2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Bruder Donald

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 23. November 2020, 16:42
Hier wird eben gesagt, daß es nie einen (meta-)zeitlichen Anfang gab, sondern daß egal wie weit man in die (Meta-)Vergangenheit schaut man immer nur die Singularität expandieren und kollabieren sieht.
Es übersteigt offenbar meinen Denkhorizont, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es etwas (weltliches) gibt, das keinen Anfang hat. In diesem Falle fängt in meinen Augen der Anfang mit der Inbewegsetzung der Singularität an.
Im Gegenzug kann man natürlich fragen, wieso mir ich dann einen unendlichen Gott vorstellen kann. :hmm:

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 23. November 2020, 17:41
Es übersteigt offenbar meinen Denkhorizont, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es etwas (weltliches) gibt, das keinen Anfang hat. ... Im Gegenzug kann man natürlich fragen, wieso mir ich dann einen unendlichen Gott vorstellen kann. :hmm:
Unendliche Dinge stellen wir uns meist anhand einer Prozedur vor. Nimm die Zahlenlinie. Wenn Du zu einer Zahl Eins hinzuaddierst (z.B. 2+1=3), bewegst Du Dich eine Einheit nach rechts auf der Zahlenlinie; wenn Du Eins subtrahierst, nach links. Wo findest Du demnach plus oder minus Unendlich auf der Zahlenlinie? Naja, irgendwo ganz rechts oder ganz links, außer Sicht in weiter Ferne. "Sehen" tust Du das Unendliche zwar nicht, und jede Zahlenlinie die Du hinmalst ist immer endlich. Aber weil Du im Prinzip weißt wie Du dahin kommst (eben immer noch einen Schritt nach recht bzw. links tun), kannst Du Dir trotzdem vorstellen "wo" die Unendlichkeiten liegen indem Du gedanklich die Prozedur immer weiter laufen lässt.

Zeit ist einer Zahlenlinie recht ähnlich. Aus einer Zeitlinie ist "Jetzt" ist bei Null, "Vergangenheit" ist zur Linken, und "Zukunft" zur Rechten. Kannst Du Dir eine unendlich ferne Vergangenheit oder Zukunft vorstellen? Nicht im Sinne, daß Du das "in Blick" nehmen kannst. Aber schon in dem Sinne, daß Du Dir einen Schritt vor oder zurück in der Zeit vorstellen kannst, und dann noch einen, und noch einen, usw. usf.

Gottes Ewigkeit ist schwerer vorstellbarer als eine unendliche Zeit, weil es da letztlich keine einfache Schrittprozedur gibt. Man kann das vielleicht so illustrieren: nimm einen Punkt außerhalb der Zeitlinie. Ziehe einen Strich von der Null (dem "Jetzt") auf der Zeitlinie zu diesem Punkt. Nun mache sowohl einen Schritt vor als einen züruck in der Zeit von der Null. Das sind jetzt zwei Punkte, einer in der Zukunft, einer in der Vergangenheit. Von beiden ziehe eine Linie zu dem Punkt außerhalb der Zeitlinie. Das gibt ein Dreieck. Jetzt mach einen weiteren Schritt in die jeweils gleiche Richtung (länger vergangen und ferner zukünftig), und von den neuen zwei Punkten ziehe wieder zwei Linien zum Punkt außerhalb. Das ist dann ein größeres Dreieck mit spitzeren Winkeln an der Zeitlinie und einem stumpferen Winkel an dem Punkt außerhalb. Und jetzt mach das immer weiter, wobei die Winkel an der Zeitlinie gegen null gehen und der Winkel an Punkt außerhalb gegen 180 Grad. Was da an dem Punkt außerhalb passiert repräsentiert Gottes Ewigkeit, die die Gesamtheit der Zeit (die Zeitlinie) in einem Blick hat (die Seitenlinien der Dreiecke die jeden Punkt auf der Zeitlinie gleich berühren, bis sie in der unendlichen Perspektive quasi zu einer virtuellen Zeitlinie auseinandergerissen werden). Auf diese Weise ist Gottes Ewigkeit sowohl eins (ein Punkt außerhalb) als auch in gewissem Sinne "in Projektion" die gesamte Zeitlinie (selbst wenn diese unendlich ist).

Bruder Donald

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 23. November 2020, 18:41
Zeit ist einer Zahlenlinie recht ähnlich. Aus einer Zeitlinie ist "Jetzt" ist bei Null, "Vergangenheit" ist zur Linken, und "Zukunft" zur Rechten. Kannst Du Dir eine unendlich ferne Vergangenheit oder Zukunft vorstellen? Nicht im Sinne, daß Du das "in Blick" nehmen kannst. Aber schon in dem Sinne, daß Du Dir einen Schritt vor oder zurück in der Zeit vorstellen kannst, und dann noch einen, und noch einen, usw. usf.
Ok gut, das kann ich mir natürlich vorstellen
-∞, ...,-3, -2, -1,(0),1, 2, 3, ..., ∞
so gesehen gibt es dann tatsächlich keinen Anfang und kein Ende.

