich garnicht gibt, daß Du nur eine erfundene Person bist, oder vielleicht eine Halluzination. Leute die allen Kontakt mir Dir stur ablehnen, nicht etwa weil sie Dich nicht mögen, sondern weil sie glauben Du seiest nur eine Märchenfigur. Wenn ich denen nun die Daten über Dich zeige, und nachweise daß es Dich tatsächlich gibt, ist das nützlich? Ich denke schon... Es kann nicht den Kontakt mit Dir ersetzen, aber es kann ihn ermöglichen.
Es sei auch noch erwähnt, daß wir in einer Gesellschaft leben. Wenn die meisten Menschen denken, daß nur dumme und bedürftige Menschen an Gott glauben, dann ist das erstens eine Beleidigung Gottes und zweitens wird unser Leben als Gläubige schwierig. Es besteht hier eine Aufklärungspflicht, zu Gottes Ehren und um in der Gesellschaft bestehen und wirken zu können. Gottesbeweise sind wie eine geistige Verteidigungslinie, die wir halten um nicht gesellschaftlich überrannt zu werden.
philipp hat geschrieben: ↑Samstag 19. September 2020, 17:18
Meine Hoffnung ist, dass in folge dessen ein "Raum des Relativismus" zum Vorschein kommt, der mir zeigt, dass man GLAUBEN muss.
Das ist ein Widerspruch in sich. Wenn etwas so beschaffen ist, daß der Intellekt es als wahr erkennen muß, dann nennen wir das Wissen, nicht Glauben. Glauben ist in einer schwächeren Kategorie, aber gerade darum von größerem Wert. Glauben nennen wir das, was unser Intellekt als möglich erkennt, was dann aber durch eine konkreten Willensentscheidung wahr für uns wird. Und zwar nicht als "wahrscheinliche Annahme" (das wäre dann eine Meinung) sondern als ebenso wahr wie die Dinge die wir wissen.
Glanz und Glorie des Glaubens liegen genau in der willentlichen Entscheidung trotz der intellektuellen Unsicherheit. Alle großen Dinge im menschlichen Leben sind von dieser Art: wer etwa heiratet oder Priester wird,
weiß der sicher daß dies der richtige Weg ist, daß er zu Heil und Glück führt? Nein, natürlich nicht, man kann das nicht wissen. Aber mit Willenskraft wagt er es fürs ein ganzes Leben.
(Nebenbei bemerkt erklärt sich hier auch der Unterschied zwischen Fanatismus und festem Glauben. Denn nehmen wir an, ich würde später zu Wissen gelangen, daß meinem Glauben widerspricht. Es können nicht zwei widersprüchliche Dinge beide wahr sein, und Glaube ist schlicht intellektuell schwächer als Wissen. Ein fester Glaube wird sicher auf einer genauen Analyse bestehen, aber falls das neue Wissen den Test besteht, muß er weichen. Tut er das nicht, sondern erzwingt er das Verneinen von echtem Wissen,
dann ist das Fanatismus.)
philipp hat geschrieben: ↑Samstag 19. September 2020, 17:18
Dann ist quasi nur noch die Frage woran man glauben will. Und da scheint mir das Christentum am Wahrhaftigsten.
Meine Perspektive ist eher, daß nur das Christentum verrückt genug ist um im Angesicht dieser Welt realistisch hoffen zu können. Aber wir alle sehen das göttliche Licht gebrochen durch unsere eigene Persönlichkeit...
philipp hat geschrieben: ↑Samstag 19. September 2020, 17:18
Ich habe mit dem Zufall deswegen ein Problem, weil man irgendwann an den Punkt der "Ungeplantheit" kommt, wie du schon geschildert hast. denn, so denke ich,
wenn zum Beispiel Atome zu 50% zerfallen oder eben nicht zerfallen, dann liegt hier die Entscheidung darüber, wie es mit der Welt weitergeht, nicht mehr bei Gott, sondern beim Atom.
Du sorgst Dich, daß ein Atom zerfällt, oder nicht, "ohne Gott", aber offenbar nicht darum, daß Du Dich entscheiden kannst zu stehlen, oder nicht, "ohne Gott". Aber ohne Gott existiert das Atom nicht und tut auch nichts, und das gilt auch für Dich. Gott macht das Atom und auch Dich, mit Freiheitsgraden. Das Atom wird kontrolliert von seiner Freiheit, Du kontrollierst Deine Freiheit (jedenfalls teilweise). In diesem Sinne bist Du mehr als ein Atom. Aber beide habt ihr diese Freiheit nur solange Gott sie in der Welt ermöglicht, euch den Freiraum gibt, ganz konkret im Akt der Zerfalls oder nicht, oder des Stehlens oder nicht. Die Welt zwingt euch beide nicht, weil Gott euch die Möglichkeiten eröffnet.
