8.12.:"Mariae Erwählung"?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Berolinensis
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Berolinensis »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:@ Berolinensis und Marion: Es ist hilfreich, die dogmengeschichtliche von der dogmatischen Perspektive zu unterscheiden. Ihr beide antwortet dogmatisch auf eine dogmengeschichtliche Frage von stephaniemariaalexandra. Das macht es schwierig.

Ich will das erläutern: Nehmen wir an, ein Theologiestudent vor 1854 würde nach der Unbefleckten Empfängnis fragen, weil es ihn verunsichert hätte, wenn in einer Podiumsdiskussion zwei römisch-katholische Theologen über die Mariologie diskutiert und sich gegenseitig unversöhnlich die Köpfe eingeschlagen hätten. Der eine hätte die unbefleckte Empfängnis glühend vertreten, der andere hätte sie als Privaturteil von mir aus eines Duns Scotus klassifiziert. Damals hätte man keinen der beiden aus dogmatischer Perspektive verurteilen können. Beide wären rechtgläubige Katholiken gewesen. Obwohl sie im dogmatischen Urteil unterschiedlicher Meinung gewesen wären, hätten sie in der dogmengeschichtlichen Beurteilung, nämlich der Frage, wann eine Lehre in welchem Entfaltungszustand nachzuweisen sein, dasselbe historische Urteil vertreten können.

Ich hoffe, die Unterscheidung ist deutlich geworden. Deshalb sollte unserer Fragestellerin auf der Ebene, auf der sie gefragt hat, geantwortet werden. Was ich damit sagen will: Der Häretiker von heute kann der Rechtgläubige von gestern sein mit der Konsequenz, dass Häretiker und Rechtgläubige sich auf der Ebene der Dogmengeschichte ganz sachlich unterhalten können, obwohl sie dogmatisch ganz anders gelagert sind. Womit ich hier niemand der Häresie verdächtigen will! ;)
Die Unterscheidung ist so nicht richtig. Materiell war der Häretiker von heute auch gestern schon Häretiker, nur war dies (ggf.) mangels verbindlicher Lehre des Lehramts noch nicht festgestellt.
Das tut aber auch nichts zur Sache, und meine Antwort ist falsch beschrieben. Man könnte sie auch so zusammenfassen: Da das Dogma von 1854 bereits in der Offenbarung enthalten ist, und die Kirche die diesbezügliche Überlieferung, nach tieferem Durchdringen, 1854 nur lehramtlich fixiert hat, ist es nicht nur nicht überraschend, sondern ganz selbstverständlich und sogar notwenig, daß es zahlreiche Beleg dafür unter den Vätern gibt.

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Nassos
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Nassos »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Nassos hat geschrieben:Maßgeblich ist, was die Kirche lehrt! Selbst der Heilige Augustinus wurde zurechtgewiesen in so manchem, was er dachte.

Wenn Du es mit dem Papsttum hälst, dann haben Marion und Berolinensis natürlich recht. Dann hat die Kirche eben das gelehrt.
War das eine Antwort an mich? Ich wollte durch meinen Scheffczyk-Hinweis weder die eine noch die andere Seite ins Recht setzen. Es sollte lediglich ein dogmengeschichtlicher Hinweis sein.

Was mir aufffällt: Bedeutende Väter und dann offenbar auch nicht ganz unbedeutende spätere Bischöfe haben die Unbefleckte Empfängnis schon im ersten Jahrtausend vertreten. Sie wurden dafür offenbar nicht gerügt. Da schließt sich für mich eine Frage an: Gibt es nach 1054 auch maßgebliche orthodoxe Väter, die die unbefleckte Empfängnis lehren? Und darf man sie als Bischof in der Ostkirche vertreten, wenn man sie nicht als Dogma vertritt? Mich interessiert das einfach im Hinblick darauf, wie eine Lehrmeinung, die offenbar im ersten Jahrtausend in ganz unterschiedlichen Regionen vertreten wurde, nach der Kirchenspaltung von 1054 weitergewirkt hat.
Evagrie, so tief drin bin ich jetzt nicht in der Patristik. Aber ich wiederhole, was ich schon sagte: nicht was der Heilige oder der Kirchenvater (oder der Hymnenschreiber, der Jakob ja war) sagt, ist maßgeblich. Ihre Worte gewinnen erst dann an Bedeutung, wenn sie von der Kirche als Wahrheit verifiziert werden.
Mit dem nochmaligen Verweis auf den Heiligen Augustinus.
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Nassos
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Nassos »

