Jesus und die Juden

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.

Ist der Anspruch Jesu auf den Messiastitel und die Gottessohnschaft authentisch?

Ja, die Evangelien oder Briefe des NT sind dafür das glaubwürdigste Zeugnis.
8
80%
Ja, aber nicht primär das NT, sondern andere Quellen oder Indizien deuten darauf hin.
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Keine Stimmen
Ja, aber nur im Sinne des Glaubens.
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Keine Stimmen
Nein, der Anspruch ist unwahrscheinlich, aber im Sinne des Glaubens wahr.
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Nein.
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Insgesamt abgegebene Stimmen: 10

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overkott
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von overkott »

Die Erfahrung zeigt, dass man Konsequenz kaum fordern kann, nicht einmal von Jesus: Wenn du Gottes Sohn bist, befiehl, stürz, hilf, sag...

Das funktioniert nicht einmal bei vermeintlich Aufgeklärten: Wenn du aufgeklärt bist, parke richtig. Wenn du bei der Stadtverwaltung arbeitest, halte dich an die Verkehrsregeln. Wenn du bei der Stadt eine Verkehrsberuhigung erwirken willst, halte dich an die StVO. Wenn du im Ministerium tätig bist, praktiziere nicht Falschparken 2.0. Wenn die Sonne den Mond erleuchtet, kommt der Sonntag vor dem Montag.

Aber man kann sich selbst um Konsequenz bemühen und den Sonntag als ersten Tag der Woche pflegen.

Ich bin mit Jesus der Ansicht, dass die geistliche Erneuerung im eigenen Herzen beginnt und nicht mit der Forderung an andere.

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Samuel
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von Samuel »

Tinius hat geschrieben:
Samuel hat geschrieben:Hallo Yeti,

ich finde in diesem Zusammenhang meinen NT-Professor, Joachim Gnilka interessant.

Er steht voll auf dem Boden der HKM - etwa die Ich-bin-Aussagen des Johannes-Evangeliums sind selbstverständlich spätere Bildungen.

Andererseits spricht er von einer einzigartigen Sendungsautorität Jesu: Das Reich Gottes ist mit ihm gekommen: "Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen." (Lk 11,20) Das ewige Heil entscheidet sich am Verhältnis zu ihm: "Ich sage euch: Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen." (Lk 12,8)

Dann muss Herr Gnilka aber konsequent den Mut haben und fordern, dass das Johannes-Evangelium als komplett freie Dichtung aus Predigt und Gemeindearbeit verbannt wird.
Gegner des Christentums haben genau an diesem Punkt leichtes Spiel mit den HKM-Theologen.
So wirft Heinz-Werner Kubitza Professoren wie Gnilka in seinen Büchern "Der Jesuswahn" (2011) und seinem aktuellen "Der Dogmenwahn. Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft" vor, mit ihren exegetischen Ausführungen das Christentum eigentlich als komplette Lüge zu enttarnen, dann aber wiederum so zu tun, als sei das in Ordnung.
Hallo Tinius,

mit Verlaub - dein Beitrag macht auf mich den Eindruck, als ob du hier reflexhaft und wenig passend auf die HKM losgehst.

Wenn ich Yeti richtig verstanden habe, dann berufen sich diejenigen, die behaupten, Jesus sei ein gewöhnlicher Jude gewesen, für diese Behauptung auf die HKM.

Insofern erscheint es mir eine gute Idee, unter Verwendung der HKM den außergewöhnlichen Sendungsanspruch Jesu aufzuzeigen.

Ich glaube, es ist um einiges schwerer, bei den von mir zitierten Jesus-Logien eine Gemeindebildung anzunehmen als bei den Ich-Bin-Worten.
Wer einen Menschen verurteilt, kann irren. Wer ihm verzeiht, irrt nie. (Heinrich Waggerl)

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Protasius
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von Protasius »

Was bedeutet denn die Abkürzung HKM? Hessisches Kultusministerium wird es wahrscheinlich nicht sein, ist aber das einzige halbwegs sinnvolle Ergebnis, wenn man es bei Google eingibt.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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overkott
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von overkott »

Historisch künstliches Modell - Es besagt, dass vorwiegend protestantische Forscher sich eine photorealistische Ikone Jesu malen wollen. Der gelernte evangelische Theologe aus dem Atheistenverein unterstellt Protestanten als inkonsequent, die böswillige Modellierung ( Lüge ) zu rechtfertigen.

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Yeti
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von Yeti »

Protasius hat geschrieben:Was bedeutet denn die Abkürzung HKM? Hessisches Kultusministerium wird es wahrscheinlich nicht sein, ist aber das einzige halbwegs sinnvolle Ergebnis, wenn man es bei Google eingibt.
"Historisch-kritische-Methode", eine Art der Exegeseforschung nach dem "linguistic turn".
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Yeti
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von Yeti »

Samuel hat geschrieben:Hallo Yeti,

ich finde in diesem Zusammenhang meinen NT-Professor, Joachim Gnilka interessant.

