Episcopi Vagantes

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Linus
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Episcopi Vagantes

Beitrag von Linus »

Woher kommen sie wohin gehen sie, was machen sie und ists gültig, was sie da tun?
Was macht der Vatican mit/gegen ihnen/sie?
Gibt es solche welche auch in orthodoxen gefilden?


Fragen über Fragen
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Alexander
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Re: Episcopi Vagantes

Beitrag von Alexander »

Linus hat geschrieben: Gibt es solche welche auch in orthodoxen gefilden?
Ja, diese Pest gibt's überall. Nur halten wir ihre Handlungen für ungültig.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

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spectator
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Re: Episcopi Vagantes

Beitrag von spectator »

Alexander hat geschrieben:
Linus hat geschrieben: Gibt es solche welche auch in orthodoxen gefilden?
Ja, diese Pest gibt's überall. Nur halten wir ihre Handlungen für ungültig.
Männer, kann mich hier einer aufklären, worum es hier geht?

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Es geht um sogenannte "Vagenatenbischöfe". Das sind "Bischöfe", die sich entweder nach ihrer Weihe in dieses Amt von ihrer Kirche getrennt haben oder die niemals eine Kirche hatten, sich aber trotzdem auf mehr oder weniger seriöse Weise eine Weihe verschafft haben. So hat etwas der Engländer Arnold Harris Matthew sich die Bischofsweihe durch einen altkatholischen Bischof der Utrechter Union unter Vorlage gefälschter Dokumente erschlichen.

In den allermeisten Fällen sind dies kirchliche Abenteurer, die sich dann irgendwelche Fantasienamen geben wie "altheilig-orthodoxe Kirche" oder "orientalisch-katholische Kirche" oder "Altkatholisch-apostolische Kirche" oder ähnliches. Entweder bestehen diese Kirchen gar nicht oder es sind Gruppen, die nur aus den jeweiligen "Jüngern" dieser Bischöfe bestehen. In keinem Fall kann eine Rede davon sein, daß eine verfaßte apostolische Kirche hinter dem Bischof oder den Weihen steht.

Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang die sog. "hochkirchlichen" Weihen innerhalb evangelischer Bewegungen in Deutschland. Die Hochkirchliche Bewegung hat seit etwa den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts versucht, die Gabe der bischöflichen Weihen für die evangelische Kirche zurückzugewinnen. Dabei ging man dann so vor, einzelne Glieder dieser Gemeinschaften durch Vagantenbischöfe weihen zu lassen, ohne dies auch nach außen hin kenntlich zu machen. So konnte jemand im Alltag Professor, Lehrer oder auch Pfarrer sein, hatte aber zugleich eine "hochkirchliche" Bischofsweihe, die von der eigenen Kirche nicht nur nicht anerkannt war, sondern zugleich vor ihr geheimgehalten werden mußte. Das Fehlen einer eigenen Gemeinde wurde dann dadurch begründet oder ausgeglichen, daß man sich als "Bischof" oder "Priester" für die jeweilige Gemeinschaft oder Bruderschaft verstand. Hier hat sich in meinen Augen ein ursprünglich gutes Ziel (die Rückgewinnung von Apostolizität) gefährlich verselbständigt. Was bringt die Rückgewinnung einer apostolischen Sukzession, wenn sie quasi "heimlich" geschieht, unter Ausschluß der Öffentlichkeit? Wie kann ein evanglischer Pastor als Angestellter seiner Landeskirche einerseits Repräsentant der Landeskirche sein, wenn er inoffiziell deren Amt und Auftrag als defizitär ansieht und sich zum "Priester" weihen läßt? Wäre der Sache nicht mehr gedient, wenn man dann auch offiziell klar Stellung bezieht (wie etwa St. Michael in Cottbus das tut?). Siehe auch www.hochkirchliche-vereinigung.de


Während die römisch-katholische Kirche dazu neigt, bestimmt Weihen der episcopi vagantes als "gültig, aber unerlaubt" anzusehen, wenn sie rite und in einer nachweislichen Sukzessionskette gespendet wurden, neigen die Altkatholiken und die Anglikaner dazu, diese Weihen nicht anzuerkennen. Der Grund liegt darin, daß das Prinzip nulla ecclesia sine episcopo auch umgekehrt gilt: nullus epicopus sine ecclesia! Eine Bischofsweihe bezieht imho ihre Gültigkeit nicht nur aus der sakramentalen Handlung der Weihe, sondern auch durch ihren Charakter als Handlung der (gesamten) Kirche und die Aufnahme des Weihekandidaten in das Kollegium der Bischöfe. Wo der Weihe dieser universalkirchliche Charakter und Auftrag sowie die Gemeinschaft der Bischöfe fehlt, kann sie m. E. nicht als gültig angesehen werden.

Einen guten Link gibt es hier: http://www.alt-katholisch.de/info/vagans.htm

Gruß
Stephen

Stephen Dedalus
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Re: Episcopi Vagantes

Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:
Linus hat geschrieben: Gibt es solche welche auch in orthodoxen gefilden?
Ja, diese Pest gibt's überall. Nur halten wir ihre Handlungen für ungültig.
Gute Einstellung! :ja:

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ottaviani
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Beitrag von ottaviani »

die katholische kirche sieht das etwas differenzierter leider nimmt die zahl solcher bischöfe seit ende der 70er jahre stark zu

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spectator
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Beitrag von spectator »

Alexander hat geschrieben:>>>Hier steht's:
Die Vagantenbischöfe (lat.: episcopi vagantes) sind "Bischöfe", die (höchstens) kleine private Gruppen, aber keine wirklichen Gemeinden und schon gar keine größere kirchliche Organisation, etwa eine Landeskirche, vertreten. Sie üben ihr Amt somit in ihrem eigenen Namen, ohne weiteren kirchlichen Auftrag und darum (nach allgemeiner kirchlicher Auffassung) in ungültiger und unrechtmäßiger Weise aus. Sie sind, mit anderen Worten, Bischöfe ohne Kirchen.
Danke Alexander!

