Die wechselnde Gottesbeziehung

Allgemein Katholisches.
uli
Beiträge: 299
Registriert: Mittwoch 19. Mai 2004, 23:23

Beitrag von uli »

Hier ein paar (längere -- sorry ;)) Gedanken, die ich mir selbst mal (als vorläufige Gedanken) zur Gottes-Beziehung gemacht habe:
Es geht bei der Gottesbeziehung um eine wechselseitige Beziehung zwischen Personen, eine persönliche Begegnung. Die Beziehung zu Gott hat dieselbe Struktur wie die Beziehung zu Menschen - echte Beziehung bedeutet, mich ganz drauf einzulassen, „mit Haut und Haar“, auf Dauer hin. Wesentliche Merkmale: gegenseitige Zuwendung, Liebe.
Allerdings gibt es bei der Beziehung zu Gott ein paar Besonderheiten:
Gott ist der Ganz-Andere. Sein „Person-Sein“ sprengt allen Menschenmaßstab. Er ist Person – aber: zugleich ist er nicht Person, nicht eine Person nach menschlichen Vorstellungen. Ich kann ihn nicht sehen, fühlen, er ist für mich im wahrsten und im übertragenen Sinn „un-fassbar“.
Die Gottesbeziehung ist zwar, wie zwischenmenschliche Beziehungen auch, von Glaube, Hoffnung, Liebe, Miteinander-Reden (incl. z. B. Anklagen, Vorwürfe) etc. geprägt, allerdings auf besondere Weise – eben weil Gott der „Besondere“, der „Ganz-Andere“ ist.
Mein Glaube an Gott („Ich glaube dir! Ich glaube das, was du mir sagst!“) bedeutet wesentlich eine vertrauensvolle, persönliche Beziehung zu einem persönlichen Gott (= „Ich glaube dir!“). Dann aber gehört zu einer lebendigen Beziehung das Gespräch mit Gott, das Beten. Als ganz normaler, alltäglicher, unspektakulärer Vorgang. Allerdings: Es handelt sich nicht um ein Zwiegespräch zwischen zwei Personen nach Menschenmaßstab mit Rede und Gegenrede, Frage und Antwort. Sondern es handelt sich eben darum: Gott, der Person und zugleicht unfassbare Nicht-Person ist, spricht mich an; ich reagiere im Gebet, im Anreden eines göttlichen „Du“ - ohne auf eine nachprüfbare Antwort Gottes fixiert zu sein. Das Gebet kann vieles umfassen: Anbetung, Loben, Danken, Bitten (ohne Automatik-haargenau-Erfüllen-Erwartung), auch z. B. Vorwürfe, Anklagen, Anfragen nach dem „Warum?“ ...
Eigentlich ist mein Glaube (Ich glaube dir/Ich glaube an dich) als solcher schon Gespräch, ein persönliches Anreden Gottes. Das heißt, mein Glaube als solcher ist ein dauerndes, den Alltag durchziehendes Gebet. Ausdrücklich vollzogen wird der Glaube durch das darüber hinausgehende ausdrückliche Beten - und durch mein Tun. Glauben, Beten und (gutes) Tun gehören zusammen.
Dieses Tun ist nicht nur Vollzug des Glaubens, sondern auch entscheidender Ausdruck meiner Liebe zu Gott. Denn:
