Das Volk Gottes

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Gallus
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Das Volk Gottes

Beitrag von Gallus »

Vorweg: Hier fragt der Laie, ich bin kein Theologe.

Es ist klar, dass der Begriff vom "Volk Gottes" sehr tief reichende Wurzeln hat. Andererseits scheint es auch so, als sei er in der Kirchengeschichte lange mehr oder weniger verschüttet, jedenfalls nicht sehr gebräuchlich gewesen. Seit dem 2. Vatikanum gibt es dann einen deutlichen, man möchte fast sagen extremen Anstieg der Popularität dieses "Volk Gottes"-Begriffs. Gleichzeitig spricht z.B. plötzlich praktisch niemand mehr von der Kirche als dem mystischen Leib Christi.

Nun hat der Begriff des Volkes Gottes, wie er in den letzten 40, 50 Jahren benutzt wird, klare Konnotationen. Es schwingt meistens ein Wunsch nach der Kirche als demokratischem, horizontal gedachten, selbst bestimmten Volk Gottes mit. Was und wie wir glauben und tun wollen, das bestimmen wir selbst. Hierarchie ist Folklore, soll aber möglichst keine praktischen Konsequenzen mehr haben. Das unterscheidet sich natürlich fundamental von der alten "Leib Christi"-Vorstellung.

Was ich mich jetzt aber frage: Hat diese moderne "Volk Gottes"-Auslegung eigentlich noch irgend etwas mit dem gleichen Begriff zu tun, wie er früher verwendet wurde? Oder wurde da ein durchaus sinnvoller Begriff sozusagen im Orwellschen Sinne ausgehöhlt, mit einem neuen Verständnis versehen und auf links gedreht? Sollte man den Begriff heute überhaupt noch verwenden, wenn man doch weiß, daß er überall falsch verstanden wird und zu einer Art modernistischem Code-Wort geworden ist?

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overkott
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Re: Das Volk Gottes

Beitrag von overkott »

Du maßt dir ein erstaunliches Urteil über 50 Jahre Volk-Gottes-Theologie an, unterstellst ihr Konnotationen als klar, wobei gerade Konnotationen das Gegenteil vom Klartext sind und eben einen verborgenen Nebensinn meinen, stellst fest, dass der Begriff früher kaum verwendet wurde, ohne dass du ihm eine Bedeutung zuweist, fragst, ob bei starker Ausweitung des Begriffs die gleiche Bedeutung angenommen werden kann und damit ein unbrauchbares modernistisches Codewort entstanden sei. Deine Fragen sind wegen Pauschalität nicht beantwortbar.

heiliger_raphael
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Re: Das Volk Gottes

Beitrag von heiliger_raphael »

Gallus hat geschrieben: Nun hat der Begriff des Volkes Gottes, wie er in den letzten 40, 50 Jahren benutzt wird, klare Konnotationen. Es schwingt meistens ein Wunsch nach der Kirche als demokratischem, horizontal gedachten, selbst bestimmten Volk Gottes mit. Was und wie wir glauben und tun wollen, das bestimmen wir selbst.
Das sind gedankliche Schritte, die Du jetzt vornimmst. Die Argumentation, die Du bringst, kenne ich aus der Literatur. Unter den Gläubigen erlebe ich sie nicht so häufig. Vielleicht weildie Begrifflichkeiten außerhalb der Theologie keine so große Rolle spielen.
Das Volk Gottes als mystischer Leib Christi ist für mich ähnlich gelagert. Es kann schon sein wie Du feststellst, dass Menschen vom Volk Gottes in einer neuen Selbstbewusstheit sprechen, weil sie sich durch das 2. Vatikanum auch als Laien gestärkt fühlen. Das heißt erstmal, dass sie stärker teilnehmen und teilhaben. Wie diese Teilnahme aussieht, ist damit aber nicht gesagt. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass noch einmal bekräftigt wurde, dass jeder - auch die Laien - entsprechend ihres eigenen Charismas, ihrer eigenen Berufung aktiv werden sollen. Dass manche Leute daraus ableiten, sie müssten in allen Dingen alles anders machen und verändern, betrachten ich eher als ein Problem dieser Menschen selbst. Ein Volk Gottes, das nicht nur passiv teil hat, sondern durchaus aktiv diese Berufung wahrnimmt, empfinde ich nicht als was schlechtes.