Alexander hat geschrieben:
Linus hat geschrieben: Gibt es solche welche auch in orthodoxen gefilden?
Ja, diese Pest gibt's überall. Nur halten wir ihre Handlungen für ungültig.
tja, betrifft das irgendwie nicht alle, denen die apostolische Sukzession fehlt?

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Linus
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Beitrag von Linus »

spectator hat geschrieben:
Alexander hat geschrieben:
Linus hat geschrieben: Gibt es solche welche auch in orthodoxen gefilden?
Ja, diese Pest gibt's überall. Nur halten wir ihre Handlungen für ungültig.
tja, betrifft das irgendwie nicht alle, denen die apostolische Sukzession fehlt?

Die Apostolische Sukzession können sie ja aufweisen: Vagantenbischof heißt idR ja:"gültiges aber unerlaubtes"(weil nicht mit dem heiligen Stuhl akkordiertes) Tun.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Linus hat geschrieben: Die Apostolische Sukzession können sie ja aufweisen:

Hallo Linus,

genau dies würde ich in Frage stellen. Es kommt darauf an, was wir unter Apostolischer Sukzession verstehen. Ist es "nur" die Kette von Handauflegungen? Oder gehört nicht vielmehr die Treue zur apostolischen Überlieferung dazu? "Entsteht" Sukzession durch die Handauflegung, oder ist diese Handauflegung nicht vielmehr ein Zeichen der Sukzession, also der Apostelnachfolge, sodaß das Zeichen wirkungslos wird, wenn diese fehlt?

Ich habe dazu mal etwas Ausgezeichnetes von Papst Benedikt gelesen, muß aber die Stelle nochmal raussuchen.

Interessant finde ich in diesem Punkt das orthodoxe Verständnis von Sukzession. Für die Orthodoxen kann sich Sukzession grundsätzlich nur in der Gemeinschaft der orthodoxen Kirche verwirklichen. Außerhalb dieser gibt es keine Sukzession, unabhängig davon, welche Weiheriten vollzogen werden. (Ist das richtig so, Alexander?).

Gruß
Stephen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Linus hat geschrieben:Die Apostolische Sukzession können sie ja aufweisen: Vagantenbischof heißt idR ja:"gültiges aber unerlaubtes" (weil nicht mit dem heiligen Stuhl akkordiertes) Tun.
Daran sind doch erhebliche Zweifel nicht bloß
möglich, sondern geboten. Wenn einer sich die
Weihe buchstäblich erschlichen hat, kann man
dann, ja darf man dann überhaupt vermuten, er
habe die Absicht gehabt und darin eingewilligt,
zum Bischof der Kirche geweiht zu werden?

Ohne solchen Konsens aber wird keiner wirk-
sam zu irgendwas geweiht, außer vielleicht zu
seinem eigenen Untergang und Verderben.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Stephen Dedalus hat geschrieben:"Entsteht" Sukzession durch die Handauflegung, oder ist diese Handauflegung nicht vielmehr ein Zeichen der Sukzession, also der Apostelnachfolge, so daß das Zeichen wirkungslos wird, wenn diese fehlt?
Du lehnst dich hier eher an die Sicht von Walter
Kasper an. Das entspricht aber nicht der Lehre der
Kirche und wurde übrigens – gegenüber Kasper –
vor ein oder zwei Jahren vom damaligen Kardinal
Joseph Ratzinger zurückgewiesen.

Die Sakramente sind wirkmächtige Zeichen. Das
Zeichen selbst bewirkt, was es bezeichnet. Oder
noch genauer, Gott wirkt durch das Zeichen.

Die apostolische Sukzession kommt also durch das
Sakrament zustande, durch Materie, Form und die
Intention des Spenders.

Im Falle erschlichener Vagantenbischofsweihen
mangelt es meines Erachtens bereits an der Mate-
rie, nämlich am geeigneten (was auch heißt: ein-
willigenden) Kandidaten.

Anders, wenn ein normal und gültig geweihter
Bischof nachträglich ins Schisma fällt. Aber das
wäre ein anderes Thema.
Stephen Dedalus hat geschrieben:Für die Orthodoxen kann sich Sukzession grundsätzlich nur in der Gemeinschaft der orthodoxen Kirche verwirklichen. Außerhalb dieser gibt es keine Sukzession, unabhängig davon, welche Weiheriten vollzogen werden. (Ist das richtig so, Alexander?).
Ich heiße zwar nicht Alexander, gebe meinen Senf
aber dennoch zum besten: ;D

Die Orthodoxen bestreiten keineswegs die apo-
stolische Sukzession der Bischöfe, die in Gemein-
schaft mit dem Bischof von Rom stehen.

(Das heißt, du kannst unschwer Orthodoxe finden,
die sie dennoch bestreiten. Zum Beispiel auf dem
Athos. Das ist aber nicht die kirchliche Position.)
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Du lehnst dich hier eher an die Sicht von Walter
Kasper an. Das entspricht aber nicht der Lehre der
Kirche und wurde übrigens – gegenüber Kasper –
vor ein oder zwei Jahren vom damaligen Kardinal
Joseph Ratzinger zurückgewiesen
Hallo Robert,

kann sein, daß Kasper etwas in der Richtung vertritt. Ich beziehe mich aber hier ausdrücklich auf einen Gedanken von Papst Benedikt, den ich aber erst heute abend nachschlagen kann. Jedenfalls meine ich zu wissen, wo ich das finde.
Die Sakramente sind wirkmächtige Zeichen. Das
Zeichen selbst bewirkt, was es bezeichnet. Oder
noch genauer, Gott wirkt durch das Zeichen.
Das möchte ich keinesfalls bestreiten, sondern unterstützen. Dennoch denke ich, daß man allein den Weiheakt nicht isoliert betrachten darf, sondern das zur Weihe bestimmte Elemente hinzugehören und Voraussetzungen erfüllt sein müssen. "Sukzession" an sich umfaßt keinen isolierten Akt, sondern verschiedene Aspekte. So äußert sich m. E. auch Papst Benedikt. Aber ich werde das versuchen zu verifizieren.
Die Orthodoxen bestreiten keineswegs die apo-
stolische Sukzession der Bischöfe, die in Gemein-
schaft mit dem Bischof von Rom stehen.

