Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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ChrisCross
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von ChrisCross »

Lutheraner hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Was machte das 'reformatorische Bekenntnis' so attraktiv, daß sich Fürsten, Ritter und Bürger in nicht geringer Zahl, wenn auch vornehmlich in Norddeutschland/Nordeuropa diesem anschlossen, und wie kommt es, daß es die lutherischen und reformierten Kirchen noch heute gibt (und die unierten, deren Existenzberechtigung ich nun gar nicht erkennen kann)?
Die Antwort ist einfach: Das Evangelium.
Nein, noch viel banaler: Unabhängigkeit von Rom und wahrscheinlich auch steuerliche Vergünstigungen. Es bleibt schließlich mehr übrig für den herrscher, wenn nicht der größte Teil durch den zehnten und Ablässe an die Kirche fließt. Was an einer von Calvin und (ich glaube) auch von Luther gelehrten doppelten Praedestination und fehlender Willensfreiheit so toll sein soll, erschliest sich mir nicht.
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Niels
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Niels »

Lutheraner hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Was machte das 'reformatorische Bekenntnis' so attraktiv, daß sich Fürsten, Ritter und Bürger in nicht geringer Zahl, wenn auch vornehmlich in Norddeutschland/Nordeuropa diesem anschlossen, und wie kommt es, daß es die lutherischen und reformierten Kirchen noch heute gibt (und die unierten, deren Existenzberechtigung ich nun gar nicht erkennen kann)?
Die Antwort ist einfach: Das Evangelium.
Das gab's schon seit fast 1500 Jahren... ;D
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Thomas_de_Austria
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Thomas_de_Austria »

lifestyle hat geschrieben:Weiter südlich ist es wohl der habsburgische Einfluss?
Na ja, unmittelbar nach der Reformation, in den ersten Jahrzehnten, breitete sich der Protestantismus in Österreich genauso aus, bis Kärnten und in die Untersteiermark. Es gab für eine relativ kurze Zeit also auch im Süden nicht wenige Protestanten in allen Bevölkerungsschichten. Ein natürlicher Haltepunkt war aber, wie mir scheint, der slaw. Raum, die slaw. Ethnien (während sich z. B. in Ungarn - natürlich auch aufgrund der polit. Umstände - der Protestantismus doch eine Spur besser halten konnte). In Kärnten z. B. merkt man das auch jetzt noch, wenn man sich ansieht, in welcher Bevölkerungsgruppe mehr Protestanten sind, also bei den Deutschösterreichern oder bei den Slowenen. Dass der Protestantismus aber nicht so verbreitet blieb, daran sind dann schon vor allem die Habsburger "schuld" ( ;D) - für Innerösterreich z. B. vor allem einmal der spätere Kaiser Ferdinand II. Der Protestantismus scheint generell ein ganz stark "germanisches Phänomen" zu sein.

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Niels
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Niels »

Lutheraner hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Warum eigentlich war die Reformation in Nordeuropa um so vieles erfolgreicher als im Süden?
Ich hatte hier im Forum vor einiger Zeit schon einmal geschrieben, dass die Grenze der Reformation sehr grob betrachtet am Limes entlang läuft. Ich halte es für keinen Zufall, dass die Völker, die nicht zum unter römischer Herrschaft standen, sich am ehesten in der Reformation von der römischen Kirche abgewandt haben.
Ähnliches vertrete ich auch schon seit ca. 15 Jahren. Bisher sind es jedoch bloße Vermutungen, da mir bislang kein Werk mit speziell dieser Fragestellung (weder Monographie noch Aufsatz) bekannt ist, das hier weiterhelfen könnte.
Hat evtl. jemand Literaturhinweise zum Thema? Wenn ja, bitte her damit... :ja:
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Lutheraner
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Lutheraner »