Berolinensis hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:@ Berolinensis und Marion: Es ist hilfreich, die dogmengeschichtliche von der dogmatischen Perspektive zu unterscheiden. Ihr beide antwortet dogmatisch auf eine dogmengeschichtliche Frage von stephaniemariaalexandra. Das macht es schwierig.

Ich will das erläutern: Nehmen wir an, ein Theologiestudent vor 1854 würde nach der Unbefleckten Empfängnis fragen, weil es ihn verunsichert hätte, wenn in einer Podiumsdiskussion zwei römisch-katholische Theologen über die Mariologie diskutiert und sich gegenseitig unversöhnlich die Köpfe eingeschlagen hätten. Der eine hätte die unbefleckte Empfängnis glühend vertreten, der andere hätte sie als Privaturteil von mir aus eines Duns Scotus klassifiziert. Damals hätte man keinen der beiden aus dogmatischer Perspektive verurteilen können. Beide wären rechtgläubige Katholiken gewesen. Obwohl sie im dogmatischen Urteil unterschiedlicher Meinung gewesen wären, hätten sie in der dogmengeschichtlichen Beurteilung, nämlich der Frage, wann eine Lehre in welchem Entfaltungszustand nachzuweisen sein, dasselbe historische Urteil vertreten können.

Ich hoffe, die Unterscheidung ist deutlich geworden. Deshalb sollte unserer Fragestellerin auf der Ebene, auf der sie gefragt hat, geantwortet werden. Was ich damit sagen will: Der Häretiker von heute kann der Rechtgläubige von gestern sein mit der Konsequenz, dass Häretiker und Rechtgläubige sich auf der Ebene der Dogmengeschichte ganz sachlich unterhalten können, obwohl sie dogmatisch ganz anders gelagert sind. Womit ich hier niemand der Häresie verdächtigen will! ;)
Die Unterscheidung ist so nicht richtig. Materiell war der Häretiker von heute auch gestern schon Häretiker, nur war dies (ggf.) mangels verbindlicher Lehre des Lehramts noch nicht festgestellt.
Das tut aber auch nichts zur Sache, und meine Antwort ist falsch beschrieben. Man könnte sie auch so zusammenfassen: Da das Dogma von 1854 bereits in der Offenbarung enthalten ist, und die Kirche die diesbezügliche Überlieferung, nach tieferem Durchdringen, 1854 nur lehramtlich fixiert hat, ist es nicht nur nicht überraschend, sondern ganz selbstverständlich und sogar notwenig, daß es zahlreiche Beleg dafür unter den Vätern gibt.
Hallo, Jakob dürfte aber auch für die römische Kirche ein Schismatiker sein. Oder?
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Stephanie
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Stephanie »

Marion hat geschrieben:
stephaniemariaalexandra hat geschrieben:Es wird sowohl inner-römischkatholisch [...] behauptet, dass es sich dabei um scholastische Theologie handele...
Du meinst es wird von katholischer Seite behauptet, daß die unbefleckte Empfängnis Mariens erst zur Zeit des Hl. Thomas offenbart wurde?
Kannst du, falls ich das richtig verstanden habe, das irgendwie mit einer Quelle belegen?
Mmh, ok, ich seh ein, dass muss ich erklären.
Ich habe das nicht gelesen, sondern es wurde MIR so stets erklärt (wie gesagt, ich bin kein Theologe) und zwar inner-römischkatholisch von Priestern und Dozenten. Ein konkreterer Zeitpunkt als scholastisch für die Offenbarung oder "Autor" wurde da nie genannt.
Übrigens hat diese Denke auch Einzug in Wiki gehalten, wie ich vorhin gesehen habe...(nein, keine Sorge, ich halte Wiki nicht für die Quelle der Weisheit ;) ) Und natürlich auch in inter-konfessionellen Gesprächen war das ein Thema, aber das war ja nicht deine Frage.
Daher also meine Verwunderung heute, das bei einem Osttheologen des 5. Jh. vorzufinden.
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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Nassos
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Nassos »

