Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
azs
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Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Beitrag von azs »

Ich habe mir den Denzinger-Hünermann gekauft und lese aufmerksam die Lehrentscheide der Kirche durch. Dabei ist mir aufgefallen, dass in frühen Phasen Dinge mit absoluter Verbindlichkeit gelehrt wurden, die später widerrufen oder geändert wurden.

- Bspw. habe ich gelesen, dass ein Anathema gegen all jene verhängt wurde, die der "Mathematik Glauben schenken" (DH 205). Welcher Art ist dieses "Anathema"?

- Weiterhin sagt bspw. das athanasische Glaubensbekenntnis, dass jeder, der nicht am Inhalt des Bekenntnisses festhält, "ohne jeden Zweifel auf ewig verloren gehen wird".

- Ein anderes Beispiel ist die Bulle "Unam Sanctam" von Bonifaz VIII: "Dem römischen Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig: das erklären, behaupten, bestimmen und verkündigen Wir." Orthodoxe Christen "unterwerfen" sich dem römischen Papst nicht - sind sie deshalb dem Heil fern?

Wie sind diese Äußerungen und Änderungen also zu verstehen? Woher weiß ich als Katholik, was nun an "alten" Lehrentscheidungen Gültigkeit besitzt und was nicht? Wie soll man diese Entscheidungen lesen, bzw. nach welchen Kriterien muss man sie einordnen?
ad te suspiramus in hac lacrimarum valle

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umusungu
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Re: Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Beitrag von umusungu »

azs hat geschrieben: Ein anderes Beispiel ist die Bulle "Unam Sanctam" von Bonifaz VIII: "Dem römischen Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig: das erklären, behaupten, bestimmen und verkündigen Wir." Orthodoxe Christen "unterwerfen" sich dem römischen Papst nicht - sind sie deshalb dem Heil fern?
Diese Entscheidung scheint mir mehr eine kirchenpolitische zu sein als eine für den Glauben relevante.
Am "Papst" hängt das Heil bestimmt nicht ... mag Rom allerdings anders sehen - und hat es in der Vergangenheit auch anders gesehen.

Raphael

Re: Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Beitrag von Raphael »

azs hat geschrieben:Ich habe mir den Denzinger-Hünermann gekauft und lese aufmerksam die Lehrentscheide der Kirche durch. Dabei ist mir aufgefallen, dass in frühen Phasen Dinge mit absoluter Verbindlichkeit gelehrt wurden, die später widerrufen oder geändert wurden.

- Bspw. habe ich gelesen, dass ein Anathema gegen all jene verhängt wurde, die der "Mathematik Glauben schenken" (DH 205). Welcher Art ist dieses "Anathema"?
Das bedeutet lediglich, daß die Mathematik kein Gegenstand des offenbarten katholischen Glaubens ist. Somit gehört die Mathematik nicht zu der Erkenntnisordnung Fides, sondern zu der Erkenntnisordnung Ratio.
azs hat geschrieben:- Weiterhin sagt bspw. das athanasische Glaubensbekenntnis, dass jeder, der nicht am Inhalt des Bekenntnisses festhält, "ohne jeden Zweifel auf ewig verloren gehen wird".
Das Athanasium wurde AFAIK keinem förmlichen Dogmatisierungsprozeß unterworfen und kann daher zwar als sinnvoller theologischer Text angesehen werden, aber kein Anathema zur Folge haben.
azs hat geschrieben:- Ein anderes Beispiel ist die Bulle "Unam Sanctam" von Bonifaz VIII: "Dem römischen Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig: das erklären, behaupten, bestimmen und verkündigen Wir." Orthodoxe Christen "unterwerfen" sich dem römischen Papst nicht - sind sie deshalb dem Heil fern?
Hier wirst Du auf unterschiedliche theologische Ansichten stoßen, umusungu hat bspw. seine subjektive Einschätzung bereits geäußert.
azs hat geschrieben:Wie sind diese Äußerungen und Änderungen also zu verstehen? Woher weiß ich als Katholik, was nun an "alten" Lehrentscheidungen Gültigkeit besitzt und was nicht? Wie soll man diese Entscheidungen lesen, bzw. nach welchen Kriterien muss man sie einordnen?
Achte 'mal darauf, ob bei den ausformulierten Glaubenssätzen de fide dabei steht, denn die einzelnen Glaubenssätze haben eine unterschiedlichen Verbindlichkeitsgrad.

