"Historisch-kritische Methode" - Exegese versus Historie?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
TillSchilling

"Historisch-kritische Methode" - Exegese versus Historie?

Beitrag von TillSchilling »

Ich habe mir erlaubt, die folgenden Beiträhe aus einem anderen Strang zu kopieren, da ich das Thema nicht in jenem Strang diskutieren wollte. Es ist dort OT
Niels hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Siard hat geschrieben:deine meinung über die historisch-kritische exegese teilt die römische kirche
übrigens nicht. spätestens seit Johannes Paul II. ist sie vollständig anerkannt.
(Die historische Textkritik als Methode abzulehnen wäre in der Tat absurd
und dumm. Das Problem liegt allerdings darin, daß das, was in der Schrift-
exegese unterm Decknamen „historisch-kritisch“ daherkommt, ideologisch
vorgeprägt ist und so gar keinen historischen Sinn verrät, während die Kritik
sich in Kritikastertum erschöpft, statt Unterscheidungsvermögen zu zeigen.)
That's the problem... :roll:
So, Niels und Robert, und andere natürlich auch, welche Kritik an welchen historisch-kritisch Methoden ist denn eurer Meinung nach gerechtfertigt? Lasst uns von eurem Vermögen unterscheiden zu können profitieren.


Zur Einleitung eine kleine Übersicht über die verschiedenen Methoden bzw. Schritte der HKM folgend der Aufteilung des Wikipedia-Beitrags:


2 Die Methodenschritte der historisch-kritischen Methode

* 2.1 Textkritik: Vergleich der Handschriften
* 2.2 Übersetzung aus dem Hebräischen bzw. Griechischen
* 2.3 Textanalyse: Die Struktur des Textes
* 2.4 Redaktionsgeschichte: der Umgang des Autors mit seinen Quellen
* 2.5 Literarkritik: Rekonstruktion der Quellen
* 2.6 Formgeschichte: Bestimmung der Textgattung
* 2.7 Traditionsgeschichte: Die zugrunde liegende mündliche Überlieferung
* 2.8 Begriffs- und Motivgeschichte: wie sich Vorstellungen entwickelten
* 2.9 Religionsgeschichte: Vergleich mit außerbiblischen Texten
http://de.wikipedia.org/wiki/Historisch ... he_Methode

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Loukia
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Loukia »

Ich finde das diese Methode einem Heiligen Text nicht gerecht werden kann. Wer glaubt, die Bibel ist von Gott inspiriert, braucht auch sowas nicht.
Der du die Tritte der Menschen lenkest, o Herr, schaue gnädig herab auf deine Diener

Miserere Nobis Domine
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

-Ich stimme Loukia völlig zu. Im Übrigen ergibt sich die Bedeutung der Bibeltexte für das Christentum nicht aus ihrer Entstehungsgeschichte, sondern aus ihrer Funktion.

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cantus planus
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von cantus planus »

Interessant ist ja nicht die Frage, ob und welche Methoden sinnvoll sind. Mich würde vielmehr interessieren: was erwartet man sich von der Anwendung einer bestimmten Methode? Den genauen Autor herauszufinden? Gut. Entstehungsraum, -zeit und Translationswege? Auch gut. Aber schlußendlich scheint es das vorrangige Interesse der hist.-kr. Methode zu sein, die biblischen Texte auf das Niveau eines Legendenbuches zurückzustutzen.

Welche Erkenntnisse sollten Gläubige durch diese Methoden gewinnen? Ob ein Schriftstück nun von einem Jesaja, einem Deuterojesaja oder noch einem weiteren Jesaja stammt, ist vollkommen unerheblich, da sich das Wort Gottes darin niederschlägt, egal, wer den Text nun wirklich aufgeschrieben hat. Er geht alleine um die Verheißung und um die Erlösung, die uns in Christus, als menschgewordenem Gott, geschenkt wurde.

