Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Stephen Dedalus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Stephen Dedalus »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Summa: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Hochgebet auf die Einsetzungsworte verzichten könnte. Wer aufgrund der vorliegenden Texte so schlussfolgert, der denkt meiner Meinung nach sehr "protestantisch" in Sinne eines besserwisserischen "Ad fontes", das einen vermeintlichen "Urtext" gefunden zu haben meint.
Mich würde interessieren, was Du umgekehrt von der lutherischen Praxis denkst, das Hochgebet auf die Einsetzungsworte zu reduzieren?
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iustus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von iustus »

Bernado hat geschrieben:Die Rubriken des alten Missales, in denen - vermutlich aus begründeter Erfahrung - wirklich an alles gedacht ist, schreiben in De Defectibus X:
Wenn ein Priester während der Konsekration des Leibes stirbt, kommt keine Konsekration zustande, und die Messe kann abgebrochen werden. Stirbt er während der Konsekration des Blutes, ist die Messe mit diesem oder einem anderen Kelch fortzusetzen und zwar ab den Worten "Simili modo postquam coenatum est...
Das heißt, die Konsekration kommt danach erst mit dem Abschluß der Einsetzungsworte über den Kelch zustande.
Aber nur die Konsekration DES BLUTES kommt mit dem Abschluss der Einsetzungsworte über den Kelch zustande, die des Leibes ist ja mit dem Abschluss der Einsetzungsworte über das Brot schon erfolgt.

Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Stephen Dedalus hat geschrieben:...Mich würde interessieren, was Du umgekehrt von der lutherischen Praxis denkst, das Hochgebet auf die Einsetzungsworte zu reduzieren?
Es ist zwar nicht schön, d.h. nicht sachgemäß, aber es wäre sozusagen ein äußerstes Minimum. Wobei sogar die lutherischen Kirchen, die so verfahren haben, immer mehr von dieser Form abkommen. Sogar solche, deren Gottesdienstform der oberdeutsche Predigtgottesdienst mit Abendmahl ist, bieten in ihren Agenden inzwischen ein lobpreisendes Abendmahlsgebet an, das vor den Einsetzungsworten gesprochen werden kann. Wobei in allen lutherischen Kirchen meines Wissens immer auch die Form der Messe als vollwertige Form in der Agende stand. Nur dass sie teilweise eben von der oberdeutschen Form verdrängt wurde. Schade...

Trotz allem: Wenn die Einsetzungsworte vom Priester segnend über Brot und Wein gesprochen werden, ist die Konsekration wirksam vollzogen. Nicht schön ist es, da der Abendmahlsgottesdienst ja "Eucharistie" sein soll. Deshalb sollten die Einsetzungsworte in ein Eucharistiegebet, also ein Gott für seine Heilstaten preisendes Gebet eingebettet sein ("Wahrhaft würdig und recht ist es, dass wir dich, ewiger Gott, immer und überall loben und dir danken..."), dessen Höhepunkt die Verba Testamenti sind. Zudem sollte auch die Epiklese, also die Bitte um das Herabsenden des Heiligen Geistes, um die Gaben zu wandeln, hinzukommen. Da die Einsetzungsworte aber die Wandlung vollziehen, sollte die Gabenepiklese von der Sache her vor den Einsetzungsworten gebetet werden. So ist es ja auch im römischen Formular vorgesehen. In der Ostkirche folgt die Epiklese ja den Verba Testamenti nach, was von ihrem anderen Ansatz her ja auch schlüssig ist.

Stephen Dedalus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Stephen Dedalus »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Zudem sollte auch die Epiklese, also die Bitte um das Herabsenden des Heiligen Geistes, um die Gaben zu wandeln, hinzukommen. Da die Einsetzungsworte aber die Wandlung vollziehen, sollte die Gabenepiklese von der Sache her vor den Einsetzungsworten gebetet werden.
Praktizierst Du das so? Gibt es in der lutherischen Agende eine Gabenepiklese? Ich frage das deshalb, weil dies der lutherischen theologischen Tradition eigentlich fremd ist. Das eucharistische Geschehen ist für die lutherischen Bekenntnisschriften doch streng christologisch, d.h. Christus schenkt seine Gegenwart selbst, es findet keine wie auch immer geartete "Wandlung" durch den Hl. Geist statt.
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Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Zudem sollte auch die Epiklese, also die Bitte um das Herabsenden des Heiligen Geistes, um die Gaben zu wandeln, hinzukommen. Da die Einsetzungsworte aber die Wandlung vollziehen, sollte die Gabenepiklese von der Sache her vor den Einsetzungsworten gebetet werden.
Praktizierst Du das so? Gibt es in der lutherischen Agende eine Gabenepiklese? Ich frage das deshalb, weil dies der lutherischen theologischen Tradition eigentlich fremd ist. Das eucharistische Geschehen ist für die lutherischen Bekenntnisschriften doch streng christologisch, d.h. Christus schenkt seine Gegenwart selbst, es findet keine wie auch immer geartete "Wandlung" durch den Hl. Geist statt.
Wandlung/Gabenepiklese: Der Begriff der Wandlung kommt in positiver Aufnahme in der CA vor. Und in der lutherischen Agende gibt es Eucharistiegebete mit Gabenepiklese. Besonders Peter Brunner, ein für die Liturgiediskussion im 20. Jahrhundert wichtiger lutherischer Theologe in Deutschland, hat sich, wenn ich mich Recht erinnere, für die Gabenepiklese stark gemacht. Er hat damals in der Buchreihe "Leiturgia" einen großen Artikel über den Gottesdienst geschrieben.