ChrisCross hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Was machte das 'reformatorische Bekenntnis' so attraktiv, daß sich Fürsten, Ritter und Bürger in nicht geringer Zahl, wenn auch vornehmlich in Norddeutschland/Nordeuropa diesem anschlossen, und wie kommt es, daß es die lutherischen und reformierten Kirchen noch heute gibt (und die unierten, deren Existenzberechtigung ich nun gar nicht erkennen kann)?
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Nein, noch viel banaler: Unabhängigkeit von Rom und wahrscheinlich auch steuerliche Vergünstigungen. Es bleibt schließlich mehr übrig für den herrscher, wenn nicht der größte Teil durch den zehnten und Ablässe an die Kirche fließt. Was an einer von Calvin und (ich glaube) auch von Luther gelehrten doppelten Praedestination und fehlender Willensfreiheit so toll sein soll, erschliest sich mir nicht.
Es gab schon Herrscher, die aus religiösen Gründen konvertierten. Das unverdächtigste Beispiel ist der preußische Kurfürst Johann Sigismund, der Anfang des 17. Jahrhunderts vom lutherischen zum reformierten Glauben übertrat.
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Lutheraner
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Lutheraner »

Niels hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Warum eigentlich war die Reformation in Nordeuropa um so vieles erfolgreicher als im Süden?
Ich hatte hier im Forum vor einiger Zeit schon einmal geschrieben, dass die Grenze der Reformation sehr grob betrachtet am Limes entlang läuft. Ich halte es für keinen Zufall, dass die Völker, die nicht zum unter römischer Herrschaft standen, sich am ehesten in der Reformation von der römischen Kirche abgewandt haben.
Ähnliches vertrete ich auch schon seit ca. 15 Jahren.
Angeber ;-)
Niels hat geschrieben:Bisher sind es jedoch bloße Vermutungen, da mir bislang kein Werk mit speziell dieser Fragestellung (weder Monographie noch Aufsatz) bekannt ist, das hier weiterhelfen könnte.
Es wird wohl Zeit, dass wir ein Buch schreiben.
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Niels
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Niels »

Ich habe Zeugen... :blinker:

Gute Idee! :daumen-rauf:
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Clemens
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Clemens »

Ich habe den Limes als Konfessionsgrenze schon vor mindestens 16 Jahren bemerkt ;-) , halte das aber inzwischen für Zufall. Das Münsterland ist beispielsweise nicht weniger germanisch, als Württemberg oder die Schweiz.
Es waren ja nicht die Völker, die die endgültige Entscheidung für oder gegen die Reformation trafen, sondern (ausgenommen die deutschen Reichsstädte - und da ist das Ergebnis gemischt) die Herrscher. Und die waren ja zumeist eine Querbeetrassenmischung, dass die heutigen Multi-Kulti-Fans ihre helle Freude daran gehabt hätten.

In allen europäischen Ländern gab es reformatorische Volksbewegungen, im Süden gelang es aber schließlich, sie zu marginalisieren oder gar zu vernichten. Während vor dem Tridentinum der Protestantismus rasanten Zulauf hatte - wer immer konnte, wurde evangelisch (OK - beinahe ;-) ), entstand nach dem 30j-Krieg eine feste Identifikation mit der Religion des eigenen Landes und kaum noch jemand war bereit, freiwillig zu tauschen.

In welchen Gegenden sich die Reformation halten konnte, lag m.E. hpts. an politischen Zufällen, Hegemonialmächten, persönlichen (Un-)Geschicklichkeiten.

Dieter
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Dieter »

Die Völker schaffen sich die Religionen, die mentalitätsmäßig zu ihnen passt. Die RÖMISCH-katholische KIrche ist eben römisch, also mediterran, die Ostkirche spiegelt die Melancholie des slawischen Seele wider und der Protestantismus konnte sich nur nördlich der Alpen bei den germanischen Völkern ausbreiten.

Hier war die Zeit gekommen für einen Individualismus, so dass das katholisch-mediterrane Gruppendenken nicht mehr passte.

Warum gibt es denn in der RKK die Schwierigkeiten gerade in den deutschen, amerikanischen, niederländischen oder Schweizer Bistümern? Weil dies germanische Völker sind, die die Vorschriften aus dem Vatikan wörtlich nehmen und sich daran reiben. Mediterrane Völker verstehe gar nicht, um was es dabei geht....

