Selbsttötung und Heiligkeit

Allgemein Katholisches.
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Pelikan
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Selbsttötung und Heiligkeit

Beitrag von Pelikan »

Jedesmal, wenn katholische Apologeten der "Kultur des Todes", die in Abtreibung und Euthanasie ihren Ausdruck findet, schlagwortartig die Heiligkeit des Lebens entgegensetzen, muß ich an diejenigen Gläubigen denken, die ihrem eigenen Leben recht wenig Respekt entgegenbrachten, es vielleicht sogar selbst beendeten, und trotzdem als Heilige kanonisiert und verehrt werden.

Da wäre beispielsweise Simson, der sein Leben mit einer Art Selbstmordattentat beendete. Oder auch die Märtyerin Apollonia, die lieber selbst in den Tod sprang, statt ihre Exekution abzuwarten.

Ich sehe dabei weniger Parallelen zum verzweifelten Selbstmord im eigentlichen Sinne als vielmehr zur selbstbestimmten Euthanasie im Angesicht einer unheilbaren, tödlichen Krankheit. Wenn Apollonia den Tod lieber aus eigener Initiative und unter eigenen Bedingungen wählte und diese unbeichtbare Tat ihrer Heiligkeit nicht im Wege stand, warum sollte ein Todkranker heute lieber leiden, als es der Heiligen gleichzutun? Muß man mit Augustinus und Aquinas eine besondere göttliche Ermächtigung für die Selbsttötung jener Heiliger postulieren, um die kirchliche Lehre in diesem Punkt zu rechtfertigen?

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Erich
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Beitrag von Erich »

Apollonia wurde der Legende nach bei einem Pogrom von der aufgehetzten Menge zusammen mit anderen Christen verschleppt. Christen wurden damals aus den Häusern verschleppt, Wohnungen geplündert und zerstört. Von Apollonia berichtete Bischof Dionysius, dass ihr die Zähne ausgeschlagen und die Kinnlade zertrümmert wurde. Man drohte ihr mit Verbrennung auf dem Scheiterhaufen und verlangte, dass sie dem Glauben abschwöre. Apollonia aber stürzte sich nach dem Bericht von Augustinus laut betend freiwillig in die Flammen und verbrannte. Die Frage, ob diese Tat als Martyrium oder als Selbstmord zu werten sei, beschäftigte die junge Kirche. Die Stimme des gläubigen Volkes entschied: die Leute sahen in ihr eine Heilige.
(aus dem Heiligenlexikon)


Ich könnte mir analog das so vorstellen:

Ich bin schwerkrank, aber will nicht sterben und meine Pflege kostet viel, viel Geld und Haus und Hof gehen damit den Bach runter. Meine Familie redet auf mich ein und versucht mich zu überzeugen, dass ich unnütz sei, zu viel koste und eine Last für die Menschheit sei. Außerdem sollte ich doch nicht leiden und man meine es nur gut mit mir. Dann sagt man mir, dass ein guter Freund mir gleich die Todesspritze geben wird, um mich und die Gesellschaft zu erlösen und mein unsägliches Leid zu beenden.

Ich sage: Damit der Freund nicht zum Mörder wird – gebt mir die Spritze, ich setze sie mir selbst.

Frage: Wäre ich dann ein Selbstmörder?
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Erich hat geschrieben:Frage: Wäre ich dann ein Selbstmörder?
Du wärest dann ein Märtyrer und wohlmöglich ein Heiliger -- ABER: kein Märtyrer für den Glauben und keine Heiliger der Kirche, sondern ein Heiliger Märtyrer der Gesundheitskasse.
Gruß Jürgen

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Benedikt

Re: Selbsttötung und Heiligkeit

Beitrag von Benedikt »

Pelikan hat geschrieben:Da wäre beispielsweise Simson, der sein Leben mit einer Art Selbstmordattentat beendete.
Das ist kein Selbstmordattentat, sondern eine Verzweiflungstat eines gebrochenen Menschen. Schlechtes Beispiel.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Selbstmorde sind im Regelfall Verzweiflungsakte.

LG
Fiore

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Selbstmordattentate nicht.

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Mariamante
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Wer sein Leben hingibt...

Beitrag von Mariamante »

Wenn Jesus sagt: "Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren, wer es um meinetwillen hingibt, wird es verlieren" - so denke ich dass die Hingabe an Gott ein wesentlicher Faktor des christlichen und geistlichen Lebens ist.