Aber, geht Zeit nicht immer "nach rechts"/"vorwärts"?
Ist denn nicht mein Startpunkt die 1 und dann kommt die 2, 3, 4, 5 usw. usf.? Diese Kette kann man ja dann bis ins Unendliche weiterzählen, aber ich kann doch nicht mehr hinter die bzw. bis zur 1 kommen. Dann wäre "Unendlichkeit" zwar ohne Ende, aber nicht ohne Anfang.
Dieses "ohne Anfang" kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.
Ich habe gerade auch geguckt, so eindeutig definiert ist "Ewigkeit" und "Unendlichkeit" eigentlich nicht.
Trisagion hat geschrieben:
Montag 23. November 2020, 18:41
Gottes Ewigkeit ist schwerer vorstellbarer als eine unendliche Zeit, weil es da letztlich keine einfache Schrittprozedur gibt. Man kann das vielleicht so illustrieren: [...]
Sehr cooles Beispiel :daumen-rauf:

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 00:22
Aber, geht Zeit nicht immer "nach rechts"/"vorwärts"?
Wie der sogenannte "Pfeil der Zeit" zustande kommt ist ein sehr interessantes Thema. Du hast Dich da übrigens gerade mit einem Bilderrätsel zu beschäftigt dessen Antwort ein entscheidendes Stichwort ist... :breitgrins:

Das ist für uns hier aber eigentlich egal, denn es ging nicht darum, daß die Zeit eine Einbahnstraße ist und Du somit nicht selbst in die Vergangenheit stiefeln kannst, ob nun unendlich weit oder auch nur einen Augenblick. Es ging nur um die Frage, ob Du Dir eine unendlich vergangene Vergangenheit vorstellen kannst. Und die Antwort darauf ist "ja", wie wohl jetzt erfolgreich demonstriert.

Ich kann jetzt wohl auch mein Problem mit dem Konzept einer unendlichen Zeit erklären, pace Aquinas (denn ich will dem Meister jetzt widersprechen, ich halte dies tatsächlich nicht für logisch möglich). Mein Problem besteht nicht darin, daß es eine unendliche Zeitlinie gibt, die sich auf einer Seite in die unendlich vergangene Vergangenheit erstreckt, auf die andere in die unendlich zukünftige Zukunft. Das kann ich mir problemlos vorstellen. Mein Problem ist, daß ich nicht weiß wo ich die Marke für die Null setzen soll, wo entlang der unendlichen Zeitlinie "Jetzt" ist. Wenn wenigstens eine Seite endlich ist, kann ich von der begrenzten Seite an zählen: das Jetzt mag ein Googleplex Zeiteinheiten in der Zukunft liegen, gerechnet vom Anfang der Zeitlinie, oder ein Googleplex Zeiteinheiten in der Vergangenheit liegen, gerechnet vom Ende der Zeitlinie, oder wenn beide Seiten begrenzt sind, kann man z.B. sagen, daß das Jetzt bei zwei Drittel aller Zeiteinheiten liegt, vom Anfang her gesehen, mit nur noch ein Drittel aller Zeiteinheiten in der Zukunft bis zum Ende. Aber wenn beide Seiten unendlich sind, dann weiß ich nicht wo mein Jetzt liegt. Damit ist aber weder klar, wieviel schon Geschehenes auf mein Jetzt enwirkt, noch auf wieviel Zukünftiges mein Jetzt einwirken wird. Es spielt eine entscheidende zeitlich-kausale Rolle wo mein Jetzt ist, aber ich kann nicht sagen wo es ist. Ich kann nur sagen, daß ich im Jetzt bin, aber wenn das Universum zeitlich (beidseitig) unendlich ist, dann weiß ich nicht was das bedeutet und kann das auch nicht herausfinden. Und das scheint mir logisch unmöglich. Also kann das Universum nicht beidseitig zeitlich unendlich sein, logisch gesehen muß es entweder einen Anfang oder ein Ende haben, oder beides - contra Aquinas, pro Bonaventura. :(
Bruder Donald hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 00:22
Ich habe gerade auch geguckt, so eindeutig definiert ist "Ewigkeit" und "Unendlichkeit" eigentlich nicht.
In der Umgangssprache sicher nicht, und auch nicht in der Bibel. Aber wir treiben hier Gedankenspiele zwischen Mathematik, Philosophie und Naturwissenschaft, wir denken formal und logisch. Da muß man die Bedeutung von Worten solange präzisieren bis Zweideutigkeiten eliminiert werden. Oder es geht alles ganz schnell den Bach runter... (Es ist durchaus möglich, daß verschiedene Leute die gleichen Begriffe auf verschiedene Weise präzisieren. Das ist dann jeweils eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für einige Akademikergenerationen, die sich darüber den Mund fusselig reden bis eine Konvention schließlich gewinnt.)

Bruder Donald

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 01:54
Ich kann jetzt wohl auch mein Problem mit dem Konzept einer unendlichen Zeit erklären, pace Aquinas (denn ich will dem Meister jetzt widersprechen, ich halte dies tatsächlich nicht für logisch möglich).
Na, du traust dich jetzt aber was :dudu:
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 01:54
Mein Problem ist, daß ich nicht weiß wo ich die Marke für die Null setzen soll, wo entlang der unendlichen Zeitlinie "Jetzt" ist.[...]
Da ich ein schlichter Geist bin, komme ich erst überhaupt nicht zu deinem Denkproblem, sondern kapituliere schon lange vorher. Aber gut zu wissen, dass wir quasi zum gleichen "Ergebnis" kommen. ;D

Offensichtlich kann man philosophisch "weiter denken", als man naturwissenschaftlich messen kann. Man sagt ja, das Unviersum sei ja ca. 13,8 Mrd. Jahre alt sein soll und nicht unendlich, also muss es ja einen Anfang geben. :achselzuck:
Ich nehme jetzt einfach mal an, dass wir Menschen nur räumlich-zeitlich denken können. Es ist "natürlich" danach zu fragen, im welchem Raum dann das Universum aufgefangen ist. Dann kann man weiter fragen, wo diese Über-Universum sitzt, am Ende kommt ein endlose Kette dabei raus, weil wir immer davon ausgehen, dass Raum in einem anderem Raum enthalten ist.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 01:54
Das ist für uns hier aber eigentlich egal, denn es ging nicht darum, daß die Zeit eine Einbahnstraße ist und Du somit nicht selbst in die Vergangenheit stiefeln kannst, ob nun unendlich weit oder auch nur einen Augenblick.
Doch, schon, eigentlich war das meine Frage. :tuete:

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 15:04
Doch, schon, eigentlich war das meine Frage. :tuete:
Was ich tun kann, ist sicher nicht das Maß der Dinge. Was ich denken kann, vielleicht schon...

