Inquisition

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HeGe
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Re: Inquisition

Beitrag von HeGe »

kath.net hat geschrieben:BBC Dokumentation entlarvt 'Schwarze Legende'

Eine Dokumentation der BBC stellt die historischen Tatsachen über die Spanische Inquisition den bis heute verbreiteten Behauptungen der ‚Schwarzen Legende’ gegenüber. [...]
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Kai
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Re: Inquisition

Beitrag von Kai »

Ja, ja, die böse Inquisition mal wieder.

Okay, hier ein paar konkrete Zahlen aus einer serösen Quelle:

„Die berüchtigte Spanische Inquisition hat in all den Jahren 1540 bis 1700 insgesamt 44.674 Urteile gefällt. Es handelt sich um 160 Jahre und der Amtsbereich der Spanischen Inquisition umfasste neben Spanien auch Sardinien, Sizilien, Mexiko und fast ganz Südamerika.

Von diesen Verurteilten wurden ganze 826 Personen hingerichtet. Im Vergleich dazu haben die Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg in rund 6 Jahren alleine über 7.000 Priester und Ordensleute ermordet. Die Römische Inquisition ließ zwischen 1542 und 1761 exakt 97 Personen hinrichten. In etwa diesem Zeitraum wurden durch weltliche Strafgerichte alleine in der Stadt Nürnberg 939 Menschen hingerichtet.“

Quelle: Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt.
"We have feminized the Church so much that it is not attractive to men."
(Eric Sammons)

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berneuchen
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Re: Inquisition

Beitrag von berneuchen »

Kai hat geschrieben:Ja, ja, die böse Inquisition mal wieder.

Okay, hier ein paar konkrete Zahlen aus einer serösen Quelle:

„Die berüchtigte Spanische Inquisition hat in all den Jahren 1540 bis 1700 insgesamt 44.674 Urteile gefällt. Es handelt sich um 160 Jahre und der Amtsbereich der Spanischen Inquisition umfasste neben Spanien auch Sardinien, Sizilien, Mexiko und fast ganz Südamerika.

Von diesen Verurteilten wurden ganze 826 Personen hingerichtet. Im Vergleich dazu haben die Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg in rund 6 Jahren alleine über 7.000 Priester und Ordensleute ermordet. Die Römische Inquisition ließ zwischen 1542 und 1761 exakt 97 Personen hinrichten. In etwa diesem Zeitraum wurden durch weltliche Strafgerichte alleine in der Stadt Nürnberg 939 Menschen hingerichtet.“

Quelle: Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt.
Halten zu Gnaden: der Rat der Stadt Nürnberg ist auch nicht angetreten, die Botschaft des Evangeliums zu verkünden.

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taddeo
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Re: Inquisition

Beitrag von taddeo »

berneuchen hat geschrieben:
Kai hat geschrieben:Ja, ja, die böse Inquisition mal wieder.

Okay, hier ein paar konkrete Zahlen aus einer serösen Quelle:

„Die berüchtigte Spanische Inquisition hat in all den Jahren 1540 bis 1700 insgesamt 44.674 Urteile gefällt. Es handelt sich um 160 Jahre und der Amtsbereich der Spanischen Inquisition umfasste neben Spanien auch Sardinien, Sizilien, Mexiko und fast ganz Südamerika.

Von diesen Verurteilten wurden ganze 826 Personen hingerichtet. Im Vergleich dazu haben die Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg in rund 6 Jahren alleine über 7.000 Priester und Ordensleute ermordet. Die Römische Inquisition ließ zwischen 1542 und 1761 exakt 97 Personen hinrichten. In etwa diesem Zeitraum wurden durch weltliche Strafgerichte alleine in der Stadt Nürnberg 939 Menschen hingerichtet.“

Quelle: Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt.
Halten zu Gnaden: der Rat der Stadt Nürnberg ist auch nicht angetreten, die Botschaft des Evangeliums zu verkünden.
Doch, zu dieser Zeit verstand sich wohl jeder Stadtrat zumindest AUCH als Sachwalter des Glaubens für seine Untertanen. Keiner hätte damals bestritten, daß ein städtisches Todesurteil nur dazu da sei, die in menschliche Vorschriften gegossene göttliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

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Maurus
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Re: Inquisition

Beitrag von Maurus »

berneuchen hat geschrieben:
Kai hat geschrieben:Ja, ja, die böse Inquisition mal wieder.

Okay, hier ein paar konkrete Zahlen aus einer serösen Quelle:

„Die berüchtigte Spanische Inquisition hat in all den Jahren 1540 bis 1700 insgesamt 44.674 Urteile gefällt. Es handelt sich um 160 Jahre und der Amtsbereich der Spanischen Inquisition umfasste neben Spanien auch Sardinien, Sizilien, Mexiko und fast ganz Südamerika.

