Kirche und Civitas

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overkott
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Kirche und Civitas

Beitrag von overkott »

Wer sich mit der Entwicklung der Theologie von der Kirche beschäftigt, kommt um Augustinus und sein Gottesbürgertum nicht drum herum.

Augustinus denkt nicht immanent und identitär. Gottesbürgertum ist für ihn nicht ein Gottesstaat, sondern das Miteinander von Kirche und Civitas.

Dabei nimmt die Kirche unter neuplatonischem Einfluss Formen einer christlichen Politeia an mit dem Papst als dem Theologen auf dem Stuhl Petri und vernünftigen Bischöfen und Priestern, deren besondere Tugend christliche Weisheit ist.

Bei den niederen Schichten in der Kirche sind Emotionalität und Begehrlichkeit stärker ausgeprägt, weshalb für sie der Zölibat nicht in Frage kommt; ihre Tugenden sind Mut und Mäßigung.

In dieser neuplatonischen Tradition mit der Suche nach christlicher Weisheit steht auch der intellektuelle Bonaventura, der über das Studium zu den Franziskanern fand.

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Maya
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Beitrag von Maya »

Was bedeutet in diesem Zusammenhang "neuplatonisch"?

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overkott
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Beitrag von overkott »

Maya hat geschrieben:Was bedeutet in diesem Zusammenhang "neuplatonisch"?
Die christlichen Theologen haben nur ausgewählte Ideen von Platon aufgegriffen.

Peter47
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Re: Kirche und Civitas

Beitrag von Peter47 »

overkott hat geschrieben:.... mit dem Papst als dem Theologen auf dem Stuhl Petri und vernünftigen Bischöfen und Priestern, deren besondere Tugend christliche Weisheit ist.
Bei den niederen Schichten in der Kirche sind Emotionalität und Begehrlichkeit stärker ausgeprägt, weshalb für sie der Zölibat nicht in Frage kommt; ....
Ein Beitrag zur fünften Jahreszeit?
Ein hoher Pegel an Sexualhormonen ist der Weisheit nicht förderlich!

Kreuzgang Alaaf

PS. Eine Alternative zum Zölibat ist das "System VW"! Vor der Vorstandssitzung alle in den Puff! Dann hann se dat schonn mool us em Kopp!

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overkott
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Re: Kirche und Civitas

Beitrag von overkott »

Peter47 hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:.... mit dem Papst als dem Theologen auf dem Stuhl Petri und vernünftigen Bischöfen und Priestern, deren besondere Tugend christliche Weisheit ist.
Bei den niederen Schichten in der Kirche sind Emotionalität und Begehrlichkeit stärker ausgeprägt, weshalb für sie der Zölibat nicht in Frage kommt; ....
Ein Beitrag zur fünften Jahreszeit?
Ein hoher Pegel an Sexualhormonen ist der Weisheit nicht förderlich!

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Peter47
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Beitrag von Peter47 »

Guten Abend, Overkott,
das Thema verdient es wirklich ernst genommen zu werden.
Ich hoffe, die gelehrten Christen haben hierzu Aktuelleres zu sagen als Augustinus.
Wenn morgen jemand fragen würde, wie soll eine christliche Verfassung für dieses Deutschland, für die europäische Union
in diesem Jahrhundert aussehen, kann man dann eine aus der Schublade nehmen?
Ein vollständiger Vorschlag, nicht nur Diskussionsbeiträge?
Oder ist die Verfassung des Vatikanstaates das Modernste, was die Kirche hier anbieten kann?

fragt ernsthaft
Peter

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Linus
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Beitrag von Linus »

Peter47 hat geschrieben:Oder ist die Verfassung des Vatikanstaates das Modernste, was die Kirche hier anbieten kann?

fragt ernsthaft
Peter
Das soll ich dir Abnehmen, hast du Augustinus und Thomas Morus (Utopia) gelesen? Ich bestreite deine Ernsthaftigkeit der Fragestellung die Verfassung des Staates der Vatikanstadt ist da was ganz was anderes.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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overkott
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Beitrag von overkott »

Peter47 hat geschrieben:Guten Abend, Overkott,
das Thema verdient es wirklich ernst genommen zu werden.
Ich hoffe, die gelehrten Christen haben hierzu Aktuelleres zu sagen als Augustinus.
Wenn morgen jemand fragen würde, wie soll eine christliche Verfassung für dieses Deutschland, für die europäische Union
in diesem Jahrhundert aussehen, kann man dann eine aus der Schublade nehmen?
Ein vollständiger Vorschlag, nicht nur Diskussionsbeiträge?
Oder ist die Verfassung des Vatikanstaates das Modernste, was die Kirche hier anbieten kann?

fragt ernsthaft
Peter
Das Gottesbürgertum und die Civitas sind keine Verdoppelungen, sondern zwei verschiedene Dinge.