Bruder Donald

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 15:58
Was ich tun kann, ist sicher nicht das Maß der Dinge. Was ich denken kann, vielleicht schon...
Schon sehr interessant, dass unser Verstand eine recht "große Reichweite" hat. :hmm:
Ist das schon transzendierend oder noch im immanenten Rahmen?

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Protasius
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Protasius »

Bruder Donald hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 15:04
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 01:54
Ich kann jetzt wohl auch mein Problem mit dem Konzept einer unendlichen Zeit erklären, pace Aquinas (denn ich will dem Meister jetzt widersprechen, ich halte dies tatsächlich nicht für logisch möglich).
Na, du traust dich jetzt aber was :dudu:
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 01:54
Mein Problem ist, daß ich nicht weiß wo ich die Marke für die Null setzen soll, wo entlang der unendlichen Zeitlinie "Jetzt" ist.[...]
Da ich ein schlichter Geist bin, komme ich erst überhaupt nicht zu deinem Denkproblem, sondern kapituliere schon lange vorher. Aber gut zu wissen, dass wir quasi zum gleichen "Ergebnis" kommen. ;D

Offensichtlich kann man philosophisch "weiter denken", als man naturwissenschaftlich messen kann. Man sagt ja, das Unviersum sei ja ca. 13,8 Mrd. Jahre alt sein soll und nicht unendlich, also muss es ja einen Anfang geben. :achselzuck:
Ich nehme jetzt einfach mal an, dass wir Menschen nur räumlich-zeitlich denken können. Es ist "natürlich" danach zu fragen, im welchem Raum dann das Universum aufgefangen ist. Dann kann man weiter fragen, wo diese Über-Universum sitzt, am Ende kommt ein endlose Kette dabei raus, weil wir immer davon ausgehen, dass Raum in einem anderem Raum enthalten ist.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 01:54
Das ist für uns hier aber eigentlich egal, denn es ging nicht darum, daß die Zeit eine Einbahnstraße ist und Du somit nicht selbst in die Vergangenheit stiefeln kannst, ob nun unendlich weit oder auch nur einen Augenblick.
Doch, schon, eigentlich war das meine Frage. :tuete:
Ich gestatte mir dazu einen kurzen naturwissenschaftlichen Einschub:

Wenn ich mal die allgemeine Relativitätstheorie voraussetze, sind verschiedene Szenarien möglich; welches Szenario ein Kosmologe für das tatsächlich geltende hält, ist abhängig von Beobachtungsdaten. Es gibt stabile Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen, wenn man eine kosmologische Konstante verwendet, die einem ewig bestehenden Universum entsprechen, und es gibt Lösungen, bei denen das Universum sich ausdehnt. Bei den sich ausdehnenden ist abhängig vom Energieinhalt des Universums entweder ein sich ewig ausdehnendes Universum, eines, dessen Ausdehnung irgendwann zum Stillstand kommt, oder ein Universum, das irgendwann wieder zusammenfällt möglich; im letzteren Falle könnte es prinzipiell immer wieder von neuem beginnen, indem jeder Big Crunch (großes Zermalmen) zu einem neuen Big Bang (Urknall; die beiden Begriffe sind in diesem Paar mE auf englisch etwas griffiger) führt. Die Beobachtungsdaten, die die Astronomie und Kosmologie bislang gesammelt haben, zeigen, daß sich das Universum ausdehnt und deuten daraufhin, daß das wahrscheinlich auch immer so weitergehen wird (bei diesem zweiten Teil ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen). Die Beschreibung ist allerdings nicht vollständig, weil man den Urknall selber (und ggf. das große Zermalmen) ohne die bislang ungelöste Frage nach einer Theorie der Quantengravitation nicht sauber beschreiben kann.

Dieser Diskussionsstrang befaßt sich jedoch mit der abstrakten Denkmöglichkeit, ohne daß das mit Beobachtungsdaten konfrontiert werden müßte. Daß das konkrete Universum, in dem wir uns befinden, nach bestem Wissen und Gewissen einen Anfang hat, ist zunächst mal nicht denknotwendig – man kann sich auch ein Universum vorstellen, daß sich in einem stabilen Zustand befindet (wie oberwähnt, kann man das auch mathematisch beschreiben). Wenn pro argumento also das Universum unendlich alt wäre und unendlich fortbestünde – im Widerspruch zu sowohl übernatürlicher Offenbarung wie natürlichen Beobachtungsdaten unseres konkret existierenden Universums –, müßte das Universum sich entweder niemals ändern oder periodisch vor sich hin oszillieren. In diesem Falle würde es – jedenfalls auf den Zeitskalen des Universums keinen Unterschied machen, wo ich einen Nullpunkt hinsetze, weil es keinen Zeitpunkt gibt, der vor anderen ausgezeichnet wäre, so daß jeder Nullpunkt willkürlich wäre.