Von diesen Verurteilten wurden ganze 826 Personen hingerichtet. Im Vergleich dazu haben die Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg in rund 6 Jahren alleine über 7.000 Priester und Ordensleute ermordet. Die Römische Inquisition ließ zwischen 1542 und 1761 exakt 97 Personen hinrichten. In etwa diesem Zeitraum wurden durch weltliche Strafgerichte alleine in der Stadt Nürnberg 939 Menschen hingerichtet.“

Quelle: Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt.
Halten zu Gnaden: der Rat der Stadt Nürnberg ist auch nicht angetreten, die Botschaft des Evangeliums zu verkünden.
Ich glaube nicht, dass es Angenendts Anliegen ist, die Kirchengeschichte einfach schönzureden. Dazu ist er selbst zu sehr Querkopf. Vor dem Hintergrund des Schreckgespenstes, als das "die Inquisition" dargestellt wird, schaden aber ein paar Zahlen, die das ganze mal in ihren historischen Kontext einordnen, überhaupt nicht.

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Exilfranke
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Fragen zur Inquisiton bzw. Diskussion mit Kirchenfeind

Beitrag von Exilfranke »

Hallo liebe Kreuzgangster,

Ich habe ein paar Fragen betreffend der heiligen Inquisition betreffend ihres Wirkens und der Geschichte. Auslöser dazu war dieser Artikel bei Jobo72:

http://jobo72.wordpress.com/2011/04/07/ ... orurteile/

Zitat - Auszug: "Das Christentum habe dies in seinen Anfangszeiten eindämmen können, doch der Staat der Frühen Neuzeit habe sich von jedem kirchlichen Einspruch freigemacht und die Inquisition selbst betrieben. Im Klartext: Der Staat betrieb die Inquisition gegen den Einspruch der Kirche."

Gibt es da Beweise? Ich meine, das glaubt einem doch niemand, wenn man das unkommentiert so darstellt. Leider bin ich Vor- und Frühgeschichtler und das fällt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. Von daher wäre ein bisschen argumentatives Rüstzeug ganz toll, weil ich selber nicht die Zeit habe, jetzt groß auf Quellenrecherche zu gehen. Also würde ich jetzt gerne das Schwarmwissen des Forums anzapfen. Die Inquisition hat doch Ketzer verfolgt und hingerichtet, das steht doch fest, oder? Wie ist dieser Satz also zu verstehen?

Weitere Vorwürfe meines Diskussionspartners zum Thema Artikel und Inquisition:
Der Versuch, Kirche und Staat im Mittelalter sauber voneinander zu trennen, ist m.M.n. schon mal nicht möglich.
Das Christentum war Staatsreligion - kirchliche und weltliche Gerichtsbarkeit waren eng verbunden! Nicht wenige Politiker waren damals von Kindheit an religiös geprägt bzw. gläubig und handelten nach entsprechenden Grundsätzen. Prister, Bischöfe und Päpste hatten enormen gesellschaftlichen und politischen Einfluss und waren bei vielen Entscheidungen (u.a. bei sozialen Sachen aber auch bei Verfolgungen und Hinrichtungen) beteiligt - mal direkt mal indirekt.
Den schwarzen Peter können sich ALLE anschreiben. Die staatliche Kirche oder der religiös durchzogene Staat waren über die Jahrhunderte gleichermaßen an Greueltaten beteiligt. Jede Zeit hatte nunmal ihre Denkweise und ihre eigene Rechtsprechung. Für Dinge, die heute für jeden moralisch absolut undenkbar sind, hatte man damals die Mehrheit im Rücken. Oft galt das Motto: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!" ...und entsprechend wurde miss... äh gehandelt.
Vergessen wurde, dass neben Papst Innozenz VIII. und Papst Gregor IX. viele Geistliche zu jener Zeit die Inquisition förderten sowie Andersdenkende vernichten ließen und dass Papst Urban II. 1095 zum Kreuzzug gegen die Muslime aufrief und so weiter...
Aber mir geht´s nicht darum, was wer wann Schlimmes gesagt oder getan hat. Und es gab sicher auch immer welche, die dagegen waren. Aber ob Religion, Staat/Regierung oder sonstwer - jede Institution, jede Religion oder Machtapperat hat geschichtlichen Dreck am Stecken.
Ich find´s nur ein stückweit peinlich, wenn schon wieder versucht wird, unter dem Deckmantel angeblicher "neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse" die eigene Geschichte komplett umzukrempeln, sich moralisch ins gute Licht zu rücken und die Schuld (in dem Fall die Inquisition) komplett auf andere zu schieben. Besser wäre es, Größe zu zeigen, dazu zu stehen und offen damit umzugehen
Hier frage ich auch direkt Josef Bordat, der ein wahrlich besserer Apologet ist, als ich es jemals sein könnte...
„Was du in anderen entzünden willst, muss in dir selbst brennen.“ - Aurelius Augustinus.

Bitt Gott für uns, Maria.

Lando II
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Re: Fragen zur Inquisiton bzw. Diskussion mit Kirchenfeind

Beitrag von Lando II »

Zitat - Auszug: "Das Christentum habe dies in seinen Anfangszeiten eindämmen können, doch der Staat der Frühen Neuzeit habe sich von jedem kirchlichen Einspruch freigemacht und die Inquisition selbst betrieben. Im Klartext: Der Staat betrieb die Inquisition gegen den Einspruch der Kirche."

