Textkritik 1 Thess 3,2

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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christian12
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Textkritik 1 Thess 3,2

Beitrag von christian12 »

Eine textkritische Frage zu 1 Thess 3,2. Sollte man synergos oder diakonos lesen? Nestle/Aland geht von synergos aus. Das ist wohl die schwierigste Lesart (?warum?) und für Paulus nicht singulär (vgl. 1 Kor 3,9) - so EKK 13, 125. Besser bezeugt ist aber diakonos (in A P Ψ, lat co - leider weiss ich nicht, was diese Kürzel bedeuten). Der textus receptus hat auch diakonos. - Mich interessiert diese Stelle, weil sie ja evt. ein (weiterer) früher Beleg für den "Diakon" sein könnte.

Was meint ihr dazu?

Beste Grüße
christian12

Pilgerer
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Re: Textkritik 1 Thess 3,2

Beitrag von Pilgerer »

In 1. Thessaloniker geht es um Timotheus. Kann dieser als Diakon gelten? Hatte er nicht eher ein apostolisches Amt?
"28 Und Gott hat in der Gemeinde eingesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wundertäter, dann Gaben, gesund zu machen, zu helfen, zu leiten und mancherlei Zungenrede." (1. Korinther 12,28)

In 1. Korinther 3,9 schreibt Paulus, "wir sind Gottes Mitarbeiter". Soweit aus den biblischen Briefen zu lesen ist, ging es ihm nicht um sein Ansehen als Apostel, Diakon oder sonstwas, sondern um die Früchte des selbstlosen Wirkens: "7 So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt."
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Robert Ketelhohn
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Re: Textkritik 1 Thess 3,2

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν τοῦ ϑεοῦ I Thess 3,2 ist offenbar erst
ein neuerer Einfall und jedenfalls ganz abwegig. Meine Nestle-Ausgaben
(1906 und 1912) lesen τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ διάκονον c, ebenso
Tischendorf und Soden. Der textus receptus hat beides: τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν
καὶ διάκονον τοῦ ϑεοῦ καὶ συνεργὸν ἡμῶν. Diese Lesart hat eindeutig die
breiteste – und auch schon sehr alte – Überlieferung für sich. Soden hält das
καὶ συνεργὸν ἡμῶν für ergänzt aus Rm 16,21. Das ist denkbar, wenn auch
schwer beweisbar.

Der codex Vaticanus liest nur τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν, der codex
Bezæ
τὸν ἀδελϕὸν ἡμῶν καὶ συνεργὸν τοῦ ϑεοῦ. Daraus ist offenbar die
aktuelle Version Alands (?) entstanden. Wissenschaftlich kann ich solches
Arbeiten nicht nennen, aufgrund einzelner, aus der Reihe tanzender Zeugen
der Text zu revidieren. Die Tischendorf-Soden-Nestle-Lesart ist diskutabel –
sie hat auch eine Reihe Zeugen für sich, darunter die Vulgata –, die Aland-
sche nicht.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Re: Textkritik 1 Thess 3,2

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pilgerer hat geschrieben:In 1. Thessaloniker geht es um Timotheus. Kann dieser als Diakon gelten?
Hatte er nicht eher ein apostolisches Amt?
Bei Paulus ist διάκονος in der Regel nicht im spezifischen Sinn des Weihe-
amtes zu verstehen, sondern allgemein und in der Grundbedeutung des
Worts.
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christian12
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Re: Textkritik 1 Thess 3,2

Beitrag von christian12 »

Danke!
Was meint ihr zu der These, dass synergos die schwierigere Lesart und daher vorzuziehen sei?

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Robert Ketelhohn
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Re: Textkritik 1 Thess 3,2

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Die Regel von der vorzuziehenden lectioni difficiliori gilt nicht absolut, sie
stellt keinen Automatismus dar. Offensichtliche Verschreibungen sind ja
auch lectiones difficiliores. Es ist natürlich auf den Kontext ebenso zu achten
wie auf den Gesamtbefund der handschriftlichen Überlieferung. Beides
spricht hier klar gegen die Lesart καὶ συνεργὸν (τοῦ ϑεοῦ).
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