Das stellt nach meinem Dafürhalten aber kein Problem dar: wenn ich die Menge Z der ganzen Zahlen betrachte, kann ich mir eine Abbildung vorstellen, bei der ich jede Zahl um einen festen ganzzahligen Wert verschiebe, bspw. zf(z) = z + 2 für alle ganzen Zahlen z aus der Menge Z. Das ist effektiv eine Verschiebung des Nullpunkts. Wenn ich diese Abbildung auf alle ganzen Zahlen anwende, bekomme ich aber letztlich wieder die Menge der ganzen Zahlen heraus, f(Z) = Z, denn jede ganze Zahl wird auf eine andere ganze Zahl abgebildet, und jede ganze Zahl hat eine andere ganze Zahl, die auf sie abgebildet wird. Das gleiche Spiel kann ich natürlich auch mit rationalen oder reellen Zahlen treiben.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Protasius hat geschrieben:
Dienstag 24. November 2020, 19:09
Wenn pro argumento also das Universum unendlich alt wäre und unendlich fortbestünde – im Widerspruch zu sowohl übernatürlicher Offenbarung wie natürlichen Beobachtungsdaten unseres konkret existierenden Universums –, müßte das Universum sich entweder niemals ändern oder periodisch vor sich hin oszillieren. In diesem Falle würde es – jedenfalls auf den Zeitskalen des Universums keinen Unterschied machen, wo ich einen Nullpunkt hinsetze, weil es keinen Zeitpunkt gibt, der vor anderen ausgezeichnet wäre, so daß jeder Nullpunkt willkürlich wäre.
Deine Analyse stimmt nur für den Fall, daß das Universum unveränderlich ist. Dies ist aber nicht der Fall, soviel Beobachtung darf wohl sein (und wenn auch nur um uns weiteres Philosophieren zu ersparen). Offensichtlich macht es etwa bei einem oszillierenden Universum etwas aus, wie nahe oder ferne ich von einer Singularität bin. Es ist hier definitiv nicht jeder Zeitpunkt gleich!

Du könntest höchstens ein periodische Universum postulieren, das exakt denselben Verlauf zwischen den Singularitäten immer wieder nimmt. In diesem Fall ist der Zeitpunkt zwar nicht egal, aber spielt nur bis auf die Periode eine Rolle, also jedes t=t0+n*T für n=...,-2,-1,0,1,2,... mit Periode T ist äquivalent. Fein, aber ich würde argumentieren, daß wir es in diesem Fall mit einem zeitlich endlichen Universum zu tun haben. Die Kopien sind weder zugänglich noch neu, und das "zeitlich unendliche" Universum wird hier durch jede beliebige zeitliche endliche Periode komplett repräsentiert, sowohl physikalisch als auch z.B. zur Frage des Jüngsten Gerichtes.

Wenn wir aber sowohl ein komplett unveränderliches Universum (als faktisch nicht gegeben) und ein periodisches Universum (als äquivalent zu einem endlichen) ausschließen, dann bleiben nur noch Universen übrig in der Zeitpunkte nicht äquivalent sind. Und zwar gilt das im Falle eines oszillierenden Universums auch über die Raumzeit einer bestimmten von Singularitäten begrenzten Iteration heraus (also "meta-zeitlich"). Weder innerhalb eines Universums, noch in den verschiedenen Iterationen, kann man hier einen Zeitpunkt willkürlich wählen, weil sie alle voneinander verschieden sind (oder allenfalls per statistschem Zufall einander gleichen).

Somit bleibt meine Kritik bestehen: in einem "realistischen" (nicht unveränderlichen, nicht perfekt periodischen) zeitlich unendlichen Universum ist das Problem nicht, daß wir uns nicht die Unendlichkeit an sich vorstellen können, sondern vielmehr, daß es keine Möglichkeit gibt festzustellen wo wir uns auf der (Meta-)Zeitlinie befinden.

Natürlich kann man sagen: na, wo immer wir auch gerade sind, das ist "Jetzt" und dann setzen wir eine Nullmarke eben hier und zählen vor oder zurück. Das ist selbstverständlich eine pragmatische Methode der Zeitmessung unabhängig davon ob das Universum nun zeitlich unendlich ist oder nicht. Aber es beantwortet eben die Frage nicht, warum wir jetzt gerade bei diesem Jetzt sind, und nicht eine Trillionen Jahre früher, oder zwei Singularitätsiterationen später. Im Gegensatz dazu kann ich bei einem zeitlich endlichen Universum von den Enden her zählen, und Sache sagen wie "wir sind in diesem Jetzt weil seit dem Urknall bereits soviel Zeit vergangen ist". Ich kann mich zeitlich verorten an einem Referenzpunkt. Das ist wesentlich als kausale Erklärung des tatsächlichen Jetzt.

Raphael

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Raphael »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 23. November 2020, 02:00
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 22. November 2020, 23:37
Da Gott außerhalb des Systems steht, woher will man dann erfassen/wissen, dass es dann einen überhaupt gibt? Der "Beweis" wird dann eben nur zu einer Behauptung, welche Atheisten anzweifeln.
Der Beweis wird aber nicht außerhalb des Systems geführt. Der Beweis zeigt schlicht, daß das System nicht in sich komplett stimmig sein kann. Es kann nur zwei Folgerungen geben, entweder es gibt etwas außerhalb des Systems, daß diese Fehlstelle schließt - die christliche Antwort - oder irgendetwas an dem Argument oder seine Voraussetzungen ist schief gelaufen. And dem Versuch letzteres nachzuweisen arbeiten sich die Atheisten schon lange ab. Aber der Christ ist hier in der schönen Position, daß seine Antwort einfach und natürlich ist, wohingegen der Atheist durch ein philosophisches Minenfeld laufen muß.
Das, was Trisagion dort beschreibt, ist die Beschreibung einer Eigenschaft Gottes.
Diese Eigenschaft ist mit dem Fachterminus »Aseität« belegt. Damit ist das Über-Seiende an Gottes Existenz gemeint. Zum Verständnis dieses Begriffes kommt man auch, wenn man als guter Platoniker unterwegs ist.

