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Niels
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Beitrag von Niels »

Sakrales oder unsakrales Christentum? Dazu eine Untersuchung aus "Schrift, Tradition und Arkandisziplin. Eine hochkirchliche Dogmatik"
des ev.-luth. Pfarrers K. Bürgener aus Bremen. Siehe auch: http://www.krb-selbstverlag.de
Karsten Bürgener hat geschrieben:Hatte die Urkirche schon geweihte Altäre?

1. Unsakrales Christentum?

Man stößt immer wieder einmal auf die Behauptung, das Christentum sei seiner ursprünglichen Intention nach unsakral. Erst die spätere Kirche habe die christliche Religion sakralisiert. Die Reformation habe dann jedoch be-rechtigter Weise zu einem unkultisch-unsakralen Christentum zurückge-funden. Diese Behauptung wird oft mit starkem Pathos vorgetragen, aber entweder gar nicht oder nur sehr unzureichend begründet. Wie dürftig die Begründung sein kann, möchte ich an zwei markanten Beispielen zeigen.
Vor einiger Zeit habe ich die Schloßkirche zu Torgau besichtigt, die als Musterbeispiel eines neuen evangelisch-unsakralen Kirchentyps gilt. Dort habe ich ein Büchlein über die Torgauer Schloßkirche gekauft, in dem es heißt:
Um Gottes Wort zu verkünden, um zu beten, zu singen und A-bendmahl zu halten, ist jeder Raum recht. Seit Jesus im Stall von Bethlehem zur Welt gekommen und vor den Toren der Stadt Je-rusalem gekreuzigt worden ist, gibt es keinen Raum mehr, der die Nähe Gottes entbehren würde. In seiner Todesstunde zerriß der Vorhang im Tempel, der den Zugang zum Allerheiligsten verbarg. Der Unterschied zwischen profanem und sakralem Raum ist durch Tod und Auferstehung Jesu aufgehoben.
Bedeutet das Zerreißen des Tempelvorhanges wirklich, daß es keinen heiligen Raum mehr gibt? Oder bedeutet das Zerreißen des Vorhanges vielleicht nur, daß Gott in diesem heiligen Raum nun nicht mehr wohnen will? Das Zerreißen des Tempelvorhanges, das in der Bibel selber nicht gedeutet wird, ist also kein eindeutiges Geschehen, auf das man sich kaum berufen kann, wenn man eine so schwerwiegende Behauptung aufstellen will, daß es seit dieser Zeit keinen sakralen Raum mehr gäbe.
Und kann man wirklich behaupten, durch die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem und durch seine Kreuzigung vor den Toren Jerusalems entbehrte nunmehr kein Raum der Nähe Gottes? Dann wären ja alle irdischen Räume sakral - auch ein Bordell, ein Konzentrationslager oder ein Raum, in dem re-gelmäßig Satansmessen gefeiert werden! Ganz so einfach, wie es in diesem Büchlein dargestellt wird, kann das angeblich unsakrale Wesen des Christen-tums doch wohl nicht begründet werden.
Oder nehmen wir das zweite Beispiel. Von meiner bremischen Kirchenleitung ist mir eine Broschüre zugesandt worden mit dem Titel „Religionen, Religiosität und christlicher Glaube“ 2. Diese im Auftrag der Arnoldshainer Konferenz und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche herausgegebene Schrift behauptet unter der Überschrift „Die Sakralisierung von Jesu Wort, Werk und Person“ 3:
Die Evangelien zeigen, daß Jesus immer wieder die kultischen Schranken des Judentums ... zerbrach. Seine Sabbatheilungen, die wie die Heilung der gelähmten Hand in Mk 3,1-6 durchaus Aufschub vertragen hätten, zeigen seine grundsätzliche Ablehnung der kultischen Ausgrenzungen. ... Kein Pharisäer hätte geleugnet, daß man am Sabbat Gutes tun darf. Aber das Tun steht am Sabbat eben unter einer sakralen Sanktion, und dem hat sich die Frage nach dem Guten unterzuordnen. Jesu hebt die sakra-len Sanktionen auf.
Auch hier ist die Argumentation von kaum zu überbietender Oberflächlich-keit. Das alttestamentliche Sabbatgebot verbietet ja keinesfalls irgendwelche Heilungen, sondern nur unnötige Arbeit. Wenn Jesus nun in Mk 3,5 ledig-lich einige Worte spricht und sagt: „Strecke deine Hand aus!“, so hat er damit zwar geheilt, aber keine Arbeit getan. Selbst das von Jesus befohlene Ausstrecken der Hand war keine Arbeit, denn es war am Sabbat nicht ver-boten, seine Hand zu bewegen. Jesus hat bei dieser Begebenheit also auch bei engster Auslegung weder das Sabbatgebot verletzt noch irgendwelche kultischen Schranken zerbrochen.
Wenn außerdem gesagt wird, die Pharisäer hätten die Frage nach dem Gu-ten der sakralen Sicht des Sabbats untergeordnet, so liegt doch eigentlich der Schluß nahe, Jesus habe seinerseits das Gute dem sakralen Verständnis des Sabbats übergeordnet. Das heißt nun aber nicht, daß er die Sakralität grund-sätzlich und prinzipiell aufgehoben hätte. Auch hier ist die biblische Begrün-dung also wenig überzeugend.
Mit einem anderen Versuch, das angeblich unsakrale Wesen der Urkirche aus dem Hebräerbrief zu beweisen, werden wir uns noch im 5. Kapitel die-ses Aufsatzes befassen. Nur soviel schon jetzt: Auch mit dem Hebräerbrief läßt sich nicht beweisen, daß die Urkirche unsakral gewesen wäre. Wir werden sehen: In Wirklichkeit beweist der Hebräerbrief das genaue Gegenteil.
Nun stellt sich die Frage: Was steckt hinter allen diesen vergeblichen Versu-chen, das ursprüngliche Christentum als unsakral darzustellen?
Ich weiß es nicht. Ich halte es aber für möglich, daß es sich hier um eine bei vielen Christen, besonders bei vielen Theologen, tief im Herzen verborgene Absicht handelt, Gott zu demütigen, indem man ihm eine kultische bzw sakrale Verehrung theoretisch abspricht und praktisch verweigert. Vielleicht haben wir es hier mit einer untergründig rebellischen Gemütsbewegung zu tun, die aus der italienischen Renaissance kommt und vor allem über Zwingli in die evangelische Kirche eingedrungen ist. Zuerst hat diese unter-gründige Strömung die reformierte Christenheit erfaßt, sich dann aber un-merklich und unreflektiert auch in den lutherischen Kirchen ausgebreitet, bis sie schließlich nach dem letzten Konzil sogar in die katholische Kirche eingedrungen ist 4.
Daß der geheime Beweggrund der Idee eines unsakralen Christentums eine unbewußte Rebellion gegen die Ehre Gottes ist, ist zugegebenermaßen nur eine Vermutung. Aber eine eingehende und systematische Untersuchung über diese das Christentum eher unterschwellig begleitende Tendenz zur Entsakralisierung gibt es meines Wissens bisher nicht. So bleiben uns vor-läufig nur Vermutungen, gestützt auf die eine oder andere Beobachtung, die man im Pfarramt machen kann, und auf den einen oder anderen Mosaik-stein der Kirchengeschichte, deren ausführliche Erörterung an dieser Stelle zu weit führen würde.
Nach diesen allgemeinen Überlegungen zu der häufig aufgestellte Behaup-tung eines ursprünglich unsakralen Christentums, möchte ich mich nun zu einer speziellen Frage zuwenden. Die Frage lautet: Hatte die Urkirche schon richtige Altäre? Das heißt: Hatte sie schon Altäre, die kultisch-sakral geweiht waren?

2. Feierte die Urkirche das Abendmahl auf profanen Tischen?

Wenn immer wieder behauptet wird, das von Jesus intendierte Christentum sei unkultisch gewesen, kann es nicht wundem, wenn ebenfalls erklärt wird, es habe ursprünglich keine wirklichen Altäre im urchristlichen Gottesdienst gegeben. Auch die urchristlichen Altäre seien unkultisch gewesen: profane Möbel, auf denen man aus rein praktischen Gründen das Abendmahl gefeiert habe. So erklärt beispielsweise das „Lehrbuch der Liturgik“ von Rietschel/ Graf 5:
Im NT findet sich für die erste Christengemeinde kein besonderes dem Altar des alten Bundes entsprechendes Gerät des Gottesdienstes. Mit den Opfern ist auch die gottesdienstliche Opferstätte aufgehoben. Der Altar des neuen Bundes ist das Kreuz Christi, an dem das Opfer dargebracht ist (Hebr 13,10. 10,llff.).
Im gleichen Sinn äußert sich auch die RGG:
Die christliche Kirche der beiden ersten Jahrhunderte kannte noch keinen christlichen Altar. ... Für das hl. Mahl, das anfänglich in Privathäusern stattfand ... diente wohl üblicherweise ein gewöhnlicher Tisch, der nur vorübergehend seiner profanen Verwendung entzogen wurde. (RGG 3 I,255)
Ähnlich äußert sich das katholische „Pastoral-liturgische Lexikon“ 6:
Der Opferkult des AT ist mit dem Kreuzestod Christi außer Kraft ge-setzt, ein Altar im heidnisch-jüdischen Sinn darum nicht mehr möglich. Aus praktischen Gründen braucht die christliche Gemeinde jedoch für die Feier des eucharistischen Opfermahles einen Tisch, der jeweils vor dem Gottesdienst aufgestellt und auf dem die eucharistischen Gaben niedergelegt werden. Vom 4. Jahrhundert an setzt sich allmählich der steinerne und unbewegliche Tisch durch ...
Weitere Zitate im gleichen Tenor ließen sich noch leicht aufführen. Wir haben es hier offenbar mit einem weit verbreiteten Konsens zu tun: Die Urkirche hatte ursprünglich keine geweihten Altäre. Kultisch-sakrale Altäre hat es erst später gegeben, nachdem sich in der alten Kirche langsam eine entsprechende sakralisierende Theologie entwickelt hatte. Ich möchte diesen allgemeinen Konsens allerdings in Frage stellen. Es gibt eine Reihe von Bibelstellen wie auch Hinweise aus der alten Kirche, die dieser Sicht der Dinge widersprechen.
Bevor wir uns mit diesen Bibelstellen und den altkirchlichen Hinweisen be-fassen, müssen wir uns jedoch zunächst mit einem anderen Argument aus-einandersetzen, das in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt und mit dem Argument eines ursprünglich unsakralen Christentums zusammengebunden (4) wird. Dieses Argument besagt, daß die urchristlichen Gemeinden zunächst so arm gewesen seien, daß sie sich sakrale Räume und einen kultisch geweihten Altar schon aus diesem Grund nicht leisten konnten.

3. Das Argument der Armut

Normalerweise stellt man sich vor, daß die Urkirche eine besonders arme Kirche gewesen sein muß. Kamen die ersten Christen nicht aus den unteren sozialen Schichten?
Schon die Apostel, über die wir in den Evangelien am ausführlichsten unterrichtet werden, Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes, waren von ihrer Herkunft her offenbar "einfache" Leute, nämlich Fischer - mit dieser Berufsbezeichnung verbindet man ja unwillkürlich die Vorstellung von Armut oder bestenfalls von einem bescheidenen Einkommen.
Auch Paulus war nur ein Handwerker, wahrscheinlich ein Zeltweber.
Vor allem, was Paulus über die korinthische Gemeinde schreibt, hat unser Bild von der Urkirche stark geprägt:
Sehet an, liebe Brüder, eure Berufung: nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Gewaltige, nicht viele Edle sind berufen.(1.Kor 1,26)
Das übliche Verständnis dieses Verses drückt Otto Meinardus mit den Wor-ten aus 7 :
Man hat den Eindruck, daß die Mehrzahl der zum Christentum bekehr-ten Korinther einfache Leute waren ...
Er spricht dann sogar von einer „Arbeiter - oder Sklavenkirche“ 8 .
Aus der Apostelgeschichte wissen wir, daß die Abendmahlsgottesdienste der Urgemeinde in Jerusalem in Privathäusern stattfanden (AG 2,46). Die glei-che Art, sich zum Gottesdienst in den Privatwohnungen zu versammeln, werden wir wohl für die ganze erste Zeit der alten Kirche voraussetzen müssen. Wenn die Gottesdienste aber in Privathäusern stattfanden, kann man sich kaum etwas anderes vorstellen als eine große Enge, eine ärmliche Ausstattung und überhaupt sehr schlichte Gottesdienste. Wir werden aller-dings sehen, daß diese Vorstellung falsch ist.
In unserer Zeit erleben wir, wie eine reiche Christenheit weder die Kraft noch den Willen hat, ihre neuerbauten Kirchen reich auszustatten und die ererbten Dome ohne staatliche Hilfe zu erhalten. Von daher ist es für uns auch nur schwer vorstellbar, daß es armen Leuten möglich sein könnte, reich ausgestattete Gottesdiensträume zu besitzen, in denen eine feierliche, würdige Liturgie zelebriert werden kann. Das Beispiel des alten Volkes Isra-el zeigt uns jedoch, daß auch ein armes Volk alles anfertigen und anschaffen kann, was zu einem reich ausgestalteten Kultus nötig ist - falls nur der ent-sprechende Wille vorhanden ist.
Zur Zeit seiner Wüstenwanderung muß das Volk Israel wirklich ein beson-ders armes Volk gewesen sein. Trotzdem verlangte Gott von diesem Volk die Anschaffung der verschiedensten Textilien und Gerätschaften für den Gottesdienst, die alle aus kostbarem, edlen Material hergestellt und künstle-risch gestaltet sein sollten. So hat Gott unter anderem befohlen:

Macht eine Lade aus Akazienholz ... Du sollst sie mit feinem Gold überziehen innen und außen und einen goldenen Kranz an ihr ringsherum machen. Und gieß vier goldene Ringe ... Und mache Stangen von Akazienholz und überziehe sie mit Gold ... (2.Mose 25,10-13)
Schon allein geeignetes Akazienholz zu beschaffen, dürfte in der Wüste nicht ganz einfach gewesen sein. Dann aber sollte die Lade nicht nur äußer-lich, sondern auch innen mit Gold überzogen sein. Hinzu kam eine ge-schnitzte und ebenfalls mit Gold überzogene Zierleiste rings um die Lade, die vermutlich den Eindruck eines geflochtenen Kranzes machen sollte. Selbst die Tragestangen sollten goldüberzogen sein.
Zur Stiftshütte heißt es:
Die Wohnung sollst du machen aus zehn Teppichen von gezwirnter feiner Leinwand, von blauem und rotem Purpur und von Scharlach. Cherubim sollst du einweben in kunstreicher Arbeit. (2.Mose 26,1)