Die Bereitschaft, Gott aus ganzem Herzen, mit ganzer Seele und allen Kräften zu dienen, IHN zu lieben ist im Glaubensleben sicher zentral. Dass wir in dieser Hingabe den Heiligen Geist brauchen, um nicht in eine falsche "Selbsttötung" zu gelangen, möchte ich bedenken. Als man einen Wüstenvater (der nicht so streng fastete) rügte meinte er: "Mir ist gelehrt worden wir wollen Leidenschaftstöter und nicht Liebestöter sein".

Manche Heilige (Bernhard von Clairvaux, Ignatius von Loyola) haben durch strenges Fasten und "übertrieben Bußwerke" ihre Gesundheit tw. ruiniert. Sie haben dieser Übertreibung in Werken der Abtötung später als Versuchung durch den Teufel verstanden.

So ist es also einseits wichtig, sein ganzes Herz Gott zu schenken- auch bereit sein, sein Leben für Gott hinzugeben. Aber hier ist nicht nur das einmalige Martyrium gemeint: Es kann mühsamer sein, lange Jahre ein inneres Martyrium durchzustehen (um Christi willen verspottet werden, in einer Ehe leben, wo der Ehepartner zu wenig Verständnis für den Glaubensweg aufbringt etc.) als sein Leben unter dem Fallbeil etc. hinzugeben.

Wenn jemand aus Überdruß am Leben eine "tödliche Askese" anstreben würde, so wäre das sicher verkehrt. Aber wenn manche Heilige eher jung starben (hl. Therese von Lisieux, hl. Sr. Faustina) so haben manche es auch so gesehen, dass diese von einer tiefen Sehnsucht erfüllt wurden, Jesus im Himmel zu sehen. (Paulu´s schreibt z.B: davon: Lieber wäre es mir aufgelöst und bei Christus zu sein. Aber um euretwillen bleibe ich auch gerne hier auf Erden).

Ich denke, dass Gott uns auch hier auf Erden zur Fülle des Lebens führen will- und dass Abtötungen die Leib und Leben gefährden (wenn sie aus eigenem Streben kommen) auch eine Versuchung sind. (Zugeben muss man allerdings, dass sich heute weniger Menschen durch übertriebene Bußwerke ins Grab bringen, als sie ihr Grab durch Messer und Gabel schaufeln- d.h. Unmäßigkeit).
Gelobt sei Jesus Christus

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Möchte hier nur auch an das erschütternde Schicksal des überzeugten Christen Jochen Klepper erinnern:
Mit einer Jüdin verheiratet, wollte er sich angesichts des Nazi-Terrors nicht von ihr nicht trennen und "wählte" deshalb mit ihr die Selbsttötung.
http://www.bautz.de/bbkl/k/Klepper.shtml

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Die Frage ist: Ist in so einer Situation, wie sie Jochen Klepper gegenüberstand, der Selbstmord akzeptabel? Interessante Literatur zu diesem Themenkomplex: Viktor Frankl - Trotzdem ja zum Leben sagen, Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager.

Übrigens: Es geht hier nicht darum, über den Menschen Jochen Klepper zu urteilen, sondern darum zu überlegen, aus welchen Gründen man selber wie handeln würde.

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Dominica
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Registriert: Samstag 14. August 2004, 14:29

Beitrag von Dominica »

Erich hat geschrieben:

Ich könnte mir analog das so vorstellen:

Ich bin schwerkrank, aber will nicht sterben und meine Pflege kostet viel, viel Geld und Haus und Hof gehen damit den Bach runter. Meine Familie redet auf mich ein und versucht mich zu überzeugen, dass ich unnütz sei, zu viel koste und eine Last für die Menschheit sei. Außerdem sollte ich doch nicht leiden und man meine es nur gut mit mir. Dann sagt man mir, dass ein guter Freund mir gleich die Todesspritze geben wird, um mich und die Gesellschaft zu erlösen und mein unsägliches Leid zu beenden.

Ich sage: Damit der Freund nicht zum Mörder wird – gebt mir die Spritze, ich setze sie mir selbst.