Er steht voll auf dem Boden der HKM - etwa die Ich-bin-Aussagen des Johannes-Evangeliums sind selbstverständlich spätere Bildungen.

Andererseits spricht er von einer einzigartigen Sendungsautorität Jesu: Das Reich Gottes ist mit ihm gekommen: "Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen." (Lk 11,20) Das ewige Heil entscheidet sich am Verhältnis zu ihm: "Ich sage euch: Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen." (Lk 12,8)
Grüß dich Samuel, Gnilka ist auch viel und sehr oft von meinem NT-Lehrer Oberlinner zitiert worden und in vielerlei Hinsicht halte ich ihn auch für eine Kapazität. Beim Johannesevangelium bin ich aber einerseits mittlerweile bezüglich der häufigen Spätdatierung sehr kritisch geworden, andererseits glaube ich auch, dass selbst im Falle einer tatsächlichen Spätdatierung die inhaltlich festzustellenden Absetzbewegungen gegenüber dem Judentum und der Gnosis zwangsläufig und notwendig waren. Wenn es etwa stimmt, was Oberlinner zu Johannes meinte, dann wäre das Johannesevangelium in der Gegend des heutigen Syrien entstanden und zwar unter Umständen, die wenig oder sogar keinen Kontakt mit der Logienquelle Q oder den (wenn die Spätdatierung stimmt) Synoptikern erlaubten bzw. dem Sondergut, welches für die Synoptiker relevant war. Wir hätten dann mit dem Johannesevangelium eine schriftlich fixierte Quelle, die relativ unabhängig von der Logienquelle und den Synoptikern entstanden wäre, weil sie in einiger geographischer Entfernung ohne plausiblen Kontakt mit den Synoptikern entstand. Wenn es jedoch sogar in Ephesus entstanden sein sollte, sind die geschilderten Annahmen noch viel wahrscheinlicher, s. auch die nachbiblischen Überlieferungen zum Abfassungsort des Johannesevangeliums:
Eusebius, Historia Ecclesiastica V 8,4 hat geschrieben:Zuletzt gab Johannes, der Jünger des Herrn, der auch an seiner Brust ruhte, selbst das Evangelium heraus, als er sich in Ephesus in der Asia aufhielt (Irenäus, Adversus Haereses III 1,1, zitiert auch bei Eusebius, Historia Ecclesiastica V 8,4)
Das ist auch insofern interessant, weil hier der Johannes des Evangeliums eigentlich mit dem Johannes der drei Johannesbriefe gleichgesetzt wird; in der Tat stellt er (Johannes) sich ja in den Briefen als alter Priester vor, der Jesus selbst als junger Mann noch erlebt habe. Immerhin sind Stil und Inhalt der Johannesbriefe demjenigen des Johannesevangeliums tatsächlich sehr ähnlich. Interessant ist bei der Frühdatierung des Johannesevangliums auch, dass beispielsweise die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. gar nicht erwähnt wird (Klaus Berger: Im Anfang war Johannes), obwohl solch ein Ereignis mit Sicherheit sowohl Gemeinden in Syrien als auch in Ephesus erreicht haben müsste und erst recht ein Autor, der angeblich die Trennung von der Synagoge betonte, solch ein Ereignis geradezu als himmlisches Zeichen hätte interpretieren müssen. Das ist bemerkenswert angesichts eines Autors, dem eine hervorragende Kenntnis nicht nur des Judentums, sondern auch der geschichtlichen, politischen und geographischen Merkmale Israels nachgesagt wird. Was die Ich denke also, dass die Spätdatierung keinesfalls ein unumstößliches Faktum ist, sondern eher genau entgegengesetzt, dass die meist vertretene Spätdatierung das Ergebnis eines Halo-Effekts in der exegetischen Forschung ist, die in einigen Fällen leider ein Spezifikum einer gewissen Richtung der HKM-Exegese zu sein scheint und zwar letzten Endes aus einer politisch-korrekten Motivation heraus; keineswegs möchte ich generell die HKM diskreditieren. Der Gedanke Bultmanns, dass die Menschwerdung des Erlösers weder aus dem Judentum noch dem Christentum, sondern aus der Gnosis stamme (der inzwischen eindeutig widerlegt wurde), ist ja auch nicht mehr aktuell, sozusagen ein früher Versuch, das HKM-Modell als Lösung, nicht als Instrument zu verwenden. Wie es aussieht, können m.M. nach mitnichten alle jesuanischen Aussagen im Johannesevangelium zu eventuell nicht vorhandenen Prädikationen Jesu in den Synoptikern in Konkurrenz gesetzt werden. Sie sind, wenn sie nur im Johannesevangelium auftauchen, zwar singulär, aber deswegen nicht unbedingt unglaubwürdiger. Als Hinweis oder gar Beweis der Unwahrscheinlichkeit dort auftauchender Prädikationen Jesu taugen die versuchten Spätdatierungen m.M. nach überhaupt nicht.
Samuel hat geschrieben:Hallo Tinius, mit Verlaub - dein Beitrag macht auf mich den Eindruck, als ob du hier reflexhaft und wenig passend auf die HKM losgehst. Wenn ich Yeti richtig verstanden habe, dann berufen sich diejenigen, die behaupten, Jesus sei ein gewöhnlicher Jude gewesen, für diese Behauptung auf die HKM.
Insofern erscheint es mir eine gute Idee, unter Verwendung der HKM den außergewöhnlichen Sendungsanspruch Jesu aufzuzeigen.
Ich verstehe Tinius' Einwand. Es ist irgendwie inkonsequent, Jesus als Sohn Gottes, ja sein Gott-Sein selbst exegetisch widerlegen zu wollen und weiterhin zu behaupten, das Christentum sei ein legitimer Glaube. Damit steht und fällt das Christentum. Insofern hat Heinz-Werner Kubitza für sich auch die Konsequenz gezogen, tragischerweise, indem er glaubte, diese Deutung sei die einzig Mögliche. Die HKM sehe ich auch kritisch, vor allem, wo sie dahingehend wie beschrieben instrumentalisiert wird. Trotzdem hat sie als Instrument ihre Berechtigung - aber eben als Instrument zur Lösung eines Problems, nicht als Lösung selbst.
Samuel hat geschrieben:Er steht voll auf dem Boden der HKM - etwa die Ich-bin-Aussagen des Johannes-Evangeliums sind selbstverständlich spätere Bildungen.
Andererseits spricht er von einer einzigartigen Sendungsautorität Jesu: Das Reich Gottes ist mit ihm gekommen: "Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen." (Lk 11,20) Das ewige Heil entscheidet sich am Verhältnis zu ihm: "Ich sage euch: Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen." (Lk 12,8)
Samuel hat geschrieben:Ich glaube, es ist um einiges schwerer, bei den von mir zitierten Jesus-Logien eine Gemeindebildung anzunehmen als bei den Ich-Bin-Worten.
Ja, ich denke eben (s.o.), dass diese Annahme auch aus den oben genannten Gründen nicht so selbstverständlich sein kann. Vielmehr handelt es sich dabei wahrscheinlich eher um einen solchen Instrumentalisierungsversuch der HKM. Natürlich nicht böswillig, aber so mancher Abgrund, in den man hineinsieht, schaut halt in einen zurück.
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Samuel
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von Samuel »