Gott steht nicht in der Zeit. Für ihn ist die Frage ob das Atom zerfiel und ob Du gestohlen hast nicht offen. Gott wartet nicht darauf "was passiert". Er sieht seine ganze Schöpfung in der ganzen auch von ihm geschaffenen Zeit von Anfang bis Ende. Nichts war oder wird, alles ist. Aber inwiefern bist Du frei wenn Gott ja sieht was Du entscheidest und seine ganze Schöpfung um Deine Entscheidung herum arrangieren kann? Wo ist der Zufall des Atoms, wenn Gott schlicht sieht was es tut?
Deine Freiheit ist an der Welt gemessen, nicht an Gott. Ein Stein losgelassen fällt zur Erde. Die Welt zwingt ihn, er hat keinerlei Freiraum. Aber das Atom zerfällt oder nicht, die Welt kann es nicht komplett zwingen. Und Du stiehlst oder nicht, die Welt kann Dich nicht komplett zwingen. In Gott ist alles geklärt, wie die Freiheit aufgelöst wird ist aus der Ewigkeit heraus bekannt und nach Gottes Willen mit dem Rest der Schöpfung in der folgenden zeitlichen Ordnung verwoben. Aber das zerfallende Atom ist dabei mehr als der fallende Stein, wie es sich integriert hat eine Eigenheit. Und für Dich gilt das noch mehr, denn Du hast gar eigene Verantwortung für Deine Eigenheit.
Hier ist eine vielleicht hilfreiche Analogie. Stell Dir vor Du baust ein grandioses Gebäude aus Legosteinen. Die meisten Legosteine sind so wie Du sie kennst: statisch. Du nimmts so einen Stein und setzt ihn, das war's. Aber einige Steine sind anders, wenn Du ihn nimmst und setzt verändern sie sich, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verlängern sie sich in eine Richtung oder eine andere. Andere Steine sind noch spezieller. Wenn man sie setzt, ziehen sie Steine aus der Umgebung an und bauen sie in wilden Mustern um sich herum auf, eine Weile lang, wenn Du sie läßt. Kannst Du trotzdem damit bauen? Es ist sicher viel komplexer, aber auch viel interessanter... Trotzdem, wenn schließlich das ganze Gebäude fertig ist, dann ist die faszinierende Freiheit dieser Steine Teil des Ganzen, integriert, eingebaut. Und Du bist immer noch der Schöpfer. Du hast die Steine gesetzt, auch die besonderen. Du hast sie mit anderen Steinen verbunden, Du hast auch vielleicht manchmal ihren wilden Wuchs aufgehalten. Die Gesamtheit ist immer noch Dein Werk, auch wenn Du nicht nur mit statischen Steinen gearbeitet hast. Deine Kunst ist nur anders, in meinen Augen größer, dadurch daß Du mit freien Steien gearbeitet hast.
Und noch eins: "Kopf und ich wasche ab, Zahl Du tust es." Die Münze wird geworfen, und es ist Zahl. Wer hat hier entschieden wer abwäscht? Die Münze? Wie kann die Münze etwas entscheiden? Hat sie Intelligenz und Willen, ein Hirn vielleicht? Nein. Die Entscheidung war bei dem der die Münze warf, und bei dem anderen der den Münzwurf auch akzeptierte. Zufall ist nur Zufall. Schöpfung ist Entscheidung.
philipp hat geschrieben: ↑Samstag 19. September 2020, 17:18
ich habe auch deinen verlinkten beitrag gelesen, wo du über aquins gottesbeweis sprichst. für mich fühlt es sich auch logischer an, wenn man an eine "Unendliche Welt" glaubt anstatt an eine mit einem Anfang. Aber wo ist da das Problem? Ich meine wo ist die Relevanz bezogen auf die Frage, ob es gott gibt? oder war es gar nicht dein anspruch die thematik zu erläutern?
Es ging in diesem Beitrag nicht darum, ob die Welt einen Anfang hatte oder nicht. Das habe ich nur diskutiert weil es zeigt, daß die übliche Interpretation dieses Gottesbeweises nicht im Sinne von Aquinas selbst sein kann.
Diese spezifische Gottesbeweis beruht darauf, daß Kausalität einen Anfang haben muß, nicht eine endlose Kette sein kann. Nur gilt das eben nicht für zeitliche Kausalität, denn zeitliche Kausalität kann im Prinzip endlos sein (auch wenn sie es konkret vielleicht nicht ist, falls die Welt einen Anfang hatte). Es gilt aber wohl für Erklärungskausalität, und darum meinte Aquinas diese Form der Kausalität in diesem Gottesbeweis. Der Grund ist, daß ein Zeitpunkt kausal autark sein kann, aber eine Erklärung nicht.