Ungeregelte Selbstliebe

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Jakobgutbewohner
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Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Der Begriff wurde von einem Forenteilnehmer kürzlich im Forum eingeführt (über die Suchfunktion fand ich keine früheren Thematisierungen), der ihn offenbar auf Thomas zurückführt.
Thomas (in summa theol., I-II, q77, a4) hat geschrieben:Ich antworte; nach Kap. 75, Art. 1 ist die eigenst entsprechende und direkt wirkende Ursache der Sünde zu erwägen von der Zuwendung zu einem veränderlichen Gute aus; und nach dieser Richtung hin geht jede Thätigkeit in der Sünde aus vom ungeregelten Begehren nach einem zeitlichen Gute. Daß aber jemand ungeregelterweise ein zeitliches Gut erstrebt, das geht davon aus, daß er ungeregelterweise sich selbst liebt. Denn jemanden lieben heißt ihm Gutes wollen. Also ist es offenbar, daß die ungeregelte Selbstliebe die Ursache jeder Sünde ist.
viewtopic.php?p=935769#p935769
viewtopic.php?p=935776#p935776
viewtopic.php?p=936072#p936072

Leider ist der Forenteilnehmer derzeit soweit zu erkennen nicht bereit verständlicher zu machen, wie er diesen Sachverhalt versteht, worauf er damit eigentlich hinauswill.

Vielleicht weiß es jemand anderes?
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Peduli
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Peduli »

Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Jakobgutbewohner
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Johannes vom Kreuz, Karmelberg, Buch 3, Kapitel 19 hat geschrieben:3 Das Feistwerden der Seele, die vor ihrer Verfettung von Gott geliebt war, geschieht durch das
Versinken im Genuß der Geschöpfe. Daraus ergibt sich die erste Stufe des Schadens: die Seele wendet
sich zurück. Das Gemüt wird stumpf gegen Gott, die göttlichen Werte sind ihm verdunkelt wie die
Luft durch Nebel, weil das Sonnenlicht nicht hindurchdringt. Sowie nämlich ein Geistesmensch sich
an irgendeinem Ding erfreut und dem Begehren ungebührlich die Zügel überlässt, verfinstert er sich,
durch diese Tat selbst, Gott gegenüber, und die einfältige Urteilskraft wird vernebelt, wie der göttli-
che Geist es im Buche der Weisheit lehrt mit den Worten: Eitles und witziges Wesen verschattet das Gute;
Drang des Begehrens verkehrt den arglosen Sinn (4, 12.). Damit gibt der Heilige Geist zu verstehen: mag
der Verstand sich auch keiner Bosheit bewußt sein, so genügt das Begehren nach zeitlichen Dingen
und die Freude daran, die Seele im ersten Grade zu schädigen durch Abstumpfung des Gemütes und
Verdunkelung des Urteils, das die Wahrheit erfassen und jedes Ding so beurteilen soll, wie es ist.