Woher sollte die große Menge der dreifarbig eingefärbten Leinwand kom-men? Ein bißchen davon hatte man zwar aus Ägypten mitgebracht (2. Mose 35,23); aber das reichte nicht, so daß die Frauen noch eine große Menge dazu spinnen und weben mußten (2.Mose 35,25). Woher bekamen sie in der Wüste das Rohmaterial zum Spinnen und die kostbare Purpurfarbe zum Einfärben des Leinenfadens? Der kurze Bericht der Bibel gibt darüber keine Auskunft, aber man kann vermuten, daß hier manches unter erheblichen Mühen und mit großem Kostenaufwand importiert werden mußte.
Der Eingang zu diesem liturgischen Prunkzelt sollte mit einem kunstreich angefertigten Vorhang verdeckt werden, der an einem Gestell aufzuhängen war, das - man glaubt es kaum! - von goldenen Nägeln zusammengehalten werden sollte:
Du sollst einen Vorhang machen aus blauem und rotem Purpur, Schar-lach und gezwirnter feiner Leinwand und sollst Cherubim einweben in kunstreicher Arbeit und sollst ihn aufhängen an vier Säulen von Aka-zienholz, die mit Gold überzogen sind und goldene Nägel und vier silberne Füße haben. (2.Mose 26,31+32)
Es würde zu weit führen, in diesem Aufsatz das ganze kostbare Tempelge-rät und die kostbare Kleidung des Hohenpriesters detailliert aufzuführen. Es kann ja jeder, soweit er diese Dinge nicht vor Augen hat, alles in seiner Bibel nachlesen. Und es dürfte auch jedem klar sein: Nach dem Bericht der Bibel muß das äußerst arme Volk Israel in erstaunlich kurzer Zeit alles zusammengebracht haben, was Gott ihm für den reich ausgestatteten Gottesdienst des alten Bundes vorgeschrieben hatte.
Ist es glaubwürdig, was die Bibel hierzu schreibt? Ja, denn auch die mittelal-terlichen Dome wurden von einer relativ armen Bevölkerung neben vielen kleineren Kirchen zu solchen Bauwerken aufgetürmt, die wir noch heute bewundern und zu erhalten kaum noch in der Lage sind. Das heißt: Es fehlt uns der Wille. Wo aber ein solcher Wille vorhanden ist, können auch arme Menschen erstaunliche Gottesdienststätten bauen und reich ausstatten. So ist es also auch möglich, daß die urchristlichen Gemeinden, wenn sie wirk-lich so arm waren, wie wir uns das oft vorstellen, dennoch die Kraft fanden, würdige Gottesdiensträume mit wirklichen Altären einzurichten.
In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, daß es nicht allein um die Anschaffung eines würdigen Möbelstücks geht, das als Altar dienen kann. Ein wirklicher, geweihter Altar darf ja zu nichts anderem dienen, als zum gottesdienstlichen Abendmahl. Er kann daher tatsächlich nicht in ir-gendeinem engen Wohnzimmer stehen, wo er der ständigen Gefahr unbeabsichtigter Profanierung ausgesetzt wäre. Ein richtiger, geweihter Altar verlangt nach einem eigenen Raum, und insofern schließen sich allzu große Armut und ein geweihter Altar tatsächlich gegenseitig aus. Es ist aber zu fra-gen, ob die Urkirche überhaupt so arm war, wie immer wieder vorausgesetzt wird. Dieser Frage wollen wir uns im nächsten Kapitel zuwenden.

3. Wohlhabende Christen in der Urgemeinde.

In Jerusalem gab es ein großes Haus, in dessen Obergemach sich die erste Gemeinde regelmäßig versammelt hat (AG 1,13). Dieses Obergemach muß so groß gewesen sein, daß sich dort 120 männliche Christen versammeln konnten, wie wir aus dem Bericht von der Nachwahl des Matthias erfahren, bei der Petrus ja nur die Männer anspricht (AG 1,15+16). Wenn man je-doch annimmt, daß bei dieser Nachwahl auch Frauen - wenn auch ohne Stimmrecht - anwesend waren, muß der Saal sogar noch mehr als 120 Per-sonen gefaßt haben. Ein Haus mit einem solchen großen Obergemach wird man sich wohl als eine geräumige Villa, wenn nicht sogar als einen kleinen Palast vorstellen müssen. Dabei war das Obergemach offenbar für größere Feste und repräsentative Veranstaltungen gebaut worden, während sich das normale Leben vermutlich in den kleineren Räumen des unteren Stockwer-kes abgespielt haben dürfte.
Wenn der Besitzer dieses Hauses einer großen Menge erlaubte, sich regel-mäßig im Obergemach seines Hauses zu versammeln - wenn er also bereit war, die mit solchen Versammlungen notwendigerweise verbundenen Un-annehmlichkeiten auf längere Zeit zu erdulden - dann dürfte er mit größter Wahrscheinlichkeit selber Christ gewesen sein. Wenn wir außerdem das hier erwähnte Haus mit dem später genannten Haus der Mutter des Markus gleichsetzen können, von dem es ebenfalls heißt, daß sich dort die Urgemeinde versammelt hat (AG 12,12), dann war die Mutter des Markus offensichtlich eine reiche Christin, die von Anfang an bereit war, ihr großes Haus der Gemeinde zur Verfügung zu stellen.
Wir fragen nun: Könnte in dem Obergemach, in dem regelmäßig Gottes-dienst stattfand, nicht auch ein Altar gestanden haben? Die Vorstellung mag uns ungewohnt sein, aber man kann kaum sagen, dies sei wegen der großen Armut der Urgemeinde unmöglich gewesen.

Die ersten Christen, die Paulus in Europa taufte, waren die Mitglieder der Familie der Lydia (AG 16,14+15). Diese relativ emanzipierte Frau hatte einen Beruf; sie war eine Purpurhändlerin. Sie handelte also mit einem Luxusgut, das vermutlich einen hohen Gewinn abwarf. Man kann also annehmen, daß sie wohlhabend war. So lud sie denn auch den Apostel mit seinen Begleitern ein, bei ihr zu wohnen; und als Paulus diese Stadt nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnis von Philippi wieder verließ, verab-schiedete er sich im Hause der Lydia von den dort versammelten Christen (AG 16,40).
Alle diese Angaben legen die Vermutung nahe, daß auch Lydia ihr Haus für die gottesdienstlichen Versammlungen der ersten Christen in Philippi zur Verfügung gestellt hat. Dabei ist es gut vorstellbar, daß sie den größten Raum ihres Hauses ganz und gar für gottesdienstliche Zwecke reserviert oder ihn zumindest an jedem Sonntag von ihren Sklaven hat leerräumen und für den gottesdienstlichen Gebrauch angemessen herrichten lassen. Wir fragen auch hier: Könnte in diesem Raum auch ein Altar gestanden oder vielleicht auch allsonntäglich hineingetragen worden sein? Auch hier heißt die Antwort: Die Vorstellung mag uns ungewohnt sein, aber man kann kaum sagen, daß dies auf Grund von Armut unmöglich gewesen sei.

Von Philippi reiste Paulus über Beröa nach Athen. Dort hielt er seine berühmte "Areopagrede", mit der er aber nur wenige Athener für den christlichen Glauben gewinnen konnte. Einige Athener bekehrten sich aber doch:
Etliche Männer aber hingen ihm an und wurden gläubig, unter welchen auch war Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen. (AG 17,34)
Wenn sich auch nur wenige bekehrt haben, so waren es doch ausreichend viele, um daraus eine kleine christliche Gemeinde zu bilden. Gastgeber dieser kleinen Gemeinde könnte sehr gut der Ratsherr Dionysius gewesen sein. Zumindest aber dürfte er über ausreichende Geldmittel verfügt haben, um der kleinen Gemeinde zu angemessenen Gottesdienstmöglichkeiten zu verhelfen.
Von Athen reiste Paulus weiter nach Korinth. Über die dort gegründete Ge-meinde erfahren wir interessante Einzelheiten aus der Grußliste am Ende des Römerbriefes. Dieser Brief ist offenbar in Korinth geschrieben worden9. Mit anderen Grüßenden unterschrieb auch „Erastus, der Stadt Rentmeister“ oder, wie es in der neuen Lutherübersetzung heißt, „Erastus, der Stadtkäm-merer“ (Rm 16,23). Über diesen Stadtkämmerer wissen wir auf Grund eines in Korinth ausgegrabenen Pflastersteins Genaueres. Otto Meinardus schreibt in seinem Buch „Paulus in Griechenland“ l0:
Eine der für unser Verständnis der Korinther Gemeinde interessantesten Entdeckungen ist ein mit einem lateinischen Text eingeprägter großer Pflasterstein ... Die Buchstaben sind tief in den Stein gemeißelt und wa-ren früher mit Bronze ausgefüllt und mit Blei befestigt. Der Text lautet:
ERASTUS PRO AEDILITATE S P STRAVIT
(ERASTUS PRO AEDILITATE SUA PECUNIA STRAVIT)
„Erastus für seine Ädilenschaft, legte diesen Boden aus seinen eigenen Mitteln". Dieses Platzpflaster existierte zur Zeit des paulinischen Besuches in Korinth. ... Das griechische Wort für Stadtkämmerer ist oikonomos, der Oekonom, und ist gleichbedeutend mit dem lateinischen aedilis. Ein römischer Ädil von einer Stadt wie Korinth war im allgemeinen ein Mann von Rang und Namen. Für die Struktur der Gemeinde ist es inter-essant, daß wir wenigstens von einem Mitglied wissen, das der administrativen Elite angehörte.
Erastus, der Stadtkämmerer von Korinth, war also ein wohlhabender, wenn nicht sogar ein reicher Mann. Er konnte der Gemeinde in Korinth sicher mit Leichtigkeit zu einem angemessenen Gottesdienstraum verhelfen, in dem es auch einen wirklichen Altar gab.
Neben Erastus findet sich in der Grußliste des Römerbriefes aber auch der Name des Gajus, in dessen Haus tatsächlich die ersten Gottesdienste stattgefunden haben dürften, denn Paulus schreibt über ihn:
Es grüßt euch Gajus, mein und der ganzen Gemeinde Gastgeber. (Rm 16,23)
Offenbar war Gajus in einem doppelten Sinn Gastgeber. Er beherbergte im normalen Sinn den Apostel wie auch wohl dessen Begleiter; und er "beher-bergte" die ganze Gemeinde zu ihren gottesdienstlichen Versammlungen am Sonntag, und wann immer es sonst in Korinth Gottesdienste gegeben haben mag. Auch Gajus scheint also ein wohlhabender Mann gewesen zu sein. Daß auch in seinem Hause ein Altar gestanden haben kann, ist zumindest nicht undenkbar.

Am Ende des Philipperbriefes findet sich der folgende Gruß:
Es grüßen euch alle Heiligen, sonderlich aber die von des Kaisers Hause. (Phil 4,22)
Wenn man diesen Gruß mit den verschiedenen Nachrichten kombiniert, die uns Sueton11, Dio Cassius12 und Euseb 13 überliefern, wonach der spätere Kaiser Domitian verschiedene Angehörige seiner Familie teils hinrichten und teils in die Verbannung schicken ließ, weil sie Christen waren, so ergibt sich aus Phil 4,22, daß offenbar schon zu des Paulus Lebzeiten der christliche Glaube selbst in die höchsten Gesellschaftskreise einzusickern begann.

Vielleicht haben die Angehörigen der höchsten Kreise es vermieden, sich so zu exportieren, daß sie ihre eigenen Häuser für gottesdienstliche Versamm-lungen zur Verfügung gestellt haben, es muß ihnen aber doch ein Leichtes gewesen sein, den Gemeinden mit Geld zu helfen, daß die christlichen Got-tesdienste in möglichst würdigem Rahmen stattfinden konnten.

Als es den Apostel Paulus bei seinem dramatischen Schiffbruch auf die In-sel „Melite“ verschlagen hat (AG 28,1), heilte er dort den Vater des Publius, des obersten Regierungsbeamten dieser Insel. Vor kurzem hat Heinz Warn-ecke mit überzeugenden Argumenten dargelegt, daß es sich bei dieser Insel nicht um die Insel Malta, sondern um die westgriechische Insel Kephallenia gehandelt haben muß14 . Auf dieser abgelegenen Insel ist nun aber eine der ältesten christlichen Gemeinden nachgewiesen15. Was liegt näher als die Vermutung, jener Publius habe sich bekehrt und in seiner großen Villa einen Raum für Gottesdienstzwecke hergerichtet, in dem auch schon sehr gut ein Altar gestanden haben kann. Über die Bekehrung dieses Mannes läßt Lukas zwar nichts verlauten, das kann aber leicht erklärt werden, wenn man an-nimmt, Lukas habe diesen hohen Regierungsbeamten keiner unnötigen Ver-folgung aussetzen wollen.

Am Anfang des Lukasevangeliums findet sich eine Widmung, die dieses Buch dem „edlen“ Theophilus zueignet. Walter Grundmann übersetzt die Anrede mit „hochangesehener Theophilus“16 und er folgert aus der Anrede, daß der Adressat „ein Mann von Rang und Vermögen“ gewesen sei. Mögli-cherweise sei Theophilus ein „höherer Staatsbeamter“ gewesen17. Die Wid-mung am Anfang des Evangeliums legt ihm nach damaligem Brauch die Pflicht auf, das Lukasevangelium auf seine Kosten abschreiben und verbreiten zu lassen18.
Auch Theophilus hat zweifellos eine große Villa besessen, in der es sicher einen geeigneten Raum gab, den man zur Hauskirche umgestalten und in dem man auch einen Altar aufstellen konnte, wenn man das nur als wichtig angesehen haben sollte.

