Wär er nicht gestorben...?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Coturnix
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Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

Kürzlich wurde ich auf ein Christentumfeindliches "Satire"-video auf Youtube aufmerksamgemacht. Ein amerikanischer (wohl evangelikaler) Christ wurde in diesem Video von einem Engel (?) nach Jerusalem um das Jahr 30 versetzt, weil der Christ Jesus unbedingt einmal selber hautnah erleben wollte. Als er dann Zeuge der Passion wurde, wollte er sie zunächst verhindern, dann jedoch wurde ihm bewusst, dass Christus ja sterben musste, um Auferstehen und die Erlösugn schaffen zu können, sodass er dann doch von einer Rettung absah. Als dann die Peiniger plötzlich sogar zur Einsicht kamen, sich bekehrten und von der Kreuzigung absahen, schritt der Christ ein und brachte Jesus selber um.
Ein sehr spöttisches Video, dass bei allem blanken Hohn, der einem dort als Christ entgegentritt, dennoch eine sehr wichtige Frage stellt, mit der wir uns als Christen auseinandersetzen müssen, gewissermaßen mit der "Judasfrage" eng verwandt. Man mag natürlich darauf verweisen, dass Jesus sein Kreuz freiwillig auf sich genommen hat. Man kann auch sagen, dass die Peiniger, ganz wie Josefs Brüder zwar das Schlechte wollten, aber ohne, dass sie es wussten Gott die Sachen doch zum Guten gelenkt hat. Ferner gäbe es einige, die darauf hinweisen würden, dass der Tod für sich genommen schlecht wäre, und die Auferstehung das eigentlich heilsstiftende Ereignis ist. Aber diese Rechnung geht in meinen Augen nicht auf, da die Auferstehung ja den Tod voraussetzt. In der Passion scheint doch eine Situation gegeben zu sein, in der das Böse eintreten muss, damit das Heil eintreten kann. Und das Böse muss getan werden. Hätten damals die Peiniger davon abgesehen, Jesus zu töten, hätte dann ein Frommer diese Aufgabe übernehmen müssen? Eine absurde Vorstellung.. :nein:

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Samuel
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Samuel »

Ich versuche, es so zu verstehen:
"Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz." (Phil 2,8)

Jesus war bereit, um jeden Preis dem Vater gehorsam zu sein, seiner Sendung treu zu bleiben, bei uns Menschen auszuhalten.
Angesichts der tatsächlichen Verfasstheit der Welt bedeutete dies, dass wir sündigen Menschen ihn ans Kreuz schlugen.
Wären wir Menschen nicht so sündig, dann hätten wir Jesus nicht umgebracht; dann wäre es auch nicht nötig gewesen, dass er zur Vergebung unserer (dann nicht vorhandenen) Sünde ans Kreuz ginge.
Wer einen Menschen verurteilt, kann irren. Wer ihm verzeiht, irrt nie. (Heinrich Waggerl)

Coturnix
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

Ich denke, da hast du schon recht Samuel, Jesus hätte nicht kommen müssen, wenn wir ohne Sünde gewesen wären, das ist denke ich klar.

Soweit ich die katholische Position bislang verstanden habe, geht man aber prinzipiell von der Willensfreiheit aus, die vielleicht durch die Sünde verdunkelt, aber nicht aufgehoben wird - der Mensch kann sich gegen das Böse entscheiden.
Wenn man knallharter Calvinist ist, stellt sich das Problem nicht. Dann könnte man sagen, dass die Menschen eben so schlecht sind, dass sie Jesus so oder so ans Kreuz schlagen müssten, weil sie prinzipiell gar keine Möglichkeit haben, das Gute zu tun (ihn leben zu lassen), wenn Gott sie nicht aktiv davon abhält. Dass Gott sie dann nicht davon abhält, sondern ihnen freie Bahn ins Verderben lässt, könnte dann damit erklärt werden, dass er diese Menschen von vornerein nicht für den Himmel erwählt hat.
Aber all das ist ja nicht die katholische Position! Wie gesagt dachte ich, dass die katholische Theologie so etwas wie eine Willensfreiheit kennt, die Gott akzeptiert und die ihn teilweise sogar einzuschränken scheint. Hier bin ich mir nicht ganz sicher, aber so lese ich zumindest manche Aussagen, die mir bisher begegnet sind: Z.B. Dass Gott alle Menschen retten will, aber es nicht verhindert, wenn sich einer gegen ihn entscheidet. Oder dass er auf Marias "Mir geschehe nach deinem Willen" wartet, ehe sie den Erlöser empfängt. (Damit mache ich natürlich nochmal ein ganz anderes Fass auf, aber das ist auch eine sehr wichtige Frage!)
Die Peiniger hätten sich also auch - trotz ihrer Sünde - dagegen entscheiden können, Jesus zu kreuzigen; ganz wie sich der Sünder auch heute für oder gegen Gott entscheiden kann.

