Kirchenrecht
Verfasst: Donnerstag 2. Oktober 2003, 00:11
Ralf, 26.09.2003 20:57
Hallo.
Mit meinem ersten Beitrag hier wollte ich mal fragen, welche theologische Begründung es überhaupt für die Existenz des Kirchenrechtes gibt. Klingt vielleicht albern, weil jede Gemeinschaft ein Regelwerk braucht, aber die Frage stellt sich evtl. insofern, als dass man durch die Beantwortung auch die Kompetenz eines solchen Regelwerkes abstecken könnte.
Schließlich ist der CIC doch sehr umfangreich, und der des lat. Ritus wahrscheinlich um einiges detallierter als der der östl. Riten, da stellt sich die Frage nach dem warum.
Pax et bonum,
Ralf (Sünder)
Ketelhohn, 27.09.2003 01:26
Auf die Schnelle (mit erschüttertem Blick auf die Uhr) bloß ein Hinweis, Ralf: Versuch mal nachzulesen, wie das Corpus Juris Canonici als kirchliche Rechtssammlung allmählich – nicht zuletzt durch privat initiierte Kompilationen – aus einer Vielzahl von Einzelentscheidungen heraus- und zusammengewachsen ist. Bis dann Pius X. den Auftrag gab, ein einheitliches Rechtsbuch zu schaffen: den Codex Juris Canonici.
Juergen, 27.09.2003 13:40: Ekklesiologie
Der CIC ist gleichsam in "Gesetzesform gegossene Dogmatik/Ekklesiologie".
Dies bedeutet m.E. auch, daß vorranging die Theologie steht, die den Ton angibt und vorgibt, was im Gesetz zu stehen hat.
Freilich ist das Verhältnis von Theologie zu Kanonistik (wenn man hier denn einen Gegensatz konstatieren will) eine eigene Frage.
Ein kurzer Blick in den Umfang des CIC im Vergleich zum katholisch Ostkirchenrecht dem CCEO zeigt, daß vom Umfang her sich beide nicht groß unterscheiden:
CIC: 1752 canones
CCEO: 1546 canones
Ralf, 27.09.2003 14:45
Nun ja, das kann ich zwar verstehen, Jürgen, aber es gibt doch auch in der Theologie verschiedene Strömungen, die dennoch auf dem Boden des kath. Glaubens stehen (andere auch, die das nicht tun, aber die vernachlässige ich jetzt mal). Ein Gesetzestext dagegen verabsolutiert eine gewisse Ansicht. Ist das der Theologie zuträglich? Ist das der Kirche immer (sic!) zuträglich?
Und Robert: nicht jede Entscheidung, die jemals gefällt wurde, muss automatisch dann überzeitige Gültigkeit bekommen und für alle Gegenden und Kulturen dieser Welt verallgemeinert werden. Gerade im Sinne einer in meinen Augen notwendigen Inkulturation kommen dort Konflikte auf.
Juergen, 27.09.2003 15:02: Revisionen
Nun,
das Lehramt (die Codex Interpretationskommission = PIC) interpretiert die Gesetzestexte. Auch da kann es mal zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, womit eine gewisse - wenn auch geringe - Dynamik gewahrt bleibt.
Auf der anderen Seite kann der Gesetzgeber auch frei neue Gesetze erlassen etc. und so Anpassungen vornehmen.
Änderungen in theol. Auffassungen können immer in den Gesetzestext einfließen.
Der CIC/1983 unterscheidet sich in vielen Punkten vom CIC/1917 - nicht zuletzt auch wegen des II. Vaticanums.
Daher sagte ich schon, daß das Kirchenrecht immer den theol. Reflexionen nachgeordnet ist.
Gleichwohl hast Du Recht, daß ein kodifiziertes Recht eine gewisse "Starre" mit sich bring. Aber maßgeblich sind in erster Linie "dogmatische" Entscheidungen, die immer Vorrang auch vor dem Kirchenrecht haben (müssen).
Juergen, 27.09.2003 22:30
Es ist einfacher bei einer Unklarheit auf ein Rechtssystem zurückzugreifen, als jedesmal in einen theologischen Diskurs zu treten.
Ralf, 27.09.2003 22:38
Das stimmt zwar, dadurch macht man es sich aber auch für Einzelentscheidungen manchmal zu leicht. Frage hier wäre dann die Verbindlichkeit der Gesetze des CIC (gibt es da eigentlich Abstufungen?).
Juergen, 27.09.2003 22:50
Abstufungen in der Gesetzgebung ergeben sich grundlätzlich erst einmal daraus, wer ein Gesetz erlassen hat, z.B.:
ein Bischof kann ein Gesetz für seine Diözese erlassen, ändern etc.