Diese Aussage ist, wenn man die Geschichte der Inquisition betrachtet, manchmal wahr, manchmal aber auch falsch!
Es gab Inquisitionsprozesse, die ganz eindeutig von der Kirche geführt wurden, die manchmal recht direkt auf das Umfeld des Papstes zurückzuführen sind, ein Beispiel mag Galileo Galilei sein, gegen den Kardinal Bellarmin ermittelte.
Auch die "typischen" Hexenprozesse sind weitgehend kirchlich, wobei es sich hier oft nicht um konkrete Anweisungen des Papstes handelte, sondern sich dies örtlich deutlich unterschied, dort Aberglaube, Missgunst und auch recht entscheidend die Persönlichkeit der Inquisitoren reinspielte.

Die spanische Inquisition als Gegenbeispiel war maßgeblich initiiert von dem damaligen spanischen Königspaar Ferdinand II und Isabella, denen man neben recht fanatischem Glauben durchaus auch wirtschaftliche Interessen nachsagen kann. Hier wurden ja vor allem Juden und Mauren, die gezwungenermaßen zum Christentum konvertiert waren, verfolgt. Eine Bevölkerungsgruppe, die durchaus über Geld/Besitz verfügte. Der Einfluß der Kirche war minimal.
Ein anderes Beispiel ist Johanna von Orleans, deren Inquisitionsprozess war ganz klar politisch, hatte mit der Kirche als solche nichts zu tun.

Also man kann die genannte These nicht für oder gegen Kirche beantworten, man kann aber durchaus sagen, dass die Mehrheit der aufgrund der Inquisition gestorbenen Personen aufgrund politischer oder wirtschaftlicher Gründe hingerichtet wurden, nur am Rande aus "religiösen" Gründen.

Zitat: Der Versuch, Kirche und Staat im Mittelalter sauber voneinander zu trennen, ist m.M.n. schon mal nicht möglich.
Das Christentum war Staatsreligion - kirchliche und weltliche Gerichtsbarkeit waren eng verbunden! Nicht wenige Politiker waren damals von Kindheit an religiös geprägt bzw. gläubig und handelten nach entsprechenden Grundsätzen. Priester, Bischöfe und Päpste hatten enormen gesellschaftlichen und politischen Einfluss und waren bei vielen Entscheidungen (u.a. bei sozialen Sachen aber auch bei Verfolgungen und Hinrichtungen) beteiligt - mal direkt mal indirekt.

Eine saubere Trennung ist in der Tat schwierig! Schon alleine dadurch, dass es so etwas wie Fürstbischöfe gab, die faktisch die Macht von Fürsten, also Landesherren hatten. Auch Klöster hatten durchaus Besitz, der auch Dörfer umfassen konnte. Kirchliche Würdenträger hatten oft an Königs und Kaiserhöfen enormen Einfluß, zwei Beispiele wären Kardinal Richelieu (Frankreich) oder Erzbischof Thomas Wolsey (England).
Andererseits muss man auch sagen, dass es in vielen Ländern lange Zeit üblich war, dass der jeweilige Landesherr sich seine Bischöfe und Äbte mehr oder weniger direkt ernannte oder zumindest starken Einfluß darauf hatte. Ein Bischof, der somit die Entscheidungen des Landesherrn mittrug, kann also auch nicht immer als Unterstützung der (Gesamt-) Kirche gelten.

Wichtig ist jedenfalls noch zu sagen, dass die Inquisitoren Tatbestände feststellten (auch durch Folter), normalerweise aber keine Urteile fällten (bzw. Strafen festlegten). Klar, das kann man als Haarspalterei ansehen, denn in der Hoch-Zeit der Inquisitionsprozesse bedeutete ein Tatbestand z.B. der Hexerei den Tod, doch dieses Urteil sprach meist die weltliche Gerichtsbarkeit aus, nicht der Inquisitor.
Die Ausführung der Urteile war alleinige Angelegenheit der weltlichen Macht, denn die Kirche wollte nicht das Blut der Verurteilten an ihren Händen haben.
Bemerkenswert finde ich jedenfalls, dass in den Anfängen der Inquisition kaum Todesurteile fielen und man somit durchaus Inquisitionsprozesse überleben konnte, die späteren Urteile der Inquisitoren meist gar nicht so anders waren, das Resultat, was daraus (durch die weltlichen Mächte) gezogen wurde, aber wesentlich härter war.

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Protasius
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Re: Fragen zur Inquisiton bzw. Diskussion mit Kirchenfeind

Beitrag von Protasius »

Man sollte auch bedenken, daß nicht alles, was man über die Inquisition erzählt, wahr ist. Vor Jahren lief mal eine Dokumentation auf BBC, die die Akten der spanischen Inquisition ausgewertet hat. Wenn man dann erfährt, daß Leute im weltlichen Gefängnis vorsätzlich anfingen Gott zu lästern um ins Inquisitionsgefängnis zu kommen, weil die Wahrscheinlichkeit die nächste Woche zu erleben wesentlich höher war, sieht man einiges mit anderen Augen.
http://www.youtube.com/v/QnAToomzc00
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Maurus
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Re: Fragen zur Inquisiton bzw. Diskussion mit Kirchenfeind

