Martina hat geschrieben: ↑Samstag 3. Oktober 2020, 08:30
Wie sieht das mit der Gnade theologisch aus katholischer Sicht aus?
Theologisch gesehen sieht das nach ein paar Buchmeter Material aus...
Das Problem ist hier, daß es ein komplexes Thema ist um das sich viel gestritten wurde (und wird). Deshalb ist jede einfache Aussage gerne mit seitenweise Erklärung umrahmt um allen möglichen Fehlinterpretation zu begegnen. Außerdem hast Du uns die Angriffe der Orthodoxen recht allgemein geschildert, insofern ist es schwierig gezielt und kompakt zu antworten.
Der Doktor der Gnade, der Heilige Augustinus, sagt:
"Non enim gratia Dei erit ullo modo, nisi gratuita fuerit omni modo." (De peccato orig., xxiv, 28)
Es ist in keiner Hinsicht Gottes Gnade, wenn es nicht in jeder Hinsicht unentgeltlich ist.
und
"Non gratia ex merito, sed meritum ex gratia. Nam si gratia ex merito, emisti, non gratis accepisti." (Serm. 169, c. II)
Nicht Gnade durch Verdienst, sondern Verdienst durch Gnade. Denn Gnade durch Verdienst wäre erkauft, nicht unentgeltlich erhalten.
Nebenbemerkung: Meine Übersetzung, und darum mit großer Vorsicht zu genießen. Aber selbst ich kann hier im Latein den großen Redner Augustinus raushören. Klasse Slogans...
Es gibt jedenfalls keine katholische Lehre die dazu im Widerspruch steht.
Es gib der katholischen Lehre meines Wissens nach drei Fälle der "ungeschaffenen Gnade", nämlich die hypostatische Union (in Jesus Christus), das göttliche Innewohnen (in den Gerechten auf Erden) und die Gottesschau (der Heiligen im Himmel). Alle drei sind zwar geschaffen im Sinne des Aktes der Gnade (!), denn sie haben einen Anfang in der Zeit. Aber die Gabe selber ist jeweils ungeschaffen, nämlich die Präsenz Gottes.
Wenn es sich jedoch um Orthodoxe geht, dann reden wir bei "ungeschaffener Gnade" über die Dummheit der Lehre der "ungeschaffenen Energien". Es ist unnötig sich damit groß zu beschäftigen, es ist schlicht schleichende Vielgötterei. Ganz egal was die Orthodoxen diesbzgl. vorbringen mögen, sobald sie eine wie auch immer geartete echte Unterscheidung (nicht nur eine der Beziehung nach, wie bei den göttlichen Personen) im Ungeschaffen zulassen, ist Gott nicht mehr eins, und ihr Glaube wird
de facto heidnisch. Hier ist wirklich ein kategorisches "nein, und tschüs" angebracht. Wenn sie das aber rhetorisch zurücknehmen solange bis die "ungeschaffenen Energien" wieder in die Einfachheit Gottes passen, dann haben sie keine echte Unterscheidung mehr in der Hand, und Ockhams Rasiermesser schneidet diesen Wortüberfluß schlicht ab. Hier gibt es m.E. keinerlei katholischen Handlungsbedarf, außer vielleicht Beten darum daß Gott mehr Hirn vom Himmel wirft.