Ein Erzbischof kann ein Gesetz für seinen Metropolitanbezik erlassen, ändern etc. - dies kann nicht von den unterstellen Bischöfen geändert werden. Der Erzbischof kann aber teilweise Gesetze der unterstellten Bischöfe aufheben.
Ein Patriarch kann ein Gesetz für sein Patriarchat erlassen, ändern etc. - dies kann nicht von den unterstellen (Erz)Bischöfen geändert werden. Der Patriarch kann teilweise Gesetze der unterstellten (Erz)Bischöfe aufheben etc.
Der Papst nun kann in vielfacher Weise tätig werden:
- als Oberhaupt der kath. Kirche (für lat. Ost- und Westkirche)
- als Patriarch des Abendlandes (für die lat. Westkirche)
- als Bischof von Rom
So unterscheiden sich auch Gesetze des Papstes in ihrem Stellenwert.
Aber nun zur eigentlichen Frage:
Der CIC ist für die lat. Westkirche erlassen und gilt auch nur dort. Dann aber in allen Punkte, es sei denn der CIC selbst läßt Spielräume oder deligiert Regelungen an andere Stellen: Etwa wenn es dort heißt das die Bischofskonferenzen Regelungen in dieser und jener Sache erlassen sollen.
Horus, 30.09.2003 21:41
ich denke, daß eine theologische Begründung bei Jesus Christus selbst nicht auffindbar ist. Erst später
in der Apostelgeschichte des Lukas und bei Paulus finden sich erste Regularien.
Gruß
Horus
Ralf, 30.09.2003 21:54
Hmmm, da würde ich jetzt keinen Graben konstruieren wollen, der Herr selbst hat ja das Alte Gesetz alles andere als schlecht gemacht. meine Frage ist eher dahingehend, warum es eine Sammlung von jederzeit und überall gleich anzuwendender regelungen bedarf, bzw., warum sie so detalliert sein muss.
Hallo.
Mit meinem ersten Beitrag hier wollte ich mal fragen, welche theologische Begründung es überhaupt für die Existenz des Kirchenrechtes gibt. Klingt vielleicht albern, weil jede Gemeinschaft ein Regelwerk braucht, aber die Frage stellt sich evtl. insofern, als dass man durch die Beantwortung auch die Kompetenz eines solchen Regelwerkes abstecken könnte.
Schließlich ist der CIC doch sehr umfangreich, und der des lat. Ritus wahrscheinlich um einiges detallierter als der der östl. Riten, da stellt sich die Frage nach dem warum.
Pax et bonum,
Ralf (Sünder)
Ketelhohn, 27.09.2003 01:26
Auf die Schnelle (mit erschüttertem Blick auf die Uhr) bloß ein Hinweis, Ralf: Versuch mal nachzulesen, wie das Corpus Juris Canonici als kirchliche Rechtssammlung allmählich – nicht zuletzt durch privat initiierte Kompilationen – aus einer Vielzahl von Einzelentscheidungen heraus- und zusammengewachsen ist. Bis dann Pius X. den Auftrag gab, ein einheitliches Rechtsbuch zu schaffen: den Codex Juris Canonici.
Juergen, 27.09.2003 13:40: Ekklesiologie
Der CIC ist gleichsam in "Gesetzesform gegossene Dogmatik/Ekklesiologie".
Dies bedeutet m.E. auch, daß vorranging die Theologie steht, die den Ton angibt und vorgibt, was im Gesetz zu stehen hat.
Freilich ist das Verhältnis von Theologie zu Kanonistik (wenn man hier denn einen Gegensatz konstatieren will) eine eigene Frage.
Ein kurzer Blick in den Umfang des CIC im Vergleich zum katholisch Ostkirchenrecht dem CCEO zeigt, daß vom Umfang her sich beide nicht groß unterscheiden:
CIC: 1752 canones
CCEO: 1546 canones
Ralf, 27.09.2003 14:45
Nun ja, das kann ich zwar verstehen, Jürgen, aber es gibt doch auch in der Theologie verschiedene Strömungen, die dennoch auf dem Boden des kath. Glaubens stehen (andere auch, die das nicht tun, aber die vernachlässige ich jetzt mal). Ein Gesetzestext dagegen verabsolutiert eine gewisse Ansicht. Ist das der Theologie zuträglich? Ist das der Kirche immer (sic!) zuträglich?
