Fragen zur Exegese

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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otto
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Beitrag von otto »

Micha hat geschrieben:Eine ganz einfache Frage: In welchem Gebäude wurde Jesus geboren?
Laut Mt 2,11 in einem Haus, laut Lk 2,7 in einer Krippe in einem Stall.

Ja Micha es sieht so aus als hätten die Evangelisten nicht mit den Detailgetreuen "Erbsenzählerinnen" des 21. Jhd. gerechnet.

Aber ich fürchte dass es gar keinen Unterschied zwischen Stall und Haus gibt. Denn zu jeden Stall gehört in der Regel ein Haus bzw. lässt es nicht jeder Einzelfall zu zwischen Haus und Stall zu unterscheiden.

Nun gut der eine überlieferte die Geburtsstätte eben als Haus der andere als Stall( Robert spricht von Krippe). Ich denke das ist ein sehr schlechtes Beispiel für einen Beweis dass die Evangelien sachlich (nicht wörtlich) von einander abweichen. (geschweige denn sich widersprechen)

Ich fürchte hier sucht jemand ein "Haar in der Suppe", und teilt nun der Welt voll Begeisterung triumphierend mit, dass er einen Augenwimper gefunden hat.

Für uns otto "Normalgläubige" spielen diese Unterschiede kaum eine Rolle, und wenn die "Gelehrten" darüber Philosophieren wollen, dann denke ich als otto "Normalgläubiger" gibt es wirklich keine anderen Probleme, wie Hunger, Armut, Ungerechtigkeit, Krieg usw. auf dieser Welt die auf eine Lösung warten?

Das ewige zerteilen und verschieben stört die Diskussion, ich poste und plötzlich ist der ganze Strang an einen anderen Ort. Muss dass sein?
Zuletzt geändert von otto am Sonntag 25. April 2004, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Micha hat geschrieben:»Laßt mich nur einen Abschnitt aus der Enzyklika »Divino afflante spiritu« von Pius XII. (1943) zitieren …«
Diesen Zitaten, Micha, kann ich mich nur anschließen – und mich ausdrücklich zur historischen Quellenkritik bekennen. Wenn doch die sogenannte historisch-kritische Methode der Bibelexegeten solche historischen Quellenkritik wäre! Das Gegenteil ist der Fall. Allzumeist geht man von der apriorischen Voraussetzung aus, daß „übernatürliche“ Dinge oder Geschehnisse „natürlich“ nicht wirklich existent oder historisch-faktisch sein können.

Da die Evangelien aber zum großen Teil von derlei Dingen berichten, muß man Aussageabsichten der Evangelisten finden, die zu solcher Nicht-Wirklichkeit passen, muß Quellen und Abhängigkeiten konstruieren, muß die Texte selber „dekonstruieren“, zerpflücken, zerstückeln und Schicht um Schicht abtragen – anstatt sie und ihre Autoren erst einmal ernst zu nehmen.

Thierry hat darauf hingewiesen, daß diese „Methode“ – wobei das eigentliche Problem wie gesagt nicht die Methode ist, sondern ihre ideologische Voraussetzung – daß also diese „Methode“ im angelsächsischen und frankophonen Raum mehr und mehr an Boden verliert. Für Geschichtswissenschaft und Altphilologie gilt das sowieso. Doch eigentlich nicht das Thema dieses Strang. Vielleicht sollten wir das anderswo weiterdiskutieren?

Doch bevor eventuell ein Moderator sortiert, noch ein paar Anmerkungen. Du bringst im Anschluß an das Zitat einige Gesichtspunkte, die sozusagen zum Problemkreis der Evangelienharmonie gehören. Das ist ja fast so alt wie die Kirche. Erst einmal muß man klar feststellen, daß die Evangelien keineswegs lückenlose und chronologisch sauber geordnete Berichte aller Ereignisse um das öffentliche Wirken Jesu, seinen Tod und seine Auferstehung sind.

Nicht alle Fragen, die uns vielleicht interessieren, können wir darum sicher beantworten. Von besonderem Interesse sind dabei naturgemäß solche Punkte, wo einzelne Evangelien einander zu widersprechen scheinen. Laß mich ein Beispiel anführen: Was für ein Mahl war das Letzte Abendmahl Jesu mit den Zwölfen? Schon das Pascha? Dafür scheinen die Berichte der „Synoptiker“ zu sprechen. Nach Johannes kann es dagegen kaum das Paschamahl gewesen sein.

Lassen sich die Berichte harmonisieren? – Es gibt unterschiedliche Ansätze. Ich persönlich halte dafür, daß die Darstellung bei Johannes zu eindeutig ist, um Interpretationen Raum zu geben. Die Synoptiker dagegen drücken sich meines Erachtens nicht so eindeutig aus, daß der Schluß zwingend wäre, es sei schon das Pascha gewesen. Daß die Jünger den Saal zum Pascha bereiten sollten, braucht nicht zu bedeuten, daß jenes Letzte Abendmahl dann auch tatsächlich schon das Pascha war.

Auch Jesu Wort, er habe sich sehr gesehnt, »dieses Pascha« mit den Aposteln zu essen, und er »werde es nicht mehr essen, bis es erfüllt sein wird im Reiche Gottes« läßt sich anders erklären. »Dieses Pascha« kann auf das noch bevorstehende Fest bezogen sein; andererseits war dies Mahl, einerlei ob es schon das Pascha des Alten Bundes war, jedenfalls das wahre Pascha, das Opfer des Herrn: Auch so könnte man das Wort deuten.

Es gibt auch andere Erklärungsansätze. So etwa den, der von den unterschiedlichen Festkalendern – konkret des levitischen für den Tempeldienst und des essenischen – ausgeht. Voraussetzung ist die Entschlüsselung des Tempelkalenders durch Schemarjahu Talmon gewesen. Mit den möglichen Folgerungen für den Termin des Letzten Abendmahls hat sich besonders Annie Jaubert befaßt, jüngst auch wieder der inzwischen verstorbene Bargil Pixner.