Wir sehen: Die Vorstellung, daß die Urkirche nur aus armen Leuten bestanden hätte, die schon aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gewesen wären, aufwendige Gottesdienste zu feiern, ist falsch. Die Bibel gibt uns er-staunlich viele Hinweise auf reiche oder wohlhabende Christen, die unter der Voraussetzung eines wirklich engagierten Glaubens den Gemeinden auf unterschiedliche Weise helfen konnten, daß die Gottesdienste in würdigem Rahmen und mit allem nötigen Aufwand gefeiert wurden.
Nun könnte jemand meinen, bei den soeben aufgezählten wohlhabenden Christen habe es sich nur um Ausnahmen gehandelt. Aufs Ganze gesehen sei die Urkirche eben doch wohl eine arme Kirche gewesen, die von den Reichen dieser Welt gemieden worden sei. Das kann aber nicht stimmen. Daß die relativ große Zahl reicher Christen sogar zu einer Versuchung für die jungen Gemeinden werden konnte, ergibt sich aus den folgenden Versen des Jakobusbriefes:

Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn der Herrlichkeit, frei von aller Ansehung der Person. Denn so in eure Ver-sammlung käme ein Mann mit einem goldenen Ringe und mit einem herrlichen Kleide, es käme aber auch ein Armer in einem unsauberen Kleide, und ihr sähet auf den, der das herrliche Kleid trägt, und sprächet zu ihm: Setze du dich her aufs beste! und sprächet zu dem Armen: Stehe du dort! oder: Setze dich unten her zu meinen Füßen! - ist's recht, daß ihr solchen Unterschied bei euch selbst macht und richtet nach argen Ge-danken? (Jak 2,1-4)

Gewiß warnt Jakobus nicht vor einer irrealen oder nur sehr selten vorkommenden Gefahr, sondern vor einer, die immer wieder auftritt. Es muß dem-nach in den Gemeinden, an die Jakobus denkt, relativ viele reiche Christen gegeben haben, die eine solche allgemeine Warnung in dem Rundschreiben des Jakobus rechtfertigten. Wenn Jakobus auch noch an anderer Stelle die Reichen mit sehr harten Worten verwarnt, so wird man wohl davon ausgehen können, daß die Zahl der Reichen in den Gemeinden keineswegs klein gewesen sein kann:
Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über das Elend, das über euch kommen wird! Euer Reichtum ist verfault eure Kleider sind von Motten zerfressen. Euer Gold und Silber ist verrostet und ihr Rost wird wider euch Zeugnis geben und wird euer Fleisch fressen wie Feuer. Ihr habt euch Schätze gesammelt am Ende der Tage! Siehe, der Arbeiter Lohn, die euer Land abgeerntet haben, der von euch vorenthalten ist, der schreit, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth. Ihr habt wohlgelebt auf Erden und eure Lust gehabt und eure Herzen geweidet am Schlachttag! Ihr habt verurteilt den Ge-rechten und getötet, und er hat euch nicht widerstanden. (Jak 5,1-6)
Ist das eine Predigt zum Fenster hinaus für die Reichen in der Welt? Das ist kaum anzunehmen. Es geht auch im Jakobusbrief zuerst einmal um die Probleme innerhalb der christlichen Gemeinde. Das heißt aber: Es muß in den Gemeinden, an die Jakobus schreibt, relativ viele Reiche gegeben haben, wenn Jakobus auf diese Personengruppe gleich zweimal zu sprechen kommt.
Wir sehen: Es ist nicht richtig, wenn man auf Grund von 1.Kor 1,26 den einseitigen Schluß zieht, die urchristlichen Gemeinden hätten sich vorwie-gend aus sozial schwachen Leuten zusammengesetzt. Es muß - von möglichen Ausnahmen abgesehen - überall genug Reiche gegeben haben, die für einen angemessenen und reich ausgestatteten Gottesdienst sorgen konnten.
Schließlich kennen wir sogar eine Gemeinde, die offenbar aus überwiegend wohlhabenden Christen bestanden hat, nämlich die in den sieben Sendschreiben der Offenbarung erwähnte Gemeinde von Laodicea. Die Grundstimmung dieser Gemeinde wird ja mit den folgenden Worten beschrieben:
Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts! (Offb 3,17)
Wir sollten uns also von der Vorstellung lösen, die urchristlichen Gemeinden seien generell arm und deshalb zu einem größeren gottesdienstlichen Aufwand nicht in der Lage gewesen.
Mit der Frage, ob die urchristlichen Gemeinden jedoch unkultisch waren, so daß ihnen schöne Gottesdiensträume und geweihte Altäre gleichgültig wa-ren, wollen wir uns nun in den folgenden Kapiteln befassen.

4. Von was für einem Altar redet der Apostel Paulus im Hebräerbrief?
Der Hauptgrund, weshalb man annehmen muß, daß es im urchristlichen Gottesdienst schon einen wirklichen Altar gegeben hat, ist die Tatsache, daß ein christlicher Altar schon im Hebräerbrief bezeugt wird. In diesem Brief schreibt der Apostel Paulus 19 :
Wir haben einen Altar, davon kein Recht haben zu essen, die der Stifts-hütte dienen. (Hebr 13,10)
Die Tendenz dieses Satzes ist klar: Ein ungetaufter Jude darf nicht am Abendmahl teilnehmen. Beginnt ein Jude, an Jesus Christus zu glauben, so soll er eine klare Entscheidung treffen. Er soll sich taufen lassen, sich vom jüdischen Tempelgottesdienst fernhalten und nur noch am christlichen Abendmahl teilnehmen. Wenn Paulus in diesem Zusammenhang von einem Altar spricht, so meint er doch praktisch das Abendmahl, das auf diesem Altar eingesetzt wird.
Nun bestreitet die heute herrschende Theologie jedoch, wie wir schon gesehen haben, daß es in der Urkirche wirkliche Altäre gegeben hat. Die Gemeinden hätten vielmehr das Abendmahl einfach auf profanen Wohnzimmertischen eingesetzt. Das hieße allerdings, daß Paulus hier zur Ehre des Abendmahls ein großes Wort gebrauchte, dem bei genauerer Betrachtung keine entsprechende Realität zugrunde liegt. Ist das denkbar?
Nein! Auch in diesem Fall muß die alte Auslegungsregel gelten, das jedes Wort der Bibel real verstanden werden muß, was real verstanden werden kann. Ist es möglich, an reale Altäre in den urchristlichen Gemeinden zu denken? Ja! Gibt es im allgemeinen Zusammenhang des Neuen Testaments einen Einwand gegen das wörtliche Verständnis des Wortes „Altar“? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Also muß es sich bei dem im Hebräerbrief erwähnten Altar um einen wirklichen Altar gehandelt haben, den der Apostel Paulus als selbstver-ständlich bei sich und den Empfängern dieses Briefes voraussetzt.
Der einzige Einwand, der gegen das wörtliche Verständnis des Wortes "Al-tar" möglich wäre, wäre der klare Nachweis, daß das Urchristentum wirklich unsakral gewesen wäre. Ein solcher Nachweis ist aber offensichtlich nicht möglich. Im Gegenteil: Es läßt es sich an Hand vieler Bibelstellen zeigen, daß schon Jesus wie auch die spätere Urgemeinde offenkundig sakral ge-dacht und argumentiert haben.

5. Unkultische Urgemeinde?

Wer glaubt, die Urkirche sei unkultisch gewesen, weist in aller Regel auf den Hebräerbrief hin, wie das ja auch in der vorne zitierten Behauptung des Rietschel/Grafschen Lehrbuchs der Liturgik der Fall ist, wonach die Urkir-che noch keine wirklichen Altäre gehabt habe. Im Hebräerbrief heißt es nämlich:
Nun aber, am Ende der Zeiten ist er (= Jesus) einmal erschienen, durch sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist Christus einmal geopfert, wegzunehmen vieler Sünden ... (Hebr 9,26-28 )
... mit einem Opfer hat er für immer vollendet, die geheiligt werden. (Hebr 10,14)
Wo aber Vergebung der Sünden ist da geschieht für sie kein Opfer mehr. (Hebr 10,18 )
Aus diesen Versen wird immer wieder gefolgert, daß es nach der Überzeugung des Neuen Testamentes und der Urkirche seit dem Selbstopfer Jesu Christi am Kreuz keinen Opfergottesdienst mehr geben könne. Es könne also auch keinen wirklichen Altar in der Urgemeinde gegeben haben, da ein wirklicher Altar ja nur für ein Opfer gebraucht werde. Für das Abendmahl habe man sich mit einem normalen Tisch begnügt.
In diesem Zusammenhang wird dann auch immer wieder darauf hingewie-sen, daß der 1. Korintherbrief betont nur von einem „Tisch des Herrn“ und nicht von einem Altar spreche (1.Kor 10,21).
Was ist zu diesen Argumenten zu sagen? Beginnen wir zunächst mit der grundsätzlichen Frage, ob es nach der Auffassung des Hebräerbriefes seit dem Selbstopfer Christi auf Golgatha keinen christlichen Opfergottesdienst mehr geben kann. Hier liegt offensichtlich ein einseitiges und falsches Ver-ständnis des Hebräerbriefes vor.
Bei der einseitigen Auslegung des Hebräerbriefes wird leider immer wieder übersehen, daß in Hebr 10,24-29 die gottesdienstliche Versammlung der Christen als eine Versammlung angesehen wird, in der das Opfer Christi realpräsent gegenwärtig ist. Das hat nach dem Hebräerbrief zur Folge, daß derjenige Christ, der nicht zum Abendmahlsgottesdienst kommt, keinen Anteil am Opfer Christi hat:
... lasset uns ... nicht verlassen unsere Versammlung, wie etliche pflegen ... Denn so wir mutwillig sündigen, ... haben wir hinfort kein andres Op-fer mehr für die Sünden, sondern es bleibt nichts als ein schreckliches Warten auf das Gericht und das gierige Feuer, das die Widersacher ver-zehren wird. Wenn jemand das Gesetz des Mose bricht, der muß ster-ben ohne Barmherzigkeit auf zwei oder drei Zeugen hin. Wieviel ärgere Strafe, meinet ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Bundes unrein achtet, durch welches er doch gehei-ligt wurde, und den Geist der Gnade schmäht? (Hebr 10,24-29)

Als mutwillige Sünde betrachtet der Hebräerbrief also das Fernbleiben von
der „Versammlung“. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich klar, daß damit der christliche Abendmahlsgottesdienst gemeint ist. Mit dem „Blut des Bundes“ ist offenkundig der konsekrierte Abendmahlswein gemeint. Der dazu in Parallele erwähnte „Sohn Gottes“ ist das konsekrierte und in den Leib Christi gewandelte Brot. Das Abendmahl insgesamt wird als „Opfer“ bezeichnet. Wer dem Abendmahlsgottesdienst fernbleibt oder ihn vorzeitig verläßt, hat „kein Opfer“.
Was bedeutet diese Aussage? Trotz des einmaligen, abschließenden und je-des weitere Opfer ausschließenden Kreuzestodes Christi ist der Abendmahlsgottesdienst ein Opfergottesdienst. Es wird zwar kein neues Opfer vollzogen, es ist aber das Kreuzesopfer Christi präsent und es wird - so kann man ergänzend hinzufügen - Gott immer wieder neu „dargebracht“, das heißt: vor Augen gestellt. Das Wort „Opfer“ hängt ja sprachlich mit dem Wort „Offerte“ zusammen!
Wenn das so ist, wer kann dann noch behaupten, für das nach Hebr 10,26-29 realpräsente Opfer sei ein Altar unnötig? Ein profaner Tisch sei durchaus angemessen? Mit dem von Paulus in Hebr 13,10 erwähnten Altar könne also kein wirklicher Altar gemeint sein? Diese immer wieder vorgebrachte Behauptung beruht auf einer ungenügenden Kenntnis des Hebräerbriefes. Sie muß mit Nachdruck zurückgewiesen werden.
Wenn nun Paulus in 1. Kor 10,21 im Gegensatz zum „Tisch der Dämonen“ vom „Tisch des Herrn“ spricht, so meint er auf der einen Seite offensicht-lich die wirklichen Altäre der Heiden. Er wird dann dementsprechend auch auf der anderen Seite an einen wirklichen Altar gedacht haben. Schon der Begriff „Tisch des Herr“ ist ja eine Würdebezeichnung, mit der eigentlich kein profaner Wohnzimmertisch gemeint sein kann 20.
Das einzig Neue, was mit diesem Begriff „Tisch des Herrn“ zum Ausdruck gebracht wird, ist offenbar die Form: Der christliche Altar hat seit neutesta-mentlichen Zeiten die Form eines Tisches. Noch bis ins Mittelalter war es üblich, daß die geweihten Altäre der Kirche die Form eines Tisches hatten. Eine schöne Abbildung aus dem 5. Jahrhundert findet sich im Orthodoxen Baptisterium in Ravenna.