Gemäß der gleichen Quelle, auf griechisch:
el.wikipedia hat geschrieben:Die orthodoxen Christen glauben, dass Maria in ihrem Leben nie gesündigt hat, aber sie teilen nicht die Ansicht der römisch-katholischen Kirche bezüglich des vorväterlichen Sünde ("Erbsünde"). Sie merken an, das Augstinus von Hippo, dessen Werke bis ins 17 Jahrhundert im Osten nicht sonderlich bekannt waren, einen enormen Einfluss auf die Theologie der Sünde genommen, welche wiederum im Heiligen Stuht tief verankert ist. Da die östlichen Christen die Ansicht Roms über die vorväterliche Sünde nicht teilen, betrachten sie das Dogma, dass Maria eine Reinigung vor der Fleischwerdung brauchte, als unnötig.
Im Gegenteil, orthodoxe Theologen sagen, dass sich Anmerkungen griechischer und syrischer Väter auf die Reinheit und Unsündigkeit Marias nach der Geburt bezog.
Obwohl es in der orthodoxen Kirche kein Dogma ist, gibt es eine allgemeine Überzeugung, dass eine "Vorheiligung" Marias zur Zeit ihrer Empfängnis stattfand, genau wie während der Empfängnis Johannes des Täufers. Auf keinen Fall aber gab es eine "Reinigung von der Erbsünde", denn die Orthodoxen glauben nicht an die Vererbung der vorväterlichen Sünde. Im Gegenteil, man meint damit die generelle Tendez zur Sünde und der Schmerz in der Welt, der duch den Fall Adams verursacht wurde...

...Papst Pius IX bezog sich in Ineffabilis Deus (8.12.1854), mit dem er die unbefleckte Empfängnis zum Dogma der katholischen Kirche festlegte, ursprünglich auf den Text der Genesis, wo Gott der Schlange sagt: "ich werde Feinschaft zwischen dir und der Frau setzen, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen". Gemäß dieser Ansicht handelte es sich um eine Prophezeiung über eine Frau, die immer in Feindschaft zur Schlange stehen sollte - also eine Frau, die nie unter der Macht der Sünde stehen würde...
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Berolinensis
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Berolinensis »

Moment mal, die Orthodoxen glauben nicht an die Erbsünde? :erschrocken: Das ist ja nun einer der fundamentalen Punkte überhaupt, da damit ja die ganze Erlösungslehre zusammenhängt. Wenn das wirklich so ist, wie kann es dann sein, daß es immer heißt, uns trenne nur der Primat?

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taddeo
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von taddeo »

Berolinensis hat geschrieben:Moment mal, die Orthodoxen glauben nicht an die Erbsünde? :erschrocken:
Nicht im Augustinischen Sinne. Das ist aber nun wirklich nix Neues.

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Berolinensis
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Berolinensis »

taddeo hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:Moment mal, die Orthodoxen glauben nicht an die Erbsünde? :erschrocken:
Nicht im Augustinischen Sinne. Das ist aber nun wirklich nix Neues.
Sicher nicht, aber mir war es nicht klar (ich befasse mich mit konfessionskundlichen Fragen kaum), ich hab nur immer diese Platitüden im Ohr, wir seien uns ja in allem so einig bis auf den bösen Primat. Davon kann also keine Rede sein. Ich notiere es mir für das nächste Mal. Der Exkurs kann dann gern gelöscht werden.