Lilaimmerdieselbe
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Re: Das Volk Gottes

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Es ist schon so, dass religiöse Begriffe, vermutlich wegen den in der jeweiligen Zeit mitschwingenden Konotationen, im Verlauf der Geschichte mal mehr oder weniger im Vordergrund stehen.
Da hatte "Volk Gottes" in Zeiten, in der Volk hauptsächlich national oder als Gegenpol zum Monarchen und Obrigkeit konotiert war, gute Chancen verschüttet zu werden.
"Volk Gottes" mit einer demokratischen Konotation hat nicht nur zu einem neuen Verständnis von Laien geführt, wobei man nicht vergessen darf, dass der Klerus vom Diakon bis zum Papst schließlich auch Volk Gottes ist, es also Grenzen dafür gibt, wie weit man da einen Antagnonismus treiben kann.
Vor allem in Lateinamerika hatte das "Volk Gottes" auch auf säkularem Gebiet emanzipatorische Konotationen, (wenn wir das Volk Gottes sind, wer seid ihr, die ihr uns drangsaliert?) die biblisch durchaus mit einigen Prophetenaussagen korrelieren und den Reich Gottesaussagen im neuen Testament. Der traditionelle Begriff, der in diesem Bereich in den Hintergrund tritt, ist der des Christkönig, der diese Welt so wie die übernatürliche regiert.

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overkott
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Re: Das Volk Gottes

Beitrag von overkott »

Pfeifferin sätzen sä säch.

Raphael

Re: Das Volk Gottes

Beitrag von Raphael »

Gallus hat geschrieben:Vorweg: Hier fragt der Laie, ich bin kein Theologe.

Es ist klar, dass der Begriff vom "Volk Gottes" sehr tief reichende Wurzeln hat. Andererseits scheint es auch so, als sei er in der Kirchengeschichte lange mehr oder weniger verschüttet, jedenfalls nicht sehr gebräuchlich gewesen. Seit dem 2. Vatikanum gibt es dann einen deutlichen, man möchte fast sagen extremen Anstieg der Popularität dieses "Volk Gottes"-Begriffs. Gleichzeitig spricht z.B. plötzlich praktisch niemand mehr von der Kirche als dem mystischen Leib Christi.

Nun hat der Begriff des Volkes Gottes, wie er in den letzten 40, 50 Jahren benutzt wird, klare Konnotationen. Es schwingt meistens ein Wunsch nach der Kirche als demokratischem, horizontal gedachten, selbst bestimmten Volk Gottes mit. Was und wie wir glauben und tun wollen, das bestimmen wir selbst. Hierarchie ist Folklore, soll aber möglichst keine praktischen Konsequenzen mehr haben. Das unterscheidet sich natürlich fundamental von der alten "Leib Christi"-Vorstellung.

Was ich mich jetzt aber frage: Hat diese moderne "Volk Gottes"-Auslegung eigentlich noch irgend etwas mit dem gleichen Begriff zu tun, wie er früher verwendet wurde? Oder wurde da ein durchaus sinnvoller Begriff sozusagen im Orwellschen Sinne ausgehöhlt, mit einem neuen Verständnis versehen und auf links gedreht? Sollte man den Begriff heute überhaupt noch verwenden, wenn man doch weiß, daß er überall falsch verstanden wird und zu einer Art modernistischem Code-Wort geworden ist?
Letztens konnte man zu diesem Thema sehr zutreffende Ausführungen lesen:
II Erklärung Limburger Katholiken
Insbesondere ab der Seite 5 des pdf-Dokumentes (kann man ganz am Ende aufrufen!) geht es um:
1. DIE VOLK-GOTTES-IDEOLOGIE:
1.1. „Mit uns zieht die neue Zeit“

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