Daß auch der bei Paulus erwähnte „Tisch des Herrn“ schon geweiht war, läßt sich zwar nicht beweisen, aber auch das Gegenteil ist unbeweisbar. Es läßt sich jedoch zeigen, daß das Neue Testament den Begriff der kultischen Heiligkeit durchaus anerkennt und auch positiv bewertet. So sagt Jesus zu den Pharisäern:
Weh euch, ihr blinden Führer, die ihr sagt: Wenn einer schwört bei dem Tempel, das gilt nicht; wenn aber einer schwört bei dem Gold am Tempel, das bindet. Ihr Narren und Blinden! Was ist größer: das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt? Oder: Wenn einer schwört bei dem Altar, das gilt nicht, wenn aber einer schwört bei dem Opfer, das darauf ist, das bindet. Ihr Blinden! Was ist größer: das Opfer oder der Altar, der das Opfer heiligt? (Mt 23,16-19)

Demnach wird die Vergoldung des Tempels durch die Heiligkeit des Tem-pels geheiligt und das Opfer durch die Heiligkeit des Altars. Dürfen wir an-nehmen, daß Jesus so etwas nur sagt, um die Pharisäer ins Unrecht zu setzen, daß dies in Wirklichkeit aber gar nicht die wahre Meinung Jesu ist? Das ist sicher nicht der Fall. Jesus bestätigt vielmehr: Der Tempel des alten Bundes hat eine kultische Heiligkeit, die sogar das Gold heiligt, mit dem er verziert ist. Und der Altar des alten Bundes hat eine kultische Heiligkeit, die dem Opfer zugute kommt, das auf diesem Altar verbrannt wird. An anderer Stelle erklärt Jesus dann, daß es auch im neuen Bund eine kultische Heilig-keit gibt:
Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen ...
(Mt 7,6)
Jesus spricht hier sicher zuerst von der hochheiligen Kommunion, die den „Hunden“ nicht gereicht werden darf. Es ist aber nicht auszuschließen, daß er auch noch an andere kultisch heilige Dinge denkt, wie zum Beispiel an geweihtes Öl oder vielleicht sogar an einen christlichen Altar, der möglichst nicht in heidnische Hände fallen sollte.
Zumindest das ist klar: Auch für Jesus hat die kultische Heiligkeit einen po-sitiven Wert, und wer glaubt, die Urgemeinde sei in dieser Hinsicht anderer Meinung gewesen, der unterstellt ihr in diesem Punkt den Abfall von Jesus Christus. Es gibt aber keinen Grund für eine solche Annahme.
*
Im 1. Korintherbrief erklärt Paulus, daß in einer Mischehe der christliche Teil den heidnischen Ehepartner "heiligt" und daß diese Heiligkeit auch noch auf die Kinder übergeht:
Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat, und sie ist willig, bei ihm zu wohnen, der scheide sich nicht von ihr. Und wenn eine Frau einen un-gläubigen Mann hat, und er ist willig, bei ihr zu wohnen, die scheide sich nicht von ihm. Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den gläubigen Mann. Sonst wären eure Kinder unrein; nun aber sind sie heilig. (l. Kor 7,12-14)
Das gegensätzliche Wortpaar „unrein“ und „heilig“ macht ja besonders deutlich, daß es hier um eine kultische Heiligkeit geht. Selbstverständlich ist damit nur eine begrenzte Heiligkeit gemeint, die sich auf die Ehe und das familiäre Zusammenleben beschränkt. Paulus spricht nicht von einer sol-chen Heiligkeit, die den heidnischen Ehepartner auch vor Gottes Endgericht heilig und gerecht macht. Der Apostel fährt ja fort:
Wenn aber der Ungläubige sich scheiden will, so laß ihn sich scheiden. Es ist der Bruder oder die Schwester nicht gebunden in solchen Fällen. Zum Frieden hat euch Gott berufen. Denn was weißt du, Frau, ob du den Mann werdest retten können? Oder du, Mann, was weißt du, ob du die Frau werdest retten können? (1.Kor 7,15+16)

Immerhin ist hier von einer kultischen Heiligkeit sogar einer Mischehe mit einem Heiden die Rede, wieviel mehr muß die kultische Heiligkeit im got-tesdienstlichen Bereich eine Rolle gespielt haben, auch wenn sich davon nur wenige Spuren im Neuen Testament erhalten haben.

Im 1.Timotheusbrief spricht Paulus davon, daß viele Dinge geheiligt werden können "durch das Wort Gottes und Gebet":
Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut und ... es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. (1.Tim 4,4+5)
Eine ausführliche Interpretation dieser wichtigen Bibelstelle für die Weihetheologie ist hier leider nicht möglich. Ich begnüge mich mit der Feststellung, daß auch hier die kultische Heiligkeit weit in das profane Leben hineinragt, denn nach dem Zusammenhang geht es um die Heiligkeit der Ehe und um die kultische Reinheit aller Speisen, wenn sie durch ein passendes Bibelwort und ein entsprechendes Gebet geheiligt worden sind.
Wenn aber nach dem Neuen Testament kultische Heiligkeit schon in vielen Bereichen des täglichen Lebens von Bedeutung ist, muß sie ein weit größe-res Gewicht in den Gottesdiensten der Urkirche gehabt haben, auch wenn sich in den neutestamentlichen Texten auf Grund urchristlicher Arkandisziplin nur Spuren davon finden. Es gibt jedoch einen Text, in dem diese übergroße kultische Heiligkeit sehr deutlich bezeugt wird. Es ist der Hebräerbrief, in dem wir die folgenden, ganz außerordentlichen Aussagen über den christlichen Gottesdienst finden:
... ihr seid nicht gekommen zu dem Berge, den man anrühren konnte und der mit Feuer brannte, noch zu dem Dunkel und Finsternis und Unge-witter, noch zu dem Hall der Posaune und zum Schall der Worte, bei dem die Hörer baten, daß ihnen kein Wort mehr gesagt würde; denn sie vermochten's nicht zu ertragen, was da gesagt ward: „Und wenn auch nur ein Tier den Berg anrührt, soll es gesteinigt werden.“ Und so schrecklich war die Erscheinung, daß Mose sprach: "Ich bin erschrocken und zittere." Sondern ihr seid gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und den vielen tausend Engeln und zu der Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet als Abels Blut. (Hebr 12,18-24)
Wenn es im ganzen Neuen Testament nur diesen einen Text über den ur-christlichen Gottesdienst gäbe, so könnte man doch schon allein aus dieser einen Hebräerbriefstelle auf das große feierlich-kultische Element des ur-christlichen Abendmahlsgottesdienstes schließen.

Die alte Kirche hat uns überliefert, daß der Apostel Johannes das goldene Stirnblatt getragen habe21. - Er habe also zu den von ihm abgehaltenen Got-tesdiensten jenes goldene Stirnblatt getragen, das der Hohepriester des alten Bundes nach alttestamentlicher Vorschrift zu tragen hatte. Denn so hatte Gott Mose befohlen:
Du sollst auch ein Stirnblatt machen aus feinem Golde und darauf ein-graben, wie man Siegel eingräbt: „Heilig dem HERRN“. Und du sollst es heften an eine Schnur von blauem Purpur vorn an den Kopfbund. Und es soll sein auf der Stirn Aarons, damit Aaron bei allen ihren Opfern alle Sünde fortschaffe, die an den heiligen Gaben der Kinder Israel haftet. Und es soll allezeit an seiner Stirn sein, daß sie wohlgefällig seien vor dem HERRN. (2.Mose 28,36-38 )
Wenn Johannes dieses Stirnblatt tatsächlich getragen hat - und warum sollte man daran zweifeln? - dann hat er damit zum Ausdruck gebracht: Zwischen den Gottesdiensten des alten und neuen Bundes gibt es nicht nur Unter-schiede, sondern auch eine Kontinuität. Es gibt einen großen Unterschied in der Art des Opfers; keinen Unterschied gibt es jedoch darin, daß beides Opfergottesdienste sind, die beide von einem Opferpriester geleitet werden. Keinen Unterschied gibt es auch in der Pflicht, die Gottesdienste würdig und mit angemessenem Aufwand zu feiern. Wir fügen hinzu: Einen Unterschied gibt es in der Form der Altäre, keinen Unterschied gibt es im Grundsatz, daß zum Opfergottesdienst auch ein Altar gehört.
Leider sagt die Bibel nichts darüber, ob auch der neutestamentliche Altar mit Gebet und heiligem Öl geweiht werden mußte, wie das beim alttesta-mentlichen Altar der Fall war (2.Mose 29,36 / 30,27+28 ). Trotzdem wollen wir über diese Frage im folgenden Kapitel ein wenig nachdenken.

6. Altarweihe und Arkandisziplin
Wenn die Behauptung der zeitgenössischen Theologie stimmt, wonach die Urkirche keine wirklichen Altäre besaß, sondern nur - "aus praktischen Gründen" profane Tische zur Feier des Abendmahls benutzte, dann waren die geweihten Altäre der späteren Kirche erst das Ergebnis einer liturgischen Entwicklung einer Entwicklung, die man wohl bedauern müßte, weil sie sich von den ursprünglichen Überzeugungen der apostolischen Zeit entfernt hätte. Wir wollen uns diese Sicht der Dinge hier noch einmal durch ein Zitat vor Augen führen. Sogar der konservative katholische Liturgieforscher Jo-seph Braun erklärt in seinem „Liturgischen Handlexikon“ 22 :
Eine Altarweihe im heutigen Sinne gab es ursprünglich nicht, doch lassen sich im Osten ihre Anfänge schon in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts nachweisen.
Hier, wie auch sonst erhebt sich aber die Frage: Hören wir von einer Altar-weihe erst sehr spät etwas, oder gab es die Altarweihe in den Anfangszeiten der Kirche tatsächlich noch nicht?

Für die Vermutung, daß es die Altarweihe anfänglich wirklich noch nicht gab, daß sich diese Weihe also erst langsam in der alten Kirche entwickelt hat, kann allerdings auf eine gewichtige Beobachtung hingewiesen werden: In der alten Kirchenordnung des Hippolyt gibt es Gebetstexte zur Weihe der Bischöfe, Priester und Diakone. Es gibt die Anweisung, daß die Amts-witwen, Lektoren, Jungfrauen, Subdiakone und Krankenheiler nicht geweiht werden. Es gibt Gebetstexte zur Segnung der Erstlingsfrüchte sowie aller anderen Früchte. Von einer Altarweihe verlautet in diesem Zusammenhang jedoch nichts. Sie wird weder befürwortet noch abgelehnt, sie scheint über-haupt nicht in den Blick zu kommen. Ähnlich liegen die Dinge in den verschiedenen Kirchenordnungen die sich der „Traditio Apostolica“ des Hippolyt anschließen.
Auch das Euchologium des Serapion von Thmuis, das beispielsweise ein „Gebet über das Öl der Kranken oder über Brot oder Wasser“ bietet23, läßt über eine Altarweihe nichts verlauten. Selbst die „Apostolischen Konstitutionen“, nach denen auch die Subdiakone und Lektoren, ja sogar die Diakonissen geweiht werden und die den Text eines Weihegebetes für gesundes Wasser und Krankenöl überliefern, erwähnen die Altarweihe mit keinem Wort24.
Muß man aus dem Schweigen der alten Kirchenordnungen und Weiheformulare nicht den zwingenden Schluß ziehen, daß die älteste Kirche tatsächlich keine Altarweihe gekannt hat? Dieser Schluß wäre voreilig. Schon ein Hinweis der RGG, daß der Abendmahlstisch schon um die Mitte des 3. Jahrhunderts ein Gegenstand der Verehrung war, kann uns aufhorchen lassen:


Daß dem eucharistischen Tisch besondere Ehrfurcht gebühre und er sel-ber Gegenstand der Verehrung war, hören wir schon um die Mitte des 3. Jahrhunderts. Sicher bis ins frühe 4. Jahrhundert zurück reicht in seinen Anfängen auch der Brauch, den Altar durch eine Weihe zu heiligen ...
(RGG 31,255f)
Demnach hat es schon um die Mitte des dritten Jahrhunderts geweihte Altä-re gegeben, denn ein profaner Tisch dürfte wohl kaum Gegenstand der Ver-ehrung gewesen sein. Zum gleichen Ergebnis kommen wir, wenn wir einen nordafrikanischen Konzilsbeschluß aus dem Jahr 255 verständnisvoll lesen:
Im sogenannten 70. Brief des Cyprian, der in Wirklichkeit das offizielle Schreiben einer unter Cyprian veranstalteten Synode war, wird erklärt, das Firmöl der Häretiker könne nicht gültig geweiht sein, da zur gültigen Weihe des Chrisam das Vorhandensein gültig geweihter Kirchen und Altäre Vor-bedingung sei:
Nun aber ist die Eucharistie, mit der die Getauften gesalbt werden, das auf dem Altar geheiligte Öl. Das gewöhnliche Öl aber konnte nimmer-mehr einer heiligen, der weder Altar noch Kirche hatte. Deshalb kann es auch bei den Ketzern keine geistliche Salbung geben, nachdem feststeht, daß bei ihnen eine Heiligung des Öls und eine Feier der Eucharistie völ-lig unmöglich ist.
Zum rechten Verständnis dieser Sätze muß man zunächst erkennen, daß an dieser Stelle mit „Eucharistie“ nicht das Abendmahl, sondern das ebenfalls durch ein „eucharistisches“ Weihegebet gesegnete Öl gemeint ist. Was je-doch die Gesamtaussage dieser Sätze betrifft, muß man verstehen, daß hier zwar dem reinen Wortlaut nach nur allgemein von Kirchen und Altären die Rede ist, nicht aber von geweihten Kirchen und Altären. Man kann diese Aussage aber gar nicht anders verstehen, als daß geweihte Kir-chen und Altäre gemeint sind. Niemand konnte bestreiten, daß die Häretiker profane Tische oder Häuser besaßen. Das Synodalschreiben setzt vielmehr voraus, daß das Firmöl nur auf gültig geweihten Altären gültig geweiht werden kann. Die Gesamtkirche hat sich dieser engen Sicht zwar nicht angeschlossen; das ist aber für unseren Zusammenhang ohne Belang. Hier geht es nur darum, daß eine nordafrikanische Synode schon um 255 geweihte Altäre als eine selbstverständliche Notwendigkeit ansieht.
Nun erhebt sich allerdings die Frage, warum selbst die ein halbes Jahrhun-dert später verfaßten „Apostolischen Konstitutionen“ kein Altarweihegebet enthalten, wenn der nordafrikanische Synodenbeschluß die Altarweihe schon als selbstverständliche Notwendigkeit voraussetzt? Und warum wird auch die in diesem Dokument als notwendig angesehene Altarweihe nur angedeutet und nicht in eindeutigen Worten zum Ausdruck gebracht?
Ich halte es für wahrscheinlich, daß wir auch hier, wie in so vielen anderen Fällen, mit der altkirchliche Arkandisziplin zu tun haben, die im Fall der ge-weihten Altäre anscheinend besonders streng gehandhabt wurde25. Das hängt möglicherweise damit zusammen, daß die geweihten Altäre, ähnlich wie die heiligen Schriften, in den Verfolgungszeiten besonders gefährdet wa-ren. Das Abendmahl konnte so gefeiert werden, daß von der Kommunion nichts zurückblieb. Heiliges Öl war relativ einfach zu verstecken. Aber ein großer und als solcher erkennbarer Altar konnte leicht beschlagnahmt, öf-fentlich entehrt und vernichtet werden.
Gegen diese Gefahr konnte man ein Doppeltes tun. Einmal gab man den christlichen Altären die äußere Form profaner Tische, und zum anderen wurde die Weihe dieser Tische mit besonders strenger Geheimhaltung umgeben. Vielleicht wurden die Altartische zur Zeit der Verfolgung tatsächlich nur zum Gottesdienst in die Versammlungsräume gebracht und standen zu anderen Zeiten als scheinbar profane Möbel in irgendwelchen Abstellkammern, wo sie im Fall einer Hausdurchsuchung keine Beachtung fanden26.
In diesem Sinn nimmt wahrscheinlich schon der paulinische Ausdruck „Tisch des Herrn“ Rücksicht auf das Erfordernis der Arkandisziplin, die dann allerdings in Hebr 13,10 weniger streng beachtet wird.
Wenn ich mit diesen Vermutungen Recht haben sollte, dann ist es allerdings wahrscheinlich, daß sich die urkirchliche Altar-Tisch-Praxis schon auf das Vorbild und die Anordnung Jesu zurückführen läßt. So halte ich es zumindest für denkbar, daß schon Jesus einen geeigneten Tisch mit geweihtem Öl konsekriert und darauf das erste Abendmahl eingesetzt hat, und daß dieser noch von Jesus geweihte Altar der späteren Jerusalemer Urgemeinde als hochheilig geweihter Altartisch diente, der aus Gründen strengster Arkandisziplin auch im Neuen Testament nicht erwähnt worden ist.
Jesus hätte diese Weihe sicher in erkennbarer Anlehnung an das Vorbild des Alten Testaments vollzogen, so daß das Wort der Bergpredigt auch in dieser Hinsicht bedeutungsvoll wäre.