Christologisch: Die lutherische Tradition denkt bei aller Christozentrik doch immer auch trinitarisch. Das ist kein Gegensatz.
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Sonntag 17. Januar 2010, 09:13, insgesamt 1-mal geändert.

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Bernado
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

iustus hat geschrieben: Aber nur die Konsekration DES BLUTES kommt mit dem Abschluss der Einsetzungsworte über den Kelch zustande, die des Leibes ist ja mit dem Abschluss der Einsetzungsworte über das Brot schon erfolgt.
Nein. Soweit ich die Stelle verstehe, kommt dann auch die des Brotes nicht zustande. Ich poste später mal den entsprechenden Text.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Bernado
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:...Mich würde interessieren, was Du umgekehrt von der lutherischen Praxis denkst, das Hochgebet auf die Einsetzungsworte zu reduzieren?
Es ist zwar nicht schön, d.h. nicht sachgemäß, aber es wäre sozusagen ein äußerstes Minimum. Wobei sogar die lutherischen Kirchen, die so verfahren haben, immer mehr von dieser Form abkommen.
Solche extrem verkürzten Messen sind während der Weltkriege auch von katholischen Priestern vorgenommen worden, z.B. um sterbenden Kameraden das Viatikum reichen zu können. Auf eine rechtliche Würdigung dieses "Mißbrauchs" haben m. W. alle beteiligten bzw. informierten Seiten verzichtet.
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Stephen Dedalus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Stephen Dedalus »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Zudem sollte auch die Epiklese, also die Bitte um das Herabsenden des Heiligen Geistes, um die Gaben zu wandeln, hinzukommen. Da die Einsetzungsworte aber die Wandlung vollziehen, sollte die Gabenepiklese von der Sache her vor den Einsetzungsworten gebetet werden.
Praktizierst Du das so? Gibt es in der lutherischen Agende eine Gabenepiklese? Ich frage das deshalb, weil dies der lutherischen theologischen Tradition eigentlich fremd ist. Das eucharistische Geschehen ist für die lutherischen Bekenntnisschriften doch streng christologisch, d.h. Christus schenkt seine Gegenwart selbst, es findet keine wie auch immer geartete "Wandlung" durch den Hl. Geist statt.
Wandlung/Gabenepiklese: Der Begriff der Wandlung kommt in positiver Aufnahme in der CA vor. Und in der lutherischen Agende gibt es Eucharistiegebete mit Gabenepiklese. Besonders Peter Brunner, ein für die Liturgiediskussion im 20. Jahrhundert wichtiger lutherischer Theologe in Deutschland, hat sich, wenn ich mich Recht erinnere, für die Gabenepiklese stark gemacht. Er hat damals in der Buchreihe "Leiturgia" einen großen Artikel über den Gottesdienst geschrieben.

Christologisch: Die lutherische Tradition denkt bei aller Christozentrik doch immer auch trinitarisch. Das ist kein Gegensatz.
Nutzer "Marcus" (Mitglied der SELK) hatte hier in einem anderen Strang geschrieben:
Nach der Konkordienformel kommen der wahre Leib und das wahr Blut Christi zu den Elementen Brot und Wein dazu und verbinden sich mit diesen zur sakramentalen Einheit. Die Realpräsenz wird dabei nach ev.-luth. Lehre durch die Konsekrationsworte bewirkt, so dass eine Epiklese auch nicht gebetet werden braucht. Wo dies der Fall ist, ist sie so formuliert, dass sie nicht als Gaben-, sondern als Personenepiklese gebetet wird. D.h., der Hl. Geist wird angerufen, auf dass die Kommunizierenden die Kommunion würdig empfangen.
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Kilianus
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Re: Re:

Beitrag von Kilianus »

iustus hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
iustus hat geschrieben: Es ist wie beim Sterben: Entweder ich lebe oder ich bin tot. Beides zusammen geht nicht. Weil beides zusammen nicht geht, kann ich auch nur in einem einzigen Moment vom Leben zum Tode übergehen.

Vor diesem Moment lebe ich, nach diesem Moment bin ich tot.
Sterben kann auch ein gestreckter Moment sein, aber ab einem bestimmten Moment ist man definitiv tot.

Also, ab wann ist die Wandlung definitiv abgeschlossen? Nach den Herrenworten, nach der Epiklese oder nach dem Amen?
Nach dem Wort "Leib" und nach dem Wort "Blut".
Wenn das so ist, dann sollte man den römischen Meßkanon tatsächlich noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen.

Kilianus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Kilianus »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Zeitpunkt der Wandlung: Nach altem Brauch macht der Priester nach der Konsekration des Brotes eine Kniebeute und nach der Konsekration des Kelches eine weiere Kniebeuge. Hierdurch kommt eindeutig zum Ausdruck, dass jetzt (als konkretes Geschehen) etwas stattgefunden hat. Ebenso macht er jeweis nach den einzelnen Konsekrationen eine Elevation, sicher auch, damit die Gemeinde den jetzt im Brot bzw. dann im Kelch gegenwärtigen Christus anbeten kann. (Andererseits würde wahrscheinlich die Orthodoxe Kirche, die hier ja nicht mitgeht, darauf hinweisen, dass die Ikonostase auch den Sinn hat, uns und unserem spekulativen Denken dieses Geheimnis zu entziehen. Und der Lettner hatte sicher eben denselben Sinn.)
Elevation und Kniebeuge gibt es erst seit dem 13. Jahrhundert. Wer sich auf die Tradition beruft, sollte deshalb auch einen Blick in den römischen Meßkanon werfen. Wie schon mehrfach erwähnt: Dessen Text erlaubt es nicht, den "Moment" der Konsekration auf die Herrenworte zu beschränken.

Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Kilianus hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Zeitpunkt der Wandlung: Nach altem Brauch macht der Priester nach der Konsekration des Brotes eine Kniebeute und nach der Konsekration des Kelches eine weiere Kniebeuge. Hierdurch kommt eindeutig zum Ausdruck, dass jetzt (als konkretes Geschehen) etwas stattgefunden hat. Ebenso macht er jeweis nach den einzelnen Konsekrationen eine Elevation, sicher auch, damit die Gemeinde den jetzt im Brot bzw. dann im Kelch gegenwärtigen Christus anbeten kann. (Andererseits würde wahrscheinlich die Orthodoxe Kirche, die hier ja nicht mitgeht, darauf hinweisen, dass die Ikonostase auch den Sinn hat, uns und unserem spekulativen Denken dieses Geheimnis zu entziehen. Und der Lettner hatte sicher eben denselben Sinn.)
Elevation und Kniebeuge gibt es erst seit dem 13. Jahrhundert. Wer sich auf die Tradition beruft, sollte deshalb auch einen Blick in den römischen Meßkanon werfen. Wie schon mehrfach erwähnt: Dessen Text erlaubt es nicht, den "Moment" der Konsekration auf die Herrenworte zu beschränken.
Dann dürfte die Kniebeuge erst nach dem Amen gemacht werden. Ansonsten wäre sie zumindest unsachgemäß, wenn nicht sogar Götzendienst, da hier ja der im Brot bzw. im Wein gegenwärtige Christus angebetet wird. Dasselbe gilt für die Elevation. Dass die Kniebeuge erst 700 Jahre alt ist, spricht nicht gegen die Wandlung durch die Verba Testamenti.

Eine Epiklese vor den Verba Testamenti ist meiner Meinung nach durchaus sachgemäß: In der Epiklese wird um das gebetet, was dann beim Sprechen der Verba Testamenti erfüllt wird. So sieht es auch der lutherische Theologe Peter Brunner (der in der SELK in sehr hohem Ansehen steht). Und so ist es auch in die lutherischen Agenden bei den entsprechenden Eucharistiegebeten mit Gabenepiklese eingegangen. Wobei genaugenommen dort gebetet wird: "Sende deinen Geist auf diese Gaben und auf uns, damit wir in ihnen Anteil bekommen..." Luther selber hat übrigens versuchsweise das Vaterunser als Epiklese vor die Verba Testamenti gesetzt. Seine Intention: "Dein Reich komme, indem jetzt dein Heiliger Geist auf die Gaben herabkomme und sie Leib und Blut Christi werden. Dein Wille geschehe, indem jetzt das Testament Jesu Christi vollzogen werden soll." Das ist interessant, aber natürlich auch problematisch, weil ein Bruch mit der Tradition.

Jedenfalls stellt die Konkordienformel (VII,39) Justin den Märtyrer zitierend fest, dass die Gaben "durchs Wort und Gebet" von Chrisuts selbst durch den Mund des Priesters "gesegnet" werden. Mit Wort meint die SD die Abendmahlsworte. Mit Gebet? Wohl das Vaterunser (s.o.) oder eine Epiklese oder einfach die Tatsache, dass die Verba in das Eucharistiegebet integriert sind. Das ist da nicht näher ausgeführt.
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Sonntag 17. Januar 2010, 11:57, insgesamt 1-mal geändert.

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ad-fontes
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:Eine Elevation findet statt nach den Einsetzungsworten
Ist dies nicht eher ein Darbringungs- denn ein Zeigegestus?
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Aber es gibt doch einen terminus ante quem, oder?
Du meinst, den Zeitpunkt, ab dem die Gaben sicher konsekriert sind?
Ja, gibt es. Das Amen nach der Epiklese.
Ist demnach eine Kniebeuge* vor den Gaben zu einem früheren Zeitpunkt nicht Götzenkult, da etwas Geschaffenes, nicht Gott selbst angebetet würde, denn die Konsekration ist ja noch nicht abgeschlossen?

Es sei denn, die Anbetung würde als Verehrung der noch nicht verwandelten Gaben analog zu den hl. Bildern gelten, was aber der Lehre dieser Kirche widersprechen würde.

* Als Anbetungsgestus, wie er in der römischen Kirche verstanden wird.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Dann dürfte die Kniebeuge erst nach dem Amen gemacht werden. Ansonsten wäre sie zumindest unsachgemäß, wenn nicht sogar Götzendienst, da hier ja der im Brot bzw. im Wein gegenwärtige Christus angebetet wird. Dasselbe gilt für die Elevation. Dass die Kniebeuge erst 700 Jahre alt ist, spricht nicht gegen die Wandlung durch die Verba Testamenti.
Habe von hinten nach vorne gelesen und dies erst jetzt entdeckt..
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Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

ad-fontes hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Eine Elevation findet statt nach den Einsetzungsworten
Ist dies nicht eher ein Darbringungs- denn ein Zeigegestus?
Beides.

Im römischen Ritus wird bei der Elevation von den Ministranten geschellt. Dadurch soll doch der Blick der Gemeinde auf Brot und Kelch gelenkt werden, oder? Denn die Gemeinde soll nun den gegenwärtigen Christus anbeten.

Gleichzeitig ist die Elevation natürlich auch eine Darbringungsgeste, wobei die eigentiche Darbringung im römischen Ritus ja dann beim abschließenden "Durch ihn und mit ihm und in ihm..." geschieht.