Beitrag von Maurus »

Ich wünschte, alle Kirchen"feinde" wären so reflektiert wie derjenige, auf dessen Konto die Zitate im Eröffnungsbeitrag gehen. Wenn er jetzt noch bedenkt, dass historische Tatsachen ihre Bedingung auch in der Historie haben und nicht einfach mit unserer Brille bewertet werden können, dann wäre das ein weiterer großer Schritt. Und zwischen der Zeit vor und nach der Reformation ist hinsichtlich der Verflechtung Staat/Christentum auch zu unterscheiden.

iustus
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Re: Fragen zur Inquisiton bzw. Diskussion mit Kirchenfeind

Beitrag von iustus »

Meines Wissens handelt es sich beim Inquisitionsprozess in erster Linie um ein erstmals in der Geschichte halbwegs geordnetes Gerichtsverfahren.

Manfred Lütz hat darauf hingewiesen (und sogar im Wikipedia-Artikel zur Hexenverfolgung steht es ganz ähnlich), dass die Hexenverfolgung dort am schlimmsten war, wo die Inquisition nicht richtig funktionierte.
„Was den Gegenstand des Glaubens betrifft, hat sich das Konzil nichts Neues ausgedacht, noch hat es Altes ersetzen wollen." (Papst Benedikt XVI.)

ad_hoc
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Re: Inquisition

Beitrag von ad_hoc »

Meines Wissens handelt es sich beim Inquisitionsprozess in erster Linie um ein erstmals in der Geschichte halbwegs geordnetes Gerichtsverfahren.
Richtig. Die Inquisition ist gleichzeitig die Grundidee der heutigen Strafprozessordnung und der Rechtsprechung.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Maurus
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Re: Inquisition

Beitrag von Maurus »

ad_hoc hat geschrieben:
Meines Wissens handelt es sich beim Inquisitionsprozess in erster Linie um ein erstmals in der Geschichte halbwegs geordnetes Gerichtsverfahren.
Richtig. Die Inquisition ist gleichzeitig die Grundidee der heutigen Strafprozessordnung und der Rechtsprechung.

Gruß, ad_hoc
Die Inquisitionsverfahren sind ein Schritt hin zu unseren modernen Strafverfahren, aber nicht deren Grundidee. Eher so etwas wie ein notwendiger Zwischenschritt. Leider glauben viele Zeitgenossen, dass solche Ordnungen wie die StPO einfach so vom Himmel fallen, wo sie in Wahrheit des Produkt historischer Entwicklungen sind, die auch nie abgeschlossen ist. Auf diese Zeitgenossen wird in 300 Jahren dann genauso abschätzig herabgeblickt (falls sich nicht grundlegend mal ein Verständnis für solche Entwicklungsstufen bildet).

ad_hoc
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Re: Inquisition

Beitrag von ad_hoc »

Hallo Maurus
Vielleicht geht das nicht so daraus hervor, aber eigentlich meinte ich dies so, wie Du es geschrieben hast. :)

Gruß, ad_hoc
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Exilfranke
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Re: Inquisition

Beitrag von Exilfranke »

Welche wissenschaftlichen Bücher kann man den gut zu dem Thema lesen, um eine objektive Sicht zu bekommen? Und welche sollte man meiden?
„Was du in anderen entzünden willst, muss in dir selbst brennen.“ - Aurelius Augustinus.

Bitt Gott für uns, Maria.

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Maurus
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Re: Inquisition

Beitrag von Maurus »

Exilfranke hat geschrieben:Welche wissenschaftlichen Bücher kann man den gut zu dem Thema lesen, um eine objektive Sicht zu bekommen? Und welche sollte man meiden?
Ich empfehle Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt. Es hat den Vorteil, nicht beschönigend zu sein und auch Missverhältnisse in der Kirchengeschichte aufzuzeigen, zugleich aber eine Relation zum damaligen staatlichen Gerichtswesen herzustellen und zudem zu beleuchten, woher es überhaupt kam, dass man Menschen für abweichende Meinung bestrafen zu müssen meinte. Dieser theoretische Teil empfiehlt sich auch wegen Parallelen in unsere Zeit hinein, wo zwar oft keine Körperstrafen mehr drohen, aber abweichendes Verhalten oft trotz der postulierten Meinungsfreiheit und dem Individualismus auf andere Art und Weise geächtet wird.
Zudem kann kein Mensch dem Autor vorwerfen, bloß ein konservativer Katholik zu sein, der die Kirche reinwaschen will, denn Angenendt ist alles andere als konservativ und es geht ihm erkennbar auch nicht um reinwaschen. Und er ist renommierter Kirchenhistoriker.

Angenendt verweist in seinen Ausführungen zur Inquisition auf einenen Aufsatz von Winfried Trusen, Der Inquisitionsprozeß, Seine historischen Grundlagen und frühen Formen, erschienen in der Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte (Kanonistische Abteilung) 1988, S. 168-230. Da geht es wohl maßgeblich um eine neue Sicht auf die Inquisition und ihre Innovationen für den Strafprozess.