Der Protestantismus spricht mit seinem Individualismus, seiner Glaubenstiefe und seiner grübelnden Theologie also genau die Mentalität der nordischen Völker an. In lateinischen und slawischen Gebieten ist er immer marginal geblieben.

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Lutheraner
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Lutheraner »

Dieter hat geschrieben:Die Völker schaffen sich die Religionen, die mentalitätsmäßig zu ihnen passt. Die RÖMISCH-katholische KIrche ist eben römisch, also mediterran, die Ostkirche spiegelt die Melancholie des slawischen Seele wider und der Protestantismus konnte sich nur nördlich der Alpen bei den germanischen Völkern ausbreiten.

Hier war die Zeit gekommen für einen Individualismus, so dass das katholisch-mediterrane Gruppendenken nicht mehr passte.

Warum gibt es denn in der RKK die Schwierigkeiten gerade in den deutschen, amerikanischen, niederländischen oder Schweizer Bistümern? Weil dies germanische Völker sind, die die Vorschriften aus dem Vatikan wörtlich nehmen und sich daran reiben. Mediterrane Völker verstehe gar nicht, um was es dabei geht....

Der Protestantismus spricht mit seinem Individualismus, seiner Glaubenstiefe und seiner grübelnden Theologie also genau die Mentalität der nordischen Völker an. In lateinischen und slawischen Gebieten ist er immer marginal geblieben.
Das sehe ich auch so. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass die derzeit stark wachsenden südamerikanischen evangelischen Kirchen von der Denkweise her mehr mit dem römischen Katholizismus als mit dem europäischen Protestantismus zu tun haben. Sie streiten nicht fundiert über Theologie, sie definieren Ihre Rechtgläubigkeit nicht hauptsächlich an der Schriftauslegung, sondern an der Macht Wunder durchzuführen. Sie sprechen damit weniger das Intellekt an, wie es typisch protestantisch wäre, sondern das Emotionale, was eher der römisch-katholischen Art entspricht.
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overkott
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von overkott »

Der Protestantismus breitete sich vor allem dort aus, wo Europa am dunkelsten und kältesten ist. Dort, wo der Weg zur nächsten Kirche weit ist, und man sich lieber seine Kerze neben der Bibel selbst anzündet.

BrunoBerlin
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von BrunoBerlin »

Ist Kurfürst Johann Sigismund wirklich aus religiösen Gründen konvertiert oder war es, weil er nur so das Herzogtum Kleve/Jülich/Berg übernehmen konnte?

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Niels
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Niels »

BrunoBerlin hat geschrieben:Ist Kurfürst Johann Sigismund wirklich aus religiösen Gründen konvertiert oder war es, weil er nur so das Herzogtum Kleve/Jülich/Berg übernehmen konnte?
Vermutlich wegen letzterem.
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Dieter
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Dieter »

Das war damals so üblich.

August der Starke von Sachsen wurde ja auch nur katholisch, weil er dadurch auch König von Polen werden konnte.

Pilgerer
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Pilgerer »

Eine Frage, die sich mir stellt, ist: warum sind so viele Mönche und Nonnen der Reformation gefolgt?
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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ChrisCross
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von ChrisCross »

Pilgerer hat geschrieben:Eine Frage, die sich mir stellt, ist: warum sind so viele Mönche und Nonnen der Reformation gefolgt?
viewtopic.php?f=22&t=13631&start=

Vielleicht wirst du da fündig...
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taddeo
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von taddeo »

overkott hat geschrieben:Der Protestantismus breitete sich vor allem dort aus, wo Europa am dunkelsten und kältesten ist. Dort, wo der Weg zur nächsten Kirche weit ist, und man sich lieber seine Kerze neben der Bibel selbst anzündet.
OK, wenn man Franken und dort speziell Hof anschaut ... an Deiner These ist was dran. :ja:
Aber warum ist dann der ganze Bayerische Wald immer stockkatholisch geblieben? :hmm:
(Womöglich wollte dort nie ein protestantischer Prediger hin, und bis man dort gespannt hat, daß Reformation war, war die Gegenreformation schon wieder erfolgreich.)