Letzte Sicherheit läßt sich also derzeit nicht gewinnen, aber es gibt durchaus verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Darum ist es nicht angebracht, von Widersprüchen der Evangelien zu reden. Dasselbe läßt sich auch für alle übrigen vermeintlichen Gegensätze zeigen. Manche lösen sich bei näherer Betrachtung gleich in Luft auf, andere – wie im Beispiel vom Letzten Abendmahl – sind lösbar, wenn auch auf mehreren Wegen, von denen wir nicht wissen, welcher der richtige ist.

Laß mich noch eins deiner Beispiele nehmen:

Micha hat geschrieben:»Laut Mt 2,11 in einem Haus, laut Lk 2,7 in einer Krippe in einem Stall […] Hat sich also einer der beiden geirrt? Hat der Heilige Geist hier Verwirrung stiften wollen?«
Bei Lucas steht nichts vom Stall, nur von der Krippe: »ἀνέκλινεν αὐτὸν ἐν ϕάτνῃ, διότι οὐκ ἦν αὐτοῖς τόπος ἐν τῷ καταλύματι«. Der Stall ist eine jüngere abendländische Tradition, während die auf St. Helenas Zeit zurückgehende morgenländische Überlieferung die Höhle kennt. Bei Matthæus steht über die Umstände der Geburt selbst gar nichts; erst bei der Ankunft der Weisen – das ist die Stelle Mt 2,11, die du angibst – scheint vom „Haus“ die Rede zu sein.

Einerseits sind wir hier bereits einige Zeit nach der Geburt. Die Namensgebung – mit der Beschneidung, also am achten Tag, vgl. Mt 1,25 – hat offenbar schon stattgefunden. Die Heilige Familie blieb jedenfalls noch in Bethlehem, weil Maria am vierzigsten Tag zum Reinigungsopfer nach Jerusalem zum Tempel mußte, und am selben Tag fand ja üblicherweise die „Darstellung“ der Erstgeburt statt. Die Huldigung durch die Weisen wird also zwischen dem achten und dem vierzigsten Tag stattgefunden haben. Da ist nicht bloß möglich, sondern sogar wahrscheinlich, daß Joseph für Mutter und Kind inzwischen eine bessere Unterkunft in Bethlehem gefunden hatte.

Andererseits steht im Original gar nicht „Haus“ im zwingenden Sinne von „Gebäude“: „οἰκία“ heißt es da, nicht „οἶκος“, also eher „Behausung, Wohnung“. Das ist zwar in der Regel ein Haus (oder ein Teil davon), läßt sich aber ohne weiteres auch von einer normalerweise als Stall genutzten, nun zur Notunterkunft gemachten Höhle sagen.

Also überhaupt kein Problem, kein Widerspruch. – Auf die Frage der Reihenfolge der Ereignisse um die Auferstehung will ich hier nicht mehr eingehen, das wäre ein Thema für sich. (Und in einem andern Strang habe ich dazu auch schon einmal eine „Harmonie“ vorgeschlagen.) Aber du sagst ja auch selber sehr richtig:

Micha hat geschrieben:»Das Ziel einer Exegese ist doch nicht zu sagen: Das stimmt alles nicht, sondern zu Jesus zurückzuführen, indem ich erkenne, was in welcher Situation wichtig und hilfreich war.«
Volle Zustimmung. Weitestgehend auch für den Rest deines Beitrags. Da gebe ich dankbar zu, daß ich nun jene Brücke finde, die ich gestern nicht zu erkennen vermochte. Darum möchte ich – um abschließend doch noch einmal zum Ausgangsthema zurückzulenken – dich einladen, die Barmherzigkeit und die Zärtlichkeit des Herrn, der sich berühren lassen will, auch in der Liturgie der Kirche zu entdecken – und zu vertrauen, daß die Kirche die Liturgie keineswegs aus Gesetzlichkeit wahren will, sondern zu Ehre Gottes und zum Segen der Menschen, der Schwachen und Kleinen, die nirgend anders besser, ja überhaupt nirgends Gott berühren können, als in den mächtigen Zeichen der göttlichen Liturgie, die uns den Himmel auftut.

Amen!
:)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Ralf

Beitrag von Ralf »

Laura hat geschrieben:So machst Du es Dir zu leicht, Ralf.

Entweder stimmt die Bibel so wie sie dort steht. Dann ist irgendetwas seltsam, denn Jesus kann nicht an zwei Orten geboren sein, die Welt nicht auf zwei Arten erschaffen worden sein. Wenn der Hl. Geist das inspiriert hat, dann wollte er uns vielleicht irreführen? Oder uns zeigen, dass wir Gott nicht verstehen können?

Oder es sind eben doch Symbole, Bilder ... dann ist es sehr wichtig, mit Hilfe der historisch-kritischen Exegese herauszubekommen, was die Aussageabsicht der Texte war, was dem historischen Jesus am nähsten kommt. Und diese Vorgehensweise zerstört den Glauben nicht, sondern sie dient ihm ...

Laura
Ich soll es mir einfach machen, weil ich mir nicht die bequemere Variante der Symbolik raussuche? Denn diese ist bequemer, weil es nun gar nicht mehr um die Spannung des Textes geht, sondern um die vom Exegeten suggerierte Absicht des Evangelisten, die nicht selten die Absicht des Exegeten ist - wie sonst könnte es sonst mit gleicher(!) Methode so tausendfach verschiedene Deutungen geben?

Nein, keine hypothetischen Antworten aus 2000 Jahren Entfernung mit (wie die moderne exeget. Geschichte zeigt) kurzer Halbwertszeit anbieten, sondern vielleicht einfach auch mal eine Frage aus Ehrlichkeit offen lassen, das ist für mich das weniger Einfache.