Ich habe bisher noch nicht erlebt, dass sich ein Verfechter der historisch-kritischen Methoden dieser bedient hätte, um die Lehre der Kirche zu untermauern. Oft genug soll durch die Forschung der eigene Unglauben kirchliche Bestätigung erfahren; eine in der heutigen Theologie verbreitete Seuche.
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Amandus2
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Amandus2 »

Die Bibel ist nicht der Mittelpunkt des Glaubens, auch nicht für einen Protestanten. Die Bibel bezeugt lediglich den Mittelpunkt unseres Glaubens, der Christus ist! Daher ist es wichtig, dass wir die Bibel und deren Entstehungsgeschichte immer besser kennen lernen . Je mehr wir uns dem ursprünglichen Text nähern, desto größer ist unsere Chance, Jesus besser kennen zu lernen.

Die Bibel ist nicht vom Himmel gefallen. Dass die Reformatoren das "Allein die Schrift" so betonten, lag daran, dass sich in den 1500 Jahren allerlei abstruses Zeug in der Kirche angesammelt hatte.Die Menschen wussten ja gar nicht mehr, was richtig und was falsch war. Um hier wieder einen Überblick zu bekommen, betonte man, dass die Bibel die EINZIGE Glaubensgrundlage sei.

Wenn wir -rein theoretisch- heute ein umfangreiches Dokument entdecken würden, etwa in Quamran, in dem das Leben Jesu noch deutlicher beschrieben wäre, so wäre ein solches Dokument weitaus wichtiger als die Bibel. Aber das ist natürlich reine Theorie.

Miserere Nobis Domine
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Der Inhtalt des biblischen Textes bringt uns Christus näher. Die methodisch unsauberen Behauptungen der historisch-kritischen Exegese haben hingegen das Ziel, auch den Inhalt unglaubwürdig zu machen. Wenn man zum Beispiel behauptet, Jesus hätte die Bergpredigt nicht gehalten, dann attackiert man eigentlich deren ethische Normativität.

Amandus2
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Amandus2 »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Der Inhtalt des biblischen Textes bringt uns Christus näher. Die methodisch unsauberen Behauptungen der historisch-kritischen Exegese haben hingegen das Ziel, auch den Inhalt unglaubwürdig zu machen. Wenn man zum Beispiel behauptet, Jesus hätte die Bergpredigt nicht gehalten, dann attackiert man eigentlich deren ethische Normativität.


Meines Wissens gehört gerade die Bergpredigt, jedenfalls der größte Teil von ihr, zu den authentischen Worten Jesu.

Miserere Nobis Domine
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Amandus2 hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Der Inhtalt des biblischen Textes bringt uns Christus näher. Die methodisch unsauberen Behauptungen der historisch-kritischen Exegese haben hingegen das Ziel, auch den Inhalt unglaubwürdig zu machen. Wenn man zum Beispiel behauptet, Jesus hätte die Bergpredigt nicht gehalten, dann attackiert man eigentlich deren ethische Normativität.


Meines Wissens gehört gerade die Bergpredigt, jedenfalls der größte Teil von ihr, zu den authentischen Worten Jesu.
Naja, Ulrich Luz (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Luz) sieht das anders, und sein Werk gilt als historisch-kritischer Standard zum Matthäusevangelium...

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Edi
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Edi »

Amandus2 hat geschrieben:Je mehr wir uns dem ursprünglichen Text nähern, desto größer ist unsere Chance, Jesus besser kennen zu lernen.
Jesus lernt man letzlich nicht durch Bibeltexte kennen, so gut und wertvoll sie auch sein mögen. Man lernt ihn durch IHN selber kennen, indem man IHN geistlich inkorporiert und den heiligen Geist wirken lässt. Das geschieht durch Gebet, Gebet und nochmals Gebet. Die grossen Heiligen kannten dies und die hattem alle keine HKM oder ähnliches.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Amandus2
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Amandus2 »

Edi hat geschrieben:
Amandus2 hat geschrieben:Je mehr wir uns dem ursprünglichen Text nähern, desto größer ist unsere Chance, Jesus besser kennen zu lernen.
Jesus lernt man letzlich nicht durch Bibeltexte kennen, so gut und wertvoll sie auch sein mögen. Man lernt ihn durch IHN selber kennen, indem man IHN geistlich inkorporiert und den heiligen Geist wirken lässt. Das geschieht durch Gebet, Gebet und nochmals Gebet. Die grossen Heiligen kannten dies und die hattem alle keine HKM oder ähnliches.


Wie sollte ein Atheist oder ein Mitglied einer anderen Weltreligion Jesus kennenlernen durch Gebet, Gebet und nochmals Gebet?