(Das heißt, du kannst unschwer Orthodoxe finden,
die sie dennoch bestreiten. Zum Beispiel auf dem
Athos. Das ist aber nicht die kirchliche Position.)
Ja, das mag schon sein. Aber dennoch scheint es mir nicht ganz so einfach. Es gab Anfang des 20. Jahrhunderts Gespräche zwischen den Anglikanern und der Orthodoxie im Hinblick auf eine mögliche Vereinigung. Damals wurden die Orthodoxen danach befragt, ob sie die Weihen der Anglikaner anerkennen könnten. Die Auskunft war, daß man keinen Grund sehe, die Weihen der Anglikaner für ungültig zu halten. Interessant war aber, daß dies nicht zugleich einschloß, daß man die Ap. Sukzession bei den Anglikanern generell als gegeben sah. Die Gültigkeit der Weihen wurde nur angenommen für den Fall, daß die Anglikaner wieder in Gemeinschaft mit der orthodoxen Kirche standen. Erst in der Gemeinschaft mit der orth. Kirche wurden also die gespendeten Weihen im Vollsinne (und im Sinne der Sukzession) gültig, selbst wenn die Weihen an sich rite gespendet wurden.

Gruß
Stephen

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spectator
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Beitrag von spectator »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:"Entsteht" Sukzession durch die Handauflegung, oder ist diese Handauflegung nicht vielmehr ein Zeichen der Sukzession, also der Apostelnachfolge, so daß das Zeichen wirkungslos wird, wenn diese fehlt?

Die apostolische Sukzession kommt also durch das
Sakrament zustande, durch Materie, Form und die
Intention des Spenders.
Robert, auf diese Weise kann jeder behaupten und deklarieren, er sei der richtige Kandidat (die Materie also), er habe die richtige Intention, er macht das in der richtigen Form.

ich glaube nicht, dass sich dadurch eine sakramentale Handlung zaubern lässt und die apostolische Sukzession einfach entsteht, bzw. man kann dadurch zu ihr "zurückkehren".

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

spectator hat geschrieben: ich glaube nicht, dass sich dadurch eine sakramentale Handlung zaubern lässt und die apostolische Sukzession einfach entsteht,
Genau...
Herr Gott,
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ich weiß nicht ein noch aus.
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Inquisitore
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Beitrag von Inquisitore »

Kurzer Einwand:

Hie scheint mir manchmal eine Fehldeutung des Begriffes "Materie" vorzuliegen:

Materie bedeutet nämlich zweierlei, bzw. genauer: zwei verschiedene Dinge werden (vielleicht unglücklich) mit dem selben Wort bezeichnet:

Im Bezug auf die Sakramententheologie unterscheidet man

a) MATERIA NATURALIS

Diese fällt im Wesentlichen mit unserem Begriff der "Materie" zusammen und bezeichnet etwa das natürlcihe Wasser bei der Taufe (ich kann nicht mit Kaffee gültig taufen, auch wenn dieser Wasser enthält), den Wein bei der Wandlung (ich kann kein Cola in das Blut Christi wandeln), oder den Mann bei der Weihe (ich kann kein Kaniggel weihen und auch keine Frau) - genau genommen kann man hier in allen Sakramenten "Materie" auf die Chemie zurückführen (Männer und Frauen sind auch chemisch verschieden etwa).

b) MATERIA SIGNIFICATIVA

Hierunter versteht man etwas vollkommen anderes: es hat nichts mit etwas "Materiellem" zu tun, also nciht mit Öl oder Wasser, sondern bezeichnet das sichtbare Zeichen eines Sakramentes; das Übergießen oder Untertauchen bei der Taufe, die Salbung bei der Hl. Firmung, die Handauflegung bei der Weihe.

Durch diese Materie (materia significativa), welche übrigens für das Zustandekommen der Weihe nötig ist und nicht unterlassen werden kann, wird die Sukzession weitergegeben, auch dann, wenn ein Bischof nicht vom Papst ernannt ist!

Zur Gültigkeit der (Bischofs)Weihe ist also neben Intention und Form auch die Materie nötig, und zwar in beiden Formen: es muß ein Mann sein, und es muß die Handauflegung erfolgen (durch einen gültig geweihten Bischof freilich; er muß in der Sukzession stehen, er kann aber auch gültig weihen wenn er dies unerlaubt tut bzw. der Weihling keine Erlaubnis hat!). Durch die sakramentale Handauflegung also wird der neue Bischof ein Gleid der Sukzessionskette.

