Stephen Dedalus hat geschrieben:Hallo Yeti,
Du wirst die Antwort auf die Frage wissen:
Gibt es eigentlich in Deutschland (oder generell in der RKK) niemanden, der dem Bischof bei so einer Sache auf die Finger klopft? Kein Domkapitel oder so etwas? In der C of E ist der Bischof zwar Chef der Diözese, aber nicht Herr der Kathedrale, das ist immer der Dean zusammen mit den Canons (Kanonikern), an denen der Bischof nicht vorbeikann, wenn in der Kathedrale etwas passieren soll.
Gruß
SD
Hallo Stephen,
es stimmt, es gibt im Erzbistum Freiburg ein Domkapitel. Nach dem badischen Konkordat hat es allerdings wesentlich nur Einfluß auf die Bischofsernennung (und damit auch auf die Weihe), indem das Domkapitel das Recht hat, aus einer von Rom erstellten Dreierliste einen Kandidaten auszuwählen. Unterstützt wird der Erzbischof natürlich auch von den Weihbischöfen, aber diese stellen ebensowenig eine Kontrollinstanz für den Bischof dar wie das Domkapitel. Dazu kommt noch, daß der Freiburger Erzbischof Metropolit der oberrheinischen Kirchenprovinz ist, d.h. die einzige Instanz, die dem Erzbischof wirklich auf die Finger klopfen könnte, ist Rom. Auch der Priesterrat und der Diözesanpastoralrat stehen dem Erzbischof zur Beratung beiseite, aber diese Räte haben auch nur beratende Funktion. Damit hängt die Sache an menschlichen Faktoren. Wenn z.B. ein Domkapitular aufstehen würde und sich zum Sprecher für die Proteste - im konkreten Fall - gegen den Umbau des Altarraumes im Münster machen würde, wäre das schon ein aufsehenerregendes Ereignis, an welchem auch Kirchenzeitung und erst recht die übrigen Medien nicht vorbei könnten. Natürlich könnte sich nicht nur ein Domkapitular, sondern auch der Münsterpfarrer selbst melden. Allerdings wird m.E. weder der eine noch der andere Fall eintreten, da leider über vielen leitenden Köpfen im Erzbistum eine Art "Schleier der Lethargie" liegt: nicht aufmucken, nicht die eigene Karriere gefährden.
Wie weit das geht, kann ich mal anhand meines ehemaligen Gemeindepfarrers erläutern. Dieser Priester war ein begnadeter Seelsorger, obwohl eher das Gegenteil von leutselig. Seine Kirche wurde zum Anziehungspunkt für die ganze Umgebung, im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen war diese jeden Sonntag nicht nur bis auf den letzten Platz besetzt, sondern es mussten regelmäßig sogar hinten Leute stehenbleiben (eine große Kirche: St. Martin in Ettlingen bei Karlsruhe). Das hatte mehrere Gründe: zum einen hatte er eine starke Ausstrahlung und zum anderen nahm er kein Blatt vor den Mund, auch nicht mit Rücksicht auf sein Ansehen beim Bischof, welches spätestens dann rapide sank, als er sich immer wieder in Predigten von den geplanten Seelsorgeeinheiten nicht nur distanzierte, sondern diese Idee ganz ablehnte, weil sie ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche der Gläubigen durchgesetzt werden sollte - auch hier also Paralellen zum Münsterumbau. Als er vor kurzem 70 Jahre alt wurde, reichte er gemäß dem Kirchenrecht sein Demissionsangebot an den Erzbischof ein, welches sofort, ohne jeglichen Dank für die für die Kirche geleisteten Dienste und nicht einmal vom Erzbischof selbst unterschrieben, angenommen wurde. Man munkelte, daß man dies vor allem deshalb tat, damit dieser Priester der Bildung der Seelsorgeeinheiten nicht mehr im Wege stand. Doch das Drama hatte noch einen zweiten Akt: nachdem er pensioniert worden