Dogmatisches Allerlei

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Ralf

Dogmatisches Allerlei

Beitrag von Ralf »

Woanders (in einem anderen Forum) hatte ich schon einmal angefangen, jetzt möchte ich hier (oder wo's besser passt) so nach und nach gerne einmal all die "de fide"-Sätze präsentieren, das sind die mit höchster Verbindlichkeit, die ich in der zehnten Auflage von 1981 des "Grundrisses der Dogmatik" von Ludwig Ott so habe :schreiben: können bzw. es sind all die, die als solche angeführt werden. Sind also quasi die Kernsätze (und das sind viele...) der kath. Lehre. Durchnumeriert hab' ich sie selber.

Unter "de fide" sind solche Aussagen eingeordnet, die lt. Ott (die Begründung dafür gibt er eher selten, das gebe ich zu) eine "sententia certa" besitzen, was aber eigentlich auch genauso sicher wahr ist wie "de fide" (sie wurden aber anders als göttl. Offenbarung erklärt, nicht unbedingt auf einem Konzil oder in einer Definition des Papstes), danach folgen "sententia fidei proxima", "sententia ad fidem pertinens" bzw. "theologice certa", "sententia communis", "sententia communis", die versch. "sententiae" namens "probabilis", "probabilior", "bene fundata", "pia" und schließlich zuletzt die "opinio tolerata" - wie man merkt, alles streng scholastisch organisiert. :|

So, ich fang' mal an:


Die Lehre von Gott dem Einen der Wesenheit nach

1. Gott, unser Schöpfer und Herr, kann aus den geschaffenen Dingen durch das natürliche Licht der Vernunft mit Sicherheit erkannt werden.
2. Das Dasein Gottes ist nicht bloß Gegenstand der natürlichen Vernunfterkenntnis, sondern auch Gegenstand des übernatürlichen Glaubens.
3. Gottes Wesen ist für den Menschen unbegreiflich.
4. Die Seligen des Himmels besitzen eine unmittelbare, intuitive Erkenntnis des göttlichen Wesens.
5. Die unmittelbare Gottanschauung übersteigt das natürliche Erkenntnisvermögen der menschlichen Seele, ist also übernatürlich.
6. Um Gott wirklich unmittelbar zu schauen, bedarf die Seele des Glorienlichtes.
7. Gottes Wesen ist auch für die Seligen des Himmels unbegreiflich.
8. Die göttlichen Eigenschaften sind sowohl mit der göttlichen Wesenheit als auch unter sich real identisch.
9. Gott ist absolut vollkommen.
10. Gott ist in jeder Vollkommenheit absolut unendlich.
11. Gott ist absolut einfach.
12. Es gibt nur einen einzigen Gott.
13. Der eine Gott ist im ontologischen Sinn wahrer Gott.
14. Gott besitzt eine unendliche Erkenntniskraft.
15. Gott ist die absolute ontologische Güte in sich und in Beziehung zu anderen.
16. Gott ist absolut unveränderlich.
17. Gott ist ewig.
18. Gott ist unermesslich und absolut raumlos.
19. Gott ist im geschaffenen Raum überall gegenwärtig.
20. Das Erkennen Gottes ist unendlich.
21. Gott erkennt alles bloß Mögliche.
22. Gott erkennt alles Wirkliche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
23. Gott sieht in der scientia visionis auch die zukünftigen freien Handlungen der vernünftigen Geschöpfe mit unfehlbarer Gewissheit voraus.
24. Das Wollen Gottes ist unendlich.
25. Gott will und liebt sich selbst mit Notwendigkeit, die außergöttlichen Dinge hingegen mit Freiheit.
26. Gott ist allmächtig.
27. Gott ist der Herr des Himmels und der Erde.
28. Gott ist unendlich gerecht.
29. Gott ist unendlich barmherzig.
30. Gott ist absolut wahrhaftig.
31. Gott ist absolut treu.
32. Gott ist die absolute sittliche Güte oder Heiligkeit.
33. Gott ist die absolute wohlwollende Güte.


(Muss ich noch extra erwähnen, dass jeder eingeladen ist, seinen kompetenten Senf dazu abzugeben?)

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Re: Dogmatisches Allerlei

Beitrag von anselm »

Hallo Ralf,

angesichts dieser Auflistung kann ich die Weisheit des Gebotes "Du sollst dir kein Bild machen" sehr gut nachvollziehen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Art von "Gottes-Metaphysik" irgendeinen Sinn haben soll, ausser vielleicht uns zu zeigen, dass Menschen über die "göttliche Sphäre" nichts wissen können. Denn eigentlich sagen diese ganzen Begriffe doch nichts aus, oder?