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Linus
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Linus »

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Mary
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Mary »

stephaniemariaalexandra hat geschrieben: Jakob von Sarug (ein syrischer Kirchenschriftsteller und Bischof des 5./6.Jh.) schreibt in seinem Gedicht "Über die allerseligste Jungfrau" :

[...] die Jungfrau, welche auf wunderbare Weise ohne eheliche Gemeinschaft Mutter geworden ist; die Mutter, welche unverändert Jungfrau geblieben ist; die herrliche Burg, welche der König erbaute, bezog und bewohnte, und deren Tore nicht vor ihm geöffnet wurden, als er aus derselben hervorzog. [...] Wäre in ihrer Seele auch nur ein Flecken oder Fehler gewesen, so hätte er sich eine andere und zwar makellose Mutter gewählt. [...]
Liebe Stephanie,
ich bin ziemlich sicher, dass Jakob von Sarug nicht eine Unbeflecktheit im römisch-katholischen Sinn (Befreiung vom Makel der Erbsünde) im Sinne hatte. Man muss da genau unterscheiden, was mit den Begriffen gemeint ist.
Dass Maria unbefleckt war, glauben auch die Orthodoxen, siehe auch das Zitat von Nassos...

Lg Maria
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ad-fontes
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

Berolinensis hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:Moment mal, die Orthodoxen glauben nicht an die Erbsünde? :erschrocken:
Nicht im Augustinischen Sinne. Das ist aber nun wirklich nix Neues.
Sicher nicht, aber mir war es nicht klar (ich befasse mich mit konfessionskundlichen Fragen kaum), ich hab nur immer diese Platitüden im Ohr, wir seien uns ja in allem so einig bis auf den bösen Primat. Davon kann also keine Rede sein. Ich notiere es mir für das nächste Mal. Der Exkurs kann dann gern gelöscht werden.
Sie glauben, daß die Sündenfolgen sich vererbt haben. Sünde ist etwas persönliches; gilt auch für den Stammvater.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Mary
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Mary »

Berolinensis hat geschrieben:Moment mal, die Orthodoxen glauben nicht an die Erbsünde? :erschrocken: Das ist ja nun einer der fundamentalen Punkte überhaupt, da damit ja die ganze Erlösungslehre zusammenhängt. Wenn das wirklich so ist, wie kann es dann sein, daß es immer heißt, uns trenne nur der Primat?
Uns trennt leider tatsächlich viel mehr, als nur der Primat. Ich staune auch immer wieder über diese Einschätzung, meist von römisch-katholischer Seite.
Immerhin trennt uns genug, dass Leute (ich auch) deswegen konvertieren...

Lg Maria
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ad-fontes
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:
stephaniemariaalexandra hat geschrieben: Jakob von Sarug (ein syrischer Kirchenschriftsteller und Bischof des 5./6.Jh.) schreibt in seinem Gedicht "Über die allerseligste Jungfrau" :

[...] die Jungfrau, welche auf wunderbare Weise ohne eheliche Gemeinschaft Mutter geworden ist; die Mutter, welche unverändert Jungfrau geblieben ist; die herrliche Burg, welche der König erbaute, bezog und bewohnte, und deren Tore nicht vor ihm geöffnet wurden, als er aus derselben hervorzog. [...] Wäre in ihrer Seele auch nur ein Flecken oder Fehler gewesen, so hätte er sich eine andere und zwar makellose Mutter gewählt. [...]
Liebe Stephanie,
ich bin ziemlich sicher, dass Jakob von Sarug nicht eine Unbeflecktheit im römisch-katholischen Sinn (Befreiung vom Makel der Erbsünde) im Sinne hatte. Man muss da genau unterscheiden, was mit den Begriffen gemeint ist.
Dass Maria unbefleckt war, glauben auch die Orthodoxen, siehe auch das Zitat von Nassos...

Lg Maria
Und ebenso die Altorientalen. Und zwar daß die Überschattung mit Heiligem Geist die Allheilige zur Sündenlosen gemacht hat, d.h. daß sie von der Erbsünde im Moment der Empfängnis des Logos gereinigt wurde, auch wenn sie bereits davor nicht persönlich gesündigt hat.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

Nassos hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:@ Berolinensis und Marion: Es ist hilfreich, die dogmengeschichtliche von der dogmatischen Perspektive zu unterscheiden. Ihr beide antwortet dogmatisch auf eine dogmengeschichtliche Frage von stephaniemariaalexandra. Das macht es schwierig.