Thomas_de_Austria
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Re: Inquisition

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Exilfranke hat geschrieben:Welche wissenschaftlichen Bücher kann man den gut zu dem Thema lesen, um eine objektive Sicht zu bekommen? Und welche sollte man meiden?


Hier, überhaupt ist der kurze Strang insgesamt (einschließlich Links) eigentlich recht lesenswert.

Piusderdritte
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Re: Inquisition

Beitrag von Piusderdritte »

Maurus hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:
Meines Wissens handelt es sich beim Inquisitionsprozess in erster Linie um ein erstmals in der Geschichte halbwegs geordnetes Gerichtsverfahren.
Richtig. Die Inquisition ist gleichzeitig die Grundidee der heutigen Strafprozessordnung und der Rechtsprechung.

Gruß, ad_hoc
Die Inquisitionsverfahren sind ein Schritt hin zu unseren modernen Strafverfahren, aber nicht deren Grundidee. Eher so etwas wie ein notwendiger Zwischenschritt. Leider glauben viele Zeitgenossen, dass solche Ordnungen wie die StPO einfach so vom Himmel fallen, wo sie in Wahrheit des Produkt historischer Entwicklungen sind, die auch nie abgeschlossen ist. Auf diese Zeitgenossen wird in 300 Jahren dann genauso abschätzig herabgeblickt (falls sich nicht grundlegend mal ein Verständnis für solche Entwicklungsstufen bildet).
Die moderen Strafverfahren werden in der Bundesrepublik ja auch oft genug mittels Psychatrie-(Knast) umgangen.
Das ist auch nichts besser als es im Mittelalter war.

gruss, PiusIII.
"Katholische Haus- und Schulbibel" (aus1928) von Paul Bergmann, ist eine sehr gute Zusammenfassung der Bibel! Sollte jeder Katholik mal gelesen haben. Verständlich geschrieben und schnell durchgelesen!

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Maurus
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Re: Inquisition

Beitrag von Maurus »

Piusderdritte hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:
Meines Wissens handelt es sich beim Inquisitionsprozess in erster Linie um ein erstmals in der Geschichte halbwegs geordnetes Gerichtsverfahren.
Richtig. Die Inquisition ist gleichzeitig die Grundidee der heutigen Strafprozessordnung und der Rechtsprechung.

Gruß, ad_hoc
Die Inquisitionsverfahren sind ein Schritt hin zu unseren modernen Strafverfahren, aber nicht deren Grundidee. Eher so etwas wie ein notwendiger Zwischenschritt. Leider glauben viele Zeitgenossen, dass solche Ordnungen wie die StPO einfach so vom Himmel fallen, wo sie in Wahrheit des Produkt historischer Entwicklungen sind, die auch nie abgeschlossen ist. Auf diese Zeitgenossen wird in 300 Jahren dann genauso abschätzig herabgeblickt (falls sich nicht grundlegend mal ein Verständnis für solche Entwicklungsstufen bildet).
Die moderen Strafverfahren werden in der Bundesrepublik ja auch oft genug mittels Psychatrie-(Knast) umgangen.
Das ist auch nichts besser als es im Mittelalter war.

gruss, PiusIII.
Quatsch.

heiliger_raphael
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Re: Inquisition

Beitrag von heiliger_raphael »

Piusderdritte hat geschrieben: Die moderen Strafverfahren werden in der Bundesrepublik ja auch oft genug mittels Psychatrie-(Knast) umgangen.
Das ist auch nichts besser als es im Mittelalter war.
Statistiken?

Bis jemand in die forensische Psychiatrie eingewiesen wird, muss schon einiges passiert sein. Einfach so landet niemand im Maßregelvollzug. Selbst prominente Einzelfälle wie Mollath (bei dem sich die Diskussion überhaupt nicht darum dreht, ob er tatsächlich krank ist) sehen Psychiatrie weitaus differenzierter als die meisten Menschen, die seinen Fall für sich instrumentalisieren. Ich erinnere an eine andere Situation, als vor einiger Zeit eine junge Politikerin der Linkspartei eingewiesen wurde. Da kochten auch gleich die Verschwörungstheorien und riefen nach Transparenz und Aufklärung, bis sich ihre Eltern einmischten und öffentlich äußerten, dass man doch Krankheit bitte als Teil der Privatsphäre akzeptieren und sie in Ruhe lassen möchte.

Piusderdritte
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Re: Inquisition

Beitrag von Piusderdritte »

heiliger_raphael hat geschrieben:
Piusderdritte hat geschrieben: Die moderen Strafverfahren werden in der Bundesrepublik ja auch oft genug mittels Psychatrie-(Knast) umgangen.
Das ist auch nichts besser als es im Mittelalter war.
Statistiken?

