Ecclesia semper reformanda

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Erich_D
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Ecclesia semper reformanda

Beitrag von Erich_D »

(Thema abgesplittet aus der Umgangsformendiskussion - nicht von Erich eröffnet - Stefan)
cathol01 hat geschrieben:Der Begriff ecclesia semper reformanda wird in kirchlichen Dokumenten nicht benutzt, weil er protestantischer Herkunft ist, doch die Idee an sich wird mitgetragen. Kirche muss sich immer wieder erneuern, sich immer wieder in der Gesellschaft situieren und positionnieren, und sich dabei auch von dieser in Frage stellen lassen.
Ich würde vermuten, dass dies ein vielfach mißdeuteter Begriff ist. Wenn wir von Reform der Kirche sprechen, meinen wir sehr gerne "die anderen". Katholisch ist - nach meiner Überzeugung - ein Verständnis, dass bei sich selber beginnt. Das Vorbild schlechthin in dieser Frage ist der Heilige Franziskus, ein einfacher Laie. Die Kirche bedarf einer Reform? Wohlan! Wie kann ich mein Leben ändern? So lautet die katholische Antwort.

Zugegeben: eine verflixt unbequeme Antwort, weil nunmehr nicht mehr "die" etwas tun müssen, Rom, der Vatikan, der Klerus, die Bischöfe, die Priester, die ... eben "die", aber nun nicht mehr sie, sondern ich. Kirche beginnt ganz nah: bei jedem von uns. Warum zum Reformieren in die Ferne schweifen? Der Stoff zum Reformieren ist ganz nah. Beginn bei Dir.

Am Aschermittwoch zeichnete mir unser Erzbischof mit Daumen und Zeigefinger ein Aschenkreuz auf die Stirn. Dabei sagte er zu mir: "Kehr um und glaub an das Evangelium." Nähme ich mir diese Worte zu Herzen, nähmen wir uns nur alle diese Worte zu Herzen, kehrten wir wirklich um und glaubten dem Evangelium, wo stünde die Kirche dann?

Aber zu unser aller Glück und Seelenfrieden haben wir ja "die": die in Rom, die im Vatikan, die im Klerus, die bei den Bischöfen, die bei den Priestern, wir haben "die". Also kann ich mir die eigene Umkehr ersparen, das reuige Klopfen an die eigene Brust. Und statt die ganze Hand zur Faust zu ballen, die auf das eigene schuldige Herz einschlägt, strecke ich den Zeigefinger spitz vor, weise anklagend auf "die". Und kann mir die eigene Reform sparen. ecclesia semper reformanda: Wohlan! Dann fangt ihr anderen mal damit an!
Zuletzt geändert von Erich_D am Sonntag 2. Mai 2004, 11:31, insgesamt 1-mal geändert.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Bernd Heinrich Stein

Beitrag von Bernd Heinrich Stein »

cathol01 hat geschrieben:Nur wer sich ändert, bleibt sich treu, so lautet der Buchtitel von Herbert Haag (genannt Teufels-Haag). Inwiefern trifft das auf die Kirche zu?
Zuerst mal ist das für mich die Frage, ob das überhaupt stimmt. Als Grundsätzlichkeit und undifferenziert sicher für mich nicht.
cathol01 hat geschrieben:Der Begriff ecclesia semper reformanda ......
Ich bin des Lateinischen nicht mächtig und freue mich umso mächtiger, wenn beim Gebrauch für die "Unwissenden" eine (er)klärende Übersetzung auftaucht.

cathol01 hat geschrieben:wird in kirchlichen Dokumenten nicht benutzt, weil er protestantischer Herkunft ist, doch die Idee an sich wird mitgetragen. Kirche muss sich immer wieder erneuern, sich immer wieder in der Gesellschaft situieren und positionnieren, und sich dabei auch von dieser in Frage stellen lassen.
Die Gesellschaft stellt aber doch gar nicht in Frage, sondern Interessengruppen innerhalb von und aus der Gesellschaft. Ich denke, dass es notwendig ist bei einer Infragestellung von Positionen die Intentionen der jeweiligen Gruppe zu betrachten, sonst laufen wir als Kirche Gefahr durch jeweilige Anpassungsleistungen unsere Grundsätze zu verwischen. Und damit werden sie unwirksam.

Ich stimme mit Dir überein, dass sich die Kirche immer wieder innerhalb einer sich ständig verändernden Gesellschaft positionieren sollte. Aber ich verstehe das unter dem Aspekt des "Stellung beziehen". Eine Form, die ich durchaus bedenkenswert finde, zeigt H. Geissler in seinem Buch "Was würde Jesus heute sagen".

Bernd Heinrich

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Bernd Heinrich Stein hat geschrieben:
cathol01 hat geschrieben:Der Begriff ecclesia semper reformanda ......
Ich bin des Lateinischen nicht mächtig und freue mich umso mächtiger, wenn beim Gebrauch für die "Unwissenden" eine (er)klärende Übersetzung auftaucht.
eine Kirche, die immer zu reformieren ist, bzw.
die Kirche muss fortwährend reformiert werden[/quote]
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Thierry hat geschrieben:»ecclesia semper reformanda«
Una Compagnia sempre riformanda
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Hm, Josef Ratzinger scheint hier die Grenzen doch etwas zu verwischen... :roll:
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

cathol01 hat geschrieben:Hm, Josef Ratzinger scheint hier die Grenzen doch etwas zu verwischen... :roll:
Welche Grenzen?
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Biggi
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Re: Ecclesia semper reformanda

Beitrag von Biggi »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Ich würde vermuten, dass dies ein vielfach mißdeuteter Begriff ist. Wenn wir von Reform der Kirche sprechen, meinen wir sehr gerne "die anderen". Katholisch ist - nach meiner Überzeugung - ein Verständnis, dass bei sich selber beginnt. Das Vorbild schlechthin in dieser Frage ist der Heilige Franziskus, ein einfacher Laie. Die Kirche bedarf einer Reform? Wohlan! Wie kann ich mein Leben ändern? So lautet die katholische Antwort.

Zugegeben: eine verflixt unbequeme Antwort, weil nunmehr nicht mehr "die" etwas tun müssen, Rom, der Vatikan, der Klerus, die Bischöfe, die Priester, die ... eben "die", aber nun nicht mehr sie, sondern ich. Kirche beginnt ganz nah: bei jedem von uns. Warum zum Reformieren in die Ferne schweifen? Der Stoff zum Reformieren ist ganz nah. Beginn bei Dir.
Hach, wie [Punkt] Hier kann ich Erich, mit dem ich im "Laie-Thread" eher überkreuz liege (nach wie vor!) mal aus ganzem Herzen [Punkt] Natürlich auch dem hier nicht zitierten Teil des Postings!

LG
Biggi
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll.
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)

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