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. (Mt 5,17)
Nun kann man einwenden, daß ich hier bloße Vermutungen vortrage und daß es vollkommen unbeweisbar ist, daß schon Jesus oder die Urkirche Altäre geweiht hätten. Ich gebe das bis zu einem gewissen Grad zu. Ich glaube aber, daß solche Vermutungen, wenn sie nur ehrlich als solche ge-kennzeichnet werden, nötig sind als Gegengewicht gegen jene ebenso unbe-wiesenen Behauptungen der zeitgenössischen Theologie, wonach die Urkir-che das heilige Mahl auf profanen Wohnzimmertischen gefeiert haben soll. Hier setze ich meine Vermutung gegen jene Vermutung. Der Leser möge sich ein eigenes Urteil bilden, ob im Kontext des Neuen Testaments und der alten Kirche meine Vermutungen wahrscheinlicher sind oder die der Gegenseite. Dabei ist aber als Tatsache festzuhalten: Schon der Hebräerbrief erwähnt einen Altar. Dieser Altar muß nach den allgemein üblichen Ausle-gungsregeln ein wirklicher Altar gewesen sein!
Außerdem weise ich abschließend auch noch auf zwei Äußerungen hin, die sich in den Briefen des Ignatius von Antiochien finden. In seinem Brief an die Gemeinde in Philadelphia mahnt er die dortigen Christen zu unbedingter Einheit:
Seid deshalb bedacht, eine Eucharistie zu gebrauchen - denn eines ist das Fleisch unseres Herrn Jesu Christi und einer der Kelch zur Vereinigung mit seinem Blut einer der Opferaltar, wie einer der Bischof zusammen mit dem Presbyterium und den Diakonen, meinen Mitknechten damit ihr, was immer ihr tut, gottgemäß tut. (IgnPhil 4)
Wenn Ignatius die Philadelphier ermahnt, alles, was immer sie tun, nach dem Willen Gottes zu tun, und wenn er in diesem Zusammenhang auch den einen „Opferaltar“ aufzählt, neben dem es keinen zweiten Altar in einer Ge-meinde geben soll, so bringt er damit zugleich zum Ausdruck: Auch das Vorhandensein eines „Opferaltares“ gehört zum Willen Gottes. Mit anderen Worten: Ignatius ist davon überzeugt, daß es dem von Jesus Christus geof-fenbarten Willen Gottes entspricht, daß die Eucharistie auf einem „Opfer-altar“ eingesetzt werden soll.
Nun ist zu fragen, was mit dem feierlichen Wort „Opferaltar“ gemeint ist. Nur ein einfacher, profaner Tisch? Das ist sehr unwahrscheinlich. Hätte Ignatius mit diesem Wort den Empfängern seines Briefes nur einen profa-nen Wohnzimmertisch vor Augen gemalt, den er dann mit dem übertrieben hohen Begriff „Opferaltar“ bezeichnet hätte, so hätte seine Argumentation keine bildliche Durchschlagskraft besessen. Der Bischof von Antiochien wä-re ein unbeholfener Briefeschreiber gewesen, dessen argumentative Schwä-che sich dann wohl auch an anderen Stellen seiner sieben Briefe zeigen müßte. Das ist aber nicht der Fall. Es ist nirgendwo sonst eine unbeholfene Argumentation dieses hervorragenden Bischofs zu erkennen. Also werden wir auch an dieser Stelle davon ausgehen dürfen, daß Ignatius das hohe Wort „Opferaltar“ sinnvoll eingesetzt und damit eine hohe Sache bezeichnet hat, nämlich einen wirklichen Altar - keinen Wohnzimmertisch.
Wie aber konnte man zur damaligen Zeit einen Altar von einem Wohnzimmertisch unterscheiden, wenn sie doch der äußeren Form nach gleich waren? Auf diese Frage ist nur eine Antwort möglich: Der christliche Al-tar unterschied sich schon damals vom Wohnzimmertisch durch eine Weihe. Demnach setzt Ignatius also schon um das Jahr 110, knapp 80 Jahre nach dem Tode Jesu, einen geweihten Altar in der frühchristlichen Gemeinde zu Philadelphia voraus, und Ignatius behauptet, daß ein solcher geweihter Altar dem Willen Gottes entspricht.
Es gibt noch eine andere Stelle in den Ignatiusbriefen, die in die gleiche Richtung weist. Im Brief an die Trallianer schreibt der Bischof von Antio-chien:
Wer sich innerhalb des Altarraumes befindet, ist rein; wer sich außerhalb des Altarraumes befindet, ist nicht rein; d. h. wer etwas ohne Bischof, Presbyterium und Diakon tut, der ist nicht rein im Gewissen. (IgnTral 4,2)
Auch hier ist es das Anliegen des Ignatius, die Trallianer zu absoluter Einigkeit zu ermahnen. Dabei argumentiert er mit einem “Altarraum“27, der denen, die sich darin befinden, eine gewisse Reinheit vermittelt. Auch hier gilt: Wenn mit diesem Altarraum ein beliebiger Raum gemeint gewesen wä-re, in dem ein profaner Tisch zum Zweck der Abendmahlsfeier gestanden hat, wäre das Argument des Ignatius ohne jede Durchschlagskraft. In diesem Fall hätte Ignatius besser mit der Teilhabe an der Eucharistie ar-gumentieren sollen. Er argumentiert aber mit dem Wort „Altarraum“. Das mindeste, was nun aber das Wohnzimmer eines vornehmen Christen zum „Altar-raum“ im Sinne eines durchschlagenden Arguments machen kann, muß ein richtiger Altar gewesen sein - ein geweihter Altar! Und auch hier gilt: Wenn das äußere Erscheinungsbild gleich war, konnte der Unterschied zwischen Tisch und Altar nur darin bestehen, daß der Altar geweiht war.
Auch diese Stelle ist also ein gewichtiger Hinweis, daß die alte Kirche schon sehr früh geweihte Altäre hatte, auf denen sie das heilige Abendmahl ein-setzte und feierte.
Nun könnte es vielleicht sein, daß jemand die angeführten Stellen aus den Ignatiusbriefen anders verstehen möchte, als ich sie erklärt habe. Aber darf man eine solche Aussage einfach übergehen, wie die RGG und andere Werke das tun?28 Die beiden Stellen aus den Ignatiusbriefen passen offenbar nicht zu der verbreiteten Vorstellung eines unkultischen Urchristentums. Darum werden sie in aller Regel mit Schweigen übergangen. Wer sie aber verständnisvoll liest, wird auch auf Grund dieser Stellen mit der realen Mög-lichkeit rechnen, daß schon Jesus gewollt hat daß das hochheilige Mahl auf einem hochheiligen Tisch eingesetzt wurde, auf einem hochgeweihten Altar.

7. Anhang: Die weißen Gewänder zur Taufe
Bei unseren Überlegungen zur Sakralität des urchristlichen Gottesdienstes hat bisher die Altarfrage im Mittelpunkt gestanden. Ich möchte aber auch noch auf einen anderen Punkt hinweisen, der uns zeigt daß die Urgemeinde wahrscheinlich zu einem erheblichen Aufwand bereit war, wenn es um got-tesdienstliche bzw kultische Dinge ging.

In den Briefen des Apostels Paulus begegnet uns wiederholt ein Bild, von dem ich lange Zeit dachte, daß es wenig überzeugend gewählt ist. Es ist dies das Bild, daß ein Christ Jesus Christus „anziehen“ solle oder „angezogen“ habe - wie ein Kleidungsstück:
Lasset uns ehrbar wandeln als am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Wollust und Unzucht nicht in Hader und Neid; sondern ziehet an den Herrn Jesus Christus ...(Rm 13,13+14)
Denn wie viele von euch auf Christus getauft sind, die haben Christus angezogen. (Gal 3,27)
An anderen Stellen ist davon die Rede, daß der Christ einen neuen Menschen angezogen habe oder anziehen solle (Kol 3,10-14 / Eph 4,24) oder daß wir bei unserer Auferstehung die Unsterblichkeit anziehen werden (1.Kor 15,53+54). Andererseits spricht Paulus auf ebenso erstaunliche Weise vom „Ausziehen“ oder „Ablegen“ des alten Menschen:
Leget von euch ab den alten Menschen mit seinem vorigen Wandel, der durch trügerische Lüste sich verderbt. (Eph 4,22)
Belüget einander nicht; denn ihr habt ja ausgezogen den alten Menschen mit seinen Werken ...(Kol 3,9)
Hat Paulus hier nicht ein ungeschicktes Bild gewählt? Kann der Christ sein altes sündiges Wesen ablegen wie ein altes Kleidungsstück? Kann er einen „neuen Menschen“ anziehen wie ein neues Gewand? Und wenn es sogar heißt, daß wir Jesus Christus „anziehen“ sollen, so scheint das Bild noch ungeeigneter zu sein. Die Kleidung des Menschen ist nicht sehr haltbar, sie verschmutzt schnell und ist der Mode unterworfen. Vor allem ist, was ein Mensch anzieht, nur äußerlich. Kann das ein gutes Bild für das Verhältnis von Jesus Christus zum Gläubigen sein?
Lange Zeit habe ich die paulinische Kleidungsmetapher nur mit innerer Zurückhaltung zur Kenntnis genommen. Nachdem ich mich jedoch mit den altkirchlichen Taufriten befaßt habe, sehe ich das von Paulus verwandte Bild mit anderen Augen. Die Taufen der alten Kirche wurden ja mit einem erstaunlichen Aufwand gefeiert. Nach einem intensiven Unterricht folgte eine vierzigtägige Fastenzeit. Zur Taufe mußte man sich nackend ausziehen, man wurde gesalbt, getauft und wieder gesalbt. Danach zogen die soeben Getauften ein weißes Kleid an, mit dem sie aus dem Baptisterium in die Kirche gingen, um dort vom Bischof gefirmt zu werden und zum ersten Mal am Abendmahl teilnehmen zu dürfen. Nach dem österlichen Taufgottesdienst durfte man das weiße Taufkleid noch acht Tage lang, bis zum Sonntag nach Ostern, zu den täglichen Gottesdiensten tragen.
Über die verschiedenen Initiationsriten mit dem dazugehörigen weißen Taufgewand werden wir ausführlich in den „Mystagogischen Katechesen“' des Cyrill von Jerusalem (+ 386) und in der Schrift „Über die Mysterien“30 des Ambrosius von Mailand (+ 397) unterrichtet; es gibt aber auch bei anderen Kirchenvätem immer wieder Hinweise auf die weißen Taufkleider31, so daß man annehmen kann, daß es sich hier um einen gesamtkirchlichen Ritus gehandelt hat.
Nun ist schon die Beschreibung der altkirchlichen Taufriten und ihre theologische Erläuterung durch die Kirchenväter äußerst bewegend. Noch bewegender und zutiefst prägend müssen aber diese alten Taufriten für die da-mals Getauften selber gewesen sein. Dabei scheint auch das Anziehen des weißen Gewandes nach der vorangegangenen, relativ öffentlichen Nacktheit einen tiefen und bleibenden Eindruck auf die damaligen erwachsenen Täuf-linge gemacht zu haben. Vielleicht haben viele von ihnen empfunden, was Chrysostomos mit den folgenden Worten ausdrückt 32 :
Durch euer leuchtendes Gewand lenkt ihr jetzt die Blicke aller auf euch, und der Glanz der Kleider zeigt eure außerordentliche seelische Reinheit an.
Wahrscheinlich hat das äußerliche Taufkleid vielen damaligen Christen ge-holfen, ihre innere, durch die Taufe geschenkte Reinheit besonders stark zu empfinden. Wenn das der Fall war, konnte das Bild vom „Anziehen“ des neuen Menschen oder sogar vom „Anziehen“ Jesu Christi an eine starke geistliche Erfahrung anknüpfen und so eine überzeugende Wirkung entfal-ten.
Die Frage ist allerdings, ob die Christen schon zu des Paulus Zeiten nach ihrer Taufe mit weißen Gewändern eingekleidet wurden, so daß Paulus in den betreffenden Briefstellen tatsächlich auf die starken Empfindungen an-spielen konnte, die die Getauften mit diesem Taufkleid bleibend verbanden.
Die Frage mag überraschen. Ich meine aber, daß wir hier vor der Alternative stehen, ob Paulus tatsächlich in kaum verständlichen und wenig überzeugenden Kleidungsgleichnissen spricht, oder ob es zu diesen Gleichnissen eine einleuchtende und innerlich mitreißende Sachhälfte gibt, die eigentlich nur darin bestehen kann, daß es schon zu seinen Zeiten weiße Taufkleider in der Urkirche gab.
Die Dinge liegen doch eigentlich sehr klar. Wir wissen, daß das Neue Tes-tament auch sonst zu den Sakramenten nur äußerst knappe Angaben macht und man vieles erst durch die spätere kirchliche Überlieferung erfährt. Darum ist es auch nicht verwunderlich, wenn die weißen Taufkleider nicht erwähnt werden, die ganz offenkundig der Hintergrund der paulinischen Kleidungsgleichnisse sein müssen. Ich bin also überzeugt, daß schon zu neutestamentlichen Zeiten zur normalen Taufe in aller Regel weiße Kleider gehörten.
In dieser Überzeugung werde ich bestärkt durch verschiedene weitere Hinweise der Bibel. Da ist zunächst einmal die Tatsache, daß schon im Galaterbrief die Kleidungsmetapher mit der Taufe verknüpft ist:
Denn wie viele von euch auf Christus getauft sind, die haben Christus angezogen.
(Gal 3,27)
Da sind ferner die vielen Stellen in der Offenbarung des Johannes, in denen geschildert wird, wie die Erlösten weiße Kleider bekommen oder in weißen Kleidern auftreten:
Offb 3,4+5+18 / 4,4 / 6,11 / 7,9+13+14 / 19,14.
Die neunmalige Wiederholung dieses Bildes scheint mir darauf hinzudeuten, daß es sich nicht nur um eine metaphorische Wahrheit handelt, die rein ge-danklich zu erfassen wäre. In diesem Fall dürfte das Bild nicht einfach wie-derholt werden, sondern es müßte nach und nach in den Details entfaltet und vertieft werden. Demgegenüber legt die einfache Wiederholung nahe, daß es einen konkreten Hintergrund geben muß, der dem Bild auch bei blo-ßer Wiederholung seine Kraft gibt. Der konkrete Hintergrund dürfte dann gewiß in den weißen Taufkleidern der Urkirche zu suchen sein, die offen-sichtlich schon zur Zeit des Apostels Johannes eine wichtige Rolle gespielt haben.
Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die beiden Gleichnisse Jesu vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) und vom hochzeitlichen Kleid (Mt 22,1-14) zu bedenken. Der verlorene Sohn „war tot und ist wieder lebendig geworden“. Hier handelt es sich offenbar um Taufterminologie entspre-chend Rm 6,3-11. Dann ist das „schönste Kleid“, das dem reuigen Sohn ge-schenkt wird, ein weißes Kleid - ein Taufkleid!
Kann auch mit dem „hochzeitlichen Kleid“, das einem der Eingeladenen fehlte, das weiße Taufkleid gemeint sein? Das ist durchaus möglich. Dann wird man unter dem Hochzeitsmahl, das schon begonnen hat, bevor der König kommt, das heilige Abendmahl verstehen müssen, und das Gleichnis warnt in seiner Hauptaussage davor, daß irgend ein Ungetaufter sich in die christliche Abendmahlsfeier einschleicht und an der Kommunion teilnimmt. Wenn dies doch geschieht, hat die unberechtigte Kommunion nicht Frieden und Vergebung, sondern die göttliche Ungnade zur Folge.
Ich bin mir bewußt, bei den beiden Gleichnissen eine überraschende und unübliche Auslegung vorzuschlagen. Ich gebe aber noch einmal zu beden-ken: Die mehrfachen Kleidungsmetaphern in den paulinischen Briefen kön-nen nur dann als überzeugend akzeptiert werden - und das müssen sie als ....
Zuletzt geändert von Niels am Freitag 6. Februar 2004, 00:52, insgesamt 1-mal geändert.
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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Beitrag von Juergen »