Bis jemand in die forensische Psychiatrie eingewiesen wird, muss schon einiges passiert sein. Einfach so landet niemand im Maßregelvollzug. Selbst prominente Einzelfälle wie Mollath (bei dem sich die Diskussion überhaupt nicht darum dreht, ob er tatsächlich krank ist) sehen Psychiatrie weitaus differenzierter als die meisten Menschen, die seinen Fall für sich instrumentalisieren. Ich erinnere an eine andere Situation, als vor einiger Zeit eine junge Politikerin der Linkspartei eingewiesen wurde. Da kochten auch gleich die Schlumpfungen und riefen nach Transparenz und Aufklärung, bis sich ihre Eltern einmischten und öffentlich äußerten, dass man doch Krankheit bitte als Teil der Privatsphäre akzeptieren und sie in Ruhe lassen möchte.
In die Psychatrie reinzukommen, das geht schneller als man denkt. Und wenn man erst mal vollgepumpt ist mit Drogen, dann macht die Justiz den Rest!

Zwangseinweisung So leicht landet man in der Psychiatrie
Rund 28 Zwangseinweisungsverfahren gibt es im Jahr, schätzungsweise 2 Menschen kommen jährlich in Deutschland in geschlossene Anstalten.

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inh ... 95d9a.html

so gut wie alle politischen Gefangenen der Bundesrepublik, sitzen unter Drogen in der Pyschatrie ein. Das ist nichts Neues!
Somit haben sie vor Amnesty International (auch ein Freimaurer Verein) eine saubere Weste.
Und niemand fragt weiter nach, weil die Statistik stimmt.

gruss, PiussIII.
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Sarandanon
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Re: Inquisition

Beitrag von Sarandanon »

:ikb_stretcher:
Dich, o Herr, kann nur verlieren, wer dich verlässt.
(Augustinus Aurelius)

Lilaimmerdieselbe
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Re: Inquisition

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Das höchste Risiko, zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen zu werden, trägt man, wenn man als alter Mensch allein lebt, und irgendjemand macht den sozial-psychiatrischen Dienst darauf aufmerksam, man käme wohl nicht mehr zurecht. Dann wird man aber nicht mit Medikamenten zugedröhnt, sondern eine Woche lang beobachtet. Meist endet es damit, dass man einen Betreuer zugeordnet bekommt, der dann je nach Gutachten und persönlicher Einschätzung ambulante Hilfen oder eine Heimunterbringung viel billiger als Psychiatrie organisiert. Dazu gibt es dann einen Gerichtsbeschluß, bei dem man die schlechteren Karten hat. Ich halte dieses Szenario für bedrohlich genug. Da braucht man sich nicht auch noch politische Intrigen dazu zu phantasieren, die als Massenphänomen viel zu teuer sind.

heiliger_raphael
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Re: Inquisition

Beitrag von heiliger_raphael »

Piusderdritte hat geschrieben: Zwangseinweisung So leicht landet man in der Psychiatrie
Rund 28 Zwangseinweisungsverfahren gibt es im Jahr, schätzungsweise 2 Menschen kommen jährlich in Deutschland in geschlossene Anstalten.

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inh ... 95d9a.html
Regionale Abendzeitungen oder andere Blätter, die gerade wegen dem Fall Gustl Mollath auf die Antipsychiatrie-Welle aufspringen, weil es sich gut verkauft, haben für mich wenig Gewichtung. Meistens haben diese Blätter sich nicht einmal so weit in die Materie eingelesen, dass sie forensische Psychiatrie von allgemeiner unterscheiden können. Beide haben ganz andere Bedingungen und Problemstellungen.
Dass die Zahl der Zwangseinweisungen zunimmt ist immer damit im Kontext zu sehen, dass die Zahl der psychisch Erkrankten in dieser Gesellschaft zugenommen hat. Das ist tragisch, ist aber leider so. Das Problem der heutigen Psychiatrie ist auch eher nicht, dass die Leute zu lang drinnen sind, sondern dass die Liegedauer immer kürzer wird, da über die Behandlungsdauer letztlich die Krankenkasse entscheidet.
Alles Gute für Dich!

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Selina
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Re: Inquisition

Beitrag von Selina »

Piusderdritte hat geschrieben: In die Psychatrie reinzukommen, das geht schneller als man denkt. Und wenn man erst mal vollgepumpt ist mit Drogen, dann macht die Justiz den Rest!

Zwangseinweisung So leicht landet man in der Psychiatrie
Rund 28 Zwangseinweisungsverfahren gibt es im Jahr, schätzungsweise 2 Menschen kommen jährlich in Deutschland in geschlossene Anstalten.

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inh ... 95d9a.html
Du scheinst dabei aber zu ignorieren, dass eine sog. Zwangseinweisung zwar gegen den Willen (bzw. Wunsch) des Patienten geschieht, deswegen aber nicht gleich unnötig ist! Es ist eines der Kennzeichen vieler psychischer Erkrankungen, dass die Krankheitseinsicht fehlt. Da muss dann leider eine befähigte Fachperson einschreiten - in der absoluten Mehrzahl der Fälle sehr zum Wohle des Kranken.
Piusderdritte hat geschrieben:so gut wie alle politischen Gefangenen der Bundesrepublik, sitzen unter Drogen in der Pyschatrie ein. Das ist nichts Neues!
Somit haben sie vor Amnesty International (auch ein Freimaurer Verein) eine saubere Weste.
Und niemand fragt weiter nach, weil die Statistik stimmt.

gruss, PiussIII.
Hast du dafür auch Belege oder nur ein "das ist so"?
"Erlösung ist nicht Wellness, ein Baden im Selbstgenuss, sondern gerade Befreiung von der Verzwängung ins Ich hinein." (Papst Benedikt XVI.)