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Linus
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Beitrag von Linus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Daran sind doch erhebliche Zweifel nicht bloß
möglich, sondern geboten. Wenn einer sich die
Weihe buchstäblich erschlichen hat, kann man
dann, ja darf man dann überhaupt vermuten, er
habe die Absicht gehabt und darin eingewilligt,
zum Bischof der Kirche geweiht zu werden?
Bei "episcopi vagantes " schwebt mir in erster linie Eb. Lefebvre vor - gültig und erlaubt geweiht - durch späteren Bruch dann ohne Kirche dastehend.

also war die Weihe ja noch in Ordnung, lediglich das danach war etwas zweifelhaft (ähnlich wie bei Milingo - der in Wien ohne kenntnis des Ortsbischofs Exorzismen vorstand.)
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spectator
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Beitrag von spectator »

Linus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Daran sind doch erhebliche Zweifel nicht bloß
möglich, sondern geboten. Wenn einer sich die
Weihe buchstäblich erschlichen hat, kann man
dann, ja darf man dann überhaupt vermuten, er
habe die Absicht gehabt und darin eingewilligt,
zum Bischof der Kirche geweiht zu werden?
Bei "episcopi vagantes " schwebt mir in erster linie Eb. Lefebvre vor - gültig und erlaubt geweiht - durch späteren Bruch dann ohne Kirche dastehend.
ohne Kirche? - das kann man nicht sagen. Von Anfang an gab es nicht nur Priester die ihm folgten.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

So, ich habe die Stelle bei Klausnitzer in seinem sehr guten Buch "Der Primat des Bischofs von Rom" nachgeschlagen.

Es geht um die Frage, wie die Apostolische Sukzession in der Alten Kirche definiert wurde. Ich zitiere hier in Auszügen:
Harald Klausnitzer hat geschrieben:Der Begriff der Sukzession ist in der antignostischen Polemik des 2. Jahrhunderts artikuliert worden. Der Begriff Sukzession hat also einen doppelten Sinn, nämlich die fortlaufende Reihe von Amtsträgern (successio ministrorum) und die beständige Weitergabe der gleichbleibenden Botschaft (successio verbi). Ratzinger wendet sich gegen ein Mißverständnis, das die apostolische Sukzession in dem Bild einer Pipeline sieht, die einen konkreten Bischof mit einem konkreten Apostel verbindet, oder das die apostolische Sukzession auf eine formal richtige Kette von Handauflegungen reduziert. In der hochkirchlichen Bewegung ... gab und gibt es eine Strömung, in der sich Amtsträger mittels Handauflegung eine Ordination "beschafften von Bischöfen, die einen Handauflegungszusammenhang mit der katholischen Kirche nachweisen und damit eine formale Legitimität apostolischer Sukzession beanspruchen konnten. Das hat es mit sich gebracht, daß es heute eine Reihe von Amtsträgern mit einer, wenn man so sagen darf, apokryphen apostolischen Sukzession gibt." Ratzinger nennt dies eine Verengung des Sakraments "auf einen liturgisch-rechtlichen Formalismus" Er schreibt weiter: "Wo ... solche "hochkirchlichen" Weihen ohne ekklesiale Konsequenz gespendet oder empfangen wurden, wurde die Handauflegung in ihrem tiefsten Wesen verkannt: Sie drückt dann (unbeschadet der am Anfang stehenden positiven Beweggründe) einerseits liturgische Romantik, andererseits kanonistischen Tutiorismus aus. Man will eine formal gesicherte Legitimität und neigt einem archaisierenden liturgischen Typus (und oft auch ebenso einem archaisierenden dogmatischen Typus) zu, vollzieht das Ganze aber doch, ohne eine über den Ritus hinausgehende Korrektur des kirchlichen Zusammenhangs zu wagen." (Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre S. 258) Man könne sich nicht "gleichsam seinen privaten Kanal zu den Aposteln an der Gesamtkirche vorbei graben". In der Kirchenkonstitution des Vaticanum II wird erklärt, daß ein Amtsträger ein Bischof werde durch die Weihe und (!) die Eingliederung in das Bischofskollegium und damit die Gemeinschaft mit ihm (LG 22,1).
Gut gebrüllt, Löwe :)

Gruß
Stephen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Harald Klausnitzer hat geschrieben:In der Kirchenkonstitution des Vaticanum II wird erklärt, daß ein Amtsträger ein Bischof werde durch die Weihe und (!) die Eingliederung in das Bischofskollegium und damit die Gemeinschaft mit ihm
Das ist falsch. Nicht Bischof, sondern »Glied der Körperschaft der
Bischöfe
« werde man »durch die sakramentale Weihe und die
hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kolle-
giums«, sagt Lumen gentium 22 (Membrum Corporis episcopalis
aliquis constituitur vi sacramentalis consecrationis et hierarchica
communione cum Collegii Capite atque membris
).

Die zweifelhaften Weihen, um die es hier geht, halte ich ebenfalls
für ungültig. In den Fällen erschlichener Weihen ist der Fall ohne-
hin klar. Wenn der Spender gar nicht wußte, mit wem er’s zu tun
hatte, mangelt es darum bereits an der Materie. Es kommt kein
Sakrament zustande.

Handeln Weiherspender und Empfänger einvernehmlich und be-
zwecken sie nicht die Eingliederung des zu Weihenden in den Epi-
skopat, dann mangelt es jedenfalls an der Intention, so daß auch
kein Sakrament zustandekommt, die Weihe also unwirksam ist.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Das ist falsch. Nicht Bischof, sondern »Glied der Körperschaft der
Bischöfe
« werde man »durch die sakramentale Weihe und die
hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kolle-
giums«, sagt Lumen gentium 22 (Membrum Corporis episcopalis
aliquis constituitur vi sacramentalis consecrationis et hierarchica
communione cum Collegii Capite atque membris
).

Hallo Robert,

ich denke, Klausnitzer sieht das schon ganz richtig. Denn der Satz hat ja noch einen zweiten Teil. Zuvor stellt LG ja klar, daß das Bischofsamt per se ein Stand ist, der durch einen gemeinschaftlichen Charakter definiert ist. LG bezeichnet dies als "kollegiale Natur und Beschaffenheit des bischöflichen Standes" (... ordinis episcopalis indolem et rationem collegialem significant).