Die Exegese soll dem Menschen von heute dienen, lt. Vaticanum II. innerhalb - nicht neben - der Kirche und des kirchl. Glaubens.

Wenn sie alle Erklärungen der Brüder und Schwestern der Generationen vor uns einfach als "vor-kritisch" abqualifiziert, wenn sie den vierfachen Schriftsinn aus gleichem Grund ablehnt, wenn sie eben nicht das tut, was Papst Pius XII. fordert, nämlich "ohne eine Erkenntnis zu vernachlässigen, die die neuere Forschung gebracht hat" - und dies gilt ja besonders auch für die methodische Unvoreingenommenheit - den Sinn der Schrift zu erkennen sucht, dann dient sie sicher nicht dem Glauben.

Und damit auch nicht dem Menschen.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Vielleicht kennst Du ja eine andere hist.-krit. Exegese als ich, Micha, aber die mir bekannte leugnet das leere Grab, die Auferstehung des Fleisches, die jungfräuliche Empfängnis des Herrn, die Existenz von Engeln, das Vaterunser als Gebet des Herrn, das nahezu gesamte Johannesevangelium als Überlieferung der Worte des Herrn etc.

Hilfreich? Nein danke.

Da nehme ich lieber den Glauben der Kirche.

Laura

Beitrag von Laura »

Der Professor, bei dem ich AT gehört habe, hat zu Beginn des Grundstudiums gesagt: "Es wird Ihnen viel von Ihrem Glauben genommen werden, aber Sie werden dem auch wieder etwas entgegensetzen können."

Genauso habe ich die Beschäftigung mit Exegese erlebt - mein Glaube hat sich verändert, ist reflektierter, dialogfähiger, tiefer geworden. Für mich ist jetzt nicht mehr die Frage, ob das Grab leer war ausschlaggebend und die Möglichkeit, dass es nicht leer war, gefährdet meinen Osterglauben nicht. Für mich die Frage interessant, warum erzählt wurde, dass es leer war. Die Frage ist nicht mehr die nach dem historischen Sachverhalt, sondern nach der Glaubenserfahrung, die der Erzählung zugrunde liegt. Und diese Glaubenserfahrung kann auch meine Glaubenserfahrung werden: nämlich die Erfahrung, dass Jesus lebt, bei mir ist, mir heilend und liebevoll begegnet.
Wie gesagt: Die Exegese, die ich kennen gelernt habe, hat Glauben nicht zerstört, sondern vertieft.

Die historisch-kritische Exegese lässt sich nicht gegen den Glauben der Kirche ausspielen, sie hinterfragt und unterstützt ihn.
Laura

Ralf

Beitrag von Ralf »

Wie lautet die typische Antwort eines Theologen auf eine Frage, ob das Grab leer war?

"Das ist nicht entscheidend!"

1. käme ich mir da zemlich verárscht vor und 2. widerspricht das radikal dem Auferstehungsglauben, weil ein vor sich ihn gammelnder Leib Christi sicher nicht am See von Tiberias mit den Aposteln Fisch und Brot aß.
Ach ja, war ja auch nicht historisch, ich vergaß .... :/

Ralf

Beitrag von Ralf »

Nietenolaf, werden in der Orthodoxie die Quellen auch so mit Füßen getreten? Wie denkt man denn in der Kirche des Ostens über die hist.-krit. Exegese und wie wird dort Exegese betrieben?

Als jemand, der selbst eine hist. Doktorarbeit schreibt, nervt mich so etwas wie der exeget. Mainstream hier echt sehr.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Laura hat geschrieben: Die historisch-kritische Exegese lässt sich nicht gegen den Glauben der Kirche ausspielen, sie hinterfragt und unterstützt ihn.
Laura
Aha. Inwieweit unterstützt das von Dir gegebene Beispiel den Glauben der Kirche, dass Jesus im Fleische auferstanden ist? So wie ich das sehe, geht Deine Exegese genau an diesem Punkt vorbei. Das soll eine Vertiefung des Glaubens sein? :shock:
Zuletzt geändert von Dr. Dirk am Sonntag 25. April 2004, 17:18, insgesamt 1-mal geändert.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Die Theologen gehen eben immer von sich selber aus und meinen die Apostel seien ihnen in der Wahrheitsliebe gleich gewesen. Somit hätten sie die Geschichten um das leere Grab erfunden. Einer dieser grossen neuen Erfinder ist Lüdemann. Glaubt doch den Unfug der Theologen nicht. Die erklären alles, was nicht in ihr geistloses Hirn reinpasst als unwahr. Für sie kann es auch keine Verklärung gegeben haben, obwohl man weiss dass einige Heilige ähnliche Phänomene hatten, samt anderer übernatürlicher Vorkommnisse. Diese finden sich in theologischen Schreibstuben sicher nicht ein. Da muss einer vorher die Knie und das Herz vielmals beugen, was uns heutige Theologen kaum beibringen.

Ich würde diese Zunft nicht mehr ohne Kontrolle lassen.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Dirk hat geschrieben: Aha. Inwieweit unterstützt das von Dir gegebene Beispiel den Glauben der Kirche, dass Jesus im Fleische auferstanden ist. So wie ich das sehe, geht Deine Exegese genau an diesem Punkt vorbei. Das soll eine Vertiefung des Glaubens sein? :shock:
[Ironie]Nein, Dirk, so darfst Du das nicht sehen.

Die Exegeten der historisch-kritischen Methode helfen der Kirche, indem sie ihr den doch so wichtigen Beitrag leisten, all das vormoderne und unvernünftige an Glaubensaussagen abzuwerfen.
Leeres Grab, Auferstehung des Fleisches, körperliche Heilungen etc., so'n albernes vor-aufgeklärtes Glaubenszeug. Hauptsache, Gott hat mich lieb. Ob Jesus das zeitlebens wusste (sich selbst als Sohn Gottes verstand), warum das die Leute um ihn geglaubt haben, ja, warum sie für ihn, der natürlich in seinem irdischen Leib nicht auferstanden ist und nicht vor ihnen leibhaftig erschien, in den Tod gegangen sind, das ist doch wurscht.