Luther jedenfalls (und mit ihm wohl auch seine Zeitgenossen) verstand die Elevation vor allem als die Ermöglichung, dass die Gemeinde den gegenwärtigen Christus anbete. Es wurde ja nicht versus populum zelebriert! Wäre die Elevation nur Darbringungsgestus, hätte gerade Luther sie vehement abgelehnt (Opfergedanke!). Er hat sie aber im Gegenteil vehement verteidigt und gefordert!

iustus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von iustus »

Bernado hat geschrieben:
iustus hat geschrieben: Aber nur die Konsekration DES BLUTES kommt mit dem Abschluss der Einsetzungsworte über den Kelch zustande, die des Leibes ist ja mit dem Abschluss der Einsetzungsworte über das Brot schon erfolgt.
Nein. Soweit ich die Stelle verstehe, kommt dann auch die des Brotes nicht zustande.
Das sehe ich anders. Schon nach der Elevation der Hostie (bzw. in der außerordentlichen Form auch schon direkt nach den Wandlungsworten über das Brot) wird das Knie gebeugt.

iustus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von iustus »

Kilianus hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Zeitpunkt der Wandlung: Nach altem Brauch macht der Priester nach der Konsekration des Brotes eine Kniebeute und nach der Konsekration des Kelches eine weiere Kniebeuge. Hierdurch kommt eindeutig zum Ausdruck, dass jetzt (als konkretes Geschehen) etwas stattgefunden hat. Ebenso macht er jeweis nach den einzelnen Konsekrationen eine Elevation, sicher auch, damit die Gemeinde den jetzt im Brot bzw. dann im Kelch gegenwärtigen Christus anbeten kann. (...)
Elevation und Kniebeuge gibt es erst seit dem 13. Jahrhundert. Wer sich auf die Tradition beruft, sollte deshalb auch einen Blick in den römischen Meßkanon werfen. Wie schon mehrfach erwähnt: Dessen Text erlaubt es nicht, den "Moment" der Konsekration auf die Herrenworte zu beschränken.
Er erlaubt es völlig problemlos. Welche Textstelle(n) soll(en) dem denn entgegenstehen?

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ad-fontes
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Dies gilt für die Einsetzungsworte, den Taufbefehl und das Vaterunser schon für das Johannesevangelium, für den Taufritus gar für alle vier Evangelien. Dass frühchristliche Texte z.B. die Einsetzungsworte, aber z.B. auch die Konsekrationsworte für Bischofsweihe und Priesterweihe, verschweigen, erklärt sich m.E. am leichtesten durch die Arkandisziplin.
Ist dies nicht auch ein aus den Quellen gewonnenes Argument?

Deine ad-fontes Kritik kann ich teilen, wenn sie dazu dient, dem Subjektivismus unkontrolliert Eingang zu verschaffen, ohne jedwede methodische Reflektion.

ad-fontes gehen heißt für mich nicht, daß die Knospe besser sei als die Blüte, aber ich gestehe zu, von der Prämisse auszugehen, Kirche und Liturgie befinden sich in einem Stadium des Verfalls, so daß sich die Notwendigkeit einer Reform ergibt.

Die Maßstäbe für kirchlich-liturgische Reformen sehe ich aber nicht in einer phantasiebeflügelten Rekonstruktion von etwas, daß sich durch ein möglichst hohes Alter ("urkirchlich") auszeichnet, sondern darin, "verderbte Stellen" aus dem Vergleich mit früheren oder anderen legitimen Litugica auszubessern. Meinen Ansatz verstehe ich als restaurativ-punktuellen.

Auch ist für mich die "Alte Kirche" keine historische Größe, sondern eine reale. Denn die alte, ungeteilte Kirche gibt es noch immer. Sie existiert in den Ortskirchen und deren Verbänden fort, wo der Glaube und der Kult in Treue zur apostolischen Überlieferung gewahrt wurde. Dies ist zuvorderst in denjenigen Kirchen der Fall, die heute "Orthodoxe Kirchen" heißen.

Das Problem scheint mir bei dem Wort "Wiederherstellung" zu liegen. Denn vieles, was der Sache nach Neuerungen waren, wurde in den Altkatholischen Kirchen unter diesem Deckmantel eingeführt. Mit diesem Zauberwort läßt sich die kirchlich-unkritische Öffentlichkeit leicht täuschen, aber es kann ja auch nicht jeder ad-fontes gehen und sich ein eigenes Urteil bilden. Zum Wesen der Kirche gehört es nämlich unabdingbar, daß man seinen Hirten Vertrauen schenkt, auch daß sie das Richtige wissen und tun. Ist dieses Vertrauen nicht mehr da, ist das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen.
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ad-fontes
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

