Quellen zur Abwehr von Diffamierungen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
Edi
Beiträge: 11363
Registriert: Montag 12. Januar 2004, 18:16

Beitrag von Edi »

Pit hat geschrieben:Hallo Edi,

nur einmal kurz zu den "Wiedertäufern" in Münster.
Sie waren Extremisten mit einer Einstellung, die schon damals (!) von anderen Täufergemeinden - nicht nur in Deutschland abgelehnt (!) wurde.
Also kann man die "Wiedertäufer" unter ihrem "König" Jan Bokkelson wohl kaum als beispielhaft für die heutigen Baptistengemeinden nehmen.

Aus eben diesem Grund braucht sich auch kein heutiger Baptist für die Verbrechen der münsteraner "Wiedertäufer" entschuldigen, warum auch?
Ich verlange das ja auch nicht, habe es nur zum Vergleich erwähnt. Nimm halt den Luther, auf den sich Evangelische heute noch berufen und ich sehe da auch keine Buße für das, was er geschrieben und getan hat, denn längst nicht alles war gut. Er hat die Bigamie gefördert und für richtig gehalten und anderes mehr. Seine schroffen Ausdrücke und schlimmen Verwünschungen u.a. auch den Juden gegenüber, sind ja bekannt.
Aber: ein heutiger ev. Christ, hat sich ja schon allein durch seine Lebensweise (sofern er in der Gnade lebt) von Luther distanziert und nicht anders ist es bei heutigen Katholiken. Man braucht nicht für alle Zeiten auf dem Boden rutschen, nur weil es gewisse düstere Sekten so wollen. Es reicht, wenn man als Katholik im Stande der Gnade ist und wenn man ein Bischof oder gar Papst wäre, kann man die Vergangenheit auch nur bedauern, es besser machen und das geschieht ja auch längst. Aber hier will man statt Gottes Lehren und Gnadengaben, noch psychologische und politische Maßstäbe den Leuten mit Gewalt verordnen, wo es Gott schon reicht, wenn der Einzelne die Sündenvergebung hat. Das sind Irrlehren, die uns hier aufgetischt werden und auf die wir nicht hereinfallen dürfen.
Jesus macht auch von diesen Irrlehren frei.

Nebenbei: Heute aber haben die Evangelischen ganz andere Probleme und da wäre eine Änderung angebracht.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

John Grantham
Beiträge: 1678
Registriert: Mittwoch 5. Juli 2006, 17:45
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von John Grantham »

Hi Edi,
Edi hat geschrieben:Nimm halt den Luther, auf den sich Evangelische heute noch berufen und ich sehe da auch keine Buße für das, was er geschrieben und getan hat, denn längst nicht alles war gut. Er hat die Bigamie gefördert und für richtig gehalten und anderes mehr. Seine schroffen Ausdrücke und schlimmen Verwünschungen u.a. auch den Juden gegenüber, sind ja bekannt.
Aber: ein heutiger ev. Christ, hat sich ja schon allein durch seine Lebensweise (sofern er in der Gnade lebt) von Luther distanziert und nicht anders ist es bei heutigen Katholiken.
Aber es gibt einen grundlegenden Unterschied, der zum Kern des jeweiligen Selbstverständnisses der Protestanten und Katholiken geht.

Katholiken sehen sich als Teil einer quasi unveränderten Kirche, soll heißen, nicht nur eine Kirche der Gegenwart, sondern eine Kirche aller Zeiten (u.a. durch die ap. Sukzession, Tradition, Dogmas und Unfehlbarkeitsprinzip).

Protestanten dagegen haben sich ganz bewußt von der Tradition losgesägt. Sola fidei und sola scriptura führen dazu, dass die Institution Kirche -- und damit Verantwortung für die Handlungen der Kirche -- so gut wie verschwindet und radikal an Bedeutung verliert. Wie Du richtig erkennst, es ist für einen Protestanten relativ einfach (zu einfach, vielleicht, aber immerhin) sich von den Handlungen anderer Protestanten -- egal welcher Farbe oder Konfession -- zu distanzieren. Für Katholiken, vor allem Römisch-Katholiken, ist das noch lange nicht so einfach: Semper eadem.

Das interessante ist, diese Vorstellung der Kirche bei Katholiken -- Vergangenheit ist Gegenwart ist Zukunft -- ist m.M.n. noch stärker bei den Orthodoxen. Daher habe ich sie in diesem Zusammenhang erwähnt. Sachen, die vor 1000 Jahren passiert sind, sind für sie wie letzte Woche (wobei ich dankbar wäre, wenn die anwesenden Orthodoxen bei Bedarf korregieren würden). Daher führt das zu Spannungen, weil das m.E. von katholischer Seite zu wenig verstanden wird, von Protestanten sowieso nicht.