Das Bekenntnis in der Präamel jeder Verfassung zur Freiheit und Verantwortung vor Gott ist gleichsam eine Absage an den absoluten Staat, der sich Gott gleichsetzt.

Peter47
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Beitrag von Peter47 »

Linus hat geschrieben:... , hast du Augustinus und Thomas Morus (Utopia) gelesen? Ich bestreite deine Ernsthaftigkeit der Fragestellung .....
:shock:
Nach Thomas Morus gibt es neuere Gedanken zur staatlichen Verfassung. weniger utopisch ...
Gibt es so was wie Utopia unter Berücksichtigung der Aufklärung? Bitte Literaturvorschlag.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Peter47 hat geschrieben:
Linus hat geschrieben:... , hast du Augustinus und Thomas Morus (Utopia) gelesen? Ich bestreite deine Ernsthaftigkeit der Fragestellung .....
:shock:
Nach Thomas Morus gibt es neuere Gedanken zur staatlichen Verfassung. weniger utopisch ...
Gibt es so was wie Utopia unter Berücksichtigung der Aufklärung? Bitte Literaturvorschlag.
Christliches Staatsdenken von Jesus Christus über Augustinus, Bonaventura, Thomas Morus bis heute ist gekennzeichnet durch eine Differenzierung zwischen überweltlicher Gottesherrschaft und weltlicher Herrschaft.

Wo Gottesherrschaft als Himmel auf Erden und Einheit von Kirche und Staat gedacht wird, hat dies die Kirche stets als unchristlich verworfen.

Der heilige Thomas Morus hat mit Utopia Literatur geschrieben, die als Zeitkritik und nicht als Verfassungsentwurf zu verstehen war.

Christliches Verfassungsdenken der Neuzeit ist geprägt von Freiheit und Verantwortung vor Gott, von der Einschränkung staatlicher Macht durch Menschenrechte und Gewaltenteilung, von Parlamentarismus und Demokratie.

Daneben gab es ideologische Versuche, die Vernunft und die weltliche Herrschaft zu verabsolutieren mit der Verheißung innerweltlicher Paradieszustände.

Letztlich waren solche Versuche nicht nur unchristlich, sondern auch eine Pervertierung der Aufklärung.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Overkott hat geschrieben:Wer sich mit der Entwicklung der Theologie von der Kirche beschäftigt, kommt um Augustinus und sein Gottesbürgertum nicht drum herum.

Augustinus denkt nicht immanent und identitär. Gottesbürgertum ist für ihn nicht ein Gottesstaat, sondern das Miteinander von Kirche und Civitas.

Dabei nimmt die Kirche unter neuplatonischem Einfluss Formen einer christlichen Politeia an mit dem Papst als dem Theologen auf dem Stuhl Petri und vernünftigen Bischöfen und Priestern, deren besondere Tugend christliche Weisheit ist.

Bei den niederen Schichten in der Kirche sind Emotionalität und Begehrlichkeit stärker ausgeprägt, weshalb für sie der Zölibat nicht in Frage kommt; ihre Tugenden sind Mut und Mäßigung.

In dieser neuplatonischen Tradition mit der Suche nach christlicher Weisheit steht auch der Intellektuelle Bonaventura, der über das Studium zu den Franziskanern fand.
Richtig, die augustinische civitas Dei ist kein „Gottesstaat“ im Sinne eines religiösen Idealstaats. Zugleich aber ganz falsch: Augustin meint mit dem Begriff der civitas Dei keineswegs ein »Miteinander von Kirche und ‹irdischer› Civitas«.

Ganz anders: Es geht um den seinshaften Gegensatz von civitas Dei – das ist die Kirche – und civitas terrena oder civitas diaboli – „irdischem“ oder „Teufelsstaat“ –, dessen Sphäre jeder irdische Staat angehört, auch der religiöseste, auch der christlichste.

Der „Weltstaat“, das ist Babylon – gedeutet als confusio („Verwirrung“) –, die Summe aller in immerwährendem Gegeneinander stehenden irdischen Staatsgebilde. Sein Gegenbild ist das Sakrament des Heils, Jerusalem, geprägt von Einheit und wahrem Frieden, die Kirche und das Himmelreich.

Die augustinische Staatslehre für irgendeine innerweltliche Heilslehre in Anspruch zu nehmen, die Hoffnung auf Rettung in irdische Staatswesen setzt, ist grober Mißbrauch. Vergleich zum Thema meine Abhandlung »Zur Geschichtstheologie Augustins«.