iustus hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Zeitpunkt der Wandlung: Nach altem Brauch macht der Priester nach der Konsekration des Brotes eine Kniebeute und nach der Konsekration des Kelches eine weiere Kniebeuge. Hierdurch kommt eindeutig zum Ausdruck, dass jetzt (als konkretes Geschehen) etwas stattgefunden hat. Ebenso macht er jeweis nach den einzelnen Konsekrationen eine Elevation, sicher auch, damit die Gemeinde den jetzt im Brot bzw. dann im Kelch gegenwärtigen Christus anbeten kann. (...)
Elevation und Kniebeuge gibt es erst seit dem 13. Jahrhundert. Wer sich auf die Tradition beruft, sollte deshalb auch einen Blick in den römischen Meßkanon werfen. Wie schon mehrfach erwähnt: Dessen Text erlaubt es nicht, den "Moment" der Konsekration auf die Herrenworte zu beschränken.
Er erlaubt es völlig problemlos. Welche Textstelle(n) soll(en) dem denn entgegenstehen?
Ihr habt zwei Lesarten ein und desselben Textes... :pfeif:
(Und ich kann beide verstehen; der Text erlaubt nämlich auch iustus', d. i. die offizielle römisch-katholische Sicht der Dinge)
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Evagrios Pontikos
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: Dies gilt für die Einsetzungsworte, den Taufbefehl und das Vaterunser schon für das Johannesevangelium, für den Taufritus gar für alle vier Evangelien. Dass frühchristliche Texte z.B. die Einsetzungsworte, aber z.B. auch die Konsekrationsworte für Bischofsweihe und Priesterweihe, verschweigen, erklärt sich m.E. am leichtesten durch die Arkandisziplin.
Ist dies nicht auch ein aus den Quellen gewonnenes Argument?

Deine ad-fontes Kritik kann ich teilen, wenn sie dazu dient, dem Subjektivismus unkontrolliert Eingang zu verschaffen, ohne jedwede methodische Reflektion.

ad-fontes gehen heißt für mich nicht, daß die Knospe besser sei als die Blüte, aber ich gestehe zu, von der Prämisse auszugehen, Kirche und Liturgie befinden sich in einem Stadium des Verfalls, so daß sich die Notwendigkeit einer Reform ergibt...
Was ich mit meiner ad-fontes-Kritik meine, hier ein paar Beispiele (die auch die reformatorischen Bekenntnisse treffen!):

- Die Behauptung, dass die Jungfrauengeburt nebensächlich sei, weil Paulus, Markus und Johannes sie ja angeblich nicht kennen und lehren.
- Die Behauptung der CA, dass die Firmung/Konfirmation, die Ehe(schließung), die Krankensalbung kein Sakrament seien, weil keine Einsetzung durch Jesus bezeug sei.
- Die Behauptung der modernen Protestanten, dass das Amt nur um der Ordnung willen da sei und keine über das allgemeine Priestertum hinausgehende geistliche Qualität habe.
- Die Behauptung auch der CA, dass das dreigliedrige Amt eine sekundäre Entwicklung der Alten Kirche sei.

All diese Behauptingen verdanken sich einem "ad-fontes-Prinzip", das die Schrift von der Kirche losgelöst hat. Wir müssen von der Kirche ausgehen und ihr geheimnisvolles Leben durch die Schrift erkennen, tiefer verstehen und entfalten. Und was die Frage der Reformen angeht, müssen wir bereit sein, Brüche mit dem, was gemeinkirchlich offenbar schon immer geglaubt und gelebt wurde, zu hinterfragen.

Allerdings lässt sich das, was schon immer geglaubt und gelebt wurde, nicht einfach aus der Schrift oder den Kirchenvätern deduzieren (Amt, Firmung etc.). Ein Beispiel: Die Frage der Anrufung der Heiligen. Sie ist etwas Gemeinkirchliches. Erste Belege finden sich schon im Jahr 150 n.Chr. Aus der Schrift einfach deduzieren, lässt sie sich nicht. Deshalb wird sie von der CA abgelehnt. Allerdings lässt sich z.B. die Kindertaufe auch nicht einfach aus der Schrift deduzieren. Trotzdem wird sie von der CA als heilsnotwendig gefordert. Wie ich meine zu Recht: Denn dass die Taufe heilsnotwendig ist, hat die Kirche immer und überall geglaubt. Dass auch die Kinder des Heiles bedürfen, ebenso. Und dass offensichtlich die Kindertaufe ohne Widerspruch spätestens in der Alten Kirche praktiziert wurde, spricht dafür, dass sie schon in der Urgemeinde geübt wurde, also schon immer ein gemeinkirchlicher Brauch war und ist. Die Alte Kirche reagierte sehr neuralgisch auf "Neuerungen", was der Streit um den Ostertermin z.B. deutlich belegt. Ähnlich könnte beim dreigliedrigen Amt oder bei Firmung, und Krankensalbung als Sakrament argumentiert werden. Quellen können immer nur einen terminus ad quem belegen.

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Pelikan
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Pelikan »

Bernado hat geschrieben:
Germanus hat geschrieben:Wenn man ein solches Verständnis von Wandlung hat - also die Wandlung wohl festmacht an vollständig ausgesprochenen Wörtern oder eben noch nicht gesagten Wörtern (wie weiter oben anklang)-, wie ist dann die Tatsache hinzunehmen, dass sowohl in der Brot- als auch in der Weingestalt Christi Leib voll gegenwärtig ist?
So, wie die beiden Gestalten eine Einheit bilden, in der in jedem Teil der ganze Christus enthalten ist, verhält es sich auch mit den Wandlungsworten. Sie bilden eine unauflösliche Einheit. Die Rubriken des alten Missales, in denen - vermutlich aus begründeter Erfahrung - wirklich an alles gedacht ist, schreiben in De Defectibus X:
Wenn ein Priester während der Konsekration des Leibes stirbt, kommt keine Konsekration zustande, und die Messe kann abgebrochen werden. Stirbt er während der Konsekration des Blutes, ist die Messe mit diesem oder einem anderen Kelch fortzusetzen und zwar ab den Worten "Simili modo postquam coenatum est...
Das heißt, die Konsekration kommt danach erst mit dem Abschluß der Einsetzungsworte über den Kelch zustande.