Im trinitarischen Verständnis von Gott spiegelt sich darin die Majestät Gottes, seine Unabhängigkeit von der Schöpfung und eben - wie es auch schon ausgeführt worden war - seine Ewigkeit wieder.


Cassian
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Cassian »

Über die den thomistischen "Gottesbeweisen" zugrundeliegenden logischen Fehler gibt es eine sehr gute PDF:

Theistic Fallacies

Highlander

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Highlander »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 09:37
Über die den thomistischen "Gottesbeweisen" zugrundeliegenden logischen Fehler gibt es eine sehr gute PDF:

Theistic Fallacies
Der Thomismus beschäftigt sich im Wesentlichen nicht mit Gottesbeweisen, sondern mit übernatürlicher Theologie.
Die in der thomistischen Literatur als "Gottesbeweis" beschriebenen Denkvorstellungen, gehören eher der natürlichen Theologie an und werden daher als rationale Prämissen für den Thomismus vorausgesetzt.

Cassian
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Cassian »

Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 10:03
Der Thomismus beschäftigt sich im Wesentlichen nicht mit Gottesbeweisen, sondern mit übernatürlicher Theologie.
Die in der thomistischen Literatur als "Gottesbeweis" beschriebenen Denkvorstellungen, gehören eher der natürlichen Theologie an und werden daher als rationale Prämissen für den Thomismus vorausgesetzt.
Ja und?

Highlander

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Highlander »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 10:18
Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 10:03
Der Thomismus beschäftigt sich im Wesentlichen nicht mit Gottesbeweisen, sondern mit übernatürlicher Theologie.
Die in der thomistischen Literatur als "Gottesbeweis" beschriebenen Denkvorstellungen, gehören eher der natürlichen Theologie an und werden daher als rationale Prämissen für den Thomismus vorausgesetzt.
Ja und?
Deinen bisherigen Einlassungen hier im Forum ist zu entnehmen, daß Dir dieses für die "thomistischen Gottesbeweise" erforderliche Vorverständnis fehlt.
Daher wurde explizit darauf hingewiesen. That's it!

Cassian
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Cassian »

Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 10:52
Deinen bisherigen Einlassungen hier im Forum ist zu entnehmen, daß Dir dieses für die "thomistischen Gottesbeweise" erforderliche Vorverständnis fehlt.
Daher wurde explizit darauf hingewiesen. That's it!
Das ist ja nun wirklich eine reichlich dummdreiste Behauptung. :D Die Unterscheidung zwischen "natürlicher" und "übernatürlicher" Theologie verwerfe ich in toto, und genau das ist auch Ausgangspunkt der Überlegungen in dem verlinkten Paper.

Highlander

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Highlander »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 11:03
Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 10:52
Deinen bisherigen Einlassungen hier im Forum ist zu entnehmen, daß Dir dieses für die "thomistischen Gottesbeweise" erforderliche Vorverständnis fehlt.
Daher wurde explizit darauf hingewiesen. That's it!
Das ist ja nun wirklich eine reichlich dummdreiste Behauptung. :D
Deine verbale Aggressivität entlarvt Deine Unsicherheit. :roll:
Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 11:03
Die Unterscheidung zwischen "natürlicher" und "übernatürlicher" Theologie verwerfe ich in toto, und genau das ist auch Ausgangspunkt der Überlegungen in dem verlinkten Paper.
Dann gib doch doch mal der geneigten Leserschaft des Forums einen kurzen Überblick über das weithin unbekannte 37-seitige Papier, welches Du hier verlinkt hast!

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 09:37
Über die den thomistischen "Gottesbeweisen" zugrundeliegenden logischen Fehler gibt es eine sehr gute PDF:
Theistic Fallacies
Äh, nein? Das ist vielmehr eine philosophische Abhandlung darüber, warum man nicht sagen kann, daß z.B. der Gott der Christen derselbe Gott ist wie der des Islam. Es geht um die Frage, ob die monotheistische Aussage "es gibt einen Gott" mit Zusätzen von für Gott notwendigen Attributen wie "er ist allmächtig" automatisch bedeutet, daß man gedanklich auf dieselbe Entität zeigt, selbst wenn man in anderer Hinsicht verschiedene Dinge über Gott glaubt.

Der Autor sagt nicht über einen angeblichen logischen Fehler in den thomistischen Gottesbeweisen. Was der Autor vielmehr sagt ist, daß was mit solchen Gottesbeweisen gezeigt ist nicht reicht für eine Religion. Und das hat weder Aquinas noch soweit ich weiß irgendwer hier behauptet. Ob der Autor nun recht hat oder nicht macht also keinen Unterschied für das Thema dieses Stranges.

Der Autor würde vermutlich auch sagen, daß man selber einen logischen Fehler macht wenn man alleine an die Entität und Attribute metaphysischer Gottesbeweise glauben will. Er kritisiert dies als "Theismus" (eine unglückliche Bezeichnung, weil das Wort normalerweise jeglichen Glauben an Gott bezeichnet, hier aber den Glauben nur an einen "beweisbaren Kern" monotheistischen Glauben meint). Aquinas war kein "Theist" in diesem Sinne, kein Katholik kann "Theist" in diesem Sinne sein, und niemand hat hier solchem "Theismus" das Wort geredet.