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Florianklaus
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Re: Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Beitrag von Florianklaus »

Raphael hat geschrieben:
azs hat geschrieben:- Ein anderes Beispiel ist die Bulle "Unam Sanctam" von Bonifaz VIII: "Dem römischen Papst sich zu unterwerfen, ist für alle Menschen unbedingt zum Heile notwendig: das erklären, behaupten, bestimmen und verkündigen Wir." Orthodoxe Christen "unterwerfen" sich dem römischen Papst nicht - sind sie deshalb dem Heil fern?
Hier wirst Du auf unterschiedliche theologische Ansichten stoßen, umusungu hat bspw. seine subjektive Einschätzung bereits geäußert.
Das würde mich auch interessieren, welche verschiedenen Ansichten gibt es denn dazu und wo kann man das nachlesen?

ad_hoc
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Re: Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Beitrag von ad_hoc »

"Unterwerfen" klingt heutzutage so sklavisch, so islamisch. Vielleicht sollte man darunter verstehen, sich dem Willen Gottes und damit dem Willen des Stellvertreters Gottes auf Erden (dessen Willen sich nicht anders äußern kann als der Wille des Gründer der Kirche selbst, Jesus Christus), dem Papst also, anzuschließen, getreu der Aussage: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben...."

Die Meinung des umusungu ist völlig unerheblich; zumal diese Ausdruck der Wahrscheinlichkeit zu sein scheint, dass es diesem nur darum geht, seine Ansichten vor sich selbst und der Welt zu verteidigen.

Normalerweise sind doch die heutigen Kleriker außerordentlich kreativ, wenn es um die Um- oder Neuinterpretierung von Lehraussagen etc. geht. Wahrscheinlich - denken wir mal gut - ging es dem Papst um nichts anderes.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Marion
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Re: Verbindlichkeit früherer Lehraussagen

Beitrag von Marion »

azs hat geschrieben: Woher weiß ich als Katholik, was nun an "alten" Lehrentscheidungen Gültigkeit besitzt und was nicht? Wie soll man diese Entscheidungen lesen, bzw. nach welchen Kriterien muss man sie einordnen?
Das Dogma lautet so
„Zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen Religion, zum Heil der christlichen Völker lehren und erklären wir endgültig als von Gott geoffenbarten Glaubenssatz, in treuem Anschluss an die vom Anfang des christlichen Glaubens her erhaltene Überlieferung, unter Zustimmung des heiligen Konzils: Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt: wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich. Wenn sich jemand — was Gott verhüte — herausnehmen sollte, dieser unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen.“
Der Papst muss also der ganzen Kirche Dinge zu Glaubens oder Sittenfragen vorlegen und das ex Cathedra. Ich hatte vor einigen Jahren hier im Forum gefragt wie man das "ex cathedra" erkennt. Berolinensis hatte das hier erklärt:
viewtopic.php?p=488539#p488539
Berolinensis hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
Marion hat geschrieben:Eine andere Frage zum Thema. Wie kann man als Laie genau feststellen wann ein Papst Unfehlbares als unfehlbar "markiert" verkündet?
Indem er es ausdrücklich dazusagt. Anders geht es nicht.
Falsch. Ich zitiere mal aus dem Ott:
Bedingung für die Unfehlbarkeit ist, daß der Papst ex cathedra spricht. Dazu ist erforderlich: a) daß er als Hirt und Lehrer aller Gläubigen mit dem Einsatz seiner höchsten apostolischen Autorität spricht. Wenn er als Privattheologe oder als Bischof seiner Diözese spricht, ist er nicht unfehlbar; b) daß er die Absicht hat, eine Glaubens- oder Sittenlehre endgültig zu entscheiden, so daß sie von allen Gläubigen festzuhalten ist. Ohne diese Absicht, die aus der Formulierung oder den Umständen deutlich erkennbar sein muß, kommt eine Kathedralentscheidung nicht zustande. Die meisten Lehräußerungen der Päpste in ihren Enzykliken sind keine Kathedralentscheidungen.
Berolinensis hat geschrieben:
Marion hat geschrieben:Zusätze also wie, ist definitiv und unabänderlich oder wer das und das nicht glaubt ist Anathema reichen nicht aus als Indiz, daß hier nun sicher (ganz sicher) die Wahrheit verkündet wird/wurde?
Doch, s. soeben...
Die meisten sagen aber es sei kompliziert daß knallt diese 3 Dinge alleine festzustellen und man bräuchte einen studierten Theologen dazu.
Christus vincit - Christus regnat - Christus imperat

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