Wenn in der Folge LG davon spricht, wie man Mitglied der Gemeinschaft der Bischöfe wird (Membrum Corporis episcopalis), wird damit angegeben, wie man überhaupt Bischof wird, da ohne diese communio ein Bischofsamt gar nicht existiert.

Allerdings macht LG keine Aussage darüber, wie Weihen zu beurteilen sind, bei denen dieser kollegiale Aspekt fehlt. Man kann hier eigentlich eine Argumenation nur ex negativo führen.
Handeln Weiherspender und Empfänger einvernehmlich und be-
zwecken sie nicht die Eingliederung des zu Weihenden in den Epi-
skopat, dann mangelt es jedenfalls an der Intention, so daß auch
kein Sakrament zustandekommt, die Weihe also unwirksam ist.
Das ist schon schwieriger zu beurteilen. Was, wenn ein solcher Abenteurer einen Bischof findet, der ihn weihen will? Beide sind sich da in ihrer Intention vielleicht einig, aber wenn die Kirche fehlt, ist das trotzdem ungültig. Ich weiß nicht, wie es in der kath. Kirche üblich ist, aber bei angl. Weihen werden mindestens drei Bischöfe zur Weihe geholt, es nehmen aber soviele Teil wie irgend möglich, um genau diesen gemeinschaftlichen Charakter der Weihe zu bezeugen.

Sehr schön sieht man das hier:

Bild

Oder auch hier:
Bild

Oder auch hier:
The Making of a Bishop in the Church of England

Gruß
Stephen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das mit den Dreien qui collegium faciant gilt auch
bei Katholiken wie Orthodoxen.

Nur im Notfall (zum Beispiel in der Verfolgung)
darf davon abgewichen werden. Möglich sind dar-
um aber auch Weihen, die nur von einem Bischof
vollzogen werden.
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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Es geht um sogenannte "Vagenatenbischöfe". Das sind "Bischöfe", die sich entweder nach ihrer Weihe in dieses Amt von ihrer Kirche getrennt haben oder die niemals eine Kirche hatten, sich aber trotzdem auf mehr oder weniger seriöse Weise eine Weihe verschafft haben. So hat etwas der Engländer Arnold Harris Matthew sich die Bischofsweihe durch einen altkatholischen Bischof der Utrechter Union unter Vorlage gefälschter Dokumente erschlichen.
...
Einen guten Link gibt es hier: http://www.alt-katholisch.de/info/vagans.htm

Gruß
Stephen
Das Thema ist schwierig und kann nur mit Fingerspitzengefühl behandelt werden (so wie es etwa der renomierte Sektenpfarrer Haack in seinen Bühern zu diesemThema tat)

Zu Mathew erlaube ich mir, der Darstellung der Altkatholischen Kirche zu widersprechen: http://www.stmichael-online.de/mathew.htm
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

@Mellon

Nur verschweigt der Atikel da er schon die Leichensynode als Argument anführt, das diese durch Theodor II. und 898 durch die Synoden von Rom und Ravenna für ungültig erklärt wurden.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Das ist wahr und könnte noch eingearbeitet werden. Doch ging es eigentlich nur darum, aufzuzeigen, warum jemand auf die Idee kommen könnte, einem Toten seine Weihe abzusprechen ...
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Der Artikel ist in der Tat interessant und bietet eine Reihe von wichtigen Hintergrundinformationen. Allerdings beruht vieles doch auf schlichten Vermutungen. Da ich natürlich keine anderen Informationen habe, schon gar nicht greifbar und zugänglich, kann ich dazu im Detail nicht Stellung beziehen.

Ein paar Dinge erscheinen mir aber doch fragwürdig.

Zunächst: Der Artikel kann auch nicht klären, wie genau es zur Weihe von Matthew gekommen ist. Es mag gut sein, daß die Altkatholische Kirche von Utrecht Matthew für ein Bischofsamt in England vorgesehen hatte. Dabei scheinen aber doch falsche Informationen vorgelegen zu haben über das Ausmaß einer zu gründenden Kirche in England. Ganz gleich, wer da wen getäuscht hat (O'Halloran oder Matthew): Es ist wohl nicht davon auszugehen, daß sich die Utrechter Bischöfe nur auf mündliche Informationen verlassen haben. Wenn die gefälschten Dokumente auch nicht von Matthew selber gekommen sein mögen, so scheint mir doch bei einer Weihe aufgrund gefälschter Dokumente oder falscher Informationen die Voraussetzung *mala fide* gegeben zu sein.

Daß die altkatholische Kirchenleitung Matthew im Guardian in Schutz nahm, scheint darauf hinzudeuten, daß O'Halloran der Hauptübeltäter war. Es beweist allerdings nicht, daß die Bischöfe bereits zum Zeitpunkt der Weihe wußten, daß die Voraussetzungen nicht gegeben waren, die man ihnen vorgespielt hatte.

Daß eine Lambeth Conference bereits im Jahr 1908 sich mit der Thematik befaßt, ist wohl als ausgesprochen unwahrscheinlich anzusehen. Zur Erinnerung: Die Lambeth Conference ist die internationale anglikanische Bischofskonferenz, die alle zehn Jahre tagt. Heute gehören zu ihr über 700 Bischöfe, damals waren es vielleicht 200 oder 300, ich weiß es nicht. Aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß sich eine solche hochkarätige internationale Konferenz mit der Weihe eines entsprungenen anglikanischen Priesters außerhalb ihrer eigenen Kirchengemeinschaft beschäftigt.

Ebenso ist nicht offensichtlich, warum die anglikanischen Bischöfe über diesen Vorgang im Detail hätten informiert sein sollen. Gesetzt den Fall, es gab eine größere Gruppe ehemals katholischer und anglikanischer Priester, die mit der Gründung einer altkatholischen Kirche in England geliebäugelt haben, werden sie diese Bestrebungen vor ihren Bischöfen sicher geheimgehalten haben. Insofern ist durchaus möglich, daß die Anglikaner nicht wußten, was da gespielt wird und entsprechend auch nicht die Altkatholiken hätten warnen können.