Oder irre ich in diesem Punkt und ich verwechsle die katholische Position mit einem Pelagianismus?

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Samuel
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Samuel »

Coturnix hat geschrieben:Ich denke, da hast du schon recht Samuel, Jesus hätte nicht kommen müssen, wenn wir ohne Sünde gewesen wären, das ist denke ich klar.
Ganz so klar ist das nicht. Die alte Kirche ging davon aus, dass die Menschwerdung Gottes notwendig war, damit wir überhaupt Verbindung mit Gott haben können: "Gott wurde Mensch, damit der Mensch vergöttlicht werde." (Athanasius)
Seit Anselm v. Canterbury hat man dann im Westen den Schwerpunkt auf die Sündenvergebung gelegt: Gott wurde Mensch um für unsere Sünden genug zu tun.
Die Peiniger hätten sich also auch - trotz ihrer Sünde - dagegen entscheiden können, Jesus zu kreuzigen; ganz wie sich der Sünder auch heute für oder gegen Gott entscheiden kann.
Ich glaube, ich sehe das eher altkirchlich:
Jesus ist die Liebe Gottes, Gott, der für uns da ist, der sich uns hingibt komme was da wolle. Angesichts der konkreten Situation bedeutete dies Kreuzeshingabe. Aber was uns erlöst ist in erster Linie nicht das Kreuz sondern die Liebe Gottes, und wenn die Menschen Jesus nicht gekreuzigt hätten, dann hätte die Liebe Gottes eine andere Ausdrucksform gefunden.
Wer einen Menschen verurteilt, kann irren. Wer ihm verzeiht, irrt nie. (Heinrich Waggerl)

Tinius
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Tinius »

Coturnix hat geschrieben: Die Peiniger hätten sich also auch - trotz ihrer Sünde - dagegen entscheiden können, Jesus zu kreuzigen; ganz wie sich der Sünder auch heute für oder gegen Gott entscheiden kann.

Oder irre ich in diesem Punkt und ich verwechsle die katholische Position mit einem Pelagianismus?
Hier liegt ein grundsätzlicher Irrtum vor. Unter den "Peinigern" verstehst du vermutlich eine oder mehrere heterogene Gruppen oder Personen.
Ich verzichte hier bewusst auf alle lateinischen Fachtermini, die zu wissenschaftlich sind und im römischen Rechtskreis der Provinzialen eine Rolle spielten.

Hier in Kapitel 14 und 15 des Markusevangeliums sind zu nennen als "körperlich aktive" Peiniger:

14,65 einige Mitglieder des Hohen Rates und einige Gerichtsdiener (Sünder, da Körperverletzung in diesem Fall ein Bruch der jüdischen Vorschriften ist)

15,15 Pilatus lässt Jesus auspeitschen und ordnet die Kreuzigung an (Kein Sünder, da römischer Staatsbeamter und Anhänger paganer Kulte)

15, 16-20 Die Soldaten schlagen Jesus (Keine Sünder, da Ausführende des üblichen Kreuzigungsprozedere und Anhänger paganer Kulte, nur Sünder, falls Jude als Mitglied der Auxiliartruppen, hierfür liegen keinerlei Hinweise vor)

Kreuzigung: durch römische Legionäre bzw. Angehörige der Auxiliartruppen auf Befehl durchgeführt (siehe soeben zu 15, 16-20).

Somit ist dein ganzer Ansatz falsch und theologisch ohne Bedeutung.

Im Sinne der kontrafaktischen Geschichte wäre zu überlegen, was geschehen wäre, wenn Pilatus Jesus, wie später Albinus den Jesus ben Ananias, einfach rausprügeln hätte lassen.