Nichts für ungut, ist nur so ein spontaner Einfall von mir ;D

Geronimo

Re: Dogmatisches Allerlei

Beitrag von Geronimo »

anselm hat geschrieben:Hallo Ralf,

angesichts dieser Auflistung kann ich die Weisheit des Gebotes "Du sollst dir kein Bild machen" sehr gut nachvollziehen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Art von "Gottes-Metaphysik" irgendeinen Sinn haben soll, ausser vielleicht uns zu zeigen, dass Menschen über die "göttliche Sphäre" nichts wissen können. Denn eigentlich sagen diese ganzen Begriffe doch nichts aus, oder?

Nichts für ungut, ist nur so ein spontaner Einfall von mir ;D
Klar, wenn man nicht nachdenkt bzw. sich nicht auf einen Satz einlässt, sagt er nichts.
Nun gibt es ja Leute, die Freude daran haben, ihr Leben lang über solche Dinge zu meditieren. Ich bin mir sicher, dass allein der Satz "Gott ist allmächtig" eine Menge hergibt zum Nachdenken und dass man sein Lebtag damit nicht fertigwird, ihn zu ergründen.
Wer indes gar nicht denken möchte, sondern alles vorgekaut und durchverdaut serviert bekommen und die Erkenntnis und Erleuchtung noch gratis geliefert und sich dabei noch vorkommt, als wäre dies dann eine intellektuelle Leistung - nun, der steht natürlich vor allem davor wie die Ochse vorm Scheunentor.
Und etwas für dich nichts aussagt, hat nun überhaupt nichts sagen darüber, was es für andere evtl. aussagt.

Geronimo

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Hallo Geronimo,

in meinem Verständnis sollen Begriffe dazu dienen, einen Sachverhalt möglichst präzise zu umreissen und damit eine wissenschaftliche Analyse möglich zu machen.

Die Auflistung von Ralf erinnert mich dagegen stark an ein Gebet bzw. eine Litanei, und so etwas hat ja bekanntlich nichts mit Erkenntnis im eigentlichen Sinnen zu tun, sondern eher mit dessen Gegenteil

Aber als Selbstbeweihräucherung ist es sicher ganz nützlich: es täuscht Erkenntnis vor wo in Wirklichkeit nur Begriffshuberei vorhanden ist.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

anselm hat geschrieben:Aber als Selbstbeweihräucherung ist es sicher ganz nützlich: es täuscht Erkenntnis vor wo in Wirklichkeit nur Begriffshuberei vorhanden ist.
Anselm hat nicht unrecht. Denn die Auflistung enthält allerlei positive Schlüsse in menschlicher Sprache: "Gott ist ...". Näher an der Wahrheit wäre es zu sagen: "Gott ist nicht...", und dann ein beliebiges Attribut der menschlichen Dimension, z.B. "das Licht". Was kann man anderes tun als verstummen, wenn man dem Unaussprechlichen begegnet?

Ralf

Beitrag von Ralf »

Hmmm,
3. Gottes Wesen ist für den Menschen unbegreiflich.
...

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

anselm hat geschrieben:Hallo Geronimo,

in meinem Verständnis sollen Begriffe dazu dienen, einen Sachverhalt möglichst präzise zu umreissen und damit eine wissenschaftliche Analyse möglich zu machen.

Die Auflistung von Ralf erinnert mich dagegen stark an ein Gebet bzw. eine Litanei, und so etwas hat ja bekanntlich nichts mit Erkenntnis im eigentlichen Sinnen zu tun, sondern eher mit dessen Gegenteil

Aber als Selbstbeweihräucherung ist es sicher ganz nützlich: es täuscht Erkenntnis vor wo in Wirklichkeit nur Begriffshuberei vorhanden ist.
Anselm, dein Verständnis ist sekundär bei der Sache - ganz einfach deshalb, weil ich mein Verständnis als meine ureigene Sache betrachte und dies nicht auf andere übertrage. Ich spreche alleinig ovn mir selbst, wenn ich so was wie in meinem obigen Beitrag äußere. Was mir Freude macht, mag andere völlig kalt lassen.Und woraus ich Erkenntnis gewinne, liegt in mir selbst.
Mein Beitrag war vor allem an diejenigen gerichtet, die auch einen Erkenntnisgewinn aus solchen Dingen ziehen. Und ob und wie ich Erkenntnis gewinne, weiß allein Gott - und nicht du. Klar?