Cheers,

John
Der Beweis, dass Gott einen Sinn für Humor hat: Er hat die Menschheit geschaffen.
[ Alt-Katholisch/Anglikanisch in Hannover ]

Alfonso2
Beiträge: 3
Registriert: Dienstag 7. November 2006, 20:53

Beitrag von Alfonso2 »

John Grantham hat geschrieben:Katholiken sehen sich als Teil einer quasi unveränderten Kirche, soll heißen, nicht nur eine Kirche der Gegenwart, sondern eine Kirche aller Zeiten (u.a. durch die ap. Sukzession, Tradition, Dogmas und Unfehlbarkeitsprinzip).
Das Problem ist nur, daß hier Selbstverständnis und Realität so himmelweit auseinanderklaffen. Tatsache ist, daß das biblische Evangelium, die apostolische Lehre erst zensiert, SD werden musste damit die heutige katholische Kirche entstehen konnte.

A

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Alfonso2 hat geschrieben:
John Grantham hat geschrieben:Katholiken sehen sich als Teil einer quasi unveränderten Kirche, soll heißen, nicht nur eine Kirche der Gegenwart, sondern eine Kirche aller Zeiten (u.a. durch die ap. Sukzession, Tradition, Dogmas und Unfehlbarkeitsprinzip).
Das Problem ist nur, daß hier Selbstverständnis und Realität so himmelweit auseinanderklaffen. Tatsache ist, daß das biblische Evangelium, die apostolische Lehre erst brutal :ikb_censored: werden musste damit die heutige katholische Kirche entstehen konnte.

A
Dieser Prozess (geändert, SD) begann aber dann schon sehr früh nämlich bei Petrus, Paulus und Konsorten.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Alfonso2
Beiträge: 3
Registriert: Dienstag 7. November 2006, 20:53

Beitrag von Alfonso2 »

FioreGraz hat geschrieben:
Alfonso2 hat geschrieben:
John Grantham hat geschrieben:Katholiken sehen sich als Teil einer quasi unveränderten Kirche, soll heißen, nicht nur eine Kirche der Gegenwart, sondern eine Kirche aller Zeiten (u.a. durch die ap. Sukzession, Tradition, Dogmas und Unfehlbarkeitsprinzip).
Das Problem ist nur, daß hier Selbstverständnis und Realität so himmelweit auseinanderklaffen. Tatsache ist, daß das biblische Evangelium, die apostolische Lehre erst brutal :ikb_censored: werden musste damit die heutige katholische Kirche entstehen konnte.

A
Diese :ikb_censored: begann aber dann schon sehr früh nämlich bei Petrus, Paulus und Konsorten.
Blanker Unsinn und das weißt du. Die römisch-katholische Kirche gibt es seit 375 Rest gestrichen, SD.

Vorher gab es diese Kirche ja gar nicht, also kann es nicht vorher angefangen haben.

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Beitrag von Linus »

:D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D :D
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Petra
Beiträge: 6157
Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Alfonso2 hat geschrieben:Die römisch-katholische Kirche gibt es seit 375 als sie mit dem römischen Reich :ikb_censored: hat und Staatskirche wurde.
Vorher gab es diese Kirche ja gar nicht, also kann es nicht vorher angefangen haben.
Und was gab es dann Deiner Meinung nach vor 375?

Benutzeravatar
Edi
Beiträge: 11363
Registriert: Montag 12. Januar 2004, 18:16

Beitrag von Edi »

Alfonso2 hat geschrieben:Blanker Unsinn und das weißt du. Die römisch-katholische Kirche gibt es seit 375 als sie mit dem römischen Reich zensur hat und Staatskirche wurde.
Vorher gab es diese Kirche ja gar nicht, also kann es nicht vorher angefangen haben.
Vielleicht zu viel getrunken oder bei Chick gelesen?