Die Exegeten sagen uns, was Sache ist. Na gut, dass da innerhalb von wenigen Jahrzehnten ganze Hypothesen zusammenbrechen, das ist eben so in der Wisenschaft. Da muss man am Ball bleiben, immer auf dem laufenden. Glauben als ständige Fortbildung up-to-date.[/Ironie]

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Es gibt auch historisch-kritische Exegeten, die von dem leeren Grab ausgehen. So schreibt Gert Theissen in seinem mit Annette Merz zusammen herausgegebenen Standardwerk "Der historische Jesus", dass aus historisch-kritischer Sicht mehr Gründe für ein leeres Grab als gegen ein leeres Grab sprechen.

Mit dem Strassburger Exegeten Jacques Schlosser sage ich: Die Evangelisten sind mit dem vorhandenen Material in einer "schöpferischen Glaubenstreue" umgegangen. Nichts ist einfach erfunden, aber die Evangelien sind auch keine lückenlose Biographie (wie Robert richtig angemerkt hat). Hierzu hat Martin Hengel einmal den banalen, aber hier durchaus zutreffenden Satz gesagt: "Von nichts kommt nichts!"

Das Thema betrifft mich zur Zeit viel. In meiner 7. Klasse (Gymnasium) spreche ich über den historischen Jesus, und da habe ich eine Schülerin (die intelligenteste aund aufgeweckteste aus der Klasse), die kategorisch behauptet, Jesus habe es überhaupt nicht gegeben. Was soll ich ihr sagen?
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

max72
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Beitrag von max72 »

Laura hat geschrieben:Schöne Bibelstellen...
Aber rein wissenschaftlich kannst Du die Frage, was Jesus ausmachte nur sehr bedingt mit dem NT beantworten, weil es eben keine historische Darstellung seines Lebens sein will sondern Verkündigung, die zum Glauben anregen will...

Laura
Wissenschaftlich bleibt von Jesu nichts mehr uebrig. Vor allem wenn "Wissenschaft" von vornherein ausschliesst, dass etwas uebernatuerliches geschehen kann. Wunder werden ausgeschlossen, weil es keine geben kann. Es ist moeglich, dass das meiste so war, wie die Evangelisten es beschreiben. Und das ist eine Glaubensentscheidung.

Die Evangelisten wollen zumindest viel mehr historisch sein, als manche das heute behaupten. Im Spiegel hiess es, man kenne heute Jesus besser als die Menschen 50 Jahre nach seinem Tod. Was fuer eine Arroganz. Wir meinen mehr zu wissen als Leute zu einer Zeit, in der Augenzeugen noch lebten oder Menschen, die Augenzeugen persoenlich kannten.

Warum machen ein Franz von Assissi, oder ein Padre Pio viel mehr Eindruck auf die Leute als Theologen? Und warum glauben diese nicht an eine weichgespuelte Version des Evangeliums? Warum glauben diese an "uebernatuerliches" und behaupten fest solches selbst erlebt zu haben?

Manch ein Exeget scheint zu meinen, Engel im Evangelium seien Faelschung, weil es sowas nicht geben kann. Warum berichten Heilige sie haetten selbst welche gesehen? Verwenden die auch nur ein "stilmittel" in ihrer Sprache???


Gruesse

Max

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Edi
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Beitrag von Edi »

@cathol

Scheint wohl eher indoktriniert zu sein, deine aufgeweckte Schülerin. Für einen Menschen, den es nie gab, wären die Apostel nicht in den Tod gegangen. Im übrigen gibt es auch ausserchristliche Belege für die Existenz Jesu. Nachschlagen kannst das in einem guten Kirchengeschichtsbuch, da werden die Quellen genannt. Wenn ich mich noch recht erinnere erwähnt auch Flavius Josephus, der jüdische Geschichtsschreiber Jesu Existenz.

http://www.autobahnkirche.de/info-conta ... ellen.html

Ansonsten bete mal richtig zu Jesus und lebe selber den Glauben vor.

Büchertheologen sollten mal dahin gehen, wo Glaube gelebt und erlebt wird und nicht nur in ihren akademischen Schreibstuben hocken und unter sich bleiben und einer den andern übertreffen wollen and angeblich tollen neuen Erkenntnissen, die keinem Menschen nutzen.

Ich erwähnte hier schon mal den Fratel Cosimo:

http://www.medizin-ethik.ch/publik/zeugnis_cosimo.htm


Und Pater Pio ist auch gut bekannt, der ist auch schon mit Theologen und andern Akademikern fertig geworden, in dem er ihnen Sünden, die nur sie wisssen konnten, vorgehalten hat. Da wurden sie kleinlaut.

http://www.padre-pio.de/
Zuletzt geändert von Edi am Sonntag 25. April 2004, 18:06, insgesamt 6-mal geändert.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ralf hat geschrieben:
[Ironie]Nein, Dirk, so darfst Du das nicht sehen.

Die Exegeten der historisch-kritischen Methode helfen der Kirche, indem sie ihr den doch so wichtigen Beitrag leisten, all das vormoderne und unvernünftige an Glaubensaussagen abzuwerfen.
Leeres Grab, Auferstehung des Fleisches, körperliche Heilungen etc., so'n albernes vor-aufgeklärtes Glaubenszeug. Hauptsache, Gott hat mich lieb. Ob Jesus das zeitlebens wusste (sich selbst als Sohn Gottes verstand), warum das die Leute um ihn geglaubt haben, ja, warum sie für ihn, der natürlich in seinem irdischen Leib nicht auferstanden ist und nicht vor ihnen leibhaftig erschien, in den Tod gegangen sind, das ist doch wurscht.

