Inspiration von Übersetzungen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von Fragesteller »

Nassos hat irgendwo davon gesprochen, dass die Septuaginta inspiriert sei (finde es gerade nicht mehr). Ich vermute mal, dass Orthodoxe in einer so wichtigen Frage keine Sonderposition einnehmen. Daher die generelle Frage:
Gibt es generell kirchliche Lehren über die Inspiration von Bibelübersetzungen und -überlieferungen? Auf welche Übersetzungen/Textfassungen beziehen sie sich? Was bedeutet das konkret (Irrtumsfreiheit oder besonderer Rang trotz Irrtumsmöglichkeit)? Und was folgt daraus für die Erlaubtheit editorischer Eingriffe anhand eines angenommenen Urtexts (es kann ja m. E. weder darum gehen, jeden sich eingeschlichen habenden Fehler abzupinseln, noch darum, ganze Textpassagen auszuscheiden)?

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Robert Ketelhohn
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Re: Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Fragesteller hat geschrieben:Ich vermute mal, dass Orthodoxe in einer so wichtigen Frage keine Sonderposition einnehmen.
Nein, aber die LXX.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Fragesteller
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Re: Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von Fragesteller »

Das heißt, alle anderen Übersetzungen sind nach rein wissenschaftlichen Maßstäben zu messen?

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Bernhard
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Re: Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von Bernhard »

Fragesteller hat geschrieben: Gibt es generell kirchliche Lehren über die Inspiration von Bibelübersetzungen und -überlieferungen? Auf welche Übersetzungen/Textfassungen beziehen sie sich? Was bedeutet das konkret (Irrtumsfreiheit oder besonderer Rang trotz Irrtumsmöglichkeit)? Und was folgt daraus für die Erlaubtheit editorischer Eingriffe anhand eines angenommenen Urtexts (es kann ja m. E. weder darum gehen, jeden sich eingeschlichen habenden Fehler abzupinseln, noch darum, ganze Textpassagen auszuscheiden)?

Die Vulgata ist seit dem Tridentinischen Konzil für alle Zeiten als der authentische Text der Hl. Schrift festgelegt worden. Wo die Inspiration durch den Hl. Geist beim Hl. Hieronymus dogmatisiert o.ä, ist, weiß ich nicht, aber das ergibt sich daraus dann recht logisch :)

PS.: Niemals die moderne "Vulgata" :angewidert: , sondern immer die iuxta vulgatam versionem benutzen

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Robert Ketelhohn
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Re: Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ja, in die Novam Vulgatam ist vielfach derselbe Ungeist hineingelesen
worden wie in die meisten andern modernen Übersetzung, oder was
sich so nennt. „Einheizvulgata“, sozusagen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

kephas
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Re: Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von kephas »

Bernhard hat geschrieben:Die Vulgata ist seit dem Tridentinischen Konzil für alle Zeiten als der authentische Text der Hl. Schrift festgelegt worden. Wo die Inspiration durch den Hl. Geist beim Hl. Hieronymus dogmatisiert o.ä, ist, weiß ich nicht, aber das ergibt sich daraus dann recht logisch :)
Das heißt aber nicht, dass die Vulgata eine fehlerfreie Übersetzung wäre. Man denke z.B. an die Hörner des Mose.

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Robert Ketelhohn
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Re: Inspiration von Übersetzungen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bernhard hat geschrieben:Die Vulgata ist seit dem Tridentinischen Konzil für alle Zeiten als der authentische Text der Hl. Schrift festgelegt worden. Wo die Inspiration durch den Hl. Geist beim Hl. Hieronymus dogmatisiert o.ä, ist, weiß ich nicht, aber das ergibt sich daraus dann recht logisch :)
Die Vulgata ist natürlich nicht als inspiriert anzusehen. Das erhellt auch schon aus der Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte. Die tridentinische Entscheidung ist formal disziplinarischer Art, inhaltlich eine Bekräftigung der Entscheidung Karls und Alkuins (einschließlich deren Korrekturen am überlieferten hieronymianischen Text). Übrigens hat ausgerechnet das römische Lehramt selbst die damalige Entscheidung ja mittlerweile wieder über Bord geworfen: ein wohl noch unglücklicher Akt als die vergurkte posttridentinische Erstausgabe der Vulgata.

An der Übersetzungsmethode des Hieronymus ist durchaus manche Kritik erlaubt, ja angebracht, wie sie beispielshalber schon der heilige Augustinus vorgetragen hat. Das betrifft z. B. den vielfachen (wenngleich nicht durchgehenden) Rückgriff auf den Pharisäertext fürs AT anstelle der LXX. Aber selbst die LXX muß man natürlich textkritisch behandeln, denn den LXX-Text schlechthin gibt es ja auch nicht, sondern eine vielgestaltige Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte.

Die Kirche hat kein vom Himmel ihr auf den Deetz gefallenes Goldenes Buch wie die Mormonen und keinen auf Diktiergerät gesprochenen Text wie die Muslime.
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