Die Frage, warum die Weihe von Matthew erst im Jahr nach seinem Tod, also im Jahr 1920, offiziell für ungültig erklärt wurde, mag man mit einer Entspannung des Verhältnisses von Anglikanern und Altkatholiken erklären. Das hat Argumente für sich. Allerdings erscheint mir eine andere Erklärung viel einleuchtender: Das Problem war nicht eine Geschichtsbereinigung zwischen beiden Kirchen, das Problem waren die Handlungen Matthews selbst. Der hatte sich 1910 (woanders finde ich das Datum 1911) von der altkatholischen Kirche losgesagt (die ihn nur drei Jahre zuvor zum Bischof geweiht hatte). In den Jahren zwischen 1911 und 1919 ist der Mann in der Weltgeschichte herumgereist und hat scheinbar wahllos jeden geweiht, der eine Weihe haben wollte.

Das Problem scheint mir also nicht der Akt von 1908 allein gewesen zu sein. Den hätten die Anglikaner und die Altkatholiken vielleicht noch unter den Tisch fallen lassen können, denn aus der Gründung einer altkatholischen Kirche in England war ja nichts geworden, der Zweck der Weihe nicht erfüllt und damit war sie letztlich für die Anglikaner bedeutungslos. Das Problem waren die unabsehbaren Folgen. Man hatte also nicht nur einem Abenteurer eine Bischofsweihe gespendet, sondern sah sich nun mit dem Problem konfrontiert, daß überall andere Bischöfe und Priester unterwegs waren, die wiederum ihre Weihen auf ihn zurückführten. Dies konnte ja erst im Laufe der Jahre offenbar werden. Und an diesem Punkt galt es klar zu stellen, daß diese Weihen nicht anerkannt werden konnten. Matthew handelte nicht im Auftrag einer Kirche (außer seine eigenen). Daher mußte man entweder alle von ihm gespendeten Weihen für ungültig erklären oder die Weihe von Matthew selbst einer genaueren Revision unterziehen.

Das führt mich auch zum letzten Punkt: In den Indizien, auf denen der Aufsatz fußt, fehlt nämlich imho das zentrale und wichtigste Indiz: Der Charakter von Matthew selbst. Er erscheint darin quasi als das ahnungslose Opfer und als Spielball im kirchenpolitischen Ränkespiel zwischen Anglikanern und Altkatholiken. Das halte ich zwar nicht für ausgeschlossen, aber letztlich für unwahrscheinlich.

Ich habe hier mal die Kurzbiographie Matthews von einer evangelisch-hochkirchlichen Seite kopiert:
GERARD GUL konsekriert am 28. April 1908 unter Assistenz der drei altkatholischen Bischöfe van Thiel (Harlem/Holland), Spit (Deventer/Holland) und Demmel (Bonn/Deutschland) in der St. Gertrudis-Kathedrale zu Utrecht

ARNOLD HARRIS MATTHEW

zum altkatholischen Bischof für England. Matthew stammte aus altirischem Adel. Sein Vater war Offizier (III. Earl of Landaf). Matthew studierte anglikanische Theologie, promovierte, war dann römisch-katholischer, dann anglikanischer Priester. Im letzten Grunde immer katholisch, suchte er nach der rechten Kirchengestalt. So wurde er altkatholischer Bischof, nahm als solcher an mehreren Konsekrationen teil, beteiligte sich am Altkatholikenkongreß in Wien 1909. Als er jedoch unkatholisch-liberalistische Züge in dieser altkatholischen Kirche zu entdecken meinte, brach er 1911 diese Verbindung ab, benannte sein Bistum zunächst orthodox, dann jedoch altrömisch-katholisch. Der Name wurde beibehalten. Er ist heute in Großbritannien, USA und auch in Deutschland vertreten. Matthew weihte 13 Geistliche zu Bischöfen, darunter einen päpstlichen Hausprälaten und einen Apostolischen Protonotar. Nicht nur für seine eigene Kirche weihte er viele Priester. Er soll etwa 400 anglikanische Geistliche unter Verbleib in ihrer Kirche zu Priestern geweiht haben, um sie von ihren Weihegültigkeitszweifeln zu befreien. Sein Versuch einer Union mit Rom mißlang. Mit dem orthodoxen Erzbischof von Beirut kam eine Union zustande, die dann aber doch von dem Patriarchen von Antiochien bald rückgängig gemacht wurde. 65jährig ging Matthew 1917 in den Ruhestand, trat persönlich der römischen Kirche bei. Trotzdem vollzog er auch danach noch Weihen von Bischöfen zur Sicherung seines Werkes. Er starb 1919.
Ich denke, das spricht für sich. Für eine solche Person ist das Wort "Abenteuerer", das die altkatholische Kirche gebraucht, noch recht milde gewählt.


Gruß
Stephen

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

In der Tat: viele Vermutungen oder besser: Deutungen aufgrund der Fakten. Aber wie will man da etwas beweisen? An die Archive in Utrecht komme ich nicht heran ...