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Lutheraner
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Lutheraner »

Niels hat geschrieben:
BrunoBerlin hat geschrieben:Ist Kurfürst Johann Sigismund wirklich aus religiösen Gründen konvertiert oder war es, weil er nur so das Herzogtum Kleve/Jülich/Berg übernehmen konnte?
Vermutlich wegen letzterem.
grummel... jetzt dachte ich, ich hätte mal einen gefunden, bei dem das nicht so war.

Was schließen wir daraus? Auch im 17. Jahrhundert war Religion für die meisten Menschen ziemlich relativ.
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Marcus
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Marcus »

Das hing wahrscheinlich auch immer mit dem jeweiligen Stand zusammen. Die Ärmeren, gar die Leibeigenen sahen in der Religion bzw. in ihrem christlichen Glauben am ewigen Leben in der herrlichen Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott mitunter den einzigen Trost in ihrem leidvollen und qualvollen Leben. Darum nahmen sie zumeist auch ihren Glauben ziemlich ernst.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Stephen Dedalus
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Stephen Dedalus »

BrunoBerlin hat geschrieben:Ist Kurfürst Johann Sigismund wirklich aus religiösen Gründen konvertiert oder war es, weil er nur so das Herzogtum Kleve/Jülich/Berg übernehmen konnte?
Gegenfrage: Hätte er als Lutheraner das Erbe in Kleve/Jülich/Berg nicht antreten können? Der Übertritt vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis hat die Position Johann Sigismunds im Erbfolgestreit keineswegs verbessert.

Tatsächlich kann man die Konversion Johann Sigismunds eher als politisch unklug bezeichnen. Reichsrechtlich begab er sich damit in eine zweifelhafte Position (die Stellung der Reformierten war unsicher, da das reformierte Bekenntnis nicht durch den Augsburger Religionsfrieden gedeckt war; erst im Westfälischen Frieden 1648 wurde das reformierte Bekenntnis dem lutherischen Bekenntnis gleichgestellt). Innenpolitisch war die Konversion nicht durchsetzbar, da die brandenburgischen Landstände sie nicht unterstützten und durchsetzten, beim lutherischen Bekenntnis zu verbleiben. Für zweihundert Jahre entstand damit in Brandenburg-Preußen eine religiöse Teilung zwischen Bevölkerung und Herrscherhaus, die sich häufig als lähmend erwies.

Es spricht in der Tat viel dafür, daß die Konversion Johann Sigismunds vor allem religiös motiviert war. Das gilt - soweit ich es überblicken kann - für alle Übertritte vom Luthertum zum Calvinismus in Deutschland im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert.
If only closed minds came with closed mouths.

Pilgerer
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von Pilgerer »

Der Protestantismus ist nicht ganz homogen, sondern es gibt im Lauf seiner Geschichte unterschiedliche Gruppierungen. Was ich an den Mennoniten sympathisch finde, ist ihr konsquenter Pazifismus. Bei dieser Bewegung kommt wie bei den Baptisten und verwandten Gruppierungen das zentrale Element der Bekehrung hinzu, das als ein Sakrament angesehen werden kann (selbst wenn es diesen Namen nicht trägt). Die Erfahrung einer konsequenten und bleibenden Bekehrung zu Jesus Christus kann für viele Menschen anziehen wirken. Vermutlich ist dies auch ein Grund dafür, weshalb in Südamerika die Bekehrungs-Sekten viel Zulauf bekommen. Vielleicht könnte die römisch-katholische Kirche durch eine Stärkung des Bekehrungs-Gedanken hier entgegenwirken.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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ad-fontes
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Re: Was macht(e) den Protestantismus so anziehend?

Beitrag von ad-fontes »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Es spricht in der Tat viel dafür, daß die Konversion Johann Sigismunds vor allem religiös motiviert war. Das gilt - soweit ich es überblicken kann - für alle Übertritte vom Luthertum zum Calvinismus in Deutschland im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert.
Wo lagen die Gründe? Was machte das reformierte Bekenntnis für einen Lutheraner so anziehend?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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