Hallo Yeti,

danke für deine ausführliche Antwort.
Ich höre auch immer wieder von Versuchen, die Jesus-Worte des Johannes-Evangeliums als historisch auszuweisen - mich haben sie bisher nicht überzeugen können.
Ich möchte konkret werden.

Nehmen wir eine christologische Spitzenaussage des Johannes-Evangeliums: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (14,9)

Daneben möchte ich das schon zitierte Logion stellen: "Ich sage euch: Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen." (Lk 12,8)

Ich will nicht sagen, dass Jesus Joh 14,9 nicht gesagt haben könne - aber es ist eben doch sehr gut vorstellbar, dass es sich hierbei um Gemeindebildung handelt - um eine Reflexion darauf, was in Jesus geschehen ist, woran wir glauben.

Dagegen Lk 12,8: Menschensohn-Logien nur im Munde Jesu, nie als Bekenntnis ("Du bist der Menschensohn"); immer in der Er-Form; in diesem Fall eine scheinbare Differenz zwischen Jesus und dem Menschensohn: Die einzig befriedigende Erklärung für diesen Befund dürfte doch sein, dass tatsächlich Jesus selbst vom Menschensohn gesprochen hat.
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overkott
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von overkott »

Man darf nicht übersehen, dass bei der Suche nach einem historischen Geschehen nach Vergangenem gesucht wird und nicht nach Bleibendem. Als echt wird dabei die vergängliche Form erachtet. Wichtiger erscheint dabei also, ob Jesus etwas gesagt haben könnte, statt gemeint. Orientiert man sich allerdings am überlieferten Wortlaut, widerspricht dieser theologische Ansatz dem theologischen Ansatz Jesu. Die historisch-kritische Methode ist nicht nur hochspekulativ, sie wendet sich nicht selten auch in die falsche Richtung.

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Samuel
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Re: Jesus und die Juden

Beitrag von Samuel »

overkott hat geschrieben:Man darf nicht übersehen...
Gewiss.
Ich hoffe, du hast nicht den Eindruck, dass ich das übersehe.
Wer einen Menschen verurteilt, kann irren. Wer ihm verzeiht, irrt nie. (Heinrich Waggerl)

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