Mathew war gewiß eine tragische Gestalt, ein gescheiterter, wahrhaft zwischen den Kirchen „umherschweifender Bischof“.
Sein Charakter mag problematisch gewesen sein. Aber ein „schwieriger Charakter“ reicht nicht als Begründung dafür, nachträglich die Gültigkeit einer Weihe zu bestreiten. Haack, der in der „freibischöflichen Szene“ zwischen Spreu und Weizen unterscheidet, schreibt:

Die Frage nach der persönlichen Würdigkeit“ des Weihenden und des Weihekandidaten zu stellen, dürfte sich kaum als Mittel der Scheidung von „Spreu und Weizen“ anbieten. Nicht wenige Bischöfe und Kleriker der Kirchen des apostolischen Kirchentums dürften dann „auf die Tenne fallen“ Das kann auch ein nur flüchtiger Blick in die Kirchengeschichte lehren.“
(Haack: Die Freibischöflichen Kirchen im deutschsprachigen Raum. Seite V)

„Kein vernünftiger Mensch beurteilt den Baum nach dem Fallobst.“ (Kard. Faulhaber) (…womit ich Mathew allerdings keinesfalls als „Fallobst“ bezeichnet haben möchte.)

Ob Mathew Opfer oder Täter war oder beides zugleich sei erst einmal dahingestellt. Doch sind die Verantwortlichen der damaligen altkatholischen Kirche nicht so unschuldig, wie sie es dann später darstellten. Man wird ihnen mindestens Leichtfertigkeit vorwerfen können. Sie hätten sorgfältiger prüften sollen: nicht nur Dokumente, sondern auch die Lage vor Ort in England und die Leute, mit denen sie es zu tun hatten. Wie abenteuerlich der „Abenteurer“ Mathew auch immer gewesen sein mag: „abenteuerlich“ scheint auch das Handeln der Utrechter im Weihejahre 1908 zu sein.

Daß die Lambethkonferenz von 1908 sich mit der Angelegenheit befaßt hat, schreibt Küry in seinem Buch.

Die englischen altkatholischen Gruppen um ehemalige römisch-katholische oder anglikanische Priester hatten sich schon von ihren ehemaligen Bischöfen getrennt. Da sie keine Bischöfe (mehr) hatten, brauchten sie vor ihren Bischöfen auch nichts geheimhalten.
Der ehemalige römisch-katholische Priester O'Halloran hatte sich schon 1902 in Utrecht um eine Weihe bemüht. Die Utrechter prüften eingehend und holte unter anderem auch Auskünfte bei den anglikanischen Bischöfen ein. Eine Konsekration von O'Halloran wurde daamals abgelehnt.
Mathew hatte seine bevorstehende Weihe dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury angezeigt. Der war darüber natürlich nicht erfreut. Die Lambethkonferenz von 1908 mißbilligte (disapproved) diese Weihe. Am 22. Februar 1909 schrieb der Erzbischof an den Herausgeber des „Guardian“, daß kein Bedarf an einer altkatholischen Bewegung in England bestünde, denn es gäbe ja die anglikanische Kirche.

Daß Mathew scheinbar unbedenklich Leute weihte, ist gewiß ein Problem. Daß den Anglikanern und Altkatholiken die von Mathew Geweihten nicht paßten, ist mehr als wahrscheinlich. Ob man aber das Problem dadurch aus die Welt schaffen kann, daß man kurzerhand Mathews Weihe für ungültig erklärt und damit sozusagen nachträglich die Quelle verstopft?
Ich kann mich täuschen, aber mir scheint, daß es auch Überlegungen gegeben hat, sich auf diese Weise zum Beispiel des „Problems“ der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu entledigen. Ich fand in einer Darstellung zu diesem Thema folgende Passage:

„Nach den Aussagen des Zweiten Vatikanum (LG) kann eine Bischofsweihe nicht gültig sein, wenn sie "nicht gegen die hierarchische Ordnung" vorgenommen wird, wenn also wenn der Konsekrierende keine Einheit mehr mit dem Papst und dem Bischofskollegium unterhält (Beispiel Lefebvre).“
(Gasper / Müller / Valentin: Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen. Herder; Sp. 218)

Der Nachsatz „(Beispiel Lefebvre)“ Ist erstaunlich. Es ist ja eigentlich bestechend einfach: Wenn die vier Weihbischöfe der vorgenannten Priesterbruderschaft gar keine gültig geweihten Bischöfe sind, kann die Priesterbruderschaft sozusagen „einpacken“. Ich glaube nicht, daß diese Überlegungen ausgereift sind und man das wirklich so durchzieht. Vor allem will ich jetzt keine Diskussion über Marcel Lefebvre und das 2. Vatikanische Lumen Gentium „lostreten“. Mir geht es jetzt nur darum, zu zeigen, daß die Versuchung, sich unliebsame Bischöfe dadurch vom Hals zu schaffen, daß man ihre Weihe für ungültig erklärt, nicht nur für die damalige altkatholische Kirche sehr groß zu sein scheint.

Das Problem der von Haack so genannten „Freibischöfe“ steht und fällt allerdings nicht mit Mathew.
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Mellon hat geschrieben: Ob Mathew Opfer oder Täter war oder beides zugleich sei erst einmal dahingestellt. Doch sind die Verantwortlichen der damaligen altkatholischen Kirche nicht so unschuldig, wie sie es dann später darstellten. Man wird ihnen mindestens Leichtfertigkeit vorwerfen können. Sie hätten sorgfältiger prüften sollen: nicht nur Dokumente, sondern auch die Lage vor Ort in England und die Leute, mit denen sie es zu tun hatten. Wie abenteuerlich der „Abenteurer“ Mathew auch immer gewesen sein mag: „abenteuerlich“ scheint auch das Handeln der Utrechter im Weihejahre 1908 zu sein.
Das mag durchaus sein. Mir scheint auch die Politik der Altkatholiken an dieser Stelle äußerst unklar und unentschieden gewesen zu sein.
Daß die Lambethkonferenz von 1908 sich mit der Angelegenheit befaßt hat, schreibt Küry in seinem Buch.