war, feierte er die Messe von nun an in einer Kapelle in einem nahegelegenen Altenheim der Caritas. Ein Großteil der ehemaligen Gemeinde St. Martin wechselte daraufhin des Sonntags in die Kapelle (ich habe so etwas noch nie gesehen - die Leute standen bis weit in den Flur hinaus). Die Kirche St. Martin hingegen war am Sonntag höchstens nur noch zur Hälfte gefüllt, was natürlich Neid und Mißgunst bei den "Brüdern in Christo" hervorrief, die als Dekan und Kaplan nun die neue Seelsorgeeinheit leiteten. Besonders der Kaplan tat sich hier hervor, indem er die Umgestaltung der Kapelle in dem bewussten Altenheim forderte, die gerade erst vor zehn Jahren neu ausgestaltet wurde - und zwar vom pensionierten Priester von St. Martin, zu dessen Gemeinde das Altenheim gehörte und wo er auch als Seelsorger wirkte. Hier dürfte auch der Grund für diese Schikane liegen, denn die Gestaltung der Kapelle war alles andere als Erneuerungsbedürftig. Nun könnte man sich fragen, warum der pensionierte Pfarrer ausgerechnet in einer Kapelle die Messe feiern wollte - er "wollte" keineswegs (obwohl er auch aufgrund von Bitten der Altenheimbewohner dies wohl ohnehin getan hätte), aber kein anderer Priester liess ihn in seiner Kirche die Messe feiern. Die Kollegen hatten Wind von der Geschichte bekommen und fürchteten allesamt, ebenfalls vom Bannstrahl des Erzbischofs in Mitleidenschaft gezogen zu werden oder gar in den "Geruch" zu kommen, ebenfalls die Seelsorgeeinheiten abzulehnen. In der Kirche gibt es gewiß auch viel Opportunismus, aber hier im Bistum ist er sicherlich mit am grössten. Ich glaube es liegt daran, daß die Leute hier dazu regelrecht "herangezogen" und er-zogen werden. Abhilfe könnten nur - wie sich schon in einigen Fällen zeigte - die Medien bringen, darunter aber als allerletztes die Bistumskirchenzeitung, weil sie unter der Kontrolle des Bischofs steht und in der Redaktion dementsprechend mit Abnickern und Ja-Sagern besetzt ist. Als z.B. zwei Priester suspendiert bzw. strafversetzt werden sollten, weil sie der offiziellen Bistumspolitik zuwider waren ("zu konservativ"), ein Großteil der Gemeinde aber zu ihren Priestern stand, machte sich die dortige Regionalzeitung zum Sprachrohr der Gemeinde - nachdem natürlich die Bistumskirchenzeitung in polemischer Weise die "offizielle Parteilinie" und die Strafversetzung der Priester verteidigte. Andere Zeitungen griffen den Fall auf und siehe da: die Strafversetzung wurde rückgängig gemacht. Vielleicht illustrieren diese Fälle ein wenig, wie es hier im Bistum läuft. Ich würde sagen: das Domkapitel ist Teil des Problems. Das Erzbistum hatte in den letzten Jahren nicht sehr viel Glück mit seinen Bischöfen: nach einem entscheidungsschwachen und vollständig unter der Kontrolle des Domkapitels stehenden Erzbischofes haben wir nun einen Bischof, der fast sprichwörtlich über Leichen geht, um seine Pläne Realität werden zu lassen. Bevor Robert Zollitsch zum Bischof ernannt und geweiht wurde, ging das Gerücht um, der jetzige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., Monsignore Gänswein, würde nächster Freiburger Bischof - prompt stellte sich damals auch schon mal "das große Zittern" im Bistum von einschlägiger Seite ein, denn ein Bischof Gänswein hätte - vor allem in den Leitungsgremien - keinen Stein auf dem anderen gelassen; genau das fürchtete man ja. Ich hoffe sehr, daß er einmal als Bischof nach Freiburg kommt.
Gruß, Yeti