Ich will das erläutern: Nehmen wir an, ein Theologiestudent vor 1854 würde nach der Unbefleckten Empfängnis fragen, weil es ihn verunsichert hätte, wenn in einer Podiumsdiskussion zwei römisch-katholische Theologen über die Mariologie diskutiert und sich gegenseitig unversöhnlich die Köpfe eingeschlagen hätten. Der eine hätte die unbefleckte Empfängnis glühend vertreten, der andere hätte sie als Privaturteil von mir aus eines Duns Scotus klassifiziert. Damals hätte man keinen der beiden aus dogmatischer Perspektive verurteilen können. Beide wären rechtgläubige Katholiken gewesen. Obwohl sie im dogmatischen Urteil unterschiedlicher Meinung gewesen wären, hätten sie in der dogmengeschichtlichen Beurteilung, nämlich der Frage, wann eine Lehre in welchem Entfaltungszustand nachzuweisen sein, dasselbe historische Urteil vertreten können.

Ich hoffe, die Unterscheidung ist deutlich geworden. Deshalb sollte unserer Fragestellerin auf der Ebene, auf der sie gefragt hat, geantwortet werden. Was ich damit sagen will: Der Häretiker von heute kann der Rechtgläubige von gestern sein mit der Konsequenz, dass Häretiker und Rechtgläubige sich auf der Ebene der Dogmengeschichte ganz sachlich unterhalten können, obwohl sie dogmatisch ganz anders gelagert sind. Womit ich hier niemand der Häresie verdächtigen will! ;)
Die Unterscheidung ist so nicht richtig. Materiell war der Häretiker von heute auch gestern schon Häretiker, nur war dies (ggf.) mangels verbindlicher Lehre des Lehramts noch nicht festgestellt.
Das tut aber auch nichts zur Sache, und meine Antwort ist falsch beschrieben. Man könnte sie auch so zusammenfassen: Da das Dogma von 1854 bereits in der Offenbarung enthalten ist, und die Kirche die diesbezügliche Überlieferung, nach tieferem Durchdringen, 1854 nur lehramtlich fixiert hat, ist es nicht nur nicht überraschend, sondern ganz selbstverständlich und sogar notwenig, daß es zahlreiche Beleg dafür unter den Vätern gibt.
Hallo, Jakob dürfte aber auch für die römische Kirche ein Schismatiker sein. Oder?
Mich wundert, daß Robert noch nicht gesprochen hat.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Stephanie
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Stephanie »

ad-fontes hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:
stephaniemariaalexandra hat geschrieben: Jakob von Sarug (ein syrischer Kirchenschriftsteller und Bischof des 5./6.Jh.) schreibt in seinem Gedicht "Über die allerseligste Jungfrau" :

[...] die Jungfrau, welche auf wunderbare Weise ohne eheliche Gemeinschaft Mutter geworden ist; die Mutter, welche unverändert Jungfrau geblieben ist; die herrliche Burg, welche der König erbaute, bezog und bewohnte, und deren Tore nicht vor ihm geöffnet wurden, als er aus derselben hervorzog. [...] Wäre in ihrer Seele auch nur ein Flecken oder Fehler gewesen, so hätte er sich eine andere und zwar makellose Mutter gewählt. [...]
Liebe Stephanie,
ich bin ziemlich sicher, dass Jakob von Sarug nicht eine Unbeflecktheit im römisch-katholischen Sinn (Befreiung vom Makel der Erbsünde) im Sinne hatte. Man muss da genau unterscheiden, was mit den Begriffen gemeint ist.
Dass Maria unbefleckt war, glauben auch die Orthodoxen, siehe auch das Zitat von Nassos...

Lg Maria
Und ebenso die Altorientalen. Und zwar daß die Überschattung mit Heiligem Geist die Allheilige zur Sündenlosen gemacht hat, d.h. daß sie von der Erbsünde im Moment der Empfängnis des Logos gereinigt wurde, auch wenn sie bereits davor nicht persönlich gesündigt hat.