Coturnix
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

Zunächst zu Tinius:
Unter Peiniger verstehe ich in der Tat eine heterogene Gruppe, nämlich alle, die irgendwie den Tod Jesu auf welche Weise auch immer herbeigewirkt haben. Da es für meine Fragestellung aber gar nichts zur Sache tut, ob die Schuld dafür bei dem Volk, den Hohepriestern, den Soldaten oder Pilatus liegt, habe ich bewusst einen "offenen" Begriff gewählt.
Scheinbar - wenn ich dich richtig verstehe - war es der Begriff der "Sünde" in Kombination mit den Peinigern, der dir nicht zugesagt hat. Du scheinst den Begriff Sünder nur auf Leute anwenden zu wollen, die an "jüdische Vorschriften" gebunden sind - meine Interpretation reicht da in der Tat weiter. Da das Gute objektiv und für jeden gut ist, kann in meinen Augen jeder, der gegen das Gute handelt, sich von Gott abkehrt, Sünder sein, sei es nun ein Römer oder Jude oder sonstwer. Da es objektiv schlecht ist, einen Unschuldigen - ja sogar den Gottessohn - zu töten, egal ob man das aus freien Stücken macht oder ob man einen Befehl dazugekriegt hat, kann man denke ich von allen "Peinigern", die in den Hinrichtungsprozess involviert waren sagen, dass sie sich dabei in Sünde verstrickt haben.
Natürlich schließt sich deine Frage allerdings konsequent an meine an.
Im Sinne der kontrafaktischen Geschichte wäre zu überlegen, was geschehen wäre, wenn Pilatus Jesus, wie später Albinus den Jesus ben Ananias, einfach rausprügeln hätte lassen.

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lifestylekatholik
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von lifestylekatholik »

Mir ist, Coturnix, nicht ganz klar, was genau deine Frage ist. Ich denke aber, das ist sie so ungefähr:
Coturnix hat geschrieben:Hätten damals die Peiniger davon abgesehen, Jesus zu töten, hätte dann ein Frommer diese Aufgabe übernehmen müssen?
Antwort: Nein, denn einen Unschuldigen zu töten, ist ein Übel. Aber die Frage ist sinnlos.

Schon bevor Jesus in der Krippe lag, stand seine Kreuzigung fest. Sie ist im AT in dunklen Andeutungen vorhergesagt. Dein Denkfehler liegt, vermute ich, darin, dass du meinst, die menschliche Willensfreiheit beschränke die Allwissenheit Gottes oder, weil der Mensch sich frei entscheiden könne, könne Gott nicht vorher wissen, wie er sich tatsächlich entscheiden wird. Das ist aber nicht der Fall. Gott steht ja über dem Vorher-Nachher, über der Zeit. (Dazu gab's hier schon längere Diskussionen.)
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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overkott
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von overkott »

Hättättä und hattatta. Hätte Gott nicht den Apfel geschaffen... hatta abba.

Coturnix
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

Mein Problem ist einfach, dass ich mich damit schwer tue zu begreifen, wie Gottes Heilshandeln die erneute Sünde benötigt, um wirksam werden zu können. Gott erschafft Adam, Adam fällt durch Sünde ab - soweit verständlich. Gott will den Menschen retten und kommt in Christus zu den Menschen. Damit Christus nun aber das Heil der gefallenen Menschheit erwirken kann, muss er aber von einigen umgebracht werden. Das Heil der in Adam gefallenen Menschheit ist an eine erneute Sünde gebunden und nicht ohne sie zu haben. Das finde ich schwierig. Gott braucht die Sünde, um die verlorenen Menschen zu retten.

lifestylekatholik hat geschrieben:Dein Denkfehler liegt, vermute ich, darin, dass du meinst, die menschliche Willensfreiheit beschränke die Allwissenheit Gottes oder, weil der Mensch sich frei entscheiden könne, könne Gott nicht vorher wissen, wie er sich tatsächlich entscheiden wird. Das ist aber nicht der Fall. Gott steht ja über dem Vorher-Nachher, über der Zeit. (Dazu gab's hier schon längere Diskussionen.)
Vielleicht ist das tatsächlich ein Verständnisproblem. Mein Denken war früher sehr stark vom Gedanken der doppelten Prädestination geprägt - auch wenn ich damit gebrochen habe, fallen mir manche Konsequenzen der menschlichen Willensfreiheit noch schwer zu verstehen. Weißt du noch wie der Thread hieß, dass ich ihn suchen kann?