Raphael

Re: Inquisition

Beitrag von Raphael »

Maurus hat geschrieben:
Exilfranke hat geschrieben:Welche wissenschaftlichen Bücher kann man den gut zu dem Thema lesen, um eine objektive Sicht zu bekommen? Und welche sollte man meiden?
Ich empfehle Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt. Es hat den Vorteil, nicht beschönigend zu sein und auch Missverhältnisse in der Kirchengeschichte aufzuzeigen, zugleich aber eine Relation zum damaligen staatlichen Gerichtswesen herzustellen und zudem zu beleuchten, woher es überhaupt kam, dass man Menschen für abweichende Meinung bestrafen zu müssen meinte. Dieser theoretische Teil empfiehlt sich auch wegen Parallelen in unsere Zeit hinein, wo zwar oft keine Körperstrafen mehr drohen, aber abweichendes Verhalten oft trotz der postulierten Meinungsfreiheit und dem Individualismus auf andere Art und Weise geächtet wird.
Zudem kann kein Mensch dem Autor vorwerfen, bloß ein konservativer Katholik zu sein, der die Kirche reinwaschen will, denn Angenendt ist alles andere als konservativ und es geht ihm erkennbar auch nicht um reinwaschen. Und er ist renommierter Kirchenhistoriker.

Angenendt verweist in seinen Ausführungen zur Inquisition auf einenen Aufsatz von Winfried Trusen, Der Inquisitionsprozeß, Seine historischen Grundlagen und frühen Formen, erschienen in der Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte (Kanonistische Abteilung) 1988, S. 168-230. Da geht es wohl maßgeblich um eine neue Sicht auf die Inquisition und ihre Innovationen für den Strafprozess.
Dieses Buch ist in der Tat zu empfehlen! :daumen-rauf:
Es gibt präzise den Stand der Forschung wieder und
berücksichtigt eine Vielzahl von außerkirchlichen Quellen.
Es ist das Opus Magnum von Arnold Angenendt.

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Pit
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Re: Inquisition

Beitrag von Pit »

ad_hoc hat geschrieben: Richtig. Die Inquisition ist gleichzeitig die Grundidee der heutigen Strafprozessordnung und der Rechtsprechung.

Gruß, ad_hoc
Und viele Kirchenkritiker übersehen,dass es bei den Inquisitionsverfahren keineswegs so viele Todesurteile gab,wie oft vermutet wurde,denn den Inquistionsakten nach zu urteilen -- und die wurden geradezu pingelig genau geführt -- gab es meistens Freisprüche,Freisprüche aus Mangel an Beweisen oder Strafen wie eine Wallfahrt oder das zeitweise Tragen eines Büssergewandes.
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Pilgerer
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Re: Inquisition

Beitrag von Pilgerer »

Wurden tatsächlich drei Millionen Niederländer am 16. Februar 1568 wegen Häresie zum Tode verturteilt, oder ist das ein Märchen?
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Pit
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Re: Inquisition

Beitrag von Pit »

Niederl#nder als Bürger der Niederlande?
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Clemens
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Re: Inquisition

Beitrag von Clemens »

Pilgerer hat geschrieben:Wurden tatsächlich drei Millionen Niederländer am 16. Februar 1568 wegen Häresie zum Tode verturteilt, oder ist das ein Märchen?
Namentlich einzeln verurteilt??? Das müssen aber leistungsfähige Gerichte gewesen sein!
Oder eher eine allgemeine Kriegserklärung mit etwas pathetischer Begründung?

Thomas_de_Austria
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Re: Inquisition

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Das ist gemeint?
Friedell, Egon: [i]Kulturgeschichte der Neuzeit[/i], München 2007 , S. 362 hat geschrieben:
Es war nichts als die streng logische Schlußfolgerung aus diesen wahnsinnigen Prämissen, daß am 16. Februar 1568 alle Einwohner der Niederlande als Ketzer zum Tode verurteilt wurden: ein Staatsakt, der in der Geschichte einzig dastehen dürfte.
Das geistert so herum, bei wikipedia heißt's witzigerweise (einmal im Artikel zum Achzigjährigen Krieg, mit Angabe, worauf man sich beruft, allerdings ohne konkrete Seitenangabe, dann noch einmal im Artikel zu Philipp II., diesmal ganz ohne Angabe von Quellen), die Röm. Inquisition sei es per Dekret gewesen – was ich alleine schon seltsam finde – und beruft sich dabei auf Egon Friedell, wo ich das jetzt auf die Schnelle durchaus nicht bestätigt finde, sondern dort ist, wie man sieht, von einem Staatsakt die Rede. D. h. es kommt einem doch höchst spanisch vor.

Was aber weiters schon einmal mit Sicherheit nicht stimmt, ist, dass drei Millionen Niederländer durch die Inquisition exekutiert wurden.
Zuletzt geändert von Thomas_de_Austria am Samstag 5. April 2014, 01:22, insgesamt 2-mal geändert.