Mmh. Also ich will nun wahrlich nicht klugscheißern. Und ich bin eben auch kein Theologe, von daher mag man mir verzeihen....aber wo ist dann der Unterschied (außer haarspalterischer Weise) zwischen "sie sündigte (vorher) nicht und war ab dem Moment ihres "ja-sagens zu Gott" ohne Sünde...
Klar, während Katholens sagen, dass sie ab ihrer Geburt ohne Sünde war, sündigte sie bei den Orientalens ab ihrer Geburt nicht.... :hae?: Ganz ehrlich, manchmal ist zuviel Bildung ungesund ;) Die Nuancen sind mir mitnichten entgangen...aber mal ehrlich...also...naja...

@ Mary, mein orthodoxes Schwesterherz... ich sehe schon, ich benötige von dir eine genauere Unterweisung. (woher du nur bislang die Geduld genommen hast, ist mir wirklich ein Rätsel!!) Aber...ich bin mir eben nicht sicher, wo/wie man Jakob anders lesen kann...aber ich bin auf deine (nochmalige, du arme Liebe) Unterweisung gespannt!
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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ad-fontes
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

Hier ist die koptische Sicht der Dinge bzgl. der Unbefleckten Empfängnis:
http://www.suscopts.org/q&a/index.php?catid=23

Und hier zur Erbsünde:
http://www.suscopts.org/q&a/index.php?catid=278

Hoffe, die Links helfen dir einwenig weiter.
(Mußt auf die Fragen klicken.)
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Evagrios Pontikos
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Evagrios Pontikos »

ad-fontes hat geschrieben:Hier ist die koptische Sicht der Dinge bzgl. der Unbefleckten Empfängnis:
http://www.suscopts.org/q&a/index.php?catid=23

Und hier zur Erbsünde:
http://www.suscopts.org/q&a/index.php?catid=278

Hoffe, die Links helfen dir einwenig weiter.
(Mußt auf die Fragen klicken.)
Vielen Dank für die Links! Eine wahre Fundgrube bezüglich der Lehre der koptischen Kirche. Dass die Konzilsväter von Chalcedon 451 berichteten, das Grab Mariens wäre leer gewesen und dass es offenbar eine Überlieferung gab, wonach St. Thomas eine Vision ihrer Himmelfahrt geschenkt wurde, wusste ich nicht. Vielen Dank!

Gerne möchte ich zu diesem Thema auch auf J.H. Newmans Brief an Pusey hinweisen, der sehr ausführlich auf die Kirchenväterquellen zur Mariologie eingeht (Ausgewählte Werke, Band 4).

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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

Mary hat geschrieben:
stephaniemariaalexandra hat geschrieben: Jakob von Sarug (ein syrischer Kirchenschriftsteller und Bischof des 5./6.Jh.) schreibt in seinem Gedicht "Über die allerseligste Jungfrau" :

[...] die Jungfrau, welche auf wunderbare Weise ohne eheliche Gemeinschaft Mutter geworden ist; die Mutter, welche unverändert Jungfrau geblieben ist; die herrliche Burg, welche der König erbaute, bezog und bewohnte, und deren Tore nicht vor ihm geöffnet wurden, als er aus derselben hervorzog. [...] Wäre in ihrer Seele auch nur ein Flecken oder Fehler gewesen, so hätte er sich eine andere und zwar makellose Mutter gewählt. [...]
Liebe Stephanie,
ich bin ziemlich sicher, dass Jakob von Sarug nicht eine Unbeflecktheit im römisch-katholischen Sinn (Befreiung vom Makel der Erbsünde) im Sinne hatte. Man muss da genau unterscheiden, was mit den Begriffen gemeint ist.
Dass Maria unbefleckt war, glauben auch die Orthodoxen, siehe auch das Zitat von Nassos...