Ferner folgende Anmerkungen zu einzelnen Punkten:

(a) „Neuplatonischen Einfluß“ hat man insbesondere unter hegelschem Einfluß im 19. Jht. im angeblichen doppelten Kirchenbegriff Augustins sehen wollen, der (platonisch-)ideale überzeitliche Gemeinschaft und konkrete, „sichtbare“ Kirche unterscheide. Das ist Unsinn und grundfalsch. Diese Auffassung projiziert lediglich das gnostisch-hegelsche Denken ihrer Vertreter ins ganz andersartige Denken Augustins, der die Kirche gerade nicht ideal-platonisch versteht, sondern sakramental, und in ihrer Sakramentalität die Einheit, ja: die Identität konkreter, „sichtbarer“ Kirche und überzeitlicher Kirche wahrt. Nirgendwo sonst bei Augustin ist platonisches Denken so stark zurückgedrängt wie gerade in der wesenhaft sakramentalen civitas-Lehre.

(b) Von »Formen einer christlichen Politeia« ist folglich bei Augustin überhaupt nicht zu reden. Noch einmal: Auch die von Christen geführte und bestimmte politeia ist nicht bloß mangelbehaftet, sondern wesenhaft ungenügend. Steht unter dem Gesetz der Sünde, in der Knechtschaft des Fürsten dieser Welt, und ist als Teil der civitas diaboli dem Untergang geweiht

(c) Der »Papst« spielt in Augustins civitas-Lehre weder »als [Theologe] auf dem Stuhl Petri« noch sonst irgendeine Rolle, noch ist er für Augustin ekklesiologisch von irgendeiner die übrigen Bischöfe übersteigenden Bedeutung.

Meine Herren. Es ist wirklich zum Mäusemelken, wie immer wieder dem armen Augustin geistiger Hegelschrott untergeschoben wird. Und erst recht unerträglich wird’s, wenn einer nach dem andern das ernst nimmt und ernsthaft darauf antwortet. Der eine meint, er müsse dem angeblichen „Augustin“ widersprechen, weil’s unmodern sei, der nächste nimmt als braver Gläubiger diesen Pseudaugustin in Schutz, weil’s nun mal ein Kirchenvater ist, und darum muß ja richtig sein, wo Augustin draufsteht. – In Wahrheit, Leute: – Augen auf! Hirn anschmeißen! – war’s Hegelschrott von Overkott.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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overkott
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Beitrag von overkott »

Lieber Robert, du überziehst.

Du lässt dich grundlos zu Emotionen hinreißen.

Du führst Hegel in die Diskussion ein.

Aber hier geht es gar nicht um Hegel.

Du führst die sakramentale Struktur der Kirche ein.

Aber hier es noch gar nicht um die sakramentale Struktur.

Hier geht es zunächst einmal um die äußere Struktur der Kirche.

Und sie nimmt tatsächlich Formen einer christlichen Politeia an.

Von Bedeutung wird darin die Suche nach christlicher Weisheit.

Diese Entwicklung können wir versuchen, von Augustinus bis Bonaventura nachzuzeichnen.

Gerne kannst du in diesem Rahmen Augustinus' Gottesbürgerschaft differenzierter darstellen.

Aber versuche es einmal ohne Schaum vor dem Mund.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:Lieber Robert, du überziehst.
Den Verdacht hatte ich eben auch, als ich nachträglich noch
deinen letzten Beitrag auf der vorigen Seite las. Aber jetzt muß
ich erst mal schnell meinem Weibe unter die Arme greifen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nach nochmaliger Durchsicht muß ich meine Einwände der Sache
nach allerdings aufrechterhalten. Ich halte dir zugute, daß du Ver-
suche, pseudoreligiöse Erwartungen eines „Himmels auf Erden“
und derlei innerweltliche Heilslehren zurückweist. Das macht die
Inanspruchnahme Augustins für deine eigenen staatspolitischen
Vorstellungen aber nicht besser.

Augustins civitas-Begriff meint ganz was anderes. Wenn du die
πολιτεῖα heranziehen möchtest, müßtest du, um Augustin wieder-
zugeben, von der πολιτεῖα ἡ τοῦ Θεοῦ reden. Der Begriff einer
civitas christiana verfehlt das von Augustin Gemeinte meilenweit.

