Lacrimosa hat geschrieben:overkott hat geschrieben:Die Tradition unterstellt Thomas auch den Zweifel an Mariä Himmelfahrt. Das ist eigentlich nur möglich, wenn man Thomas typologisch und nicht nur historisch positiv versteht, wie dies auch schon Paulus mit Adam getan hat.
Exkurs: Der historische Positivismus, also das horizontale Denken, nach dem wahr oder echt nur das offen Sichtliche ist, ist ein Problem auch unserer Zeit und Kennzeichen mangelnder Reflexion.
Dieser Mangel mag fromm daherkommen oder auch profan wie bei Jürgen Wiebicke. Radiophilosoph Wiebicke tut sich schwer mit Gott als Inbegriff des Zusammenhangs. Sein Ersatzwort der Würde wackelt auf entsprechend schwachen Füßen. So stolpert er von Zielchen zu Zielchen, ohne eben einen >über<geordneten Zusammenhang zu erkennen oder benennen zu wollen. Das hindert ihn jedoch nicht, dogmatisch zu formulieren mit Redewendungen wie "Fest steht". Fest steht für ihn zum Beispiel, "dass das alte System unserer moralischen Überzeugungen nicht mehr funktioniert." Warum sollte das fest stehen? Nach welchen übergeordneten Kriterien ( Überzeugungen ) will er das beurteilen? Gibt es eine Metamoral, also eine Überzeugung im wörtlichen Sinn, nach denen "unsere moralischen Überzeugungen", die dann eigentlich keine Überzeugungen, sondern Unterstellungen sind, einer kritischen Revision unterzieht? Ist diese Metamoral nicht Gottes- und Nächstenliebe? Ist Gottesliebe als Liebe zum Guten nicht der Nächstenliebe noch übergeordnet, um zu verhindern seinen Nächsten genauso wenig zu lieben wie sich selbst? Wiebicke fehlt es hier an Reflexion im Allgemeinen und an Sprachreflexion im Besonderen. Die Frage nach der Wahrheit ist für ihn auch eine politische und damit eine relative als "Wasser auf Mühlen" irgendwelcher Gruppen. Immerhin gibt Horizontalphilosoph Wiebicke Denkanstöße.
Für mich jedenfalls ein Denkanstoß, der mich an das Kreuzsymbol denken lässt, das vollkommener nicht sein könnte: Von der Horizontalen kann das horizontale Denken abgeleitet werden, das eine Zeit kennzeichnet, in der sich Menschen hauptsächlich in
die Breite ausdehnen oder auch zerstreuen, wie durch Konsum, Unterhaltung, Arbeits- und Freizeitstress. Analog dazu nehmen Produkte und Angebote quantitativ zu (Stichwort Produktdiversifikation), aber nicht qualitativ. Horizontales Denken betrifft in diesem Sinne auch (Berufs-)Intellektuelle, deren konsumhafte, vom Geldverdienen und den Medien abhängige Wissensanhäufung und -absonderung nicht zwangsläufig zu einem tieferen Verstehen führt.
Vertikales Denken hieße demnach, das Leben ganzheitlich zu begreifen: das Spannungsfeld zwischen der Vertikalen und der Horizontalen im eigenen Leben wahrzunehmen, um es dann zugunsten der Vertikalen auszurichten, welche die transzendente Ebene „wie im Himmel so auf Erden“ umfasst. Hier findet sich die Metamoral der Gottes- und Nächstenliebe. Sich darauf einzulassen bedeutet, die Horizontale als zunehmend abhängig machend und selbstentfremdend zu erkennen. Dafür ist Reflexion die Grundvoraussetzung, die aber wiederum ein entsprechendes Bewusstsein erfordert; horizontales Denken läuft tieferer Erkenntnis zuwider. Das drückt u. a. für mich die simple Redewendung
im Kreuz ist Heil aus.
Um die Begrifflichkeit von vertikal und horizontal verständlicher zu machen, sollte man sich hierarchische und egalitäre Beziehungen von Über- und Unterordnung ( hierarchisch ) und Gleichordnung ( egalitär ) anschauen. Wem das noch zu abstrakt klingt, sollte an die Beziehung vom Vater zum Sohn und die Beziehung vom Sohn zum Bruder denken.
Wer mit Jesus Christus Gott den Vater als gemeinsame Überordnung ( Gottesliebe ) versteht, betrachtet die Brüder als gleichwertig ( Nächstenliebe ). Gott ist also im Denken Jesu der Garant der Gleichwertigkeit seiner Brüder und Schwestern. Als Bruder Jesu ist folglich der Papst nicht mehr wert und hat damit auch nicht mehr Würde als der jüngste Brüder. Der jüngste Bruder sollte sich jedoch auch nicht selbst über den Papst erheben.
Ein qualitative Zunahme, also mehr Qualität, gibt es nicht. Zunahme und Häufigkeit ( mehr ) sind quantitative Erscheinungen. Aber es kann eine qualitative Aufwertung geben, wie der Aufstieg des Sohnes zum Vater, die Erhöhung zu seiner Rechten, die Teilhabe des Menschen an der Würde Gottes.
Das Hinabsteigen in die Tiefen der Details und die Niedrigkeit des Alltags sogar bis in die tiefsten Verkehrungen und Negationen der Hölle dient dem tieferen Verständnis des Zusammenhangs und dem Zusammenleben der Brüder. Wer an seinem letzten Tag beim letzten Detail angelangt ist, hat vergeblich gelebt, wenn er von Gott her den Zusammenhang nie begriffen oder aus den Augen verloren hat.
Von Gott her die Schöpfung und den Menschen sowie seine familiären Beziehungen zu denken, bedeutet tatsächlich, das Leben ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Der Schöpfer ist das Prinzip der Schöpfung und damit im Prinzip die Schöpfung selbst. Der Himmel ist die transzendentale Ebene, die die Erde überwölbt und den grenzübergreifenden Zusammenhang herstellt. Wer sich also von Gott entfremdet, entfremdet sich zutiefst von sich selbst. Das gilt jedoch auch für diejenigen, die die Horizontale als Werk des Schöpfers verachten.