Dies ist eine durchaus interessante und lesenswerte Veröffentlichung, die aber nur bedingt mit unserer Diskussion hier zu tun hat.

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 11:03
Die Unterscheidung zwischen "natürlicher" und "übernatürlicher" Theologie verwerfe ich in toto, und genau das ist auch Ausgangspunkt der Überlegungen in dem verlinkten Paper.
Zunächst mal ist das nicht der Fall für die verlinkte Veröffentlichung. Es mag sein, daß der Autor Deiner Meinung ist. Aber falls dem so ist schlägt sich das nicht weiter in dieser Veröffentlichung nieder. Nebenbei bemerkt habe ich nicht den Eindruck, daß der Autor gegenüber klassischer westlicher Theologie besonders negativ eingestellt ist. Er stellt seiner "Conclusions" ja sogar ein theologisches Motto von Aquinas voran. Er argumentiert vielmehr gegen neuzeitliche Autoren wie Swinburne.

Was die Unterscheidung selber angeht, kann man sie für nutzlos halten, oder für ungenau begründet, oder vielleicht sogar für spirituell schädlich. Aber sie ist offensichtlich machbar und als Kategorisierung nachweislich funktional (soll heißen, sie teilt die Theologie recht objektiv nachvollziehbar in nicht-leere Mengen auf).

Man muß hier bedenken, daß man nicht nur zwischen einem Käse und der Sonne unterscheiden kann, sondern auch zwischen einem Hund und einer Katze, oder zwischen einem Schäferhund und einem Pudel, oder zwischen dem Pudel Ruffi und dem Pudel Schnuffi. Aus der Möglichkeit einer Unterscheidung auf einer Ebene folgt nicht eine fundamentale Trennung auf allen Ebenen. Ruffi und Schnuffi sind beide Pudel, und nur weil man zwischen natürlicher und übernatürlicher Theologie unterscheiden kann bedeutet nicht, daß man die Theologie damit fundamental spaltet.

Cassian
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Cassian »

Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 11:14
Deine verbale Aggressivität entlarvt Deine Unsicherheit. :roll:
Genau. Solche Küchenpsychologisierungen haben schon die Väter eingeschüchtert. :D
Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 11:14
Dann gib doch doch mal der geneigten Leserschaft des Forums einen kurzen Überblick über das weithin unbekannte 37-seitige Papier, welches Du hier verlinkt hast!
Es ist im Grunde bloß eine Auflistung von "Argumenten" für einen generischen Monotheismus (auf der Ebene bewegt sich ja bekanntlich die "natürliche Theologie" des Aquinaten), und deren zugrundeliegenden logischen Fehler. Gemünzt ist das auf die irrige Vorstellung, die drei "monotheistischen Weltreligionen" teilten ihren Glauben an den "einen Gott", und zwar nicht etwa hinsichtlich im Wege der "übernatürlichen Theologie offenbarter" Glaubensinhalte (in der Hinsicht würde auch Thomas einen erheblichen Unterschied konzedieren), sondern hinsichtlich der logischen Proposition an sich. Ein Beispiel:

[...] This I will call the Theist Argument:
(10 TA) 1. Judaism believes in one and only one god.
2. Christianity believes in one and only one god.
3. Islam believes in one and only one god.
4. There is one and only one god.
Conclusion: Judaism, Christianity and Islam believe in the same one god.

The first three propositions (10 TA 1; 2; 3) should be taken for granted as initial
assumptions, since they are claimed by the respective religions themselves (in
doing so we are setting the problematic aspects of (10 TA 2) aside).17 It seems
therefore obvious that the conclusion rests with premise (10 TA 4). Precisely this is
the point, the “objective” premise that theism attempts to supply. “Objectivity” is
secured by the philosophical method, and by dispensing with the special claims to
revelation. This premise has to be established independently of the claims of the
religions, only with the help of philosophical arguments, or with reason alone.
Granting a successful establishing of this permise only is not enough of course,
as I pointed out above. Theism ought to prove the unicity of god as well in order
to make the argument successful, but let us grant this, too. The question remains:
will the argument (10 TA) then become conclusive? Well, unfortunately not. To
make to point clearer, let me first construct a similar reasoning about a
mathematical case:

(11 TAM) 1. Ahmed believes that there is one and only one solution of the
problem.
2. Isaac believes that there is one and only one solution of the problem.
3. John believes that there is one and only one solution of the problem.
4. There is one and only one solution of the problem.
Conclusion: Ahmed, Isaac and John believe in the same solution of the
problem.

Unfortunately this reasoning will not do. It can very well be that while the
mathematicians at first sight seem all to think of the right solution in their own
view, still, one (or each) of them can be wrong about his own concrete belief as
what the solution to the problem would be. They all might be right in believing
that there is only one solution—but for the wrong reasons. The only case when the
conclusion does follow is when they are all correct about their proposed solutions.
If we would replace “believes that” with “discovered that” or “proved that” the
conclusion will indeed follow.
The changing of the verbs however, in this case changes the logical character of
the argument, too. As I will discuss it below, belief-sentences behave in very
different way from factual statements.
Therefore, the only way to arrive at the Theist Corollary is to assume a priori
that the three religions just are about the same god. But this case is clearly an
instance of a circular proof which assumes among its premises the conclusion it
wants to establish.[...]


Kardinalfehler ist natürlich, dass Thomas seine eigenen Paradigmen nicht als solche identifiziert, sondern sie irrigerweise für "selbstverständliche Maximen" im Rahmen einer "natürlichen Erkenntnis" hält. Sein Erkenntnismodell ist somit ein einziger Zirkelschluss. Dadurch hat sich der apologetische Mehrwert seiner Argumentation auch in Luft aufgelöst, als seine Paradigmen in der Geistesgeschichte nach ihm zunehmend hinterfragt und widerlegt wurden.
Zuletzt geändert von Cassian am Freitag 8. April 2022, 12:24, insgesamt 1-mal geändert.

Cassian
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Cassian »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:03
Was die Unterscheidung selber angeht, kann man sie für nutzlos halten, oder für ungenau begründet, oder vielleicht sogar für spirituell schädlich. Aber sie ist offensichtlich machbar und als Kategorisierung nachweislich funktional (soll heißen, sie teilt die Theologie recht objektiv nachvollziehbar in nicht-leere Mengen auf).
Die Vorstellung einer "natürlichen" Theologie im Gegensatz zu einer "übernatürlichen" setzt aber voraus, erstere würde im Gegensatz zu zweiterer gerade nicht auf zirkulären Vorannahmen beruhen. Das ist aber gerade nicht so, wie sich zeigen lässt. Deswegen ist die Unterscheidung unstatthaft und irrig.

Highlander

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Highlander »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:15
Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 11:14
Deine verbale Aggressivität entlarvt Deine Unsicherheit. :roll:
Genau. Solche Küchenpsychologisierungen haben schon die Väter eingeschüchtert. :D
Bislang ist meines Erachtens noch keinem hier im Forum aufgefallen, daß er es mit 'nem Kirchenvater zu tun hat, wenn er Deine Einlassungen hier im Forum liest. :roll:
Selbst Deine orthodoxen Glaubensbrüder sind eher peinlich berührt von Deinem Gebaren.

Auch der honorige Cassian, also der historische, war keiner. 8)
Allerdings hat der historische Cassian auch maßhalten können, wie man in seinen Texten (bspw. hier) nachlesen kann.

Cassian
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Cassian »

Highlander hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 13:03
Bislang ist meines Erachtens noch keinem hier im Forum aufgefallen, daß er es mit 'nem Kirchenvater zu tun hat, wenn er Deine Einlassungen hier im Forum liest. :roll:
Selbst Deine orthodoxen Glaubensbrüder sind eher peinlich berührt von Deinem Gebaren.

Auch der honorige Cassian, also der historische, war keiner. 8)
Allerdings hat der historische Cassian auch maßhalten können, wie man in seinen Texten (bspw. hier) nachlesen kann.
Bist du beleidigt, weil ich deinen Dunning Kruger-Thomismus nicht goutiere? :D

Highlander

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Highlander »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 13:10
Bist du beleidigt, weil ich deinen Dunning Kruger-Thomismus nicht goutiere? :D
Wie lange willst Du noch weitermachen mit Deiner Nicht-Kommunikation? :roll:

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:15
Es ist im Grunde bloß eine Auflistung von "Argumenten" für einen generischen Monotheismus (auf der Ebene bewegt sich ja bekanntlich die "natürliche Theologie" des Aquinaten), und deren zugrundeliegenden logischen Fehler.
Das ist einfach nicht der Fall! Die Veröffentlichung diskutiert überhaupt nicht Argumente für einen generischen Monotheismus. Sie diskutiert vielmehr was man über Gott sagen kann, wenn man das typische gedankliche Inventar des "Gott der Philosophen" als gegeben voraussetzt, wie es "Theisten" eben tun. Es ist also im Gegenteil also so, daß diese Veröffentlichung die Richtigkeit der Argumente natürlicher Theologie als gegeben voraussetzt, jedenfalls um der weiteren Diskussion willen (ob der Autor persönlich sie für richtig hält ist eine andere Frage). Wären sie einfach "logisch falsch", was der Autor nicht behauptest, dann wäre diese gesamte Veröffentlichung auch schlicht hinfällig. Man könnte dann eben einfach sagen, daß der "Theismus" sich auf falsche Voraussetzung stützt und wäre fertig.
Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:15
Gemünzt ist das auf die irrige Vorstellung, die drei "monotheistischen Weltreligionen" teilten ihren Glauben an den "einen Gott", und zwar nicht etwa hinsichtlich im Wege der "übernatürlichen Theologie offenbarter" Glaubensinhalte (in der Hinsicht würde auch Thomas einen erheblichen Unterschied konzedieren), sondern hinsichtlich der logischen Proposition an sich.
Korrekt. Aber wohlgemerkt, die Kritik ist weder an der Aussage "es gibt einen Gott", noch an Aussagen zu göttlichen Attributen wie z.B. "er ist allmächtig", noch in irgendeiner Form an der Herleitung dieser Aussagen durch die natürliche Theologie durch Thomas oder sonst jemand. Darum geht es dem Autor einfach nicht. Es geht ihm um die Frage, ob mit solchen Aussagen Gott ausreichend identifiziert ist, so daß man einerseits sagen kann, daß z.B. Christen und Mohammedaner an denselben Gott glauben, und andererseits seinen Glauben alleine auf diesen "Kern" reduzieren kann, wie es "Theisten" tun. Alleine darum geht es dem Autor, und nur gegen diese Ideen argumentiert er an. Selbst wenn man glaubt er tue dies erfolgreich, folgt nichts bzgl. der Aussagen und der Argument an sich - außer eben, daß sie nicht alleine reichen um "Gott" zu identifizieren.
Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:15
Kardinalfehler ist natürlich, dass Thomas seine eigenen Paradigmen nicht als solche identifiziert, sondern sie irrigerweise für "selbstverständliche Maximen" im Rahmen einer "natürlichen Erkenntnis" hält. Sein Erkenntnismodell ist somit ein einziger Zirkelschluss.
Diese Aussage ist falsch, oder zumindestens unfair und irreführend, und wird jedenfalls in keiner Weise von der verlinkten Veröffentlichung vertreten.
Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:15
Dadurch hat sich der apologetische Mehrwert seiner Argumentation auch in Luft aufgelöst, als seine Paradigmen in der Geistesgeschichte nach ihm zunehmend hinterfragt und widerlegt wurden.
Es gibt keine erfolgreiche Widerlegung der thomistischen Argumente. Es gibt allerdings ähnliche Argumente, wie z.B. Paleys Argument vom Design oder Craigs "Kalaam" Argument, die gerne für die thomistischen Argumente gehalten werden, und die m.E. sehr viel einfacher anfechtbar sind. Die Geistesgeschichte hat sich allerdings im grundlegenden Ansatz so weit von der Geisteswelt des Thomas wegbewegt, daß diese Argumente teilweise "übersetzt" werden müssen um noch zugänglich zu sein.

Trisagion
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Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:24
Die Vorstellung einer "natürlichen" Theologie im Gegensatz zu einer "übernatürlichen" setzt aber voraus, erstere würde im Gegensatz zu zweiterer gerade nicht auf zirkulären Vorannahmen beruhen. Das ist aber gerade nicht so, wie sich zeigen lässt. Deswegen ist die Unterscheidung unstatthaft und irrig.
Vielmehr geht Thomas davon aus, daß menschliche Erkenntnisfähigkeit erfolgreich sein kann (nicht muß) bzgl. sowohl des Verständnisses der geschaffenen Natur wie sie sich durch Sinneswahrnehmungen präsentiert als auch der ungeschaffenen Natur Gottes wie sie von Gott direkt durch Gnade vermittelt wird. Thomas sagt dabei auch keineswegs, daß der menschliche Geist "alles" verstehen kann, insbesondere auch nicht, daß er Gott "komplett" verstehen kann. Er sagt nur, daß der menschliche Geist korrekt gewisse Einsichten aus den Sinnen und aus der Gnade gewinnen kann.

Das ist in der Tat eine Voraussetzung die sich nicht beweisen läßt, und der Versuch es zu tun (den Thomas wohlgemerkt nicht unternimmt!) würde in Zirkelschlüssen enden.

Es ist aber auch eine Voraussetzung ohne die sich schlicht alle weiteren Diskussionen jeder Form über beliebige Themen komplett erübrigen. Und auch sonst jede Form menschlicher Tätigkeit.

Wer Thomas hier nicht zustimmt, kann nur noch katatonisch erstarren. Thomas oder Koma, das ist hier die Frage.

Highlander

Re: 2. Gottesbeweis des Hl. Thomas von Aquin

Beitrag von Highlander »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 13:45
Cassian hat geschrieben:
Freitag 8. April 2022, 12:24
Die Vorstellung einer "natürlichen" Theologie im Gegensatz zu einer "übernatürlichen" setzt aber voraus, erstere würde im Gegensatz zu zweiterer gerade nicht auf zirkulären Vorannahmen beruhen. Das ist aber gerade nicht so, wie sich zeigen lässt. Deswegen ist die Unterscheidung unstatthaft und irrig.
Vielmehr geht Thomas davon aus, daß menschliche Erkenntnisfähigkeit erfolgreich sein kann (nicht muß) bzgl. sowohl des Verständnisses der geschaffenen Natur wie sie sich durch Sinneswahrnehmungen präsentiert als auch der ungeschaffenen Natur Gottes wie sie von Gott direkt durch Gnade vermittelt wird. Thomas sagt dabei auch keineswegs, daß der menschliche Geist "alles" verstehen kann, insbesondere auch nicht, daß er Gott "komplett" verstehen kann. Er sagt nur, daß der menschliche Geist korrekt gewisse Einsichten aus den Sinnen und aus der Gnade gewinnen kann.

Das ist in der Tat eine Voraussetzung die sich nicht beweisen läßt, und der Versuch es zu tun (den Thomas wohlgemerkt nicht unternimmt!) würde in Zirkelschlüssen enden.

Es ist aber auch eine Voraussetzung ohne die sich schlicht alle weiteren Diskussionen jeder Form über beliebige Themen komplett erübrigen. Und auch sonst jede Form menschlicher Tätigkeit.

Wer Thomas hier nicht zustimmt, kann nur noch katatonisch erstarren. Thomas oder Koma, das ist hier die Frage.
Was den Scholastikern ganz allgemein gelingt ist, daß der menschlichen Vernunft ein höherer Stellenwert bei der Erkenntnis Gottes beigemessen wird. Da ist der Aquinat, mit seinem Vorläufer Albertus Magnus, natürlich ganz erheblich beteiligt.
Die franziskanische Spiritualität (Franz von Assisi, Bonaventura, Johannes Duns Scotus et al.) geht jedoch etwas andere Wege, die jedoch dasselbe Ziel anstreben.

Ich wage einmal die These, daß die Erfolge der modernen Naturwissenschaften ohne die gedankliche Vorarbeit der Scholastiker nicht möglich gewesen wäre. Man kann eben Gott auch in seinem Werk, also der Schöpfung, erkennen. Dieser Weg ist neben der Erkenntnis aus dem Wort durch die Scholastik ermöglicht worden.

Die Ambivalenz der scholastischen Erkenntnisse, welche bei der praktischen Umsetzung aufgetreten sind (Atombombe etc.), bleibt eine bestehende Aufgabe für die Menschheit. Eine Leugnung der Erkenntnisse führt jedenfalls in die Paralyse.

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