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lifestylekatholik
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von lifestylekatholik »

Coturnix hat geschrieben:Gott braucht die Sünde, um die verlorenen Menschen zu retten.
Wer sagt denn sowas? Hast du da 'n Zitat? (Zum Beispiel 'n Kirchenvater oder sowas.)
Weißt du noch wie der Thread hieß, dass ich ihn suchen kann?
Habe ihn jetzt nicht gefunden. :ikb_shy:
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Coturnix
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Coturnix hat geschrieben:Gott braucht die Sünde, um die verlorenen Menschen zu retten.
Wer sagt denn sowas? Hast du da 'n Zitat? (Zum Beispiel 'n Kirchenvater oder sowas.)
Keine Sorge, das ist kein Kirchenväterzitat. Es war nur die Schlussfolgerung, die ich aus dem bisher Gesagten ziehen musste, gleichwenn ich sie für sehr problematisch halte und deswegen jeden herzlich dazu ermuntere, diese These zu widerlegen.
In Kurzfassung:

1. Der Mensch ist dem Tod verfallen und erlösungsbedürftig
2. Jesus Christus ermöglicht die Erlösung des Menschen durch seinen Tod und seine Auferstehung.
3. Um sterben und auferstehen zu können, muss ihn aber ein Mensch töten.
4. Jesus ist unschuldig
5. Töten von Unschuldigen ist Sünde
Fazit: Die Erlösung ist auf Sünde angewiesen.

In welchem Punkt liegt der Denkfehler?

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lifestylekatholik
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von lifestylekatholik »

Coturnix hat geschrieben:In Kurzfassung:

1. Der Mensch ist dem Tod verfallen und erlösungsbedürftig
2. Jesus Christus ermöglicht die Erlösung des Menschen durch seinen Tod und seine Auferstehung.
3. Um sterben und auferstehen zu können, muss ihn aber ein Mensch töten.
4. Jesus ist unschuldig
5. Töten von Unschuldigen ist Sünde
Fazit: Die Erlösung ist auf Sünde angewiesen.

In welchem Punkt liegt der Denkfehler?
Meiner Meinung nach im Fazit. Ich sehe nicht, wie sich das aus den Punkten 1 bis 5 ergeben soll.
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Protasius
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Protasius »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Coturnix hat geschrieben:In Kurzfassung:

1. Der Mensch ist dem Tod verfallen und erlösungsbedürftig
2. Jesus Christus ermöglicht die Erlösung des Menschen durch seinen Tod und seine Auferstehung.
3. Um sterben und auferstehen zu können, muss ihn aber ein Mensch töten.
4. Jesus ist unschuldig
5. Töten von Unschuldigen ist Sünde
Fazit: Die Erlösung ist auf Sünde angewiesen.

In welchem Punkt liegt der Denkfehler?
Meiner Meinung nach im Fazit. Ich sehe nicht, wie sich das aus den Punkten 1 bis 5 ergeben soll.
Die Tötung könnte auch durch einen Unfall geschehen; das wäre, da bei einem Unfall keine böse Absicht vorliegt, zum mindesten keine schwere Sünde.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Coturnix
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

Die Tötung könnte auch durch einen Unfall geschehen; das wäre, da bei einem Unfall keine böse Absicht vorliegt, zum mindesten keine schwere Sünde.
Das heißt das Heil wäre auch erwirkt worden, wenn sich die Römer kurzerhand anders entschlossen hätten und Jesus davon gekommen wäre? Wenn er dann in einem Unfall oder gar eines natürlichen Todes gestorben wäre, wäre er genauso auferstanden?
Das würde das Problem natürlich lösen, führt aber auf der anderen Seite dazu, dass das Kreuz dann nicht mehr heilsnotwendig wäre sondern der Fokus ganz auf die Auferstehung gerückt wird?

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lifestylekatholik
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von lifestylekatholik »

Protasius hat geschrieben:Die Tötung könnte auch durch einen Unfall geschehen
Nein, nein, nein! Das ist doch kompletter Blödsinn. (Wow, ist, glaube ich, das erste Mal, dass ich Protasio widerspreche.)
Coturnix hat geschrieben:Das heißt das Heil wäre auch erwirkt worden, wenn sich die Römer kurzerhand anders entschlossen hätten und Jesus davon gekommen wäre?
Nein. (Übrigens waren es nicht die Römer, die »Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!« gerufen haben, sondern die Juden. Die Römer waren doch Heiden, die waren irrelevant. Die Juden, das auserwählte Volk Gottes, das Volk, das Gott aus der ägyptischen Knechtschaft geführt, durch die Wüste geleitet und dem er das Gesetz und das Land gegeben hat, war es, das nach Gottes Tod schrie. Das ist wichtig.)

Aber der Punkt ist: Gott weiß, wie sich die Römer entscheiden. Für uns Menschlein ist Zeit eine Linie, und wir befinden uns immer an einem bestimmten Punkt auf der Linie, in der Froschperspektive. Wir sind da quasi »eindimensional«. Aber Gott steht darüber und kuckt sozusagen von oben darauf. Er »sieht« »mit einem Blick« den Anfang der Linie, ihren Verlauf und das Ende.
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Protasius
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Protasius »

@lifestylekatholik: Ja, ein Opferlamm muß geschlachtet werden, das stimmt schon. Nur war das so in dem skizzierten Gedankengang von Coturnix ja nicht explizit enthalten. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist die Irrelevanz der Römer; denn das Naturgesetz ist den Heiden "ins Herz geschrieben" (Röm 2, 15). Insofern gilt das Verbot der Tötung eines Unschuldigen auch für sie.