Die Exegeten sagen uns, was Sache ist. Na gut, dass da innerhalb von wenigen Jahrzehnten ganze Hypothesen zusammenbrechen, das ist eben so in der Wisenschaft. Da muss man am Ball bleiben, immer auf dem laufenden. Glauben als ständige Fortbildung up-to-date.[/Ironie]
Also mit anderen Worten: Die Exegeten sagen genau das, was die Ungläubigen auch sagen. Genau so, wie Du es hier beschreibst habe ich vor meiner Bekehrung auch gedacht. Ich war zwar katholisch, aber der Glaube hatte keine praktischen Konsequenzen mehr für mich und mein Leben, weil ich mir alles genauso zurechtgelegt und erklärt habe. Ich wusste gar nicht, dass ich zu den Zeiten, wo ich eigentlich gar nicht mehr geglaubt und alles angezweifelt hatte, ein historisch-kritischer Exeget war. :D

Das als "Vertiefung" des Glaubens zu bezeichnen, halte ich doch aus eigener Erfahrung für reichlich gewagt...

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ich denke gerade an die Naturwissenschaft. Dort gibt es ja auch Glaubenssätze, die nicht beweisbar sind (Axiome), die aber dafür sorgen, dass die Naturwissenschaft konsistent bleibt. Kein Naturwissenschaftler käme deshalb auf die Idee, diese unbeweisbaren Sätze durch ein Konstrukt zu ersetzen, das versucht, die Unbeweisbarkeit zu umgehen, weil dann die gesamte Konsistenz des naturwissenschaftlichen Gebäudes verloren ginge. Alle Beweise hätten keine Grundlage mehr.

In der Theologie gibt es solche Axiome auch. Glaubensbekenntnis und Dogmen sorgen dafür, dass der Glaube konsistent bleibt. An ihnen herumzuwerkeln, nur weil man unbedingt alles umgehen will, was nicht beweisbar ist, finde ich nicht angebracht (um es freundlich auszudrücken). Der beste Beweis für die Wahrheit des katholischen Glaubens ist für mich seine Konsistenz. Es passt alles zusammen, hat Beziehungen hin und zurück und nirgens gibt es eine Stelle, die nicht hineinpasst und nirgens gibt es etwas, was unwichtig ist. Eine Methode anzuwenden, die diese Konsistenz zerstört, indem sie die Axiome aushöhlt, ist meinem Empfinden nach völlig fehl am Platz. Vielleicht kann da die Theologie etwas von der Naturwissenschaft lernen...

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Ralf hat geschrieben:Nietenolaf, werden in der Orthodoxie die Quellen auch so mit Füßen getreten? Wie denkt man denn in der Kirche des Ostens über die hist.-krit. Exegese und wie wird dort Exegese betrieben?
Ich glaube, man kann verallgemeinernd sagen, daß in der Orthodoxie die Gläubigen noch die "Oberhand" haben, der Umgang mit der Hl. Schrift also im Großen und Ganzen mit gläubigem Herzen, und nicht mit "kritischen" Augen erfolgt. Die "historisch-kritische Exegese" wird als eine Erscheinung begriffen, die im westeuropäischen, speziell im deutschen Zeitgeist des 19. Jahrhunderts geboren wurde (ich schätze, letztlich unter den Fittichen von Leuten wie Schleiermacher, David Friedrich Strauß et al.), und die ähnlich wie viele andere Erscheinungen der Vergangenheit irgendwann an Bedeutung verliert.

"Exegese" gibt es trotzdem, aber die erfolgt in dem Bewußtsein, daß es sich bei der Bibel um das Wort Gottes handelt, mit dem man sich umzuspringen anschickt, und daß es nichts ist, das man mit seinen Narrenhänden zu zerpflücken hat. Exegese ist in praxi daher meines Erachtens eher eine philologische Disziplin.
Die Orthodoxie ist kein intellektuelles Christentum. Man wird dort nicht ausgelacht, selbst wenn man als studierter Theologe wörtlich an die leibliche Auferstehung Christi glaubt. Das alles in allem verhindert eine "Psychologisierung" der Religion, das heißt: der Glaube bleibt selbst unter den Theologen. Die Wissenschaft hat, bevor sie sich an die Hl. Schrift begibt, sozusagen ihre Schuhe auszuziehen (Ex. 3,5).

Ralf

Beitrag von Ralf »

Nietenolaf hat geschrieben:Die Wissenschaft hat, bevor sie sich an die Hl. Schrift begibt, sozusagen ihre Schuhe auszuziehen (Ex. 3,5).
Ein schönes Bild! :ja:

Micha

Umgang im Kreuzgang

Beitrag von Micha »

leer
Zuletzt geändert von Micha am Mittwoch 2. Februar 2005, 22:53, insgesamt 1-mal geändert.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

cathol01 hat geschrieben:Es gibt auch historisch-kritische Exegeten, die von dem leeren Grab ausgehen. So schreibt Gert Theissen in seinem mit
Das Thema betrifft mich zur Zeit viel. In meiner 7. Klasse (Gymnasium) spreche ich über den historischen Jesus, und da habe ich eine Schülerin (die intelligenteste aund aufgeweckteste aus der Klasse), die kategorisch behauptet, Jesus habe es überhaupt nicht gegeben. Was soll ich ihr sagen?
Äh, irgendwo gibt es eine Stelle in einem Brief von Justus Martyr an den römischen Kaiser, wo er über Pilatus und den Prozeß schreibt in einem Zusammenhang, wo man erkennen kann, dass der Kaiser Zugang zu den Prozeßakten hat (sonst hätte Justus sie nicht erwähnt). Es gibt - wenn man sich denn auf die Suche begeben will - auch noch andere Hinweise (Tacitus z.B., wenn man den heranziehen will ;)

Man könnte das Mädchen auch fragen, warum Jesus nicht gelebt haben soll. Wenn sie so clever ist, soll sie doch den Beweis antreten (übrigens immer mal eine gute Methode, die Leute zum Denken zu bringen). Dann müsste sie auch beweisen können, dass die anderen Menschen in der Bibel Erfindungen sind und das kann sie nicht, weil es zu viele geschichtliche Beweise gibt.