umusungu hat geschrieben:Klar wurde das Bild verstanden. Ich weiß auch nicht, ob ich dauernd ohne Sakralraum Eucharistie feiern könnte.
1) Ist aber wohl eher eine Frage der Gewöhnung und der Erfahrung.

2) Für mich jedenfalls ist vom Glauben her kein Sakralraum für eine Messe notwendig.
3) Und im Umkehrschluss sind "Sakralräume" keine "heiligen Räume" im Sinne von "ausschließlich für .....".

Ich verweise nur auf:

Heribert Mühlen: Entsakralisierung 2. Aufl. Paderborn : Schöningh, 1970

Und wenn Du das Buch durch hast, sprechen wir uns wieder.
Gruß Jürgen

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Dann kamen sie nach Jerusalem. Jesus ging in den Tempel und begann, die Händler und Käufer aus dem Tempel hinauszutreiben; er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um und ließ nicht zu, dass jemand irgendetwas durch den Tempelbezirk trug. Er belehrte sie und sagte: Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein? Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten davon und suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen. Denn sie fürchteten ihn, weil alle Leute von seiner Lehre sehr beeindruckt waren. (Mk 11, 12-20).

Ich schätze mal, die Hohepriester und Schriftgelehrten in dieser Perikope waren auch für's unsakrale. Jesus irgendwie nicht. Dabei hätte er doch Gott wirklich überall anbeten können. Und ebenso im Tempel Handel treibe, essen, die Füße hochlagern usw. usf. Hat ihm halt leider keiner gesagt.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Niels
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Beitrag von Niels »

Karsten Bürgener hat geschrieben:Fortsetzung:
Ich bin mir bewußt, bei den beiden Gleichnissen eine überraschende und unübliche Auslegung vorzuschlagen. Ich gebe aber noch einmal zu beden-ken: Die mehrfachen Kleidungsmetaphern in den paulinischen Briefen kön-nen nur dann als überzeugend akzeptiert werden - und das müssen sie als inspiriertes Wort Gottes! - wenn man sie auf dem mitreißenden Erfahrungshintergrund schon damals üblicher Taufkleider versteht. Wenn aber schon Paulus bei den Taufen in seinen Gemeinden weiße Kleider ange-ordnet hat, dann ist es durchaus wahrscheinlich, daß diese Anordnung schon auf Jesus zurückgeht. Wenn das aber der Fall ist, fällt auch auf die beiden Gleichnisse ein besonderes, sehr konkretes Licht.
Warum befassen wir uns hier mit der Frage der weißen Taufkleider? Wenn ich recht habe, hat die in der Regel als arm und unkultisch eingeschätzte Urgemeinde auch in Hinblick auf das Taufkleid einen erstaunlichen Auf-wand betrieben, der die heutige reiche Christenheit tief beschämt, die sich nur noch für einen Theaterbesuch fein anzieht, zum Abendmahl dagegen vielfach mit offenem Hemd und Bluejeans erscheint. Und heutige erwach-sene Taufbewerber werden sich - bei allem Wohlstand - niemals ein besonderes Kleidungsstück für die Taufe anschaffen, und das würde auch niemand von ihnen erwarten.

Wir sind alle vom Geist der Entsakralisierung angekränkelt.

Anmerkungen

1.) J. Herzog / A. Rothe „Die Schloßkirche zu Torgau“ (Torgau 1994) Seite 13. Der Vorhang verbarg übrigens den Zugang zum Heiligen, nicht zum Allerheiligsten.

2.) Herausgegeben im Auftrag der Arnoldshainer Konferenz und der Kir-chenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (,Gütersloh 31993).

3.) A.a.O. Seite 109.

4.) Im katholischen Bereich gibt es sogar ein Buch, das ein entsakralisiertes
Christentum fordert. Es handelt sich um das dickleibige Werk „Entsakrali-sierung. Ein epochales Schlagwort in seiner Bedeutung für die Zukunft der Kirchen“ von H. Mühlen (Paderborn 1971). Es geht Mühlen allerdings in erster Linie um die „Entsakralisierung“ des kirchlichen Amtes. Die exegeti-sche Grundlage für seine Sicht der Dinge ist leider ebenso dürftig, wie wir es in der evangelischen Theologie erleben.

5.) G. Rietschel "Lehrbuch der Liturgik", neubearbeitet von P. Graf Bd. 1 (Göttingen 21951), Seite 111.

6.) A. Adam/R. Berger „Pastoral-fiturgisches Lexikon“ (Freiburg 1981),
Seite 17.

7.) O. Meinardus „Paulus in Griechenland“ (Athen 21993), Seite 86. Mei-nardus selber stimmt diesem Urteil aber nur bedingt zu. Er macht auch auf die hohe Stellung des korinthischen Stadtkämmerers Erastus aufmerksam (vgl Rm 16,23). Ich werde ihn zu diesem Punkt noch ausführlich zitieren.

8.) A. a. 0.

9.) Siehe O Michel „Der Brief an die Römer“ (Göttingen 1955), Seite 1.

10.) Siehe Anm. 1, Seite 86f. Es heißt bei Meinardus tatsächlich „Korinther Gemeinde“.

11.) „Leben der Caesaren“ D 15.

12.) Hist LXVH,14.
13.) Hist eccl IH,18,4.

14.) H. Warnecke "Die tatsächliche Rornfahrt des Apostels Paulus" (Stutt-
gart 1987) und H. Warnecke / Th. Schirrmacher „War Paulus wirklich auf Malta?“ (Stuttgart 1992).

15.) H. Warnecke „War Paulus wirklich auf Malta?“, Seite 97ff. Dort Hin-weis auf Clem. Al., Strom. III,2,5.


16.) W. Grundmann „Das Evangelium nach Lukas“ (Berlin 21963), Seite
43.

17.) A. a. O., Seite 44.

18.) A. a. O., Seite 45.

19.) Nach der kirchlichen Überlieferung steht hinter dem Hebräerbrief die Autorität des Apostels Paulus. Der von Paulus abweichende Stil macht es allerdings wahrscheinlich, daß irgendein Mitarbeiter diesen Brief auf Anwei-sung und im Auftrag des Apostels verfaßt hat. Das schmälert jedoch die Verantwortung des Apostels für dieses Schreiben nicht und relativiert auch die Autorität dieses Briefes in keiner Weise. Insofern soll der Apostel Pau-lus im Folgenden der Einfachheit halber als der direkte Autor dieses Briefes betrachtet werden.

20.) Auch K. Onasch betrachtet in seinem Lexikon „Liturgie und Kunst der Ostkirche in Stichworten“ (Leipzig 1981, Seite 24) den Ausdruck „Tisch des Herrn“ als eine Würdebezeichnung, die diesen Tisch vom profanen Möbel abhob. Trotzdem glaubt (-25-) er, daß die frühe Christenheit vor Paulus nur einen profanen Tisch für die Feier der Eucharistie nutzte.

21.) Euseb Hist eccl III,31,3 = V,24,3.

22.) J. Braun "Liturgisches Handlexikon" (Regensburg 1922), Seite 11.

23.) BKV25,156f.

24.) BKV25,23ff.

25.) Die altkirchliche Arkandisziplin habe ich in meinem Buch „Die bischöfliche Konfirmation“ (Bremen 1993) ausführlich dargestellt (Seite 26-36).
26.) In die gleiche Richtung bewegt sich auch die folgende Überlegung Brauns:
Ein Tisch als Altar hatte aber auch den Vorteil, daß er für die Heiden nichts Auffälliges besaß. Niemand, der nicht in die christlichen Geheim-nisse eingeweiht war, sah es dem Tische an, daß er etwas mehr als ein solcher war, daß er ein liturgisches Gerät, ein Altar war; denn er erschien seinem Aussehen nach wie ein gewöhnliches Hausgerät. (Seite 49/ vgl Anm 22)
Wenn Braun allerdings davon ausgeht, daß der Altartisch in den ersten Jahr-hunderten noch ungeweiht war, so war ein solches Versteckspiel eigentlich unnötig. Denn was hätte es geschadet, wenn ein rein profaner Tisch in die Hand der Heiden gefallen wäre?

27.) So ist das Wort an dieser Stelle offenbar zu verstehen. Vgl Bauer WB5725.

28.) Das ist nicht bei Braun der Fall, der auch noch auf IgnEph 5,2 / Ign-Trall 7,2 / IgnRöm 2,2 / Ign Magn 7,2 hinweist und erklärt, zumindest im Philadelphierbrief sei ein „reales liturgisches Gerät des christlichen Kultus“ gemeint (Seite 31 /vgl Anm 22).

29.) Myst Kat II,2 / IV,8.

30.) De myst VH,34-37.

31.) Vgl schon „Der äthiopische Text der Kirchenordnung des Hippolyt“
herausgegeben und übersetzt von H. Duensing (Göttingen 1946), Seite 93. Außerdem: Ambrosius ,,Über die Mysterien“ 34; Chrysostomos „Taufkate-chesen“ II,2,3 / III,3,18 6,24; Theodor von Mopsuestia hom de bapt 3,26; Johannes Diakonus Ep ad Senarium 8 (PL 59,403). Auch der folgende Ver-gleich, mit dem Tertullian davor warnt, sich von einem Heiden belehren zu lassen, setzt vermutlich den Gebrauch weißer Taufkleider voraus:
Was lässest du dich von einem Nackten ankleiden, wenn du Christus an-gezogen hast? (Von der Auferstehung des Fleisches 3)

32.) Taufkatechese III,6,24
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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umusungu
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Beitrag von umusungu »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Es geht nicht um "gefordert wird", es geht um menschliche Bedürfnisse. Da magst Du zetern wie Du willst, am Ende werden die Menschen weiterhin sakrale Räume bauen, weil sie notwendig sind.
Zunächst einmal: ich zetere hier nicht! Querlaufende Gedanken sind kein Zetern, sonst könnte dieses Forum dicht gemacht oder als "Weihrauch-Forum" fortgeführt werden. Soviel zu dieser Aussage.

Sakralräume sind nach deiner Beschreibung ein Entgegenkommen an die menschliche Sehnsucht nach besonderen Räumen. Das ist doch ok!

Meine These heißt allerdings: für die christliche Gottesverehrung sind keine "besonderen Räume" notwendig. Durch die Inkarnation Gottes in Jesus von Nazareth ist die "Welt" heiliger Raum geworden, es gibt kein "Innen" und kein "Außen" mehr, keine abgegrenzten oder ausgesonderten, "heiligen" Räume und Plätze.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

umusungu hat geschrieben:...Meine These heißt allerdings: für die christliche Gottesverehrung sind keine "besonderen Räume" notwendig.
Dann verpiss dich in die Wüste!
(Und Wehe, ein Moderator editiert das jetzt)
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Beitrag von Erich_D »

umusungu hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:Es geht nicht um "gefordert wird", es geht um menschliche Bedürfnisse. Da magst Du zetern wie Du willst, am Ende werden die Menschen weiterhin sakrale Räume bauen, weil sie notwendig sind.
1) Zunächst einmal: ich zetere hier nicht!


2) Meine These heißt allerdings: für die christliche Gottesverehrung sind keine "besonderen Räume" notwendig.
3) Durch die Inkarnation Gottes in Jesus von Nazareth ist die "Welt" heiliger Raum geworden, es gibt kein "Innen" und kein "Außen" mehr, keine abgegrenzten oder ausgesonderten, "heiligen" Räume und Plätze.
1) nimm's als Feedback wie Du 'rüberkommst

2) angesichts der Tempelreinigung durch Jesus selbst nehme ich an, dass er das anders sieht

3) das ist für mich der Weg der Gottesentleerung; mit dem gleichen Argument kann man auch gleich die Eucharistie einsparen, Gott ist ja überall, es gibt kein "Innen" usw. usf.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Beitrag von umusungu »

Juergen hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben:...Meine These heißt allerdings: für die christliche Gottesverehrung sind keine "besonderen Räume" notwendig.
Dann verpiss dich in die Wüste!
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starke Argumente

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Beitrag von Juergen »

umusungu hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben:...Meine These heißt allerdings: für die christliche Gottesverehrung sind keine "besonderen Räume" notwendig.
Dann verpiss dich in die Wüste!
(Und Wehe, ein Moderator editiert das jetzt)
starke Argumente
Da hast Du es erkannt: wenn schwache Argumente nicht mehr treffen, dann müssen starke her.
Gruß Jürgen

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Beitrag von umusungu »

Erich Dumfarth hat geschrieben:1) nimm's als Feedback wie Du 'rüberkommst
Danke für den Hinweis.
Frage: hattet ihr euch hier so nett eingerichtet, dass nur nun keine Wellenlänge erfahrbar war?
Wäre eigentlich schade.