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taddeo
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von taddeo »

Loukia hat geschrieben:Ich finde das diese Methode einem Heiligen Text nicht gerecht werden kann. Wer glaubt, die Bibel ist von Gott inspiriert, braucht auch sowas nicht.
Erstens: es gibt nicht "die" historisch-kritische Methode, es mehrere Varianten davon - ungefähr soviele, wie es Bibelwissenschaftler gibt, schätze ich ...

Zweitens: kein katholischer Exeget oder Einleitungswissenschaftler, auch nicht ein "traditioneller", wird die Notwendigkeit bestreiten, an die Texte der Heiligen Schrift nicht nur mit dem Glauben, sondern auch mit wissenschaftlicher Hermeneutik heranzugehen. Das haben die Kirchenväter schon gemacht, ja selbst die Evangelisten.

Von den oben genannten Punkten
2 Die Methodenschritte der historisch-kritischen Methode

* 2.1 Textkritik: Vergleich der Handschriften
* 2.2 Übersetzung aus dem Hebräischen bzw. Griechischen
* 2.3 Textanalyse: Die Struktur des Textes
* 2.4 Redaktionsgeschichte: der Umgang des Autors mit seinen Quellen
* 2.5 Literarkritik: Rekonstruktion der Quellen
* 2.6 Formgeschichte: Bestimmung der Textgattung
* 2.7 Traditionsgeschichte: Die zugrunde liegende mündliche Überlieferung
* 2.8 Begriffs- und Motivgeschichte: wie sich Vorstellungen entwickelten
* 2.9 Religionsgeschichte: Vergleich mit außerbiblischen Texten
sind 2.1 bis 2.7 völlig unstrittig in ihrer wissenschaftlichen Notwendigkeit - in der Theologie genauso wie in jeder anderen Disziplin. Problematisch wird es immer erst mit 2.8 und 2.9, wo den freien Interpretationen Tür und Tor geöffnet sind. Das Problem in der Exegese ist jedoch, daß für viele "Wissenschaftler" schon vor Beginn ihrer "Forschung" festzustehen scheint, was am Ende herauskommen muß - nämlich dieses völlig verkorkste und enthistorisierte Gestalt, die weder mit dem Jesus der Geschichte noch dem Christus des Glaubens etwas gemein hat - und daß sie ihre ganze Arbeit darauf ausrichten, das gewünschte Ergebnis auch zu erreichen.

Das liegt aber wahrlich nicht an der historisch-kritischen Methode, sondern an der ideologischen Verbohrtheit ihrer Anwender. Gegen Dummheit und Böswilligkeit ist auch in der Wissenschaft kein Kraut gewachsen.

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Edi
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Edi »

Amandus2 hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:
Amandus2 hat geschrieben:Je mehr wir uns dem ursprünglichen Text nähern, desto größer ist unsere Chance, Jesus besser kennen zu lernen.
Jesus lernt man letzlich nicht durch Bibeltexte kennen, so gut und wertvoll sie auch sein mögen. Man lernt ihn durch IHN selber kennen, indem man IHN geistlich inkorporiert und den heiligen Geist wirken lässt. Das geschieht durch Gebet, Gebet und nochmals Gebet. Die grossen Heiligen kannten dies und die hattem alle keine HKM oder ähnliches.


Wie sollte ein Atheist oder ein Mitglied einer anderen Weltreligion Jesus kennenlernen durch Gebet, Gebet und nochmals Gebet?
Das hast du falsch verstanden. Ich habe nicht gesagt, dass Kirche samt Bibel nicht nötig wären, sie bieten das Fundament. Ohne den hlg. Geist aber nützt das Fundament auch nichts.
Ausnahmen, auf die man sich natürlich nicht berufen kann und soll, soll es aber gegeben haben, z.B. einen Sundar Singh, der ein Gottsucher war und dem der Herr in einer Vision erschienen ist.
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Bernado
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Bernado »

taddeo hat geschrieben:
Von den oben genannten Punkten
2 Die Methodenschritte der historisch-kritischen Methode

* 2.1 Textkritik: Vergleich der Handschriften
* 2.2 Übersetzung aus dem Hebräischen bzw. Griechischen
* 2.3 Textanalyse: Die Struktur des Textes
* 2.4 Redaktionsgeschichte: der Umgang des Autors mit seinen Quellen
* 2.5 Literarkritik: Rekonstruktion der Quellen
* 2.6 Formgeschichte: Bestimmung der Textgattung
* 2.7 Traditionsgeschichte: Die zugrunde liegende mündliche Überlieferung
* 2.8 Begriffs- und Motivgeschichte: wie sich Vorstellungen entwickelten
* 2.9 Religionsgeschichte: Vergleich mit außerbiblischen Texten
sind 2.1 bis 2.7 völlig unstrittig in ihrer wissenschaftlichen Notwendigkeit - in der Theologie genauso wie in jeder anderen Disziplin. Problematisch wird es immer erst mit 2.8 und 2.9, wo den freien Interpretationen Tür und Tor geöffnet sind. Das Problem in der Exegese ist jedoch, daß für viele "Wissenschaftler" schon vor Beginn ihrer "Forschung" festzustehen scheint, was am Ende herauskommen muß - nämlich dieses völlig verkorkste und enthistorisierte Gestalt, die weder mit dem Jesus der Geschichte noch dem Christus des Glaubens etwas gemein hat - und daß sie ihre ganze Arbeit darauf ausrichten, das gewünschte Ergebnis auch zu erreichen.

Das liegt aber wahrlich nicht an der historisch-kritischen Methode, sondern an der ideologischen Verbohrtheit ihrer Anwender. Gegen Dummheit und Böswilligkeit ist auch in der Wissenschaft kein Kraut gewachsen.
Es ist hilfreich, hier zwischen Methode und Theorie bzw. methodischen Werkzeugen und theoretischen Grundlagen zu unterscheiden. Das ist in der wissenschaftstheorie auch weitgehend unbestritten.

Als methodische Werkzeuge sind alle 9. genannten Punkte geeignet, wenn die darunterliegenden Theorien den Ansprüchen der theologischen Wissenschaften genügen. Viele "Historische Kritiker" gehen aber von theoretischen Grundlagen aus, die letzten Endes nur das bereits enthalten, was sie später aus der Arbeit mit der Methode ableiten wollen. So setzen sie z.B. voraus, daß Gott (sofern es ihn denn gibt) nicht bereit ist, die Naturgesetze punktuell außer Kraft zu setzen. Daraus ergibt sich dann logisch, daß die Wunderberichte der Evangelien legendäre Zusätze sind.

Oder sie setzen voraus, daß die Schriften des NT nicht Ergebnis eines direkten Kommunikationsprozesses (Und das Wort ist Fleisch geworden) Gottes mit den Menschen sind, sondern etwas, was sich die Zeitgenossen und Jünger Jesu aus ihren dramatischen Erfahrungen so zurechtgelegt haben - daraus ergibt sich logisch, daß das "Kerygma" der jungen Kirche zwar nett und fromm ist, aber nicht Gottes Wort.

Jede Methode ist so gut, wie die ihr zugrundegelegten theoretischen Annahmen, denen muß in erster Linie die kritische Aufmerksamkeit gelten. Und diese Grundannahmen sind oft nur sehr mühsam zu erschließen.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Miserere Nobis Domine
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Bernado hat geschrieben:So setzen sie z.B. voraus, daß Gott (sofern es ihn denn gibt) nicht bereit ist, die Naturgesetze punktuell außer Kraft zu setzen. Daraus ergibt sich dann logisch, daß die Wunderberichte der Evangelien legendäre Zusätze sind.
Ich finde bereits die Vorstellung allgemeingültiger Naturgesetze theologisch problematisch. Was wir für "Naturgesetze" halten, ist nichts anderes als eine abgeleitete Theorienbildung aus empirischen Beobachtungen. Diese sind zwar praktisch nutzbar, aber keine Gesetze im eigentliche Sinne, sondern immer nur Modelle. Diese werden dann auch oft durch bessere Modelle ersetzt. So ist zum Beispiel die Newtonsche Mechanik durch Relativitätstheorie in Quantenmechanik überholt; die beiden sind aber untereinander unvereinbar...

Ich würde also gerade nicht sagen, dass es Naturgesetze gibt, die allgemein gelten, ausser wenn Gott sie ausser Kraft setzt, sondern dass Gott immer in der Welt wirkt. Aus diesem Wirken lassen sich in bestimmten Bereichen allgemeine Theorien ableiten, die aber immer falsifizierbar sein müssen. Für Handlungen, in denen Gott seine Majestät zum Ausdruck bringt, sind solche Systematisierungen unmöglich.

Was im Deutschen oft als "Wunder" wiedergegeben wird, wird im biblischen Griechisch oft mit den Worten δύναμις, σημεῖον und τέρας beschrieben. Wunder sind also nicht punktuelle Durchbrechungen der Naturgesetze, sondern Handlungen und Ereignisse, in denen Gott auf besondere Weise deutlich macht, dass er es ist, der in der Welt wirkt.

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Bernado
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Bernado »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben: Ich würde also gerade nicht sagen, dass es Naturgesetze gibt, die allgemein gelten, ausser wenn Gott sie ausser Kraft setzt, sondern dass Gott immer in der Welt wirkt. Aus diesem Wirken lassen sich in bestimmten Bereichen allgemeine Theorien ableiten, die aber immer falsifizierbar sein müssen. Für Handlungen, in denen Gott seine Majestät zum Ausdruck bringt, sind solche Systematisierungen unmöglich.
In einer Diskussion über "Naturgesetze" könnten wir uns auf dieser Basis vermutlich sehr leicht einigen. Aber wenn wir schon die Verfahren der HKM im 20 Zeilen abtun, bleiben für den Begriff der Naturgesetze halt nur noch 2 Zeilen übrig.
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Loukia
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Loukia »

taddeo hat geschrieben:
Loukia hat geschrieben:Ich finde das diese Methode einem Heiligen Text nicht gerecht werden kann. Wer glaubt, die Bibel ist von Gott inspiriert, braucht auch sowas nicht.
Erstens: es gibt nicht "die" historisch-kritische Methode, es mehrere Varianten davon - ungefähr soviele, wie es Bibelwissenschaftler gibt, schätze ich ...

Zweitens: kein katholischer Exeget oder Einleitungswissenschaftler, auch nicht ein "traditioneller", wird die Notwendigkeit bestreiten, an die Texte der Heiligen Schrift nicht nur mit dem Glauben, sondern auch mit wissenschaftlicher Hermeneutik heranzugehen. Das haben die Kirchenväter schon gemacht, ja selbst die Evangelisten.

Von den oben genannten Punkten
Meistens wenn man hört "historisch-kritische Methode" soll irgendein Textteil der Bibel für falsch erklärt werden oder man will seine Unglaubwürdigkeit beweisen dadurch, das man rausstellt, das er gar nicht von dem angegeben Autor sei etc... Wenn man schon meint, mit Wissenschaft daran zu gehen, dann aber bitte nicht ohne Glauben, da kommen sicher nur Hässlichkeiten raus.
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TillSchilling

Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von TillSchilling »

Edi hat geschrieben: Jesus lernt man letzlich nicht durch Bibeltexte kennen, so gut und wertvoll sie auch sein mögen. Man lernt ihn durch IHN selber kennen, indem man IHN geistlich inkorporiert und den heiligen Geist wirken lässt.
:hmm: :hae?: Verstehe ich nicht. Was erkennt man dann? Und wie? Durch innere Stimmen oder sowas?

Christus lernen wir natürlich durch die Schrift kennen. Welche durch das Mittel unseres uns von Gott gegebenen Verstandes uns erkennen lässt wer Christus war und ist und was er als Retter und Heiland getan hat. Darüberhinaus spricht die Schrift als lebendiges Wort Gottes natürlich auch unser Herz an und entzündet, soweit sie Evangelium ist, den Glauben, das Vertrauen in unserem Herzen. So lässt sie uns Christus erkennen und der wohnt dann - wie die Schrift sagt - durch den Glauben in unserem Herzen. Beten kann nur wer vom heiligen Geist durch das Wort zum Glauben gebracht wurde, sprich ein Christ. Nichtchristen beten nicht. Sieh halten religiöse Übungen ab.

Den heiligen Geist lässt man wirken, in dem man Gottes Wort liest.

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Clemens
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Clemens »

Um auf das Beispiel mit der Bergpredigt zurückzukommen:

Wenn ich die verschiedenen Fassungen der Bergpredigt, bzw. der darin enthaltenen Paränesen miteinander vergleiche, komme ich zu dem Schluss, dass die wunderbar komponierte Matthäus-Version nicht das ursprüngliche Redemanuskript (BTW: hat da jemand mitstenographiert?) war, sondern eine mit viel Bedacht von Matthäus zusammengestellte Sammlung von Jesus-Worten darstellt.
Wer sie deshalb als minderwertig oder weniger beachtenswert einstuft, hat m.E. nicht viel von Theologie und Glaube begriffen.

Oder will im Ernst jemand behaupten, dass einige Jahre nach Pfingsten Matthäus vom Heiligen Geist wortwörtlich die damalige Rede Jesu nochmal diktiert bekam, oder er sie vielleicht sogar noch auswendig wusste?
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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Edi
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Edi »

TillSchilling hat geschrieben:
Edi hat geschrieben: Jesus lernt man letzlich nicht durch Bibeltexte kennen, so gut und wertvoll sie auch sein mögen. Man lernt ihn durch IHN selber kennen, indem man IHN geistlich inkorporiert und den heiligen Geist wirken lässt.
:hmm: :hae?: Verstehe ich nicht. Was erkennt man dann? Und wie? Durch innere Stimmen oder sowas?

Christus lernen wir natürlich durch die Schrift kennen. Welche durch das Mittel unseres uns von Gott gegebenen Verstandes uns erkennen lässt wer Christus war und ist und was er als Retter und Heiland getan hat. Darüberhinaus spricht die Schrift als lebendiges Wort Gottes natürlich auch unser Herz an und entzündet, soweit sie Evangelium ist, den Glauben, das Vertrauen in unserem Herzen. So lässt sie uns Christus erkennen und der wohnt dann - wie die Schrift sagt - durch den Glauben in unserem Herzen. Beten kann nur wer vom heiligen Geist durch das Wort zum Glauben gebracht wurde, sprich ein Christ. Nichtchristen beten nicht. Sieh halten religiöse Übungen ab.

Den heiligen Geist lässt man wirken, in dem man Gottes Wort liest.
Das alles bestreitet ja niemand, nur kann und muss man mit Jesus auch direkt sprechen, was wichtiger als nur Lesen ist. Ohne ihn ist auch die Schrift zu nichts nütze. Schrift lesen führt nicht automatisch zum Glauben. Da müssten ja viele Theologen, die sich hauptberuflich mit der Schrift befassen, die gläubigsten Menschen sein. Es muss also schon noch mehr dazu kommen.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
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der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Clemens - Warum soll Jesus nicht die wichtigsten seiner Worte in einer Rede an einem Berg gemeinsam vorgetragen haben? Ich kann mir auch gut vorstellen, dass Jesus dieselbe Rede sinngemäss zu anderen Gelegenheiten wiederholte, und sie sich darum ins Gedächtnis des Matthäus einprägt hat.

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Clemens
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Clemens »

Freilich - aber dann müsste Matthäus das Redemanuskript vorgelegen haben.
Man weiß ja, dass damals die Memorierfähigkeiten allgemein viel besser waren, als heute.
Man weiß auch, dass Jesus - wie andere Lehrer seiner Zeit - wahrscheinlich seinen Jüngern gegenüber manche Logien so formulierte und immer wieder wiederholte, bis sie saßen.

Wenn man unbedingt will, kann man sich natürlich vorstellen, dass Jesus die Bergpredigt wörtlich genau so gehalten hat.
Aber warum sollte man?