Geronimo

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Habe ich alles schon versucht. Die nichtchristlichen Jesusquellen haben wir behandelt. Sie geht sogar soweit, damit einverstanden zu sein, wenn ich sage: Dann kann man auch sagen, dass es Karl den Grossen nie gegeben hat oder Cäsar oder Platon - Alle Dokumente könnten ja eine Fälschung sein. Sie sieht halt nur nicht ein, wieso man sich jetzt ein Trimester lang mit Jesus befassen soll, obwohl man nicht mal sicher ist, ob er gelebt hat.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Was sagen die anderen Schüler - wenn sie überhaupt was dazu sagen?

Also, im Grunde ist es unlösbar - weil, wenn jemand nicht überzeugt werden will (gerade in diesem Alter) wird es auch nicht gelingen. Die Frage "Ist die Bibel nicht einfach erfunden?" hat mir mein jüngerer Sohn auch gestellt (mit elf Jahren). Das Wichtige ist für mich, diese Fragen richtig einzuordnen ...also nicht fgleich die Panik zu bekommen und ihn zuzulabern.

Ist das kathl. Religion oder Ethikunterricht, um den es sich hier handelt? Ich meine, in kath. Religion bräuchte sie ja nicht zu gehen, wenn sie meinte, sie schlüge ihre Zeit dort bloß tot.

Geronimo

Ralf

Re: Umgang im Kreuzgang

Beitrag von Ralf »

Micha hat geschrieben: Sagt mal, wie geht ihr hier eigentlich miteinander [Punkt]
:pale: :pale: :pale:
Tja, ist schon manchmal etwas harter Tobak hier, daher einfach ein Tip dazu, er einfacher klingt als es ist: nicht drauf eingehen, wenn es Dir persönlich zu hart ist.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Geronimo hat geschrieben:»Äh, irgendwo gibt es eine Stelle in einem Brief von Justus Martyr an den römischen Kaiser, wo er über Pilatus und den Prozeß schreibt in einem Zusammenhang, wo man erkennen kann, dass der Kaiser Zugang zu den Prozeßakten hat (sonst hätte Justus sie nicht erwähnt).«
Du meinst die Apologia des Justinus Martyr, die an Antoninus Pius und dessen Sohn Marcus Aurelius gerichtet ist. – Daß Justin hier von Pilatus und dem zur Zeit des Tiberius stattgehabten Prozeß Jesu redet, „beweist“ nur – könnte der strikte Leugner entgegnen –, daß Justin die Berichte der Evangelien darüber für verläßlich hielt. Über die Aufnahme der Apologie kaiserlicherseits ist nichts bekannt. Ja, wenige Jahre später – nach des Antoninus Tod, unter Marc Aurel – wurde Justin angeklagt und hingerichtet.

(Übrigens hatte ich zu dem Thema mal ’ne ausgedehnte Diskussion in einem andern Forum).
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Edi
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Re: Umgang im Kreuzgang

Beitrag von Edi »

Micha hat geschrieben:
Ansonsten bete mal richtig zu Jesus und lebe selber den Glauben vor.

Büchertheologen sollten mal dahin gehen, wo Glaube gelebt und erlebt wird und nicht nur in ihren akademischen Schreibstuben hocken und unter sich bleiben und einer den andern übertreffen wollen and angeblich tollen neuen Erkenntnissen, die keinem Menschen nutzen.

Und Pater Pio ist auch gut bekannt, der ist auch schon mit Theologen und andern Akademikern fertig geworden, in dem er ihnen Sünden, die nur sie wisssen konnten, vorgehalten hat. Da wurden sie kleinlaut.
Sagt mal, wie geht ihr hier eigentlich miteinander [Punkt]
:pale: :pale: :pale:

Ich habe damit niemand von hier persönlich angesprochen, nur mit dem ersten Satz cathol.

Nur: Vor den modernen Theologen, die alles in der heiligen Schrift "entmythologisieren" (welch Unwort!) wollen, sollte man nicht mehr Respekt haben, als sie es verdienen. Es sind moderne Phariäser, die in allem ein Haar in der Suppe finden, und am Wesentlichen vorbeigehen.
Übrigens hat der Rat dahin zu gehen, wo wahrer Glaube noch erfahren werden kann, schon einigen Gottesleugnern geholfen.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Die Auseinandersetzung mit der Schrift in der Form, wie es die hist.-krit. Exegese tut, hat ihren Ursprung m.E. eingdeutig im Protestantismus.

Dort wurden 3 Maximen aufgestelle:
- allein die Schrift
- allein die Gnade
- allein der Glaube

Wenn aber angefangen wird, die Tradition "über Bord" zu werfen, und sich nur noch auf diese drei Punkte konzentriert wird, so führt dies unweigerlich dazu, die Schrift auch in einem neuen Licht zu lesen.
Wenn die Schrift, wie Luther sagt, sich sowohl selbst auslegt (sui ipsius interpres / WA 7,97,23f.) und aus sich und in sich klar ist (claritas externe et interna scripturae / WA 18,609,5-14) dann bedarf es keiner Tradition mehr und auch keines Lesens der Schrift im "Licht der Tradition", sondern dann ist die Schrift einzig und allein Maßstab für die Theologie.

Mit diesem Bewußtsein fingen dann die ersten an, die Schrift auf diese Grundsätze zu "überprüfen". Dafür stehen Namen wie Richard Simon, Hermann Samuel Reimarus um nur zwei zu nennen.

