ad-fontes hat geschrieben:
Die Ostkirche hat eine stärkere pneutmatologische Akzentsetzung, während die Westkirche eine mehr christologische Ausrichtung hat, die beispielsweise in Luthers
theologia crucis seinen Ausdruck findet, oder eben in der Fokussierung auf den Einsetzungsbericht samt Deuteworten.
Ich denke, es gibt ein legitimes und vollgenügsames westkirchliches Eucharistiegebet: das römische. Aber wir streiten hier nicht zuletzt innerwestkirchlich um seine rechte Interpretation (
iustinische vs. kilianische Lesart, sozusagen

).
Weitgehende zustimmung. Und nun geht es auf die Spitze:
ad-fontes hat geschrieben:Wie, wann und wodurch vollzieht sich nun die hl. Wandlung?
Ich habe zu Anfang dieser Diskussion schon einmal gesagt, daß diese Frage dem ersten Jahrtausend fremd war und einer modernen Einstellung entspringt - wobei diese Moderne freilich schon mit dem Scholastikern einsetzt.
Ich möchte das mit einer mäßig geschmackvollen Anekdote (die auch einige Unwahrschenlichkeiten enthält) unterstreichen.
Beim Erntedankfest in der Kleinstadtkirche liegen um und auf dem Altar alle möglichen Lebensmittel, die vor Beginn der Opfermesse beiseitegeräumt werden. Unmittelbar vor der Wandlung sieht eine Nonne (ich denke, die Geschichte spielt in vorkonziliaren Zeiten mit Kanontafeln und so), daß ein Weißbrot auf dem Altar liegen geblieben ist. Sie sprintet zum Altar, um das Brot vor der Konsekration zu bergen - aber zu spät. In Tränen aufgelöst macht sie den Priester nach der Messe auf das große Ungeschick aufmerksam. Der überlegt aber nur ganz kurz und sagt dann ganz entspannt: "Wenn unser Herr dort hineingekommen ist, dann weiß er auch, wie er wieder herauskommt".
Das kann man als gotteslästerlich lesen, aber da steckt auch Weisheit drin. Es ist freilich die Weisheit des hl. Franziskus und nicht des hl. Dominikus, die doch beide heilig geworden sind.
Hier diskutiert nur Dominikus mit Dominikus, am Ende haben wir auch Dominikanern die "de defectibus" und ähnliche opera zu verdanken, die von ihrem ganzen Denkansatz auf eine Zergliederung und restlose Analyse eines Geschehens gerichtet sind, das sich letztlich unserem Verstehen entzieht. (Das hat immerhin der stumme Ochse noch gewußt, wenn er dichtete "Praestet fides supplementum Sensuum defectui.")
Soll heißen: Die Frage ist verständlich, aber nicht wirklich sinnvoll. Genausogut könnte man fragen, in welchen Atomen und Molekülen sich denn jetzt die Wesensverwandlung des Brotes in den Leib Christi konkretisiert. Das ist nicht die Ebene, auf der die "actio canonis" stattfindet.
Zum Teil nimmt die Diskussion hier sogar bugninihafte Züge an: Das Geheimnis soll dem modernen Geist wenn nicht verständlicher, dann doch zumindest akzeptabler gemacht werden. Einer der übelsten Eingriffe der Reformer in die organisch gewachsene römische Liturgie war ja die Ersetzung (geplant war ersatzlose Abschaffung) der altehrtwürdigen Offertoriumsgebete. Und warum sollten die getilgt werden? Weil sie stellenweise so klingen, als ob bereits die verwandelten Gaben auf dem Altar lägen: "Heilige Dreifaltigkeit, nimm diese Opfergabe an, die wir Dir darbringen zum Andenken an das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt unsres Hern Jesus Christus...".
War die Kirche 2000 Jahre lang zu blöd, um das zu bemerken? Bugnini und Co. haben genau das angenommen und gingen mit ihrer ingenieurmäßigen Denke (darin den verachteten Scholastikern gar nicht so unähnlich) daran, den "Fehler" zu reparieren.
If it ain't broken don't fix it. Hätten sie sich nur dran gehalten.
Wir sprechen doch so gerne - und mit vollem Recht - davon, daß der Priester/die Kirche in der hl. Messe das Erlösungsopfer nicht wiederholt und ein weiteres Mal stattfinden läßt, sondern "erneuert" oder besser noch "gegenwärtig setzt". D. h., wir muten uns die Vorstellung zu, daß hier in einer Art "time warp" 2000 Jahre überbrückt werden und das, was damals an dem fernen Ort geschah, jetzt (und gleichzeitig überall) in anderer Zeit und an anderen Orten gegenwärtig wird. Es ist "ein Geschehen außerhalb der Zeit auf einer Ebene, in der sich Zeit und Ewigkeit berühren" rationalisieren wir das dann. Sehr wahrscheinlich richtig. Aber sollte diese Ebene dann nicht Raum genug bieten, um auch die wesentlichen Worte und Handlungen des Priesters, um diese kleinen 10 Minuten des Kanons (wie formuliert und wie strukturiert auch immer) mit in die Außerzeitlichkeit mit hereinzunehmen, die doch die Jahrtausende zusammenfließen läßt?
Das Wesentliche sind doch nicht die Worte des Priesters per se - das wäre magisches Weltbild. Das wesentliche ist das Handeln der Kirche(n), die im Auftrag Christi agieren - und dazu den Priestern freilich in Ausübung der ihnen übertragenen Vollmacht auch bestimmte (aber nicht überall gleiche!) Worte und Abfolgen vorgeschrieben haben. Wenn dieses Handeln der Kirche und ihrer Priester (also beidemale letztlich Christi selbst) "rite" erfolgen - dann findet die Wandlung statt, irgendwo zwischen Golgotha und Wanne Eickel, zwischen dem Jahr 30 und dem Jahr 2010 und an einem Ort, an dem die Cherubim und die Serephim, die Thronen und Mächte sich staunend versammelt haben.
Dem war Bugnini nicht gewachsen. Aber müssen wir uns deshalb auf seine Ebene begeben?
Das Motiv, das uns bzw. die Rubrizisten dazu geführt hat, den Zeitpunkt der Konsekration(en) exakt bestimmen zu wollen, war (neben Erkenntnisdrang) auch Regulierungswahn: nämlich die Absicht, bestimmen zu können und zu müssen, wie zu verfahren ist, wenn den Priester in der heiligen Handlung der Schlag oder der Meucheldoch trifft. Liegt denn nicht das Leben dieses Priesters wie das eines jeden von uns in Gottes Hand? Wird nicht Christus, wenn er "dort hereingekommen ist, wissen, wie er wieder herauskommt"? Für diejenigen aber, die ein so unwahrscheinliches (aber dennoch auch realiter schon vorgekommenes) Ereignis erleben, bedarf es dann keiner Rubriken, um sich "richtig" zu verhalten. Ehrfurcht vor dem Geschehen des Todes und Ehrfurcht vor dem Geheimnis des so bestürzend unterbrochenen eucharistischen Opfers sollten genügen, um "richtiges" Verhalten sicherzustellen. Die restlichen 98% übernimmt dann schon, wie sonst auch, Christus selbst. Oder auch 100, wenn es sein soll.
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Ich bin ein großer Freund der Rubriken und sehe in ihrer Abschaffung/gewohnheitsmäßigen Geringschätzung eine Hauptquelle der gegenwärtigen Krise. Aber die Frage nach dem exakten Zeitpunkt der Konsekration, das sehe ich jetzt immer deutlicher, führt auf ein rubrizistisches Gleis, das in die falsche Richtung geht.