Den Begriff katholisch findet man schon zu Anfang des 2.Jahrhunderts und römische Bischöfe gab es schon Mitte/Ende des ersten Jh.
Im übrigen hat die Kirche nicht mit dem römischen Reich gehurt, denn sie wurde bis Ende des 3.Jh. verfolgt und nur weil Kaiser Konstantin sich dem christlichen Glauben zuwandte wurde sie letztlich Staatskirche.
http://www.geschichte.2me.net/chroniken/papstlist01.htm
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Alfonso2 hat geschrieben: Blanker Unsinn und das weißt du. Die römisch-katholische Kirche gibt es seit 375 als sie mit dem römischen Reich :ikb_censored: hat und Staatskirche wurde.
Vorher gab es diese Kirche ja gar nicht, also kann es nicht vorher angefangen haben.
Es gab vorher schon Zusammenkünfte der Kirche um über Lehrfragen zu disputieren das erste davon war wohl das Apostelkonzil schent in den protestantischen Ausgaben zu fehlen und die Christen sahen sich immer als Teil der einen Kirche. Wenn du meinst das finge erst mit Konstantin an dann täuscht du dich, da gabs Synoden davor und eines der markantesten Zeugnisse einer Teufelsaorganisation namens Kirche der ein Bischof vorstand sind wohl die Clemensbriefe. Die findest du übrigens hier im Textarchiv.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Alfonso2
Beiträge: 3
Registriert: Dienstag 7. November 2006, 20:53

Beitrag von Alfonso2 »

Petra hat geschrieben:
Alfonso2 hat geschrieben:Die römisch-katholische Kirche gibt es seit 375 als sie mit dem römischen Reich gehurt hat und Staatskirche wurde.
Vorher gab es diese Kirche ja gar nicht, also kann es nicht vorher angefangen haben.
Und was gab es dann Deiner Meinung nach vor 375?
1.Die christliche Kirche (Gemeinde Jesu Christi)
2.eine sich allmählich entwickelnde Religion, die sich christlich nennt, sich aber lieber auf Dogmas statt auf Bibel stützt.

Petra
Beiträge: 6157
Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Alfonso2 hat geschrieben: 2.eine sich allmählich entwickelnde Religion, die sich christlich nennt, sich aber lieber auf Dogmas statt auf Bibel stützt.
Und wie sollte man eine Erkenntnis (oder eine Offenbarung Gottes) nennen, wie z.B. Jesus ist der Sohn Gottes, wenn nicht Dogma? Habt ihr da einen eigenen Begriff?

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Alfonso2 hat geschrieben: 1.Die christliche Kirche (Gemeinde Jesu Christi)
2.eine sich allmählich entwickelnde Religion, die sich christlich nennt, sich aber lieber auf Dogmas statt auf Bibel stützt.
Du meinst also vor 375 gab es keine Lehrdarlegungen und Dogmen? Da muß ich dich leider entäuschen, das Apostelkonzil war keine Sondermässige Einmalsache.

LG
Firoe
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Benutzeravatar
Steffen
Beiträge: 196
Registriert: Dienstag 4. Mai 2004, 16:46

Beitrag von Steffen »

Die Beschäftigung mit den Evangelikalen ist weitgehend zwecklos. Evangelikale Propaganda beruht auf dem simplen Prinzip, dieselben längst widerlegten Behauptungen so lange zu wiederholen, bis kein vernünftiger Mensch mehr Lust hat zu antworten.

Benutzeravatar
Steffen
Beiträge: 196
Registriert: Dienstag 4. Mai 2004, 16:46

Beitrag von Steffen »

Tim65 hat geschrieben:
Edi hat geschrieben: Ich verstehe deine Haltung und dein Beispiel mit den Nazis ist ja auch recht deutlich.
Doch du vergisst dabei, daß es nict nur um die Vergangenheit geht, sondern darum, daß die Kirche es getan hat. Die gleiche Kirche, die auch heute noch davon ausgeht, daß nur in ihr das Heil zu finden ist.
Wie kann es sein, daß sogar Päpste das unterstützten ?
Wie passt das zur apostolischen Sukzession und dem Selbstverständnis als einzig möglich Kirche ?

:hmm: Tim65
"D. Bonhoeffer: „Es gibt ein Wort, das bei dem Katholiken, der es hört, alle Gefühle der Liebe und der Seligkeit entzündet; das ihm alle Tiefen des religiösen Empfindens vom Schauer und Schrecken des Gerichtes bis zur Süßigkeit der Gottesnähe aufwühlt; das in ihm aber ganz gewiß Heimatgefühle wachruft; Gefühle, die nur ein Kind der Mutter gegenüber in Dankbarkeit, Ehrfurcht und hingebender Liebe empfindet; Gefühle, wie sie einen überkommen, wenn man nach langer Zeit wieder sein Elternhaus, seine Kinderheimat betritt: "Kirche" heißt das Wort, dessen Sinn wir vergessen haben und dessen Herrlichkeit und Größe wir heute anschauen wollen“ .

"Das gottheitliche Wesen der Kirche untersteht nicht der Kritik. Wer das dennoch versucht, nimmt faktisch seinen Platz schon außerhalb der Kirche ein wie die Donatisten am Anfang der Kirchengeschichte und die Reformatoren am Beginn der Neuzeit.