Bei Simon war vielleicht die Bibelkritik noch etwas äußerlich, aber er hat doch die Grundlagen geschaffen. Er beschäftigt sich vor allem mit dem AT und fragt, wie Moses als Autor der fünf Bücher Moses denn z.B. über die Erschaffung der Welt schreiben kann, wie er über seinen eigenen Tod und darüber hinaus schreiben kann etc. etc. Der historische Sinn seiner Epoche forderte, daß etwa der Schöpfungsbericht nur dann authentisch sein kann, wenn der Autor "dabei gewesen" ist.
Simon trennt also Dogma und Bibel. Die Glaubenslehre bau bei ihm auf nicht-natürlichen Aussagen auf, in der Bibel soll es aber natürlich zugehen.

Im Prinzip kann man sagen, hat das "sola scriptura Prinzip" die Bibelkritik ausgelöst und in der Foge hat dasselbe Prinzip es geschaft sich den eigenen Boden unter den Füßen wegzuziehen und ist dann in sich zusammengebrochen.

Bleiben schlußendlich also noch Prinzipien übrig.
Es sei angemerkt, daß auch das "sola gratia Prinzip" es geschafft hat, daß es ihm genauso ergangen ist wie dem "sola scriptura Prinzip". Doch das passt nicht in diesen Thread.
Gruß Jürgen

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Ralf

Re: Umgang im Kreuzgang

Beitrag von Ralf »

Edi hat geschrieben: Nur: Vor den modernen Theologen, die alles in der heiligen Schrift "entmythologisieren" (welch Unwort!) wollen, sollte man nicht mehr Respekt haben, als sie es verdienen. Es sind moderne Phariäser, die in allem ein Haar in der Suppe finden, und am Wesentlichen vorbeigehen.
Übrigens hat der Rat dahin zu gehen, wo wahrer Glaube noch erfahren werden kann, schon einigen Gottesleugnern geholfen.
Jeder Mensch, ich betone fett und groß, JEDER, verdient uneingeschränkten Respekt. Wer meint, diese Regel in diesem Forum nicht beachten zu müssen, soll sich einen anderen Platz zum wasauchimmer suchen!

Ralf

Beitrag von Ralf »

Juergen hat geschrieben:Die Auseinandersetzung mit der Schrift in der Form, wie es die hist.-krit. Exegese tut, hat ihren Ursprung m.E. eingdeutig im Protestantismus.

Dort wurden 3 Maximen aufgestelle:
- allein die Schrift
- allein die Gnade
- allein der Glaube

Wenn aber angefangen wird, die Tradition "über Bord" zu werfen, und sich nur noch auf diese drei Punkte konzentriert wird, so führt dies unweigerlich dazu, die Schrift auch in einem neuen Licht zu lesen.
Wenn die Schrift, wie Luther sagt, sich sowohl selbst auslegt (sui ipsius interpres / WA 7,97,23f.) und aus sich und in sich klar ist (claritas externe et interna scripturae / WA 18,609,5-14) dann bedarf es keiner Tradition mehr und auch keines Lesens der Schrift im "Licht der Tradition", sondern dann ist die Schrift einzig und allein Maßstab für die Theologie.

Mit diesem Bewußtsein fingen dann die ersten an, die Schrift auf diese Grundsätze zu "überprüfen". Dafür stehen Namen wie Richard Simon, Hermann Samuel Reimarus um nur zwei zu nennen.

Bei Simon war vielleicht die Bibelkritik noch etwas äußerlich, aber er hat doch die Grundlagen geschaffen. Er beschäftigt sich vor allem mit dem AT und fragt, wie Moses als Autor der fünf Bücher Moses denn z.B. über die Erschaffung der Welt schreiben kann, wie er über seinen eigenen Tod und darüber hinaus schreiben kann etc. etc. Der historische Sinn seiner Epoche forderte, daß etwa der Schöpfungsbericht nur dann authentisch sein kann, wenn der Autor "dabei gewesen" ist.
Simon trennt also Dogma und Bibel. Die Glaubenslehre bau bei ihm auf nicht-natürlichen Aussagen auf, in der Bibel soll es aber natürlich zugehen.

Im Prinzip kann man sagen, hat das "sola scriptura Prinzip" die Bibelkritik ausgelöst und in der Foge hat dasselbe Prinzip es geschaft sich den eigenen Boden unter den Füßen wegzuziehen und ist dann in sich zusammengebrochen.

Bleiben schlußendlich also noch Prinzipien übrig.
Es sei angemerkt, daß auch das "sola gratia Prinzip" es geschafft hat, daß es ihm genauso ergangen ist wie dem "sola scriptura Prinzip". Doch das passt nicht in diesen Thread.
Vor allem: wenn die Schrift sich selbst auslegt, bedarf es auch keiner teuer bezahlten Exegeten!

Stefan

Beitrag von Stefan »

@Ralf,

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Edi
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Beitrag von Edi »

Ich erinnere mich noch an den protestantischen Theologen Bultmann, der wohl ein Nachfolger, der den von Jürgen genannten und der einer der bekanntesten Protagonisten der Entmythologierung war. Das hiess die neutestamentlichen Berichte über Heilungen und Wunder, Jungfrauengeburt usw. seien alle nur symbolisch zu verstehen, auf deutsch alles zusammengelogen, um es mal deutlich zu sagen.