Das heißt nicht, daß notwendig falsch sei, was dir vorschwebt. Viel-
leicht ist es ja, anders als ich wähnte, nicht einmal hegelisch ange-
haucht. Aber dann entwickle deine Vorstellung besser erst einmal
ohne Rückgriff auf Augustin oder wen auch immer. Zur Kritik und
zur Überprüfung der Fundierung bei dieser oder jener Autorität ist
dann immer noch Zeit.
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Maya
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Beitrag von Maya »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:... Augustins, der die Kirche gerade nicht ideal-platonisch versteht, sondern sakramental, und in ihrer Sakramentalität die Einheit, ja: die Identität konkreter, „sichtbarer“ Kirche und überzeitlicher Kirche wahrt. Nirgendwo sonst bei Augustin ist platonisches Denken so stark zurückgedrängt wie gerade in der wesenhaft sakramentalen civitas-Lehre.

(b) Von »Formen einer christlichen Politeia« ist folglich bei Augustin überhaupt nicht zu reden. Noch einmal: Auch die von Christen geführte und bestimmte politeia ist nicht bloß mangelbehaftet, sondern wesenhaft ungenügend. Steht unter dem Gesetz der Sünde, in der Knechtschaft des Fürsten dieser Welt, und ist als Teil der civitas diaboli dem Untergang geweiht...
Wenn Augustinus die Identität zwischen "sichtbarer" und überzeitlicher Kirche" wahrt, bedeutet dies doch, dass auch die sichtbaren Strukturen (ich nenne sie nun hier "Politea") "sakramental durchwirkt" sind - wie können sie (Kirchenstaat als Extrembeispiel) dann "wesenhaft ungenügend" sein?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Die irdischen civitates oder πολιτεῖαι bilden auf gewisse Weise ebenso wie die civitas Dei eine überzeitliche „Gemeinschaft“ – nur daß deren Kennzeichen gerade die Nicht-Gemeinschaft ist, die Zerteilung, die Verwirrung, gemäß ihrem Urbild Babylon als Gegenbild zu Jerusalem, zur Kirche.

Die irdischen Staaten sind nicht heilbar oder rettbar, sondern sie stehen unter der Herrschaft des Fürsten dieser Welt, deren Gestalt vergehen wird. Das gilt natürlich auch vom „Kirchenstaat“. Auch er gehört der Sphäre Satans an.
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Maya
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Kraft eines Sakramentes

Beitrag von Maya »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
... nur daß deren Kennzeichen gerade die Nicht-Gemeinschaft ist, die Zerteilung, die Verwirrung, gemäß ihrem Urbild Babylon als Gegenbild zu Jerusalem, zur Kirche.

Die irdischen Staaten sind nicht heilbar oder rettbar, sondern sie stehen unter der Herrschaft des Fürsten dieser Welt, deren Gestalt vergehen wird. Das gilt natürlich auch vom „Kirchenstaat“. Auch er gehört der Sphäre Satans an.
O.a. Identität ist also Gemeinschaft mit dem Kennzeichen der Nichtgemeinschaft? Das ist sprachlich zwar möglich, - inhaltlich ist das für mich sehr schwer nachvollziehbar.

(persönliche Anmerkung:Wenn Staaten so problematische Gebilde sind "verführt" die Radikalität der Interpretation o.a. Gedankens zu Hoffnungslosigkeit und Fatalismus, ich denke jede Gemeinschaft hat die Fähigkeit und Verpflichtung sich zu bemühen an den eigenen Schwächen zu arbeiten, denn "wer arbeitet verdient Lohn".)

lg

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overkott
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Beitrag von overkott »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:ins ganz andersartige Denken Augustins, der die Kirche gerade nicht ideal-platonisch versteht, sondern sakramental, und in ihrer Sakramentalität die Einheit, ja: die Identität konkreter, „sichtbarer“ Kirche und überzeitlicher Kirche wahrt. Nirgendwo sonst bei Augustin ist platonisches Denken so stark zurückgedrängt wie gerade in der wesenhaft sakramentalen civitas-Lehre.
Sicher hat der heilige Augustinus Platon in Buch 8 Kapitel 4 positiv gewürdigt und kommt in Buch 14 Kapitel 28 zur Sache.

Darin beschreibt er die himmlische Bürgerschaft als sichtbare und sakramentale Kirche, in der Weisheit und Frömmigkeit eins sind.

Von daher kann man zurecht sagen, dass Augustinus in der Kirche eine christliche politeia sieht.