Dass mit literarischem Gestaltungswillen und -fähigkeiten seitens der Evangelisten gerechnet werden muss, sieht man doch, wenn man die Geschichten der Evangelien miteinander vergleicht:
- 2 Tempelreinigungen? Eine am Anfang, eine am Schluss von Jesu Wirksamkeit?
- jeweils verschiedene Ereignisse, wenn die Evangelien Heilungen oder Speisungswunder mit differierenden Details berichten?
- 1 Jahr oder 3 Jahre öffentliche Wirksamkeit Jesu?
- Behauptung, dass der Heilige Geist jedem der Evangelisten gesondert zum Teil wörtlich dasselbe diktierte und zum Teil leicht differierendes, oder Anerkennung der offensichtlichen Tatsache, dass die Evangelisten in unterschiedlicher Weise unterschiedliche Quellen verwendet haben?
- usw.
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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overkott
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von overkott »

Loukia hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
Loukia hat geschrieben:Ich finde das diese Methode einem Heiligen Text nicht gerecht werden kann. Wer glaubt, die Bibel ist von Gott inspiriert, braucht auch sowas nicht.
Erstens: es gibt nicht "die" historisch-kritische Methode, es mehrere Varianten davon - ungefähr soviele, wie es Bibelwissenschaftler gibt, schätze ich ...

Zweitens: kein katholischer Exeget oder Einleitungswissenschaftler, auch nicht ein "traditioneller", wird die Notwendigkeit bestreiten, an die Texte der Heiligen Schrift nicht nur mit dem Glauben, sondern auch mit wissenschaftlicher Hermeneutik heranzugehen. Das haben die Kirchenväter schon gemacht, ja selbst die Evangelisten.

Von den oben genannten Punkten
Meistens wenn man hört "historisch-kritische Methode" soll irgendein Textteil der Bibel für falsch erklärt werden oder man will seine Unglaubwürdigkeit beweisen dadurch, das man rausstellt, das er gar nicht von dem angegeben Autor sei etc... Wenn man schon meint, mit Wissenschaft daran zu gehen, dann aber bitte nicht ohne Glauben, da kommen sicher nur Hässlichkeiten raus.
Manche verwechseln Glauben mit Buchstabentreue. Das ist sicher ein guter Einstieg. Denn wer sich damit auf die Evangelien einlässt, wird feststellen, dass er damit allein nicht weiterkommt. Wenn er dann aber den Satz wörtlich nimmt, dass der Geist lebendig macht, und diesen Gedanken auch versteht, dann fällt es ihm wie Schuppen von den Augen und er ist im Licht. So heilt Jesus auch heute noch viele Blinde.

Amandus2
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Amandus2 »

overkott hat geschrieben:
Loukia hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
Loukia hat geschrieben:Ich finde das diese Methode einem Heiligen Text nicht gerecht werden kann. Wer glaubt, die Bibel ist von Gott inspiriert, braucht auch sowas nicht.
Erstens: es gibt nicht "die" historisch-kritische Methode, es mehrere Varianten davon - ungefähr soviele, wie es Bibelwissenschaftler gibt, schätze ich ...

Zweitens: kein katholischer Exeget oder Einleitungswissenschaftler, auch nicht ein "traditioneller", wird die Notwendigkeit bestreiten, an die Texte der Heiligen Schrift nicht nur mit dem Glauben, sondern auch mit wissenschaftlicher Hermeneutik heranzugehen. Das haben die Kirchenväter schon gemacht, ja selbst die Evangelisten.

Von den oben genannten Punkten
Meistens wenn man hört "historisch-kritische Methode" soll irgendein Textteil der Bibel für falsch erklärt werden oder man will seine Unglaubwürdigkeit beweisen dadurch, das man rausstellt, das er gar nicht von dem angegeben Autor sei etc... Wenn man schon meint, mit Wissenschaft daran zu gehen, dann aber bitte nicht ohne Glauben, da kommen sicher nur Hässlichkeiten raus.
Manche verwechseln Glauben mit Buchstabentreue. Das ist sicher ein guter Einstieg. Denn wer sich damit auf die Evangelien einlässt, wird feststellen, dass er damit allein nicht weiterkommt. Wenn er dann aber den Satz wörtlich nimmt, dass der Geist lebendig macht, und diesen Gedanken auch versteht, dem fällt es wie Schuppen von den Augen und er ist im Licht.


Ja, so ist es!

TillSchilling

Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von TillSchilling »

Interessant wer sich alles auf den Geist beruft. Und den vom Wort trennen möchte.

Ich bleibe Fundamentalist. Da habe ich wenigstens ein Fundament.

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overkott
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von overkott »

Bonaventura zählte zu seinen Freunden Vernünftige, Schafe und Fundamentalisten. Denn auch ein geistig Armer, der die Nächstenliebe lebt, erfüllt das Gesetz.