Aber selbst die Kritik an Einzeldingen in der Kirche kann nicht als legitim und dem liebenden Glauben entsprechend anerkannt werden, wenn sie sich auf Fakten und Wahrheiten des göttlichen Wesens der Kirche oder des göttlichen Rechtes bezieht. Darauf weist das Zweite Vatikanum mit der Feststellung hin: „Die Kirche bekennt überdies, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“ (GS, 10). Deshalb sind gewisse Dinge zwar für ein methodisches theologisches Hinterfragen offen, nicht aber für eine formelle Kritik und Anklage. So stehen etwa das definierte Dogma oder auch die mit der Offenbarung notwendig verbundenen definierten Wahrheiten nicht mehr zur Disposition, genausowenig wie die unveränderlichen Teile der Liturgie oder die hierarchische Verfassung der Kirche, die nicht auf eine Demokratie zurückgeführt werden kann.

Insofern sich Kritik und Anklage nicht gegen die Kirche im ganzen noch in den gottgesetzten Wesenszügen richten können, bleibt nur die Möglichkeit zur Kritik des menschlichen Bestandes der Kirche, d. h. der Menschen in der Kirchengemeinschaft, die ihrer persönlichen Berufung, aber auch, etwa als Amtsträger, ihrer Verantwortung nicht entsprechen. Die aus der Geschichte herangezogenen Beispiele zeigen, daß die Kirchenkritiker sich betont an einzelne Kirchenglieder und deren Verfehlungen wandten oder an bestimmte Gruppierungen, wobei die Amtsträger nicht ausgeschlossen waren. Hier nähern sich die Anklagen dem, was man mit einem ungenauen Ausdruck als „strukturelle Sünde“ bezeichnet, ungenau deshalb, weil die Sünde immer nur über die Personen auf die Strukturen übergreifen kann. Aber auch diese sogenannte strukturelle Sünde kann nie das Ganze, das Göttlich-Menschliche betreffen, sondern nur das menschlich Unvollkommene und Sündhafte an ihr. " (Leo Kard. Scheffzyk +):
Das gottheitliche Wesen der Kirche untersteht nicht der Kritik. Wer das dennoch versucht, nimmt faktisch seinen Platz schon außerhalb der Kirche ein wie die Donatisten am Anfang der Kirchengeschichte und die Reformatoren am Beginn der Neuzeit.

Aber selbst die Kritik an Einzeldingen in der Kirche kann nicht als legitim und dem liebenden Glauben entsprechend anerkannt werden, wenn sie sich auf Fakten und Wahrheiten des göttlichen Wesens der Kirche oder des göttlichen Rechtes bezieht. Darauf weist das Zweite Vatikanum mit der Feststellung hin: „Die Kirche bekennt überdies, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“ (GS, 10). Deshalb sind gewisse Dinge zwar für ein methodisches theologisches Hinterfragen offen, nicht aber für eine formelle Kritik und Anklage. So stehen etwa das definierte Dogma oder auch die mit der Offenbarung notwendig verbundenen definierten Wahrheiten nicht mehr zur Disposition, genausowenig wie die unveränderlichen Teile der Liturgie oder die hierarchische Verfassung der Kirche, die nicht auf eine Demokratie zurückgeführt werden kann.

Insofern sich Kritik und Anklage nicht gegen die Kirche im ganzen noch in den gottgesetzten Wesenszügen richten können, bleibt nur die Möglichkeit zur Kritik des menschlichen Bestandes der Kirche, d. h. der Menschen in der Kirchengemeinschaft, die ihrer persönlichen Berufung, aber auch, etwa als Amtsträger, ihrer Verantwortung nicht entsprechen. Die aus der Geschichte herangezogenen Beispiele zeigen, daß die Kirchenkritiker sich betont an einzelne Kirchenglieder und deren Verfehlungen wandten oder an bestimmte Gruppierungen, wobei die Amtsträger nicht ausgeschlossen waren. Hier nähern sich die Anklagen dem, was man mit einem ungenauen Ausdruck als „strukturelle Sünde“ bezeichnet, ungenau deshalb, weil die Sünde immer nur über die Personen auf die Strukturen übergreifen kann. Aber auch diese sogenannte strukturelle Sünde kann nie das Ganze, das Göttlich-Menschliche betreffen, sondern nur das menschlich Unvollkommene und Sündhafte an ihr. "

Leo Kard. Scheffczyk: Liebe zur Kirche und Kirchenkritik
http://kath.net/detail.php?id=3799

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema