Die Unterscheidung ist so nicht richtig. Materiell war der Häretiker von heute auch gestern schon Häretiker, nur war dies (ggf.) mangels verbindlicher Lehre des Lehramts noch nicht festgestellt.Evagrios Pontikos hat geschrieben:@ Berolinensis und Marion: Es ist hilfreich, die dogmengeschichtliche von der dogmatischen Perspektive zu unterscheiden. Ihr beide antwortet dogmatisch auf eine dogmengeschichtliche Frage von stephaniemariaalexandra. Das macht es schwierig.
Ich will das erläutern: Nehmen wir an, ein Theologiestudent vor 1854 würde nach der Unbefleckten Empfängnis fragen, weil es ihn verunsichert hätte, wenn in einer Podiumsdiskussion zwei römisch-katholische Theologen über die Mariologie diskutiert und sich gegenseitig unversöhnlich die Köpfe eingeschlagen hätten. Der eine hätte die unbefleckte Empfängnis glühend vertreten, der andere hätte sie als Privaturteil von mir aus eines Duns Scotus klassifiziert. Damals hätte man keinen der beiden aus dogmatischer Perspektive verurteilen können. Beide wären rechtgläubige Katholiken gewesen. Obwohl sie im dogmatischen Urteil unterschiedlicher Meinung gewesen wären, hätten sie in der dogmengeschichtlichen Beurteilung, nämlich der Frage, wann eine Lehre in welchem Entfaltungszustand nachzuweisen sein, dasselbe historische Urteil vertreten können.
Ich hoffe, die Unterscheidung ist deutlich geworden. Deshalb sollte unserer Fragestellerin auf der Ebene, auf der sie gefragt hat, geantwortet werden. Was ich damit sagen will: Der Häretiker von heute kann der Rechtgläubige von gestern sein mit der Konsequenz, dass Häretiker und Rechtgläubige sich auf der Ebene der Dogmengeschichte ganz sachlich unterhalten können, obwohl sie dogmatisch ganz anders gelagert sind. Womit ich hier niemand der Häresie verdächtigen will!
Das tut aber auch nichts zur Sache, und meine Antwort ist falsch beschrieben. Man könnte sie auch so zusammenfassen: Da das Dogma von 1854 bereits in der Offenbarung enthalten ist, und die Kirche die diesbezügliche Überlieferung, nach tieferem Durchdringen, 1854 nur lehramtlich fixiert hat, ist es nicht nur nicht überraschend, sondern ganz selbstverständlich und sogar notwenig, daß es zahlreiche Beleg dafür unter den Vätern gibt.