Frage: Wäre ich dann ein Selbstmörder?


das ist genau der punkt, an dem es kompliziert wird-ethisch. dabei geht es nämlich um zwei fragen:

1. soll der einzelne das recht haben, seinem leben ein ende zu setzen, wenn es ihm unerträglich erscheint. wenn beispielsweise seine prognose negativ ist (er wird lebenslänglich schmerzen haben, er wird qualvoll sterben, er wird am gesellschaftlichen leben geistig oder körperlich nicht mehr teihaben können...)
wie aber definiere ich "negative prognose" allgemeingültig?was deklariere ich als "erträglich/schwer erträglich/nicht mehr zu ertragen"? hier gehen die auffassungen unter garantie so weit auseinander wie es menschen auf der welt gibt.
wenn wir mal bei apollonia bleiben, wäre es vernünftig gedacht so: sie wäre sowieso gestorben, wollte aber selbst bestimmen, wie. also starb sie selbstbestimmt. natürlich durch eigene "hand", das ergebnis kommt auf´s selbe raus. die bezeichnung selbstmörderin oder märtyrerin ist hier eher zweitrangig.
man kann hier aber nicht so einfach weltliches und religiöses vermischen. was, wenn nun jemand käme, der sagt:"vielleicht hätte gott im letzten moment eingegriffen und sie gerettet?" ebenso argumentieren ja die gegner der sterbehilfe, indem sie sagen :"für jemanden, der nach heutigen medizinischen standpunkten als unheilbar krank gilt, kann morgen schon ein heilmittel entdeckt werden."was aber, wenn der leidende nicht bis dahin warten (resp. leiden) will?

2. wie verhindere ich den missbrauch, wenn ich eine regelung gefunden habe?das beispiel von erich könnte eine ziemlich realitätsnahe zukunftsvision darstellen. kranke, behinderte und alte wären zugunsten einer kostengünstigeren wirtschaftlichkeit "erlöst" und niemand wird nachweisen können, dass es nicht ihr eigener wille war.

zuletzt bleibt die frage, ob man diese menschlichen beispiele auf heilige anwenden kann. der heilige, der einen märtyrertod stirbt- sei es durch selbstmord oder mord- unterliegt der nicht völlig anderen gesetzmässigkeiten?
Fallt den Männern in den Arm, ihr Frauen, wenn sie die Welt zerstören wollen! (Paul VI.)

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Hobbes
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Beitrag von Hobbes »

das ist eigentlich eine sehr schwierige frage.

darf man sich selbst umbringen?
grundsätzlich nein. gott gibt das leben, und er nimmt es auch wieder wenn die zeit da ist. es gibt in der bibel glaube ich kein beispiel in der jemand selbstmord gemacht hat weil er in einer unlösbaren situation war.
es gibt zwar einige die sich gewünscht hätten tot zu sein. aber sie haben sich nicht selber umgebracht.

hoffnung ist immer da und wenn gott will kann er dich auch wieder heilen oder aus einer unlösbaren situation befreien. wunder geschehen auch heute noch.

wir dürfen aber nie vergessen das wir bei unserem job für gott auch ins gras beissen können. viele propheten gottes sind damals hingerichtet worden und auch heute hat sich daran nichts verändert.


es wird nie regelung oder katalog geben der einem selbstmord grünes licht gibt. den das gibt keine garantie das gott den menschen vielleicht doch noch für irgend einen zweck verwenden will. der richtige moment ist einfach noch nicht da um ihn zu heilen.
schlussendlich sollten wir einfach gott vertrauen das er weiss was er tut. er entscheidet über leben und tot. nicht wir.

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Ermi
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Beitrag von Ermi »

Er hat sein Leben für unsere Sünden hingegeben!

@ Pelikan, ich glaube, da müssen wir uns doch überlegen, ob jemand, wie Jesus oder die Märtyrer freiwillig den Tod auf sich nahmen, da der Tod ihnen von anderen unausweichlich aufgebürdet wurde, oder ob jemand aus Verzweiflung sich das Leben genommen hat.
Mir fällt wieder der junge Tscheche ein, der in Prag sich mit Benzin übergoß und sich dann anzündete. Es war eine Verzweiflungstat und ein Aufschrei eines Menschen, der die westliche Welt aufzeigen wollte, wie ungerecht das kommunistische Regime damals war. Es wäre jetzt ein Unding, ihn als Märtyer zu bezeichnen oder ihn als Selbstmörder abzustempeln. Sein eigentlicher Entschluß wird ein Geheimnis bleiben. :kratz:
Gott ist mittendrin!

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