Die englischen altkatholischen Gruppen um ehemalige römisch-katholische oder anglikanische Priester hatten sich schon von ihren ehemaligen Bischöfen getrennt. Da sie keine Bischöfe (mehr) hatten, brauchten sie vor ihren Bischöfen auch nichts geheimhalten.
Der ehemalige römisch-katholische Priester O'Halloran hatte sich schon 1902 in Utrecht um eine Weihe bemüht. Die Utrechter prüften eingehend und holte unter anderem auch Auskünfte bei den anglikanischen Bischöfen ein. Eine Konsekration von O'Halloran wurde daamals abgelehnt.
Mathew hatte seine bevorstehende Weihe dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury angezeigt. Der war darüber natürlich nicht erfreut. Die Lambethkonferenz von 1908 mißbilligte (disapproved) diese Weihe. Am 22. Februar 1909 schrieb der Erzbischof an den Herausgeber des „Guardian“, daß kein Bedarf an einer altkatholischen Bewegung in England bestünde, denn es gäbe ja die anglikanische Kirche.
Interessante Information!

Zur Gültigkeit der Weihe möchte ich noch folgendes anmerken. Anglikaner neigen nicht so sehr dazu, über "Gültigkeiten" zu urteilen. Ich sehe es eher von der Frage her, ob man einen auf diese Weise "zweifelhaft" geweihten Bischof in die Hierarchie der eigenen Kirchen übernehmen könnte, ohne ihn neu zu weihen (und sei es sub conditione). Bei Bischöfen aus der katholischen, altkatholischen und orthodoxen Hierarchie besteht da bei uns kein Zweifel, die werden nicht neu geweiht. Bei einer Person wie Matthew (wie schreibt man den denn nun richtig? Ich finde dauernd beide Schreibweisen ...) wären da Zweifel angebracht. Das sollte jedoch nicht heißen, daß alle von ihm vollzogenen Amtshandlungen automatisch ungültig und wertlos sind.
„Nach den Aussagen des Zweiten Vatikanum (LG) kann eine Bischofsweihe nicht gültig sein, wenn sie "nicht gegen die hierarchische Ordnung" vorgenommen wird, wenn also wenn der Konsekrierende keine Einheit mehr mit dem Papst und dem Bischofskollegium unterhält (Beispiel Lefebvre).“
Ist das richtig zitiert? Ich lese da ein *nicht* zuviel.

Gruß
Steve

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Darauf deutet aber auch schon der früh eingeführte Brauch hin, mehrere Bischöfe zur Teilnahme an der Erhebung eines Neuerwählten zum hohenpriesterlichen Dienstamt beizuziehen. Glied der Körperschaft der Bischöfe wird man durch die sakramentale Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums. Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen.
Könnte man so auslegen wenn man die Satzerl alleine liest, wenn man man das drumherum liest geht es hier aber um die kollegiale Gewalt der Bischöfe über die (Gesamt)Kirche und nicht um die rechtmässigkeit der Weihe. Dafür spricht auch das othodoxe und altkatholische Bischofsweihen von Rom anerkannt sind.

So heists vorher
"..die uralte Disziplin, daß die auf dem ganzen Erdkreis bestellten Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens Gemeinschaft hielten, desgleichen das Zusammentreten von Konzilien zur gemeinsamen Regelung gerade der wichtigeren Angelegenheiten in einem durch die Überlegung vieler abgewogenen Spruchweisen auf die kollegiale Natur und Beschaffenheit des Episkopates hin."
und nachher
Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. Die Ordnung der Bischöfe aber, die dem Kollegium der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nachfolgt, ja, in welcher die Körperschaft der Apostel immerfort weiter besteht, ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche.
Also es geht hier nicht um die Gültigkeit der Weihe sondern um die Gewalt über die Kirche.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
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ottaviani
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Beitrag von ottaviani »

das ist ja auch der grund warum erzbischof levebfre "Weihbischöfe" konsekriert hat es ging darum die Sakramentenspendung aunfrecht zu erhalten es wird auch in der bruderschaft streng darauf geachtet daß alle 4 bischöfe in der gesammten welt tätig sind so daß jeder bischof hätte ein bestimmtes gebiet

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
„Nach den Aussagen des Zweiten Vatikanum (LG) kann eine Bischofsweihe nicht gültig sein, wenn sie "nicht gegen die hierarchische Ordnung" vorgenommen wird, wenn also wenn der Konsekrierende keine Einheit mehr mit dem Papst und dem Bischofskollegium unterhält (Beispiel Lefebvre).“
Ist das richtig zitiert? Ich lese da ein *nicht* zuviel.

Gruß
Steve
Wie peinlich: Ich habe sinnentstellend zitiert. Vor einiger Zeit fand ich diese Aussage auf einer Internetseite der Diözese Eisenstadt und übernahm sie gestern (oder heute?) von dort. Dann habe ich es aber so ähnlich doch noch in einem meiner Bücher noch gefunden und leiber dieses Zitat genommen. Da sind mir wohl beide Zitate durcheinander gekommen. War wohl doch schon ein bißchen spät :/
Man möge mir verzeihen ...

Jetzt aber richtig das Zitat aus dem Buch:

„Nach dem Zweiten Vatikanum (LG) kann eine Bischofsweihe nicht gültig sein, wenn sie gegen "die hierarchische Ordnung" vorgenommen wird, wenn also der Konsekrierende keine Einheit mehr mit Papst und Bischofskollegium unterhält (Beispiel Lefebvre).“

Das ist ja immerhin sehr vorsichtig formuliert: "... kann ungültig sein ..."

Der Name lautet richtig Arnold Harris Mathew.
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Linus hat geschrieben: also war die Weihe ja noch in Ordnung, lediglich das danach war etwas zweifelhaft (ähnlich wie bei Milingo
Milingo weiht offenbar auch fleißig Bischöfe (verheiratete!). Romancatholicblog vermutet nun, daß Milingo geisteskrank sei. Wenn das stimmt, können die Weihen dann immer noch gültig sein?
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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