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

umusungu hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:1) nimm's als Feedback wie Du 'rüberkommst
Danke für den Hinweis.
Frage: hattet ihr euch hier so nett eingerichtet, dass nur noch eine Wellenlänge erfahrbar war?
Wäre eigentlich schade.
Blödsinn. Darum geht es nicht. Aber meinst Du denn, ich wäre so blöd nicht sofort zu merken, dass Deine so scheinbar unschuldige Frage "brauchen wir Sakralräume", "wozu brauchen wir Sakralräume" rein rhetorisch gemeint waren, Du die Antworten - Deine Antworten - nicht ohnehin schon parat hast? So etwas empfinde ich als intellektuelle Unredlichkeit oder - im besten Falle - Oberlehrerhaft. Und ein solches Verhalten stößt mir sauer auf. Warum nicht einfach gleich schreiben, was Du denkst? Ich bin nicht grenzdebil und bezweilfle, dass es sonst einer hier ist. Wenn Du als Diskussionsparter ernst genommen werden willst, dann nimm auch Deine Diskussionspartner ernst.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Lucia

Beitrag von Lucia »

umusungu hat geschrieben:brauchen wir die aus unserem Glauben heraus zwingend, oder könnte es auch andere Möglichkeiten geben?
Erklär doch mal, warum Dich diese Frage bewegt. Aus dem Eingangsposting werd' ich nicht schlau, weil mir die Vorgänge im fernen Rheydt völlig unbekannt sind.

Ansonsten kann ich mich nur Erich anschließen: Kirchengebäude brauche ich nicht "aus dem glauben heraus", sondern weil ich als Mensch nun mal "Gewohnheitstier" bin - und das Besondere muss halt auch an besonderen Orten stattfinden, und nicht an "unangemessenen" [IRONIE]klaro: rein theoretisch könnte man Eucharistie auch in der Bahnhofstoilette feiern - nur darf der Priester nicht bei "ladies" rein, und ich nicht bei "gentlemen"[/IRONIE]

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Lucia Hünermann hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben: könntest du in einem anderen als einem Sakralraum Eucharistie feiern?
Habe ich schon. Mit einer kirchlichen Jugendgruppe, nach einer Bergbesteigung. Direkt neben dem Gipfelkreuz. Oder: 1984 bei einer Israel-Wallfahrt. Mit Blick auf den See Genezareth. Also völlig "raumfrei".

Oder: Bei verschiedenen Messdienerfahrten im Aufenthaltsraum der jeweiligen Jugendherberge. Bei den Aachener Werkwochen mit Pater Lennartz SJ im Speisesaal der Jugendherberge (inzwischen sind die nicht mehr dort, sondern in der "Bleiberger Fabrik"). Oder: Beim Katholikentag 1980 im Berliner Olympiastadion oder im ICC oder auf dem Messegelände ...

Die Liste läßt sich noch ziemlich verlängern.
z.B mit dem Frankfurter Römerberg, wo jedes Fronleichnam und beim Kreuzfest Eucharistie gefeiert wird ....
Und last, but noch least - wie wärs mal mit dem großen Platz, wo ...ähem... ich glaube, das ist doch in Rom ...

Damit wäre die Frage eigentlich abgehakt.

Geronimo

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Für mich könnte eine Erklärung in der relativen und absoluten Welt liegen, die ich aus dem Buddhismus kenne. Im Buddhismus gibt es absolut gesehen keine Trennung mehr. Aber wir leben auch in einer relativen Welt, die wir nicht vernachlässigen sollten, auch wenn wir sie nicht absolut setzen sollten.

So erscheint es mir hier. Absolut gesehen ist alles Gottes Geist, nichts ist von ihm getrennt. Aber damit die Vielfalt der Welt entstehen konnte, mußte es relative Trennung geben, d.h. es gibt diese Trennung auf einer Nicht-absoluten Ebene.

Da der größte Teil unseres Lebens auf der Nicht-absoluten Ebene erlebt wird, ist es auch wichtig, diese Trennung anschaulich zu machen.
Diesem Veranschaulichen des inneren Zustandes der Trennung geistig-göttlich und profan dient auch die Erklärung und Gestaltung von sakralen Räumen.
Übrigens kann auch ein Raum zeitweilig sakral werden, wie eben in den Beispielen beschrieben, d.h., sie waren zum Zeitpunkt ihrer sakralen Nutzung eben sakrale Räume. Ebenso wie manche Kirchen nach Jahrhunderten z.B. in kommunistischen Ländern umgekehrt wieder profan genutzt wurden. Ein Raum ist ja auch in die Zeit eingebunden.

Ein sakraler Raum ist für mich daran gebunden, wie die Menschen ihn erleben. Eine profanisierte Kirche ist nur noch so weit sakraler Raum, als die Menschen dort vielleicht noch etwas vom sakralen Geist dort spüren. Tun sie das nicht, ist es kein sakraler Raum mehr. Ein ICC-Abteil kann sakraler Raum werden, wenn die Menschen dort den Geist Gottes in sakraler Weise spüren (also z.B. in Bezug auf sakrale Handlungen - es gibt ja auch andere Möglichkeiten den Geist Gottes zu spüren, nicht nur in der sakralen Handlung - ein paralleles Thema zum sakralen Raum).

Da der Mensch normalerweise in einer relativen Welt lebt, braucht er eine gewisse Isolierung von profanen Dingen, um sakrale Erfahrungen in der größt möglichen Tiefe zu machen. Er kann nicht gleichzeitig die Weite des Geistes Gottes suchen und im selben Moment sorgenvoll an sein Bankkonto denken. Daher braucht er Schutzräume, in denen die Alltagsfragen ausgeklammert oder in anderen Zusammenhang gestellt werden. Er kann dies kraft Entschlusses kurzzeitig in seiner Umgebung, wo auch immer, verwirklichen. Es fällt aber im allgemeinen leichter, dies an dafür vorgesehenen Orten zu tun, an denen eine gewisse Abgeschiedenheit von profanen Alltagsproblemen gewährt wird.

Die Gefahr ist dabei die Isolierung der sakralen Erfahrung und die Unfähigkeit, sie mit hinein zu nehmen in das profane Leben, was ja eigentlich schon wichtig wäre.

Ich denke, auch hier ist Ausgewogenheit gefragt. Früher nahm man übrigens ein bißchen sakralen Raum durch den "Herrgottswinkel" mit nach Hause.

Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Ralf

Beitrag von Ralf »

Erich Dumfarth hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:1) nimm's als Feedback wie Du 'rüberkommst
Danke für den Hinweis.
Frage: hattet ihr euch hier so nett eingerichtet, dass nur noch eine Wellenlänge erfahrbar war?
Wäre eigentlich schade.
Blödsinn. Darum geht es nicht. Aber meinst Du denn, ich wäre so blöd nicht sofort zu merken, dass Deine so scheinbar unschuldige Frage "brauchen wir Sakralräume", "wozu brauchen wir Sakralräume" rein rhetorisch gemeint waren, Du die Antworten - Deine Antworten - nicht ohnehin schon parat hast? So etwas empfinde ich als intellektuelle Unredlichkeit oder - im besten Falle - Oberlehrerhaft. Und ein solches Verhalten stößt mir sauer auf. Warum nicht einfach gleich schreiben, was Du denkst? Ich bin nicht grenzdebil und bezweilfle, dass es sonst einer hier ist. Wenn Du als Diskussionsparter ernst genommen werden willst, dann nimm auch Deine Diskussionspartner ernst.
Ein bedenkenswretes, über diesen Thread weit hinausgehendes Statement, für den Angesprochenen und alle anderen.

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umusungu
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Beitrag von umusungu »

Lucia Hünermann hat geschrieben:Erklär doch mal, warum Dich diese Frage bewegt. Aus dem Eingangsposting werd' ich nicht schlau, weil mir die Vorgänge im fernen Rheydt völlig unbekannt sind.
Mir sind diese Vorgänge auch nur aus dem anderen thread bekannt.
Zuletzt geändert von umusungu am Freitag 6. Februar 2004, 22:04, insgesamt 1-mal geändert.

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umusungu
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Vorhang im Tempel

Beitrag von umusungu »

Die Frage nach den Sakralräumen ist einmal eine menschliche Frage nachdem, was wir brauchen.
Sie ist dann aber auch eine zutiefst theologische Frage nach der Gegenwart Gottes in dieser Welt und in unserem Leben.
Für den Juden Jesus von Nazareth war die Gegenwart Gottes in seinem Volk im Allerheiligsten des Tempels gegeben. Dorthin pilgerte er und die Menschen seiner Zeit.
Das Allerheiligste war durch einen Vorhang vom restlichen Tempel getrennt. Dieses Allerheiligste war nur den Hohenpriestern zum Opfer zugänglich, nicht dem Volk. Gott "verbarg" sich also vor den Menschen.
"Der Heilige" hatte seinen "heiligen Bezirk" - seinen "Sakralraum", zu dem nur der Hohepriester Zugang hatte.

Gott offenbart sich nach dem Lukasevangelium mit dem Kreuzestod Jesu von Nazareth in einer ganz neuen Art und Weise: "Es war um die schste Stunde ..... Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Jesus rief laut: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Nach diesen Worten hauchte er den Geist aus". (Lk 23, 44-46)
Gott tritt aus seinem "heiligen Raum" heraus in die Niederungen unserer Welt, in all unser Leiden, unser Kämpfen ........ er wird "öffentlich". Die Welt ist der "Sakralraum" geworden, wirklich der Ort der Gegenwart Gottes. Er "braucht" für seine Gegenwart keine ausgesonderten Räume mehr, keine "heiligen Bezirke", keine "Sakralbauten". Die Welt ist sein "Sakralraum" ... sein "Allerheiligstes".
Die Wohnung einer christlichen Familie mit all ihren Räumen ist nicht weniger sakral als die Kirche. Das Büro eines Christen ist nicht weniger sakral als der Petersdom.
In unseren privaten wie dienstlichen Räumen können wir uns dieser Gegenwart Gottes stellen oder auch nicht, genauso können wir uns in unseren Kirchen seiner Gegenwart stellen oder nicht.
Seit der "Vorhang im Tempel zerrissen ist", gibt es bei den Christen diese Trennung zwischen "sakral" und "weltlich" nicht mehr. Es gibt nur noch die Alternative: lebe ich bewußt in der Gegenwart Gottes oder negiere ich sie.

Geronimo

Re: Vorhang im Tempel

Beitrag von Geronimo »

umusungu hat geschrieben:Die Frage nach den Sakralräumen ist einmal eine menschliche Frage nachdem, was wir brauchen.
Sie ist dann aber auch eine zutiefst theologische Frage nach der Gegenwart Gottes in dieser Welt und in unserem Leben.
Für den Juden Jesus von Nazareth war die Gegenwart Gottes in seinem Volk im Allerheiligsten des Tempels gegeben. Dorthin pilgerte er und die Menschen seiner Zeit.
Das Allerheiligste war durch einen Vorhang vom restlichen Tempel getrennt. Dieses Allerheiligste war nur den Hohenpriestern zum Opfer zugänglich, nicht dem Volk. Gott "verbarg" sich also vor den Menschen.
"Der Heilige" hatte seinen "heiligen Bezirk" - seinen "Sakralraum", zu dem nur der Hohepriester Zugang hatte.

Gott offenbart sich nach dem Lukasevangelium mit dem Kreuzestod Jesu von Nazareth in einer ganz neuen Art und Weise: "Es war um die schste Stunde ..... Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Jesus rief laut: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Nach diesen Worten hauchte er den Geist aus". (Lk 23, 44-46)
Gott tritt aus seinem "heiligen Raum" heraus in die Niederungen unserer Welt, in all unser Leiden, unser Kämpfen ........ er wird "öffentlich". Die Welt ist der "Sakralraum" geworden, wirklich der Ort der Gegenwart Gottes. Er "braucht" für seine Gegenwart keine ausgesonderten Räume mehr, keine "heiligen Bezirke", keine "Sakralbauten". Die Welt ist sein "Sakralraum" ... sein "Allerheiligstes".
Die Wohnung einer christlichen Familie mit all ihren Räumen ist nicht weniger sakral als die Kirche. Das Büro eines Christen ist nicht weniger sakral als der Petersdom.
In unseren privaten wie dienstlichen Räumen können wir uns dieser Gegenwart Gottes stellen oder auch nicht, genauso können wir uns in unseren Kirchen seiner Gegenwart stellen oder nicht.
Seit der "Vorhang im Tempel zerrissen ist", gibt es bei den Christen diese Trennung zwischen "sakral" und "weltlich" nicht mehr. Es gibt nur noch die Alternative: lebe ich bewußt in der Gegenwart Gottes oder negiere ich sie.
So weit, so gut. Das sind aber zwei verschiedene Ebenen. Einmal -selbstredend - dass wir stets in der Gegenwart Gottes Leben leben und dies uns immer bewußt sein soll - sonst kommt ja dieses Sonntagschristentum zustande.
Ich verstehe unter den ausgewiesen sakralen Räumen aber etwas anderes, bestimmte Orte, wo der Glaube vieler Spuren hinterlassen hat - einen Ort, der Glauben atmet. Es ist sicher zum einen ein Grundbedürfnis der Menschen, einen sicheren Ort zu wissen, der durch nichts Säkulares gestört wird, aber auch einen Ort zu haben, wo sie räumlich abgetrennt vom Weltlichen sich in ihr Gebet versunken können. Dass Räume ein Eigenleben führen, ist ja bekannt. Es gibt ein Schweigen, dass nur in einer Kirche anzutreffen ist. In meinem "Herrgottswinkel" zu Hause ist eine andere Glaubensatmosphäre.

Mal was Praktisches: Was ist denn mit den Altargeräten und dem Allerheiligsten? Das bräuchte doch schon irgendwo einen Ort.

Also - dass Gott für seine Gegenwart keine sakralen Räume braucht, ist unbestritten. Wir brauchen aber sakrale Räume - nicht unbedingt für die Eucharistie - sondern weil wir menschlich sind und Schutz suchen und Geborgenheit und ein Wiedererkennen brauchen, das uns im Erkennen des vertrauten Kirchenraumes aufatmen lässt. Nicht umsonst sind ja Kirchen auch Asylstätten, ein heiliger Raum auch für die Staatsgewalt.