4 Heiligkeit und gutes Urteil sichern den Menschen nicht gegen diesen Schaden, wenn er der
Begierde oder Freude an zeitlichen Dingen Raum gibt. Darum spricht Gott durch Moses uns zur War-
nung die Worte: Nimm keine Geschenke an; denn sie verblenden sogar die Einsichtsvollen (Ex 23, 8). Die-
ses Wort ergeht besonders an jene, die Richter sein sollen; denn ihr Urteil muß vor allem klar und
geweckt sein, wird es jedoch nicht sein, wenn sie nach Geschenken begehren und sich daran freuen.
Darum auch befahl Gott dem Moses, zu Richtern solche aufzustellen, die der Habsucht feind sind, da-
mit ihr Urteil nicht durch die Wallung der Leidenschaft getrübt werde (Ex 18, 21-22). Sie sollen nicht
nur keine Gaben begehren, sondern solchem Begehren feind sein. Will sich nämlich jemand durchaus
wehren gegen eine Liebesleidenschaft, so muß er einen Abscheu dagegen hegen, so daß ein Gegensatz
dem andern wehrt. Aus eben diesem Grunde war auch Samuel stets ein gerechter und erleuchteter
Richter: niemals nahm er, wie er im Buche der Könige schrieb, von jemandem irgendein Geschenk an
(1 Sm 12, 3).
Wie soll das verstanden werden? Woher würde denn ein Begehren überhaupt herkommen, das dann zu Verfinsterung führen würde? Sind "Zügel" ein sinnvollstes Mittel der Wahl? Oder wäre in soeiner Tendenz doch eher ein Hinweis zu sehen zu schauen, worin Gott noch vom so empfindenden Menschen zurückgewiesen wird? Unterschieden sich die erwähnten Richterkandidaten eigentlich in ihren Zügelungen oder der Liebe ihrer Herzen?
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Stefanro hat geschrieben:
Sonntag 19. Februar 2023, 13:16
Johannes vom Kreuz ist ein gutes Beispiel dafür, denn obgleich er den kontemplativen Weg zur Einswerdung mit Gott auf der Basis der eigenen subjektiven Erfahrung zu beschreiben versuchte (man kann durchaus darüber diskutieren, ob ihm das als Poet, der er war, gelang), riet er dringend dazu alle vermeintlichen Einsichten, die auf subjektiven individuellen Erfahrungen beruhen, "loszulassen", um so die Vernunft von ungeregelter Selbstliebe (dem Motiv des Festhaltens an eigenen vermeintlichen Einsichten), die die Einwerdung mit Gott verunmöglicht, zu reinigen.
In meiner deutschen Übersetzung von "Empor den Karmelberg" kommt diese exakte Begrifflichkeit soweit ich sehe nicht vor. Auf welche Aussagen des Johannes beziehst du dich da also?
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Sollte sich Stefanros "ungeregelt" hier speziell auf eine "Regelung" durch die Vatikanorganisation beziehen? Es wäre dann jeder aus diesem Blickwinkel "ungeregelt", der dieser nicht gemäß ihres Selbstanspruches folge? Sollte dem so sein, könnte meine Frage dazu vermutlich als erledigt betrachtet werden.
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Dr.Hackenbush hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 10:22
ich bin nicht der Meinung, dass man mit den Texten von Th. Von Aquin oder den des Johannes von Kreuz diese ungeregelte Selbstliebe aus einem austreiben kann.
Wie verstehst du denn diesen Begriff der "ungeregelten Selbstliebe"? Was soll er ausdrücken? Wäre etwas in bestimmter Art "ungeregelt" oder gar in keinerlei Weise "geregelt" (nachdem der Begriff "Gesetz" ja von Stafanro, wenn ich es richtig verstanden habe, auf praktisch alles bezogen verwendet wurde)?
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Dr.Hackenbush »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 10:40
Wie verstehst du denn diesen Begriff der "ungeregelten Selbstliebe"? Was soll er ausdrücken? Wäre etwas in bestimmter Art "ungeregelt" oder gar in keinerlei Weise "geregelt" (nachdem der Begriff "Gesetz" ja von Stafanro, wenn ich es richtig verstanden habe, auf praktisch alles bezogen verwendet wurde)?
Jesus Christus sagte: “Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ Für mich also leitet sich auch die in der Bibel erwähnte Nächstenliebe von der Liebe Gottes ab – und somit sollen wir den Nächsten so lieben, wie Gott uns liebt. Alles andere nennt man "ungeregelt" oder "ungeordnet".
Was Stefanro damit meinte, weiß er am besten selber.

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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Dr.Hackenbush hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 11:31
Jesus Christus sagte: “Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ Für mich also leitet sich auch die in der Bibel erwähnte Nächstenliebe von der Liebe Gottes ab – und somit sollen wir den Nächsten so lieben, wie Gott uns liebt.
Ja, denn Gott ist Agapeliebe (1. Joh 4,16)
Alles andere nennt man "ungeregelt" oder "ungeordnet".
Weil der Mensch dann nicht aus dem himmlischen Vater wollen würde in seiner Tiefe? Nur, wieso würde mir unterstellt das sei bei mir nicht der Fall?
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Dr.Hackenbush »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 11:52
Dr.Hackenbush hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 11:31
Alles andere nennt man "ungeregelt" oder "ungeordnet".
Weil der Mensch dann nicht aus dem himmlischen Vater wollen würde in seiner Tiefe? Nur, wieso würde mir unterstellt das sei bei mir nicht der Fall?
das solltest Du den Fragen, der Dir das unterstellt hat.

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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

ChatGPT hat geschrieben:Du

Was hindert den Menschen laut Johannes vom Kreuz an der Einheit mit Gott?

ChatGPT

Johannes vom Kreuz zufolge hindert den Menschen an der Einheit mit Gott vor allem sein Egoismus und seine selbstbezogene Liebe zu sich selbst. Er nennt dies "Selbstliebe", die ihn von der Liebe Gottes abhält. Deshalb muss der Mensch laut Johannes vom Kreuz seine Selbstliebe überwinden und sich ganz auf Gott hin ausrichten, um die Einheit mit ihm zu erreichen. Dies erfordert eine radikale Selbsthingabe und das Loslassen aller weltlichen Gelüste und Vorstellungen.

Du

Was ist laut Johannes vom Kreuz Selbstliebe?

ChatGPT

Als KI habe ich keine persönlichen Überzeugungen oder Interpretationen menschlicher Philosophie oder Religion. Ich kann jedoch auf die Schriften von Johannes vom Kreuz zurückgreifen, um zu sagen, dass er die Selbstliebe als "keine Hingabe an sich selbst, sondern eine vollständige Verzichtnahme auf sich selbst zugunsten Gottes" beschreibt. Er sieht die Selbstliebe also nicht als egozentrisches Streben nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen, sondern als eine spirituelle Haltung der Unterordnung des eigenen Willens unter Gottes Willen.
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Peduli
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Peduli »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 11:52
Dr.Hackenbush hat geschrieben:
Dienstag 21. Februar 2023, 11:31
Jesus Christus sagte: “Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ Für mich also leitet sich auch die in der Bibel erwähnte Nächstenliebe von der Liebe Gottes ab – und somit sollen wir den Nächsten so lieben, wie Gott uns liebt.
Ja, denn Gott ist Agapeliebe (1. Joh 4,16)
Agapeliebe ist doppelt gemoppelt! :huhu:

Es gibt drei Formen der Liebe:
  • Eros
  • Philia
  • Agape
Erstere ist die geschlechtliche Liebe.
Zweitere ist die Form der Liebe, die man auch als »platonisch« bezeichnet. Es ist eine Form der seelischen Verbundenheit von zwei oder mehr Personen, die sich eben nicht im Geschlechtsakt vollzieht.
Die dritte Form der Liebe übersteigt die ersten beiden und ist die Liebe, in der sich die Person vollkommen schenkt.

Erläutert wird dies auch hier: Deus caritas est!
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Teresa von Avila, Seelenburg, Siebte Wohnung, Drittes Hauptstück hat geschrieben:2. Die erste Wirkung ist ein solches Selbstvergessen der Seele, daß, wie schon erwähnt, ihr Sein ein Ende genommen zu haben scheint; denn sie ist so völlig verändert, daß sie sich selbst nicht mehr kennt. Sie denkt nicht daran, daß es für sie noch einen Himmel oder ein Leben oder eine Ehre gebe; ihr ganzes Streben geht jetzt vielmehr dahin, die Ehre Gottes zu fördern. Die von ihr vernommenen Worte, sie möge seine Angelegenheiten als die ihrigen betrachten, während er die ihrigen als die seinigen ansehen werde, scheinen nun an ihr in Erfüllung gegangen zu sein. Und so lebt sie denn unbekümmert um alles, was geschehen kann, und in einem ganz einzigartigen Sichselbstvergessen, so daß es, wie schon erwähnt, den Anschein hat, sie sei gar nicht mehr und wolle in keiner Weise etwas sein, außer sie sieht, daß sie zur Ehre und Verherrlichung Gottes etwas beitragen kann; denn dafür würde sie herzlich gern ihr Leben hingeben.