Amandus2
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Amandus2 »

TillSchilling hat geschrieben:Interessant wer sich alles auf den Geist beruft. Und den vom Wort trennen möchte.

Ich bleibe Fundamentalist. Da habe ich wenigstens ein Fundament.


Ja, ja, Lutheraner ist Fundamentalist und der Hase ein Wiederkäuer (3 Mose, 11,6)

TillSchilling

Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von TillSchilling »

overkott hat geschrieben:Denn auch ein geistig Armer, der die Nächstenliebe lebt, erfüllt das Gesetz.
Das Gesetz, overkott, erfüllt niemand. Kein geistig Armer, kein Bonaventura, niemand. Nur Christus hat das Gesetz erfüllt.

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overkott
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von overkott »

TillSchilling hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Denn auch ein geistig Armer, der die Nächstenliebe lebt, erfüllt das Gesetz.
Das Gesetz, overkott, erfüllt niemand. Kein geistig Armer, kein Bonaventura, niemand. Nur Christus hat das Gesetz erfüllt.
Da äußerst du aber apokryphes Sondergut.

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Clemens
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Clemens »

Du nennst Paulus apokryph??

Bist du Jude???
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Clemens hat geschrieben:Freilich - aber dann müsste Matthäus das Redemanuskript vorgelegen haben.
Man weiß ja, dass damals die Memorierfähigkeiten allgemein viel besser waren, als heute.
Ich gehe davon aus, dass Jesus die Bergpredigt zumindest sinngemäss so gehalten hat, und zwar nicht nur die Teile, sondern als Gesamtzusammenhang. Vermutlich hat er auch die Gesamtrede an anderen Orten sinngemäss identisch wiederholt. Sie zu halten, dauert übrigens ca. 5-10 Minuten, da ist es nicht schwer vorzustellen, dass Matthäus diese Rede im Gedächtnis geblieben ist und er sie niedergeschrieben hat. (Wohlgemerkt sinngemäss, es kommt nicht auf jeden einzelnen Buchstaben an.)
Behauptung, dass der Heilige Geist jedem der Evangelisten gesondert zum Teil wörtlich dasselbe diktierte und zum Teil leicht differierendes, oder Anerkennung der offensichtlichen Tatsache, dass die Evangelisten in unterschiedlicher Weise unterschiedliche Quellen verwendet haben?
Wieso sollen sie "Quellen verwendet" haben? Ich gehe davon aus, dass sie als einzige schriftliche Quelle andere Evangelien verwendet haben, also Markus schrieb das erste, Matthäus hatte das Markusevangelium vorliegen und verwendete es, nahm aber aufgrund eigener Erfahrungen Änderungen und Ergänzungen vor (er war ja im Gegensatz zu Markus viel öfter selbst dabei). Lukas hatte dann Markus- und Matthäusevangelium vorliegen und formulierte darauf aufbauend sein Evangelium.

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overkott
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von overkott »

Clemens hat geschrieben:Du nennst Paulus apokryph??

Bist du Jude???
Paulus hat sich so einseitig nicht geäußert. Die Verkürzung muss eine apokryphe Lesart sein.

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Clemens
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Re: Historisch-kritische Methoden - Wozu?

Beitrag von Clemens »

@ MND:

Diese Nicht-Quellen-Theorie greift m.E. viel zu kurz.
Aber auch die klassische 2-Quellen-Theorie bewährt sich nicht an jedem Evangelientext - es ist viel komplizierter und mit einer größeren Zahl von Quellen zu rechnen.

Schau mal Lk.1,1-3 an!

Die Bibel ist nun mal kein Al-Quran und die Versuche, sie zu verstehen, als wäre sie es doch, führen in die Irre.
Nicht so sehr den einfachen laienhaften Bibelleser - ihm dürfen die Erkenntnisse der HKM (hist.-krit.Methode) in den allermeisten Fällen mit Recht schlicht egal sein. Aber der Theologe sollte es doch wagen, eventuelle Scheuklappen abzunehmen und die (mutmaßliche) Entstehungsgeschichte der Bibel und auch die Unhistorizität mancher biblischer Angaben anzuerkennen.

Davon geht nicht der Glaube verloren, nur der Fundamentalismus wird dabei nass.
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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