Die Liebe zu Gott (wie zum Nächsten und zu mir selbst) muss nicht unbedingt mit Gefühlen (in diesem Fall positiven) verbunden sein. Entscheidend ist das konkrete Handeln, das konstruktive Tun, unabhängig von Gefühlen. Positive Gefühle, jemanden mögen, das alles gehört zwar zur Liebe, doch ich weiß auch, wie schwer mir gerade bei der Liebe zu Gott ein Riesengefühl fällt - bei einem Gott, den ich nicht sichtbar vor Augen habe! Meine Liebe zu Gott bedeutet, abgesehen von der „Herzenssache“, eine Sache des Verstandes und vor allem des Tuns. Gottesliebe ist wesentlich ein gutes Tun. Ich halte mich an Gottes Weisungen (bemühe mich jedenfalls darum ... ;) ), befolge sie, setze sie konkret um. Dies ist der überzeugendste Ausdruck meiner Liebe zu Gott.
Und: Glaube ist mit Hoffnung verbunden. In den alltäglichen Frustrationen und scheinlosen Ausweglosigkeiten darf ich voll auf den Gott setzen, der mir auf seine - für mich vielleicht ungeahnte Weise - vom Dunkel ins Licht verhilft.
Im Tagesablauf unterliegt meine Beziehung zu Gott – obwohl sie grundsätzlich bestehen bleibt – „natürlichen“ Schwankungen hinsichtlich der Intensität. Das heißt: Kein Mensch denkt ununterbrochen an Gott, das ist unmöglich, kein Mensch ist ununterbrochen bewusst und gezielt intensiv auf Gott, auf Glaube, Hoffnung, Liebe hin ausgerichtet. Das schafft noch nicht mal der Mönch in der Wüste. Es geht, wie Hildegard von Bingen es sagen würde, um das „richtige Maß“, das Maßvolle. Ich richte mich vom Tagesbeginn an bis zur Nacht unverkrampft und ohne Übertreibung auf Gott hin aus. Ich bringe mich und meine Tätigkeiten in Zuordnung zu ihm, rede ihn im Gebet an, handle ohne Leistungswahn gerne nach Gottes Wunsch und Willen, lebe aus seiner Kraft. Mitten im alltäglichen Tun werde ich mir immer wieder meines Gottes bewusst, seiner Liebe, seiner wohl tuenden Nähe, seiner Weisungen. Dadurch lebe ich bewusster, weniger oberflächlich.
Sünde wäre, wenn ich aus diesem „Normal-Maß“ in das eine (Übertreibung) oder andere (Gott vergessen) Extrem fallen würde. Wobei, nebenbei, auch für die Sünde gilt: Kein übertriebenes, krankhaftes Sündenbewusstsein aufbauen, keine kleinkariert-spießbürgerliche düstere, verklemmte Sündenmoral, sondern nüchtern das erkennen, wo meine Beziehung zu Gott tatsächlich konkret gestört ist (üblicherweise da, wo ich meinen Gott wirklich vergesse, aus dem Glauben, der Hoffnung, der Liebe falle, aber auch da, wo ich eine übertriebene Beziehung aufbauen würde, die dann allerdings wiederum auch krankhaft/nicht schuldhaft sein könnte).