Geronimo

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Juergen
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Re: Vorhang im Tempel

Beitrag von Juergen »

umusungu hat geschrieben:Seit der "Vorhang im Tempel zerrissen ist", gibt es bei den Christen diese Trennung zwischen "sakral" und "weltlich" nicht mehr. Es gibt nur noch die Alternative: lebe ich bewußt in der Gegenwart Gottes oder negiere ich sie.
Heribert Mühlen hat geschrieben:Im Hinblick auf unsere Frage nach der Differenz heilig-profan halten wir nun folgendes fest: Heiligkeit im streng thologischen Sinne ist das Wesen des Wesens Gottes: Er zeigt sich in seiner radikalen Nähe zum Menschen und seiner Geschichtlichkeit als der absolut Ferne, nicht zu Begreifende. Demgegenüber ist die Schöpfung als Schöpfung das schlechthin Unheilige, das Profane. Deshalb kann der Mensch insofern er Geschöpf ist, die Heiligkeit Gottes von sich selbst her nicht erfahren: Nichts an der Kreatur als Kreatur ist göttlich und nichts in Gott als Gott ist kreatürlich! Dies schließt nicht aus, sondern ein, daß die Kreatur als ganzes auf Gott bezogen ist (wenn die Kreatur von sich selbst her göttlich wäre, wäre Gott nicht mehr Gott). Diese Bezogenheit der Schöpfung auf Gott muß deshalb ebenfalls als profan, als nicht-göttlich bezeichnet werden, ist aber gerade deshalb die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß der Mensch - wie auch immer - aus dem Geschaffenen die ewige Kraft und Gottheit als eine wirkende erschaffende erkennen kann (Röm 1,20f.). Wenn diese kreatürliche Bezogenheit in sich selbst göttlich wäre, wäre es nicht möglich, daß der Mensch die Herrlichkeit (δόξα) des unvergänglichen Gottes vertauschen mit dem bloßen Bild von vergänglichen Menschen, Vögeln, vierfüßigen Tieren (Röm 1,22f.). Die "transzendentale" Erfahrung des Geschaffenseins ist nicht in sich selbst die Erfahrung der "Herrlichkeit" bzw. "Heiligkeit" Gottes, so daß sich diese Erfahrung fast mit Notwendigkeit kategorialisiert und auslegt in die Erfahrung der δόξα der Geschöpfe (die - wie wir noch zeigen werden - nichts anderes ist als ihr Geschaffensein selbst).

Quelle: Heribert Mühlen: Entsakralisierung, S. 70f.
Gruß Jürgen

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Re: Vorhang im Tempel

Beitrag von umusungu »

Juergen hat geschrieben:Quelle: Heribert Mühlen: Entsakralisierung,
DAS ist keine Entgegnung auf mein statement. Der gute Mühlen in allen Ehren, aber mit diesem Zitat sagt er nichts aus zu dem, was ich geschrieben habe.

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Re: Vorhang im Tempel

Beitrag von Juergen »

umusungu hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Quelle: Heribert Mühlen: Entsakralisierung,
DAS ist keine Entgegnung auf mein statement. Der gute Mühlen in allen Ehren, aber mit diesem Zitat sagt er nichts aus zu dem, was ich geschrieben habe.
Ach?
umusungu hat geschrieben:Seit der "Vorhang im Tempel zerrissen ist", gibt es bei den Christen diese Trennung zwischen "sakral" und "weltlich" nicht mehr.
Mühlen hat geschrieben:Heiligkeit im streng thologischen Sinne ist das Wesen des Wesens Gottes:

...

Demgegenüber ist die Schöpfung als Schöpfung das schlechthin Unheilige, das Profane.
Gruß Jürgen

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Re: Vorhang im Tempel

Beitrag von umusungu »

Geronimo hat geschrieben:Also - dass Gott für seine Gegenwart keine sakralen Räume braucht, ist unbestritten. Wir brauchen aber sakrale Räume - nicht unbedingt für die Eucharistie - sondern weil wir menschlich sind und Schutz suchen und Geborgenheit und ein Wiedererkennen brauchen, das uns im Erkennen des vertrauten Kirchenraumes aufatmen lässt. Nicht umsonst sind ja Kirchen auch Asylstätten, ein heiliger Raum auch für die Staatsgewalt.
Völlig einverstanden! Darum habe ich ja auch zwischen dem menschlichen Bedürfnis und der Theologie unterschieden.
Wenn aber klar ist, dass viele Dinge "rein menschliche Bedürfnissse" und Wünsche und Hilfen sind, dann läßt es sich doch einfacher diskutieren. Dann gibt es so viele Möglichkeiten, die kontrovers von den Bedürfnisssen her diskutiert werden können. Aber es kann dann nicht die beliebte Grundsatzfrage gestellt werden: ist das noch christlich - oder zugespitzter - katholisch? Alles ist dann christlich - aber MIR schmeckt es nicht, das es gegen MEINE Bedürfnisse gerichtet ist.
Diese Einsicht kann viele Diskussionen entschärfen. Es muss nicht immer sofort die grundsätzliche Glaubensfrage gestellt werden, wenn es "nur" um unterschiedliche Bedürfnisse geht.
Christ sein kann ich ohne jegliche Sakralräume .... ob ich dabei "mein Leben" gut leben kann, ist eine andere Frage.

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Hier dürfen 2 Dinge nicht miteinander vermischt werden. Das Universum, Werk seiner Hände, ist von Anbeginn an sein Eigen, somit stets von allem Anfang an Welt und Sakralraum zugleich. Gott bedarf sakraler Räume nicht.

Anders ist es mit uns. Wir sind nicht reiner Geist, der über allem schwebt, sondern eingebunden in die Materie dieser Welt. Wir benötigen Zeichen. Und solche Zeichen wurden uns auch gegeben, insbesondere Brot und Wein, die Eucharistie. Gott bedarf keiner materiellen Dinge, um sich mitzuteilen. Aber wir benötigen sie. Und gleicherweise sakrale Räume: Gott bedarf ihrer nicht. Aber wir bedürfen ihrer. Darum nützen auch noch so durchgeistigte und geistreiche theologische Auslegungen nichts. Der Mensch hat immer und wird immer ein Bedürfnis nach dem abgegrenzten und geschützten Bereich des Sakralen haben. Zudem ich auch glaube, dass, wer beständig auf diese materiellen Zeichen, darunter auch sakrale Räume, verzichtet, sich also ständig mehr und mehr "vergeistigt", am Ende mit leeren Händen und leeren Geistes dasteht.
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Re: Vorhang im Tempel

Beitrag von Erich_D »

umusungu hat geschrieben:Christ sein kann ich ohne jegliche Sakralräume
Das eben bestreite ich. Für eine gewisse Zeit magst Du die Luft anzuhalten vermögen. Über diese Zeit hinaus bist Du tot.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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umusungu
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Beitrag von umusungu »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Der Mensch hat immer und wird immer ein Bedürfnis nach dem abgegrenzten und geschützten Bereich des Sakralen haben. Zudem ich auch glaube, dass, wer beständig auf diese materiellen Zeichen, darunter auch sakrale Räume, verzichtet, sich also ständig mehr und mehr "vergeistigt", am Ende mit leeren Händen und leeren Geistes dasteht.
Das habe ich doch überhaupt nicht bestritten, im Gegenteil.
Ich habe doch dieses Thema angefangen, um eine "menschlich bedürfnisorientierte Diskussion" über das angesprochene City-Kirchen-Projekt zu ermöglichen, fernab von allzu "Gott fernen Vorstellungen". Ob ein solches Projekt dem Menschen gerecht wird, sollten wir diskutieren. Theologisch gesehen ist es ohne Einschränkung machbar.

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

umusungu hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:Der Mensch hat immer und wird immer ein Bedürfnis nach dem abgegrenzten und geschützten Bereich des Sakralen haben. Zudem ich auch glaube, dass, wer beständig auf diese materiellen Zeichen, darunter auch sakrale Räume, verzichtet, sich also ständig mehr und mehr "vergeistigt", am Ende mit leeren Händen und leeren Geistes dasteht.
Theologisch gesehen ist es ohne Einschränkung machbar.
Immer, wenn die Theologie vom Menschen und seinen Bedürfnissen losgekoppelt wurde - eben nach dem Motto "theologisch ist es machbar" -, war's ein Unglück für beide, Theologie und Mensch.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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umusungu
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Beitrag von umusungu »

Erich Dumfarth hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:Der Mensch hat immer und wird immer ein Bedürfnis nach dem abgegrenzten und geschützten Bereich des Sakralen haben. Zudem ich auch glaube, dass, wer beständig auf diese materiellen Zeichen, darunter auch sakrale Räume, verzichtet, sich also ständig mehr und mehr "vergeistigt", am Ende mit leeren Händen und leeren Geistes dasteht.
Theologisch gesehen ist es ohne Einschränkung machbar.
Immer, wenn die Theologie vom Menschen und seinen Bedürfnissen losgekoppelt wurde - eben nach dem Motto "theologisch ist es machbar" -, war's ein Unglück für beide, Theologie und Mensch.
kein Widerspruch ............ das gilt allerdings für beide Seiten der Betrachtung

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das »[url=https://ssl.kundenserver.de/christlicher-osten.de/shop/index.php]Orthodoxe Glaubensbuch[/url]« von Andrej Lorgus und Michail Dudko (deutsch von Viktor Schilowsky und Johann Krammer, Würzburg 2001) hat geschrieben:»Die Kirche ist das Haus Gottes, ein Haus des Gebetes. Der allgegenwärtige Gott ist überall, aber im orthodoxen Gotteshaus auf besondere Weise: Das orthodoxe Gotteshaus ist ganz erfüllt mit göttlichem Licht, mit Gnade.

Das erste christliche Gotteshaus war jener Saal, in dem der Herr mit Seinen Jüngern vor Seinem Leiden am Kreuz das Abendmahl feierte. Und wir alle, die wir getauft sind und im orthodoxen Glauben leben, können uns – wie die Apostel Christi – in der Kirche geistig mit Christus vereinigen, teilhaben an Seinem Leib und Blut und das ewige Leben erben. In der Kirche führt uns alles zur Erlösung. In ihr ist nichts Überflüssiges. Jedes Detail hat einen tiefen Sinn und eine besondere Bedeutung. Wir werden in diesem Kapitel versuchen, die Symbolik des Gotteshauses zu analysieren, die Bedeutung seiner Architektur, Ausstattung und Malerei. All das ist nichts Irdischem ähnlich und dazu bestimmt, uns zum Reich Gottes zu führen, uns zu erheben, zu reinigen, jedem so viel von der Gnade Gottes zu geben, wie er nach seinen Kräften aufnehmen kann.

Schon von weitem sehen wir, wie die Kreuze auf den Kuppeln der Kirche strahlen. Die Kuppeln mit den Kreuzen verbinden den himmlischen und den irdischen Raum gleichsam zu einer ganzheitlichen geheiligten Welt. Die Kuppel ist wie die Flamme einer brennenden Kerze. Nicht umsonst haben sich unsere Vorfahren schon seit jeher bemüht, sogar in den härtesten Zeiten die Kuppeln und Kreuze der Kirchen zu vergolden.

Das Gotteshaus ist wahrlich eine Arche der Rettung für die Gläubigen. So wie Noach sich und sein Geschlecht vor den stürmischen Wogen der Sintflut rettete, als er in der Arche Zuflucht fand, so rettet auch die Kirche – gleichsam wie ein Schiff – die Christen vor der Sintflut der Sünden inmitten der stürmischen Wogen des Meeres des Lebens und bringt uns vom Ufer der Finsternis und des Todes zum Ufer des Lichtes und des ewigen Lebens, zum stillen Hafen des Himmelreiches. Deshalb wurden die Gotteshäuser am häufigsten in Form eines Schiffes gebaut, gemäß der apostolischen Tradition „länglich, nach Osten gewandt, mit Säulengängen an beiden Seiten gegen Osten“. Wenn wir von weitem auf eine russische Kirche blicken, so erscheint sie als schneeweißes Schiff mit einem hohen Mast, dem Glockenturm, und mit windgefüllten Segeln, den Kuppeln, ein Schiff, das sich nach Osten hinbewegt, zum Sonnenaufgang, zur Sonne der Wahrheit Christus, der selbst als „das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ bezeichnet wird (Lk 1,78).«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

[quote="umusungu"]
Ich habe doch dieses Thema angefangen, um eine "menschlich bedürfnisorientierte Diskussion" über das angesprochene City-Kirchen-Projekt zu ermöglichen, fernab von allzu "Gott fernen Vorstellungen". Ob ein solches Projekt dem Menschen gerecht wird, sollten wir diskutieren. quote]

Ich versteh nicht ganz, was du jetzt damit eigentlich meinst. Kannst du das konkreter sagen?

Geronimo

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Julia Wolf
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Registriert: Dienstag 18. November 2003, 11:23
Wohnort: München

Beitrag von Julia Wolf »

Der Sakralraum ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sakralraum?

Womit nur die Zeit- durch die Raumdimension ersetzt wäre.

Für mich wäre die Frage interessant: wodurch entsteht ein Sakralraum (der für den Menschen da ist)?

Durch äußere Formen?
Durch Weihe?
Durch Energieen (wäre ein sehr esoterischer Ansatz)?
Durch die geistige Haltung der Menschen die dort weilen (weilten)?
Durch Ausdruck geistiger Haltung in Handlungen, Gegenständen, Musik usw?
Durch Gottes Geist?

Durch alles zusammen?

Spontan, planbar?
Berechenbar, geschenkt?
Zuverlässig oder wechselnd?

Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Lucia

Beitrag von Lucia »

umusungu hat geschrieben:
Lucia Hünermann hat geschrieben:Erklär doch mal, warum Dich diese Frage bewegt. Aus dem Eingangsposting werd' ich nicht schlau, weil mir die Vorgänge im fernen Rheydt völlig unbekannt sind.
Mir sind diese Vorgänge auch nur aus dem anderen thread bekannt.
Schenk mit doch mal 'nen Link bitte - war jetzt einige Wochen nicht im board und habe so manches nicht mitbekommen ....

Stefan

Beitrag von Stefan »

Lucia,

schau mal bitte in die Theologie/Ökumene unter dem Titel "City-Pastoral" etc

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