Thomas_de_Austria
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Re: Inquisition

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Im englischen und niederländischen wiki-Artikel zum Achtzigjährigen Krieg wird diese Behauptung m. W. nicht aufgegriffen oder bestätigt. In der niederländischen Version findet man aber etwas zur Bulle Super universas von Papst Paul IV. aus dem Jahr 1559:
wiki-Artikel zum Achtzigjährigen Krieg (Nederlands) hat geschrieben:In 1559 vaardigde paus Paulus IV de bul Super universas uit waarin een nieuwe bisschoppelijke indeling van de Nederlanden werd beschreven. Dit was een bijzonder impopulair plan, omdat men verwachtte dat hiermee ook de al bekende inquisitie vervangen zou worden door de Spaanse Inquisitie. Hierover deden gruwelijke verhalen de ronde, die niet noodzakelijk waren gebaseerd op de realiteit, de zogenaamde zwarte legende, maar waarvan de geuzen wel profiteerden.
Und weiters auf den wiki-Artikel zur Bulle:
wiki-Artikel Bulle Super universas (Nederlands) hat geschrieben:Men verwachtte ook dat daarmee ook de al bekende inquisitie vervangen zou worden door de Spaanse Inquisitie, waar gruwelijke verhalen de ronde over deden, die niet noodzakelijk waren gebaseerd op de realiteit — de zogenaamde zwarte legende.
(Hervorhebungen nicht im Original.)

Spannend ist allerdings, dass sich das Besagte – dort taucht auch „the Holy Office“ auf – dann in John Lothrop Motleys Rise of the Dutch Republic (Ausgabe von 1898, S. 275; urspr. New York 1856) findet. Von irgendeinem Urteilsspruch des Heiligen Offiziums und Dekret der Inquisition (Motley), Staatsakt (Friedell), vllt. hatte er dabei das span. Real Decreto im Sinn, oder schlicht Dekret (dt. wikipedia) ist die Rede, von was für einem, weiß kein Mensch. Da stellt sich natürlich auch die Frage, wo Motley das seinerseits hernahm, denn sein Werk scheint der Ursprung all der unterschiedlichen Versionen zu sein*, auf die man in verschiedenen Büchern und Seiten trifft, aber bei ihm finden sich genauso wenig Quellenangaben wie bei Friedell. Das wirkt von daher alles höchst eigenartig.


---
* Anm.:

Lothrop Motley, John: [i]The Rise of the Dutch Republic[/i], New York 1898, S. 275 hat geschrieben:Upon the 16th February, 1568, a sentence of the holy office condemned all the inhabitants of the Netherlands to death as heretics. From the universal doom only a few persons, especially named, were excepted. A proclamation of the King, dated ten days later, confirmed this decre of the inquisition and ordered it to be carried into instant execution, without regard to age, sex, or condition. This is probably the most concise death-warrant that was ever framed.


Da hat man alles, was man sonst auch (oft nur in Teilen) findet.

Pilgerer
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Re: Inquisition

Beitrag von Pilgerer »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:Das ist gemeint?
Friedell, Egon: [i]Kulturgeschichte der Neuzeit[/i], München 2007 , S. 362 hat geschrieben:
Es war nichts als die streng logische Schlußfolgerung aus diesen wahnsinnigen Prämissen, daß am 16. Februar 1568 alle Einwohner der Niederlande als Ketzer zum Tode verurteilt wurden: ein Staatsakt, der in der Geschichte einzig dastehen dürfte.
Das geistert so herum, bei wikipedia heißt's witzigerweise (einmal im Artikel zum Achzigjährigen Krieg, mit Angabe, worauf man sich beruft, allerdings ohne konkrete Seitenangabe, dann noch einmal im Artikel zu Philipp II., diesmal ganz ohne Angabe von Quellen), die Röm. Inquisition sei es per Dekret gewesen – was ich alleine schon seltsam finde – und beruft sich dabei auf Egon Friedell, wo ich das jetzt auf die Schnelle durchaus nicht bestätigt finde, sondern dort ist, wie man sieht, von einem Staatsakt die Rede. D. h. es kommt einem doch höchst spanisch vor.

Was aber weiters schon einmal mit Sicherheit nicht stimmt, ist, dass drei Millionen Niederländer durch die Inquisition exekutiert wurden.
Also ist das vermutlich eine Legende. Im 80jährigen Krieg ging es u.a. auch um die Herrschaft Spaniens über die Niederlande, also um politische Ziele, die sich mit dem religiösen Konflikt überlagerten. In jener Zeit war es das Bestreben aller europäischer Staaten, einen einheitlichen christlichen Glauben in ihren Grenzen zu haben, der die Beachtung der staatlichen Rechte fördert. Darum sahen sie religiöse Vielfalt als Bedrohung an.

Unabhängig von dieser Sache scheint sich die Haltung der Päpste zur Inquisition in den vergangenen Jahrhunderten gewandelt zu haben, was die Anwendung von Folter oder Todesurteilen angeht. Ist hier ein Bruch in der kirchlichen Tradition geschehen? Was ist aus den theologischen Grundlagen der früheren Inquisition geworden?
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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