Und Robert: nicht jede Entscheidung, die jemals gefällt wurde, muss automatisch dann überzeitige Gültigkeit bekommen und für alle Gegenden und Kulturen dieser Welt verallgemeinert werden. Gerade im Sinne einer in meinen Augen notwendigen Inkulturation kommen dort Konflikte auf.
Juergen, 27.09.2003 15:02: Revisionen
Nun,
das Lehramt (die Codex Interpretationskommission = PIC) interpretiert die Gesetzestexte. Auch da kann es mal zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, womit eine gewisse - wenn auch geringe - Dynamik gewahrt bleibt.
Auf der anderen Seite kann der Gesetzgeber auch frei neue Gesetze erlassen etc. und so Anpassungen vornehmen.
Änderungen in theol. Auffassungen können immer in den Gesetzestext einfließen.
Der CIC/1983 unterscheidet sich in vielen Punkten vom CIC/1917 - nicht zuletzt auch wegen des II. Vaticanums.
Daher sagte ich schon, daß das Kirchenrecht immer den theol. Reflexionen nachgeordnet ist.
Gleichwohl hast Du Recht, daß ein kodifiziertes Recht eine gewisse "Starre" mit sich bring. Aber maßgeblich sind in erster Linie "dogmatische" Entscheidungen, die immer Vorrang auch vor dem Kirchenrecht haben (müssen).
Juergen, 27.09.2003 22:30
Vielleicht ist es weniger eine theologische Begründung als eine praktische.Ralf hat geschrieben:Mit meinem ersten Beitrag hier wollte ich mal fragen, welche theologische Begründung es überhaupt für die Existenz des Kirchenrechtes gibt. ...
Es ist einfacher bei einer Unklarheit auf ein Rechtssystem zurückzugreifen, als jedesmal in einen theologischen Diskurs zu treten.
Ralf, 27.09.2003 22:38
Das stimmt zwar, dadurch macht man es sich aber auch für Einzelentscheidungen manchmal zu leicht. Frage hier wäre dann die Verbindlichkeit der Gesetze des CIC (gibt es da eigentlich Abstufungen?).
Juergen, 27.09.2003 22:50
So aus dem Ärmel geschüttelt kann man mit "Jain" antwortenRalf hat geschrieben:Frage hier wäre dann die Verbindlichkeit der Gesetze des CIC (gibt es da eigentlich Abstufungen?).
Abstufungen in der Gesetzgebung ergeben sich grundlätzlich erst einmal daraus, wer ein Gesetz erlassen hat, z.B.:
ein Bischof kann ein Gesetz für seine Diözese erlassen, ändern etc.
Ein Erzbischof kann ein Gesetz für seinen Metropolitanbezik erlassen, ändern etc. - dies kann nicht von den unterstellen Bischöfen geändert werden. Der Erzbischof kann aber teilweise Gesetze der unterstellten Bischöfe aufheben.
Ein Patriarch kann ein Gesetz für sein Patriarchat erlassen, ändern etc. - dies kann nicht von den unterstellen (Erz)Bischöfen geändert werden. Der Patriarch kann teilweise Gesetze der unterstellten (Erz)Bischöfe aufheben etc.
Der Papst nun kann in vielfacher Weise tätig werden:
- als Oberhaupt der kath. Kirche (für lat. Ost- und Westkirche)
- als Patriarch des Abendlandes (für die lat. Westkirche)
- als Bischof von Rom
So unterscheiden sich auch Gesetze des Papstes in ihrem Stellenwert.
Aber nun zur eigentlichen Frage:
Der CIC ist für die lat. Westkirche erlassen und gilt auch nur dort. Dann aber in allen Punkte, es sei denn der CIC selbst läßt Spielräume oder deligiert Regelungen an andere Stellen: Etwa wenn es dort heißt das die Bischofskonferenzen Regelungen in dieser und jener Sache erlassen sollen.
Horus, 30.09.2003 21:41
Hallo Ralf,Ralf hat geschrieben:Mit meinem ersten Beitrag hier wollte ich mal fragen, welche theologische Begründung es überhaupt für die Existenz des Kirchenrechtes gibt.
ich denke, daß eine theologische Begründung bei Jesus Christus selbst nicht auffindbar ist. Erst später
in der Apostelgeschichte des Lukas und bei Paulus finden sich erste Regularien.
Gruß
Horus
Ralf, 30.09.2003 21:54
Hmmm, da würde ich jetzt keinen Graben konstruieren wollen, der Herr selbst hat ja das Alte Gesetz alles andere als schlecht gemacht. meine Frage ist eher dahingehend, warum es eine Sammlung von jederzeit und überall gleich anzuwendender regelungen bedarf, bzw., warum sie so detalliert sein muss.