Uli

www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm

Ralf

Beitrag von Ralf »

Puh, Uli, das ist mir zu verkopft.

Wie sieht's denn bei Dir aus, wenn's mal so richtig bescheiden läuft?
Oder extrem gut?

uli
Beiträge: 299
Registriert: Mittwoch 19. Mai 2004, 23:23

Beitrag von uli »

Also, lieber Ralf, von meiner Seite aus ist das eine ziemlich ausgeglichen-unkomplizierte Beziehung – von Seiner göttlichen Seite setze ich die Konstanz (= unbedingte, unveränderliche Treue und Liebe) sowieso voraus.
Ich lebe den Tag über insofern mit meinem Gott, als ich mir seiner immer wieder bewusst werde, im Prinzip also „dauernd“ (wenn auch logo nicht minütlich-ununterbrochen – das ist unmöglich bzw. wäre krankhaft-übertrieben) im Bewusstsein seiner Gegenwart lebe, dieses Bewusstsein „durchzieht“ den Tag. Ich lebe also „mit“ meinem Gott, rede immer wieder mal mit ihm (sehr oft frei, ohne Gebetsvorlagen), sage ihm auch für simple Kleinigkeiten (wenn ich was wiedergefunden habe z. B.) einfach mal Dankeschön; frage ihn auch (wenn mir was danebengeht, wo ich Gott um Hilfe sogar ausdrücklich gebeten hatte): „Warum denn das jetzt? Hättest es doch bestimmt auch anders lenken können!“ - um kurz drauf zu sagen: „Wird schon nach deinem Willen das Beste so für mich sein“ und sage dann trotzdem „Danke“ (versuch´s jedenfalls); oder ich versuche, im Umgang mit anderen nach seinem (Jesu) Wort und Vorbild zu handeln, also gut zu handeln; oder ich trällere zwischendurch einfach mal (wenn´s mir gut geht bzw. wenn´s nicht so gut geht) ein "christliches" Lied vor mich hin (auch schon unter der Dusche!) – da habe ich ne Menge Lieblingslieder von Freude über Gott bis hin zu Gottvertrauen/Hoffnung aus kath. und ev. Gesangbüchern, manchmal über -zig Strophen, manchmal auch so, dass ich eine bestimmte Strophe mehrmals (sozusagen „meditativ“) trällere. In dem Fall also vorformulierte (Lied-)Gebete, etwa "Herr, deine Güte ist wie Wind und Wellen" oder "Befiehl du deine Wege".
Logo: Wenn ich auf meine Arbeit oder auf Menschen konzentriert bin, bin ich eben darauf konzentriert und nicht explizit auf Gott. Ich bin also, wie erwähnt, nicht ununterbrochen bewusst auf Gott ausgerichtet, sondern eher in lockerem Umgang – alles andere wäre übertrieben und würde vom Alltags-Tun abhalten.
Und wenn die Arbeit stressig ist, dann sack ich eben auch mal ganz in den Stress ab, einfach fix und fertig, ohne an Gott oder irgendwas sonst zu denken, oder ich sag: „Los, Gott, hilf mir!“ oder mir genügt dann auch schon die Erinnerung an den einen Satz, die nur vier und doch für mich alles sagenden Wörter aus Psalm 23: „DU BIST BEI MIR“ – ich f ü h l e Gott dann ganz nah und wohl tuend bei mir, fühle mich in ihm geborgen, fühle mich in ihm sicher, und das kann ein großes Stück Durchatmen und Gelassenheit geben. Wobei ich aber auch z. B. (wie Thierry es beschrieben hat) Autogenes Training etc. nutze – als Möglichkeiten, die Gott mir zur Verfügung gestellt hat.
„Ausgeglichene“ Beziehung von meiner Seite aus heißt aber auch, dass Tiefen (= Beziehung am Boden) und Höhen (= Beziehung himmelhoch jauchzend) fehlen – kannst „leider“ dazu sagen, nur: Seit ich bewusst mit meinem bzw. meinen Glauben lebe, gab´s in der Tat noch keine Situation (trotz manchem Frust/Enttäuschung über Gott, was ich ihm auch mitteile), wo ich Gott „wegschmeißen“ wollte. „Dennoch bleibe ich stets bei dir“ (aus Psalm 73), dieses „Dennoch“ ist für mich persönlich ebenfalls eine ganz wichtige Psalmaussage.
Andererseits kenne ich aber auch keine orgiastisch-gigantischen, himmelhoch-jauchzenden Momente in dieser Beziehung, da müsste ich wohl Mystiker zu sein, der ich nicht bin und auch eigentlich gar nicht so gerne sein möchte (Rahner hin, Rahner her ... ;) ) – weil ich denke, dass mystisch-„orgiastische“ Gotteserlebnisse leicht dem eigenen Mist entsprungen und sogar krankhaft sein können. Ich wüsste auch nicht, dass Jesus in der Beziehung zum „Vater“ derartige „Höhen“ hatte. Es sei denn, man versteht unter „Höhen“ bereits, dass ich mich z. B. am Meer riesig wohl fühle und diese beglückenden Momente als Geschenk Gottes empfinde und ihm „riesig“, mit übervollem Herzen dafür danke. Diese Art „Höhen“ hab ich natürlich.

Kurz und gut: Ich hab eine bewusste, durchweg unkomplizierte, nicht übetriebene, von Lockerheit geprägte, ausgeglichene, befriedigende, erfüllende Gottes-Beziehung. Wobei: Ich mache mir keine konkreten Vorstellungen von diesem "unfassbaren" Gott (z. B. weißbärtiger alter Mann „da oben“ im Himmel und ähnliche abstruse Vorstellungen), sondern ich lebe ganz normal, ganz „alltäglich“ mit einem persönlichen, persönlich ansprechbaren göttlichen Du, rede dieses „Du“ auch an, diesen Gott, von dem ich weiß, dass er Liebe ist, Liebe für mich, und in dieser Liebe bzw. im den Tag durchziehenden Bewusstsein dieser Liebe kann ich aufatmen und mich befreit fühlen und Hoffnung haben.


Uli

www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm

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