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Maya
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Beitrag von Maya »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: ... der die Kirche gerade nicht ideal-platonisch versteht, sondern sakramental, und in ihrer Sakramentalität die Einheit, ja: die Identität konkreter, „sichtbarer“ Kirche und überzeitlicher Kirche wahrt. Nirgendwo sonst bei Augustin ist platonisches Denken so stark zurückgedrängt wie gerade in der wesenhaft sakramentalen civitas-Lehre. ...
Ich versehe das so: gerade dass Augustinus die Einheit (himmlisch; irdisch) "anerkennt" bedeutet, dass in diesem Punkt "platonisches Denken" nicht (nur zurückgedrängt) "stattfindet" und nicht umgekehrt (wird nicht gerade Verwirrung/Zerteilung (Babylon - als irdische civitas) usw., also Leid im Sakrament zur Verbindung zur himmlischen Kirche? - und gerade dieses Denken gibt es bei Platon nicht)

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overkott
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Beitrag von overkott »

Maya hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben: ... der die Kirche gerade nicht ideal-platonisch versteht, sondern sakramental, und in ihrer Sakramentalität die Einheit, ja: die Identität konkreter, „sichtbarer“ Kirche und überzeitlicher Kirche wahrt. Nirgendwo sonst bei Augustin ist platonisches Denken so stark zurückgedrängt wie gerade in der wesenhaft sakramentalen civitas-Lehre. ...
Ich versehe das so: gerade dass Augustinus die Einheit (himmlisch; irdisch) "anerkennt" bedeutet, dass in diesem Punkt "platonisches Denken" nicht (nur zurückgedrängt) "stattfindet" und nicht umgekehrt (wird nicht gerade Verwirrung/Zerteilung (Babylon - als irdische civitas) usw., also Leid im Sakrament zur Verbindung zur himmlischen Kirche? - und gerade dieses Denken gibt es bei Platon nicht)
Es wäre falsch und gefährlich, die Kirche als die innerweltliche Vollendung des neuen Himmels und der neuen Erde zu denken. Das hat die Kirche von sich selbst auch nicht gelehrt.

Dass der heilige Augustinus Platon als vorchristlich verstanden hat, dürfte außer Frage stehen. Dass seine Vorstellung vom christlichen Idealstaat mit einer scharfen Kritik am weltlichen Staat einhergeht, ist von der Denkstruktur her ebenfalls platonisch.

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Maya
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Beitrag von Maya »

overkott hat geschrieben: ... Es wäre falsch und gefährlich, die Kirche als die innerweltliche Vollendung des neuen Himmels und der neuen Erde zu denken. ...
... es wäre wohl auch ziemlich unmöglich (wie kann z.B. Verwirrung usw. Vollendung sein ...?)

- Gemeinschaft in Nichtgemeinschaft (möglich durch die Kraft des Sakramentes?)

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overkott
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Grundwertekrise und Wächteramt

Beitrag von overkott »

Die politische Rolle der Kirche in der Politik beschränkt sich nicht auf Kirchturmspolitik, also auf das Vertreten der ureigenen Belange.

Aber sie erstreckt sich auch nicht auf den Eingriff in die parteipolitische Debatte. Deshalb hat die Kirche ihren Klerikern eine Abstinenz verschrieben im Hinblick auf die Übernahme öffentlicher Ämter.

Gleichwohl ist ihre politische Aufgabe, gemäß Gottes- und Nächstenliebe zum politischen Frieden im Staat beizutragen und dafür den Grundwertekonsens zu pflegen.

Damit verbunden ist das informelle Wächteramt, das vor allem dort greift, wo der Grundwertekonsens in Gefahr gerät.

Dies scheint derzeit nicht nur im Hinblick auf die grundgesetzliche Werteordnung von Ehe und Familie zu gelten, die ein Teil der Parteien über Bord werfen möchte durch Planierung der Ehe und einen staatlichen Ersatz familiärer Erziehung.

Vielmehr steht die politische Kultur der Demokratie infrage, wo in der Grundwertedebatte Vertreter der grundgesetzlichen Ordnung für ihre Meinung vor Gericht gezerrt werden sollen.

Undemokratisch ist ebenfalls der Versuch, die grundgesetzliche Werteordnung über die strukturell problematischen Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer verändern zu wollen, deren Kompetenz sich eigentlich auf die ureigenen Belange der Länder beschränkt.

Das Thema Homosexualität und die Verdrehung deren Bewertung von Strafandrohung hin zur finanziellen Föderung bringt eine unangemessene Agressivität von Homosexuellen zum Ausdruck.

Offenbar nimmt die Kirche ihr Wächteramt in dieser Debatte bisher unzureichend wahr. Schon im agenda setting, also der Themenbesetzung wendet sie sich weniger den traditionellen Werten, als vielmehr dem abweichenden Verhalten zu.

In der Geschichte hatte die Kirche selbst pornokratische Krisen zu überwinden. Sie sollte hinter die sittliche Erneuerung der frühen Neuzeit nicht wieder zurückfallen.

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