Geronimo

Ralf

Beitrag von Ralf »

So, bevor hier erkenntnistheoretische Grundsatzdebatten geführt werden (wer nicht an die Möglichkeit der menschlich verstehbaren göttl. Offenbarung glaubt, für den ist das hier eh Humbug), mache ich mal weiter. Ach, vorher noch ein Anmerkung: ich finde die Formulierung der Dogmen oft richtig schön, sprach-ästhetisch gesehen. So, jetzt aber:


Die Lehre von Gott dem Dreipersönlichen



34. In Gott sind drei Personen, der Vater, der Sohn und der Hl. Geist. Jede der drei Personen besitzt numerisch dieselbe göttliche Wesenheit.
35. Es gibt in Gott zwei innergöttliche Hervorgänge.
36. Subjekt der innergöttlichen Hervorgänge (im aktiven und passiven Sinn) sind die göttlichen Personen, nicht die göttliche Natur.
37. Die zweite göttliche Person geht aus der ersten durch Zeugung hervor und verhält sich deshalb zu ihr wie der Sohn zum Vater.
38. Der Hl. Geist geht aus dem Vater und dem Sohn als einem einzigen Prinzip durch eine einzige Hauchung hervor.
39. Der Hl. Geist geht nicht durch Zeugung hervor.
40. Die Relationen in Gott sind mit der göttlichen Wesenheit real identisch.
41. In Gott ist alles eins, soweit nicht ein Gegensatz der Relation vorhanden ist.
42. Die drei göttlichen Personen sind ineinander.
43. Alle Tätigkeiten nach außen sind den drei Personen gemeinsam.

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lancelot
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Beitrag von lancelot »

Ralf hat geschrieben: 34. In Gott sind drei Personen, der Vater, der Sohn und der Hl. Geist. Jede der drei Personen besitzt numerisch dieselbe göttliche Wesenheit.
Was bedeutet hier das "numerisch"? Ich hätte eher erwartet: "in gleichem Maße", "in gleicher Fülle" oder "ein und dieselbe, gleiche göttliche Wesenheit".

Zu den philosophischen/erkenntnistheoretischen Fragen passt ein Zitat von Jacques Maritain, das auch einen autobiographischen Hintergrund hat:
Gott bietet uns in Begriffen und begrifflichen Sätzen (die ins Blut der Märtyrer getaucht zu uns gelangen, denn zur Zeit des Arianismus war man fähig, eines Jotas wegen zu sterben) die übersinnlichsten und unserem Verstand unzugänglichsten Wahrheiten, die eigentliche Wahrheit Seines göttlichen Lebens, Seines eigenen Abgrundes; das beweist, daß der Begriff nicht bloß ein Instrument zur Bewältiguing der Lebenspraxis ist, das als solches aus sich allein unserem Geist das Wirkliche nicht zu vermitteln vermag, sondern bestenfalls nur die unaussprechlichen Zusammenhänge zerstückeln kann und das Absolute wie Wasser durch ein Sieb entrinnen läßt. Der Geist der Analogie schlägt eine Brücke vom einen Ufer zum anderen und befähigt uns, das Unendliche zu erkennen; dank diesem Wunder an Kraft und Beschwingtheit enthält der im dogmatischen Satz göttlich ausgefeilte Begriff, als Spiegel und als Rätsel, aber auch als ganze Wahrheit, das Mysterium der Gottheit selbst, das er in uns senkt, ohne es zu begrenzen, das Mysterium der Gottheit, die sich selbst ewig im ungeschaffenen Wort, zeitlich aber, und in menschlicher Sprache, im fleischgewordenen Wort verkündet."
Ich sehe in den Sätzen Otts ein großes Vertrauen in die Fähigkeit von Begriffen und Sätzen, analogisch eine Wahrheit zu übermitteln. Kann sein, daß dieses Vertrauen heute, postmodern, pluralistisch, nicht mehr so da ist.

Ergänzung:

Übrigens finde ich dieses Vertrauen selbst ermutigend, weil es einerseits die Vernunft aufbaut und ihr einen Auftrag gibt und weil es auf eine Intuition fortführt, die ich und wahrscheinlich die meisten von uns haben: daß wir richtige, wahre Sätze formulieren können, daß wir mit der Sprache an die Wirklichkeit rühren und uns einen "Pfad ins Geheimnis" bahnen können.
Zuletzt geändert von lancelot am Mittwoch 12. Mai 2004, 08:15, insgesamt 2-mal geändert.

Edith
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Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 20:38

Beitrag von Edith »

42. Die drei göttlichen Personen sind ineinander.
hm.... :kratz:

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