Andererseits sind die Tötenden ja nur Erfüllungsgehilfen der römischen Justiz, und "sie wissen nicht, was sie tun" (Lk 23, 34). :hmm: Muß ich noch drüber nachdenken.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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lifestylekatholik
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von lifestylekatholik »

Protasius hat geschrieben:Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist die Irrelevanz der Römer
Ja, »irrelevant« war zu stark formuliert. Wichtig ist mir, dass der Fokus eben auf die Juden gelegt wird. Denn sie sind das auserwählte Volk, Gott ist zu ihnen gekommen. Sie haben Gott dem Tode ausgeliefert, dem Tod am Kreuz. Die Römer standen dem ja mehr oder weniger gleichgültig gegenüber.

(Das ist aber vielleicht alles nur ein Nebengleis und gehört nicht eigentlich zum Strangthema.)
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Coturnix
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von Coturnix »

Nach meiner Einschätzung ist es eigentlich irrelevant für diese Fragestellung, wer jetzt Schuld an Jesu Tod hatte.
Protasius, wenn du das mit dem Unfall doch nicht ganz ernst gemeint hast (so habe ich das jetzt verstanden), wie würdest du die Frage denn dann beantworten?

Vielen Dank jedenfalls schonmal für eure Beteiligung. Auch wenn ihr die Frage vielleicht seltsam findet ist sie für mich von hoher Relevanz.

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taddeo
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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von taddeo »

lifestylekatholik hat geschrieben:Wichtig ist mir, dass der Fokus eben auf die Juden gelegt wird. Denn sie sind das auserwählte Volk, Gott ist zu ihnen gekommen. Sie haben Gott dem Tode ausgeliefert, dem Tod am Kreuz. Die Römer standen dem ja mehr oder weniger gleichgültig gegenüber.
Eine interessante Nebenbemerkung dazu ist aber, daß zB im Glaubensbekenntnis die Juden überhaupt nicht vorkommen. Es heißt nirgends "gekreuzigt wegen ...". Die Römer sind immerhin im Credo vertreten, wenn auch nur zum Erweis der Historizität und der Datierung der Kreuzigung.
Es ist scheinbar für das Erlösungswerk bedeutsamer, daß es historisch nachweisbar passiert ist, als wer daran letztlich "schuld" war.

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Re: Wär er nicht gestorben...?

Beitrag von lifestylekatholik »

taddeo hat geschrieben:Es ist scheinbar für das Erlösungswerk bedeutsamer, daß es historisch nachweisbar passiert ist, als wer daran letztlich "schuld" war.
Ja, schon. Aber man kann das Geschehen, denke ich, nicht richtig verstehen, wenn man nicht versteht, dass das Volk Gottes der Handlungsträger ist und nicht ein (im Grunde x-beliebiges) Heidenvolk, das sowieso nicht viel von Gott wusste. Nein, der Tragödie ganzer Umfang erschließt sich doch erst, wenn man sich bewusst ist, das Gottes eigenes erwähltes Volk, das doch eigentlich den Messias erwartete und von Gott geleitet wurde, den Tod Gottes herbeischrie.

Aber Coturnix hat recht: Das geht eigentlich am Thema vorbei.

Ich versuche mal, darauf zurückzukommen:

Gottes Erlösungswerk ist nur durch die Sünde des/der Menschen notwendig geworden. Ist es nicht umso wunderbarer, dass Gottes Erlösungswerk also gerade durch die Sünde der Menschen hindurch geschieht?

Ob das die einzige Chance war, die Gott blieb, vermag ich nicht zu beurteilen. Vielleicht hätte Gott auch tausend andere Möglichkeiten gehabt, die Menschen zu erlösen. Aber er hat jedenfalls den Weg gewählt, der durch das tiefste Tal – den Gottesmord – zum höchsten Gipfel führte.

Gott steht ja nicht in der Zeit wie wir, die wir die Geschehnisse als nacheinander ablaufende Folge wahrnehmen müssen, sondern Gott ist alle Zeit zugleich gegenwärtig. Deshalb ändert sich Gott auch nicht, denn Veränderung ist immer ein Vorher-Nachher.

(Soweit meine Küchenphilosophie.)
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