3. Ihr dürft jedoch, meine Töchter, nicht denken, die Seele entledige sich nun der Sorge für Nahrung und Schlaf, obwohl ihr dies keine geringe Qual ist, oder sie vernachlässige irgendwie die Pflichten ihres Standes. Es ist hier nur von inneren Dingen die Rede;
Hier geht es also um Veränderung, einen erfahrenen Unterschied zu dem, was vorher wohl als "Selbst" empfunden wurde. "Das Selbst ist überwunden" würde soweit ich sehe dann eigentlich eher bedeuten "die innere Natur des Selbst" hat sich gewandelt (da der Mensch neugeboren von anderem Vater her wäre).
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Re: Ungeregelte Selbstliebe

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Evelyn Underhill, Mystik, Verlag Ernst Reinhardt, München, 1928 hat geschrieben:Zweites Kapitel.
Das Erwachen des Selbst

[...]

Was Starbuck von der Bekehrung sagt, trifft viel mehr auf das mystische Erwachen zu als auf die Erweckungserscheinungen, wie sie der amerikanische Protestantismus fördert. »Bekehrung«, sagt er, »ist zunächst eine Entselbstung. Zuerst wird der Mensch in seine eigene kleine Welt hineingeboren. Er wird beherrscht von den tief eingewurzelten Instinkten der Selbsterhaltung und Selbstausdehnung, die zweifellos ein Erbe von seinen tierischen Vorfahren sind. Sein Ich bildet den Mittelpunkt seines Universums.« Die Bekehrung tritt nun ein, wenn »das größere Welt-Bewußtsein sich dem Einzel-Bewußtsein aufdrängt. Oft bricht es plötzlich herein und wird zu einer großen neuen Offenbarung. Dies ist die erste Stufe der Bekehrung: der Mensch tritt aus einer kleinen und begrenzten Daseinswelt in eine größere Welt des Seins. Sein Leben wird von einem größeren Ganzen verschlungen Ebenda Kap. 12.«.

Jede Bekehrung hat zur Folge das plötzliche oder allmähliche Auftauchen unmittelbarer Wahrnehmungen aus dem Unterbewußtsein und die sich daraus ergebende Erneuerung des Bewußtseinsfeldes, eine Veränderung in der Haltung gegenüber der Welt. Aber bei dem Mystiker ist dieser Vorgang zur höchsten Intensität gesteigert, denn bei ihm bedeutet er das erste Hervorbrechen jenes Sinnes für das Absolute, der seinen besonderen Charakter ausmacht und der von nun an ein Ereignis von ungeheuerer Bedeutung für alle Seiten seines Lebens wird. Die, denen dies geschieht, sind oft schon »religiös« und sind es bisweilen schon in hohem Maße. Rulman Merswin, die hl. Katharina von Genua, Madame Guyon, George Fox – sie alle waren in Frömmigkeit erzogen und erkannten die christliche Überlieferung in allen Einzelheiten an. Nichtsdestoweniger wurden sie sich einer gänzlichen Umwandlung ihrer Welt bewußt, als die Augen ihrer Seele geöffnet wurden.

Bisweilen geschieht dies Auftauchen des mystischen Bewußtseins allmählich, ohne daß sich eine bestimmte Krise bemerkbar macht. Das Selbst gleitet sanft, fast unmerklich, aus der alten Welt in die neue. Nach den Urkunden der Mystik scheinen dies jedoch Ausnahmefälle und scheinen Wehen die normale Begleitung der Geburt zu sein. Es gibt noch einen andern Typus, wie ihn z. B. George Fox vertritt, bei dem es eine Bekehrung im eigentlichen Sinne überhaupt nicht gibt; sondern eine allmählich zunehmende Helle, die das Selbst im Anfange kaum bemerkt, begleitet mit Unterbrechungen die Seelenqual und die inneren Kämpfe, die für die Läuterungsstufe charakteristisch sind. Bekehrung und Reinigung gehen dann Hand in Hand und gehen schließlich in die heitere Klarheit des Zustandes der Erleuchtung über. Fox' Tagebuch aus dem Jahre 1647 enthält eine lebendige Schilderung dieser immer stärker werdenden übersinnlichen Wahrnehmungen eines Geistes, der noch nicht mit sich selbst eins ist und nach Klarheit strebt.
https://www.projekt-gutenberg.org/under ... ap010.html
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

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