Der Fall, daß der Priester genau zwischen beiden Konsekrationen zu Tode kommt, ist nicht vorgesehen - wahrscheinlich ist die Vorstellung, daß jeder Moment der heiligen Handlung eindeutig einer der beiden Phasen zugeordnet werden kann. Auch darin zeigt sich, wie sie als untrennbare Einheit betrachtet werden.
Doch, dieser Fall ist allerdings vorgesehen, und zwar in genau dem Absatz, aus dessen Ende dein kurzes Zitat entnommen ist:
Si Sacerdos ante consecrationem graviter infirmetur, vel in syncopen inciderit
aut moriatur, praetermittitur Missa. Si post consecrationem Corporis tantum,
ante consecrationem Sanguinis, vel utroque consecrato, id accidit, Missa per
alium Sacerdotem expleatur ab eo loco ubi ille desiit, et in casu necessitatis
etiam per non jejunum. Si autem non obierit, sed fuerit infirmus, adeo tamen ut
possit communicare, et non adsit alia Hostia consecrata, Sacerdos qui Missam
supplet, dividat Hostiam, et unam partem praebeat infirmo, aliam ipse sumat. Si
autem semiprolata forma Corporis obiit Sacerdos, quia non est facta consecratio,
non est necesse ut Missa per alium suppleatur. Si vero obierit semiprolata forma
Sanguinis, tunc alter prosequatur Missam, et super eundem Calicem repetat
integram formam ab eo loco: Simili modo, postquam cenatum est, vel posset super
alium Calicem praeparatum integram formam proferre, et Hostiam primi Sacerdotis,
et Sanguinem a se consecratum sumere, ac deinde Calicem relictum
semiconsecratum.
If before the Consecration the priest becomes seriously ill, or faints, or dies, the Mass is discontinued. If this happens after the consecration of the Body only and before the consecration of the Blood, or after both have been consecrated, the Mass is to be completed by another priest from the place where the first priest stopped, and in case of necessity even by a priest who is not fasting. If the first priest has not died but has become ill and is still able to receive Communion, and there is no other consecrated host at hand, the priest who is completing the Mass should divide the host, give one part to the sick priest and consume the other part himself. If the priest has died after half-saying the formula for the consecration of the Body, then there is no Consecration and no need for another priest to complete the Mass. If, on the other hand, the priest has died after half- saying the formula for the consecration of the Blood, then another priest is to complete the Mass, repeating the whole formula over the same chalice from the words Simili modo, postquam cenatum est; or he may say the whole formula over another chalice which has been prepared, and consume the first priest's host and the Blood consecrated by himself, and then the chalice which was left half-consecrated.

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ad-fontes
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

@Evagrios: Genau! Das ad-fontes-Prinzip sollte nicht zur Verengung des eigenen Verständnisses führen, sondern eine Erweiterung des Blickfelds auf das Ganze der Kirche ermöglichen (eben auch in historischer Hinsicht, aber nicht nur).
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Die beiden konträren Auffassungen vom Wesen des Eucharistiegebetes entweder als

Danksagung / (Für- und Aufnahme-)Bitten - Wandlung durch das Aussprechen der Herrenworte mit darauf folgender Darbringung des Leibes und Blutes Christi - weitere (Für-)Bitten


oder als

Danksagung, die in den Einsetzungsbericht als Legitimation für die darauf folgende Darbringung von Brot und Wein, eingedenk der Heilstaten, und anschließender Bitte um Verwandlung (Heiligung) bzw. Aufnahme auf den himmlischen Altar, mündet

sind schlichtweg nicht miteinander vereinbar.

Sollte es möglich sein, die sonstigen dogmatischen und disziplinären Unterschiede zwischen RKK und OK unter einen Hut zu bringen, so weiß ich nicht, wie das hier zur Debatte stehende Problem überwunden werden kann, außer daß eine Seite sich zur anderen bekehrt (zurückkehrt).
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Was ich mit meiner ad-fontes-Kritik meine, hier ein paar Beispiele (die auch die reformatorischen Bekenntnisse treffen!)
Mit Reformanliegen ist man eben sehr schnell nicht bei der Wiederherstellung eines früheren Zustandes, sondern bei etwas Drittem.

In dem Dilemma stecken Lutheraner wie Altkatholiken gleichermaßen.
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Zudem sollte auch die Epiklese, also die Bitte um das Herabsenden des Heiligen Geistes, um die Gaben zu wandeln, hinzukommen. Da die Einsetzungsworte aber die Wandlung vollziehen, sollte die Gabenepiklese von der Sache her vor den Einsetzungsworten gebetet werden. So ist es ja auch im römischen Formular vorgesehen.
Ohne Rubriken kann, muß man dies aber nicht so sehen. Es beruht auf einer dogmatischen Vorentscheidung.
Evagrios Pontikos hat geschrieben:So ist es ja auch im römischen Formular vorgesehen.
:hae?: Oder meinst du die neurömischen "Hochgebete"?
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Bernado
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

Zunächst zwei Einzelbemerkungen zum in der Zwischenzeit gesagten.

Erst mal Dank an Pelikan, daß er die Stelle hier hereingesetzt hat, und auch Dank dafür, daß er mich darauf aufmerksam macht, daß ich diese Feststellung im zweiten Satz überlesen hatte - ich habe hier leider keine Übersetzung; gibt es Deine englische im Netz? Von der Sache her widerlegt mich das aber nicht - ich bleibe im Gegensatz zu Justus bei der Ansicht, daß das Brot nicht für sich konsekriert wird.