Lg Maria
Darunter auch einige Dinge, die Katholischerseits de fide sind und von Orthodoxer Seite abgelehnt werden bzw. unbekannt sind:
- Die Ablässe sind nützlich.
- Die Kirche hat die Gewalt, Ablässe zu gewähren (und zwar nicht nur bzgl. der von der Kirche auferlegten kanonischen Strafen, sondern auch bzgl. der von der göttlichen Gerechtigkeit über den Sünder verhängten Strafen)
...

Also, wenn das Wort vom "Großen Schisma" fällt, wäre es ein Akt der Aufrichtigkeit, Katholischerseits nicht nur von "Schismatikern" zu reden, sondern sie auch als "griechische Häretiker" zu bezeichnen; - da bzw. wenn sie es der Sache nach sind, obgleich - so muß ich hinzufügen - Diekamp seltsamerweise in seiner Dogmatik auf S. 394 bzgl. der inneren Unauflöslichkeit der christlichen Ehe als sententia fidei proxima schreibt: "Das Konzil [von Trient] hat diese mildere Form gewählt, um die Griechen, welche die Auflösung der Ehe wegen Ehebruchs für statthaft erklären, nicht als Häretiker zu brandmarken."

Aber allein schon die Satisfaktionslehre des Konzils ist für Orthodoxe nicht annehmbar. Und das ist ganz sicher ebenfalls de fide.
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Vielen Dank für die Links! Eine wahre Fundgrube bezüglich der Lehre der koptischen Kirche.
Gern geschehen. Falls du Interesse an einigen englischsprachigen Büchern Papst Schenoudas hast (als pdfs), schicke mir kurz eine PN.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

HeGe
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von HeGe »

stephaniemariaalexandra hat geschrieben:Mmh. Also ich will nun wahrlich nicht klugscheißern. Und ich bin eben auch kein Theologe, von daher mag man mir verzeihen....aber wo ist dann der Unterschied (außer haarspalterischer Weise) zwischen "sie sündigte (vorher) nicht und war ab dem Moment ihres "ja-sagens zu Gott" ohne Sünde...
Klar, während Katholens sagen, dass sie ab ihrer Geburt ohne Sünde war, sündigte sie bei den Orientalens ab ihrer Geburt nicht.... :hae?: Ganz ehrlich, manchmal ist zuviel Bildung ungesund ;) Die Nuancen sind mir mitnichten entgangen...aber mal ehrlich...also...naja...
Durch die Befreiung von der Erbschuld fehlte Maria schon jede Neigung zur Sünde. Das ist für mich schon etwas anderes, als wenn sie willentlich nicht gesündigt hat.
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von ad-fontes »

HeGe hat geschrieben:
stephaniemariaalexandra hat geschrieben:Mmh. Also ich will nun wahrlich nicht klugscheißern. Und ich bin eben auch kein Theologe, von daher mag man mir verzeihen....aber wo ist dann der Unterschied (außer haarspalterischer Weise) zwischen "sie sündigte (vorher) nicht und war ab dem Moment ihres "ja-sagens zu Gott" ohne Sünde...
Klar, während Katholens sagen, dass sie ab ihrer Geburt ohne Sünde war, sündigte sie bei den Orientalens ab ihrer Geburt nicht.... :hae?: Ganz ehrlich, manchmal ist zuviel Bildung ungesund ;) Die Nuancen sind mir mitnichten entgangen...aber mal ehrlich...also...naja...
Durch die Befreiung von der Erbschuld fehlte Maria schon jede Neigung zur Sünde. Das ist für mich schon etwas anderes, als wenn sie willentlich nicht gesündigt hat.
:daumen-rauf:

Letzteres kann man auch als relative Sündenlosigkeit Mariens bzeichnen.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Berolinensis »

Es ist etwas völlig anderes. Außerdem wurde Maria nicht erst bei ihrer Geburt, sondern im ersten Moment ihrer Empfängnis (daher auch der Name) von jeglicher Makel der Erbschuld befreit.

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Stephanie
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Re: Unbefleckte Empfängnis doch nicht genuin katholisch?

Beitrag von Stephanie »

Stimmt...da hatte ich mich verschrieben...war ja auch schon fortgeschrittener Abend
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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