Mit ihm haben auch nach und nach viele kath. Theologen diese falschen Exegesen übernommen. Dass Protestanten, die in ihrer Kirche keine Heiligen kennen bzw. anerkennen, so denken wundert u.U. nicht, dass aber kath. Theologen dies auch tun, ist schlichtweg Unfug. Die Kirchengeschichte schildert uns genug gut belegte Wunder und Heilungen, die eine weitere Bestätigung der Evangelienberichte darstellen. Darüber hinaus findet man Wunder bis zum heutigen Tag. Interessiert aber keinen dieser Theologen. Ich nenne nur das Beispiel von einer ev. Frau, die ein Kind hatte, das jahrelang nicht laufen konnte und zum Rosenkranzgebet nach Altötting (ich glaube es war Altötting, bin aber da nicht mehr so ganz sicher) eingeladen wurde. Sie sagte aber, dass sie nicht katholisch sei und daher zu Mariengebeten keine Beziehung habe, wobei Katholiken ihr antworteten, das mache ja nichts.
Also ging sie mit zum Rosenkranzgebet, das auch die Not mit ihrem Kinde einbezog. Als sie vom Gebet nach Hause kam, lief ihr ihr Kind entgegen, also eine Spontanheilung! So wirkt Gott auch heute noch! Das war vor etlichen Jahren in Bayern und stand damals auch in der Presse.
Zuletzt geändert von Edi am Montag 26. April 2004, 21:07, insgesamt 1-mal geändert.

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Edi
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Beitrag von Edi »

@Ralf

Richtig ist, dass jeder Mensch Respekt verdient als Mensch. Jedoch verdienen nicht alle menschlichen Haltungen und Meinungen Respekt. Da ist zu unterscheiden. Jesus hat ganz sicher nicht alle Meinungen respektiert, sondern vieles blossgestellt ja sogar manche Menschen direkt und auf eine Art, die heute manche als übelst und sehr respektlos bezeichnen würden und die wohl keiner heute mehr nachspricht. Die Stellen sind ja bekannt, ich brauche sie nicht zu zitieren.
Wenn du selber schreibst die Exegeten könnten arbeitslos werden, ist das ebenso ein Affront gegen sie und du achtest ihre Leistungen nicht, wie es sich ihrer Meinung nach gehört.
Ich denke wir sollten ohne jemand beleidigen zu wollen, schon aufzeigen wo, die Mängel dieser Art von Theologie liegen und die liegen auch in einem falschen Denken der entsprechenden Theologen, das man nicht akzeptieren kann, es sei denn man wolle einen Glauben, der kein echter mehr ist.
Wer mit den Worten der Schrift, die heilige Worte Gottes sind, so respektlos umgeht, dessen Meinung kann man nicht ernst nehmen. Paulus schrieb schon, dass Menschen eigene Fabeln erfinden werden , und dass sie die Kraft Gottes verleugnen.
Zuletzt geändert von Edi am Montag 26. April 2004, 12:18, insgesamt 2-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Vielleicht kann ja einer der hier mitschreibenden Theologen mal die Grundzüge der hist.-krit. Exegese anführen (oder verlinken), damit die ganze Debatte auf ein ansprechendes Fundament gestellt wird.
Dass damit nicht die Konflikte gelöst wären, ist klar, auch ein Neutestamentler wie Klaus Berger, der die Methode nun wirklich beherrscht, hat schon des öfteren gezeigt, wie sie sich für Auslegungen jeder persönlichen Meinung eignen kann.

Doch was sind denn genau die methodsichen Grundzüge?
Liegt denn das problem überhaupt in der Methode? Oder an den Anwendern?

Um das zu entscheiden, muss man diese ja kennen...

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Geronimo hat geschrieben:»Äh, irgendwo gibt es eine Stelle in einem Brief von Justus Martyr an den römischen Kaiser, wo er über Pilatus und den Prozeß schreibt in einem Zusammenhang, wo man erkennen kann, dass der Kaiser Zugang zu den Prozeßakten hat (sonst hätte Justus sie nicht erwähnt).«
Du meinst die Apologia des Justinus Martyr, die an Antoninus Pius und dessen Sohn Marcus Aurelius gerichtet ist. – Daß Justin hier von Pilatus und dem zur Zeit des Tiberius stattgehabten Prozeß Jesu redet, „beweist“ nur – könnte der strikte Leugner entgegnen –, daß Justin die Berichte der Evangelien darüber für verläßlich hielt. Über die Aufnahme der Apologie kaiserlicherseits ist nichts bekannt. Ja, wenige Jahre später – nach des Antoninus Tod, unter Marc Aurel – wurde Justin angeklagt und hingerichtet.

(Übrigens hatte ich zu dem Thema mal ’ne ausgedehnte Diskussion in einem andern Forum).
Du meinst sicher auch den Brief, den Justus Martyr an Kaiser Antonius Pius ca. 150 n.Ch. schrieb. Dort heißt es:
"Die Worte aber: >>Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt<< deuten auf Nägel hin, die am Kreuze durch Hände und Füße getrieben wurden. Und nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, warfen die, welche ihn gekreuzigt hatten, über seine Kleidung das Los und teilten sie untereinander. Daß das so geschehen ist, könnt ihr aus Pontius Pilatus‘ angefertigten Akten ersehen.“"

Es ist anzunehmen, daß Justus es kaum gewagt hätte, diesen Brief an Kaiser Antonius zu schreiben, wenn Pilatus‘ Akten dem Kaiser nicht zugänglich gewesen wären. Es wäre äußerst ungehörig dem Kaiser gegenüber gewesen. Deswegen gilt die zitierte Stelle auch allgemein als ein zuverlässiger historischer (außerbiblischer!) Beleg für die Kreuzigung Jesus Christus und die Tatsache, daß um seine Kleidung gespielt wurde (und damit sich eine alte Prophezeiung erfüllte).

Von Justus Martyr gibt es auch die Stelle (die du sicher auch kennst):

„Nun da ist ein Dorf im Lande der Juden, 35 Stadien entfernt von Jerusalem, in welchem Jesus Christus geboren wurde, dessen du dich auch vergewissern kannst aus den Aufzeichnungen der Volkszählung, durchgeführt unter Cyrenius, dein erster Prokurator in Judäa.“ ... Justus Martyr, Brief an Kaiser Antonius Pius (ca. 150 n.Chr.)

Tja.

Geronimo

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