Zweitens eine Bemerkung zur inneren Logik der Texte des Kanons bzw. deren Hermeneutik. Die stimmen nämlich nicht hundertprozentig überein. Die innere Logik ist keine der reinen wenn-dann- oder erstens-zweitens-Folgen - das ist ein eher modernes Denken. Ursprünglich bildet der Kanon wohl eher eine Art Wolke, in der die "richtigen" Begriffe auf eine etwas diffuse Weise miteinander verknüpft sind, und kein Rezept zum respektlos gesagt "Nachkochen". Das Ganze bewirkt das Ganze. (So ähnlich sieht es ja die neuere Theologie auch wieder, wenn auch etwas gekünstelt, um sich "wissenschaftlich" zu halten.)

Von daher erklärt sich auch, daß das Fehlen einer expliziten Epiklese nicht gravierend empfunden wurde, und von daher wird auch verständlich, daß es (wenn auch nur als Randerscheinung) Anaphoren ohne die unmittelbare Anlehnung an den Einsetzungsbereicht der Evangelien geben konnte.

Dem vormodernen Denken scheint das keine größeren Probleme bereitet zu haben. Das modene Denken setzt in der Kirche spätestens mit der Scholastik ein, und dann bedurften solche (in der Realität vermutlich eher selten vorkommenden) Fälle wie der, daß der Zelebrant während der Wandlung stirbt oder die actio aus anderem Grund nicht fortsetzen kann, naürlich einer klaren Regelung. Deshalb hat man versucht, den Ablauf zu analysieren und die Übergangsstellen zwischen seinen Phasen zu bestimmen. Damit konnte und kann man dem Geschehen und den Worten, mit denen es einhergeht, aber nicht voll gerecht werden. Es geht nicht um Physik, und das oben bemühte Bild von der "Wolke" hat angesichts der Tatsache, daß hier der Heilige Geist agiert, vielleicht mehr Realitätsgehalt, als man zunächst annehmen mag.

Und jetzt geh' ich erst mal in Jungmann, Eisenhofer und Co, um zu sehen, was die zum Thema zu sagen haben. Es würde mich nicht wundern, wenn es unterschiedlich wäre.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

iustus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von iustus »

Bernado hat geschrieben: Die innere Logik ist keine der reinen wenn-dann- oder erstens-zweitens-Folgen - das ist ein eher modernes Denken. Ursprünglich bildet der Kanon wohl eher eine Art Wolke, in der die "richtigen" Begriffe auf eine etwas diffuse Weise miteinander verknüpft sind, und kein Rezept zum respektlos gesagt "Nachkochen". Das Ganze bewirkt das Ganze. (So ähnlich sieht es ja die neuere Theologie auch wieder, ...
Und genau das macht diese Auffassung so verdächtig. :D

iustus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von iustus »

If before the Consecration the priest becomes seriously ill, or faints, or dies, the Mass is discontinued. If this happens after the consecration of the Body only and before the consecration of the Blood, or after both have been consecrated, the Mass is to be completed by another priest from the place where the first priest stopped, and in case of necessity even by a priest who is not fasting. If the first priest has not died but has become ill and is still able to receive Communion, and there is no other consecrated host at hand, the priest who is completing the Mass should divide the host, give one part to the sick priest and consume the other part himself. If the priest has died after half-saying the formula for the consecration of the Body, then there is no Consecration and no need for another priest to complete the Mass. If, on the other hand, the priest has died after half- saying the formula for the consecration of the Blood, then another priest is to complete the Mass, repeating the whole formula over the same chalice from the words Simili modo, postquam cenatum est; or he may say the whole formula over another chalice which has been prepared, and consume the first priest's host and the Blood consecrated by himself, and then the chalice which was left half-consecrated.
Das ist doch ganz deutlich. Die Konsekration des Brotes hat bereits stattgefunden, sobald die Wandlungsworte über das Brot vollständig ausgesprochen sind.

Kilianus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Kilianus »

ad-fontes hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben: Was ich mit meiner ad-fontes-Kritik meine, hier ein paar Beispiele (die auch die reformatorischen Bekenntnisse treffen!)
Mit Reformanliegen ist man eben sehr schnell nicht bei der Wiederherstellung eines früheren Zustandes, sondern bei etwas Drittem.

In dem Dilemma stecken Lutheraner wie Altkatholiken gleichermaßen.
:klatsch: :klatsch: :klatsch:

Ich füge hinzu: die neurömischen Hochgebete auch, zumindest tendenziell.

Kilianus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Kilianus »

ad-fontes hat geschrieben:Die beiden konträren Auffassungen vom Wesen des Eucharistiegebetes entweder als

Danksagung / (Für- und Aufnahme-)Bitten - Wandlung durch das Aussprechen der Herrenworte mit darauf folgender Darbringung des Leibes und Blutes Christi - weitere (Für-)Bitten


oder als

Danksagung, die in den Einsetzungsbericht als Legitimation für die darauf folgende Darbringung von Brot und Wein, eingedenk der Heilstaten, und anschließender Bitte um Verwandlung (Heiligung) bzw. Aufnahme auf den himmlischen Altar, mündet

sind schlichtweg nicht miteinander vereinbar.

Sollte es möglich sein, die sonstigen dogmatischen und disziplinären Unterschiede zwischen RKK und OK unter einen Hut zu bringen, so weiß ich nicht, wie das hier zur Debatte stehende Problem überwunden werden kann, außer daß eine Seite sich zur anderen bekehrt (zurückkehrt).
Diese Hermeneutik des Bruchs ist nicht zwingend.

Letztlich geht es ja um die Frage eines sakramentalen oder magischen Verständnisses. Denkt man die scholastisch geprägte, erste Interpretation konsequent zu Ende, dann landet man in der Magie: Die Wandlung kommt nicht durch die Wirkung Gottes zustande, sondern durch das (bei der Weihe übertragene) Charisma des Priesters, der sie allein durch das Aussprechen der richtigen Formel bewirkt, dabei allerdings zum Schamanen mutiert.

Da wir aber voraussetzen dürfen, daß auch die Anhänger dieser Interpretation durchaus das Wirken des Vaters voraussetzen (das aufgrund seiner Bindung an die Sakramente der Kirche sozusagen garantiert ist), so wird die Bitte an den Vater ja auch von ihnen zumindest implizit mitgedacht. Ich würde daher nur von einem verkürzten Verständnis sprechen, nicht aber von Unvereinbarkeit.

Was das in Bezug auf die Gültigkeit in einem Fall bedeutet, in dem nur noch die Herrenworte rezitiert werden, läßt sich kaum generalisierend klären. Ohnehin sind die Herrenworte im Bereich der römischen Kirche - lassen wir von Bernado angesprochen Sonderfälle wie die "Produktion" des Viaticum im Schützengraben mal außen vor - nie vom Kontext des Kanon getrennt worden, auch wenn insbesondere die jüngste Liturgiereform zu entstellenden Eingriffen geführt hat.

Für den Bereich der Reformation dagegen gilt: Hier zeigt sich, wohin Reformeifer führen kann. Bildlich gesprochen: Beim Versuch, einem alten, verwinkelten und mehrfach umgebauten Haus seine ursprüngliche Gestalt wiederzugeben, kann man schon mal versehentlich eine tragende Wand wegreißen.

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Bernado
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Bernado »

iustus hat geschrieben:Das ist doch ganz deutlich. Die Konsekration des Brotes hat bereits stattgefunden, sobald die Wandlungsworte über das Brot vollständig ausgesprochen sind.
So ist es wohl die aktuelle traditionelle Sicht, wenn man so sagen darf. Ich habe etwas geblättert, und sehe, daß Gihr 1887 ganz klar Deine Positon vertritt (Messopfer S. 662), Bei Eisenhofer (1933) wird die Frage eher umgangen, und Jungmann betont, ohne das explizit auszusprechen, sehr stark die Einheit; ohne Konsekration des Brotes keine des Weines und umgekehrt. Und dann bringt er, dafür lieben wir ihn, historisches Faktenmaterial bzw. dessen Einschätzung.

Für das erste Jahrtausend betrachtet er die Wandlung in der Römischen Liturgie ähnlich wie ich (besser gesagt: von da hab ichs's wohl) als eher unbestimmten Gesamtvorgang, der wirksam wird durch das Aussprechen der Worte Christi. (Missarum 2, 248). Erst im 11. und 12 Jahrhundert wird die Frage nach dem Zeitpunkt virulent. Dabei vertraten die Scholastiker Petrus Comestor (+1178) und Petrus Cantor (+1197) dezidiert die Position, daß die Verwandlung des Brotes erst eintrete, wenn auch die Kelchworte gesprochen sind (S. 251, Anm 29). Diese Meinung wurde zwar nie offiziell verworfen, aber herrschende Meinung wurde die von der getrennten konsekutiven Konsekration von Leib und Blut.

Zu guter Letzt habe ich dann noch bei Bischof Gelu Müller reingeschaut, der in seinerm Buch über "Die Messe" der Frage sogar einen eigenen Unterabschnitt widmet: "Der Zeitpunkt der Wandlung", S. 141- 143. Er bezieht das allerdings weniger auf die Wandlungsworte als auf die Frage "Epiklese vor oder nach der Konsekration" Doch auch diese Frage läßt er auf spektakuläre Weise unbeantwortet und kehrt inhaltlich gesehen letztlich wieder zu der "Wolke" zurück, die das erste Jahrtausend bestimmt.

Man sieht daran - und vor allem auch an der Frage der Epiklese - daß hier wirklich große Unschärfen bestehen. Diese Unschärfe betrachte ich aber nicht als negativ wie ad-fontes, der daraus auf eine absolute Unverträglichkeit der westlichen und der östlichen Position schließt, sondern eher als positiv: Wir wissen es nicht genau, das Geheimnis widersetzt sich der analytischen Zergliederung. Die Kirche des Ostens hat die westliche Messfeier (von polemischen Überspitzungen abgesehen) stets als gültig anerkannt, so wie die Kirche des Westens auch die östliche anerkannte und anerkennt.

Ich finde im Moment leider nicht die Stellungnahme des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und wohl auch der Glaubenskongregation zur Anerkennung der Anaphora von Addai und Mari, die ja einige erhitzte Diskussionen ausgelöst hat. Aber es gibt im Netz einen ausführlichen Aufsatz von P. Lugmayr zu diesem Thema - den sollte man wohl einbeziehen, wenn wir die Frage weiter diskutieren wollen. Ich kann nicht alles, was Lugmayr da schreibt, nachvollziehen, aber wo er die Wirksamkeit der Konsekration in einem eher "wolkigen" Sinne versteht, bin ich natürlich voll bei ihm.

Ich lese jetzt gerade den zweiten, längeren Beitrag von Kilianus. Er kann sich für seine Position voll auf das stützen, was P. Lugmayr in dem genannten Artikel schreibt.
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Germanus
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Re: Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Beitrag von Germanus »

http://www.vatican.va/roman_curia/ponti ... ra_ge.html
Die Verweisung auf den dt. Text des päpstl. Rates zur betr. Anaphora.
Gruß, Germanus
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

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