Manchmal ist es wirklich zum Verzweifeln

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thomas12
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Manchmal ist es wirklich zum Verzweifeln

Beitrag von thomas12 »

Hallo Forumsgemeinde,
manchmal habe ich wirklich den Eindruck, dass sich alles nur zum schlimmeren wandelt.

Bis vor 8 Jahren war ich ein "passiver Katholik" das heißt, ich bin regelmäßig zur Messe gegangen, habe mitgebetet und es hat mir inneren Halt gegeben. Ich kann mich eigentlich daran erinnern, dass ich in dieser Zeit ein sehr ausgeglichener Mensch war. Natürlich mit den üblichen (größeren oder kleineren) Problemen, die man halt so hat.
Mit meinen Glauben, der sich seit meiner Kinderzeit eigentlich kaum verändert hatte, konnte ich recht gut leben.

Seit dieser Zeit habe ich mich massiv in unserer Kirchengemeinde engagiert. Aus dieser Tätigkeit heraus kam bei mir irgendwann die Frage danach, ob ich dafür eigentlich genügend von unserem Glauben weiß. Daher habe ich mich für eine Weiterbildung (Fernstudium) in Theologie angemeldet. Ich stehe jetzt kurz vor der Abschlussprüfung.

Um was es mir eigentlich geht:
Ich weiß inzwischen so viel von dem Idealbild, welchem wir als katholische Christen folgen sollten, dass mich die Wirklichkeit in unserer Kirche immer mehr an den Rand der Verzweiflung bringt. Ich versuchte mir am Anfang einzureden, dass wir alle Sünder sind und suchte in jedem eine Entschuldigung für sein Verhalten. Aber irgendwie kann das doch alles nicht sein. Ich sehe Menschen, die von ihrem Anspruch her an der Verkündigung der frohen Botschaft arbeiten sollten (hauptamtliche wie ehrenamtliche) denen es aber stattdessen mehr darum geht "Recht" zu haben bzw. ihren Standpunkt durchzusetzen. Anstatt zu überlegen, wie man das Evangelium zu den Menschen bringt, geht es stundenlang um Fragen wer, wann was bekommt, wer einen Kuchen zur Feier mitbringt und wer die Stühle aufstellt. Sollte jemand (bin meistens ich) vorschlagen, einen Bibelkreis oder regelmäßige Gebetskreise zu gründen, wird er kopfschüttelnd ignoriert oder der Vorschlag wird mit der Bemerkung "da kommt doch eh keiner" abgelehnt. Ich habe manchmal schon gedacht , den ganzen Salat hinzuschmeißen.

Wie kommt man mit sowas zurecht?

PS: Nicht falsch verstehen, ich bin eigentlich voller Motivation für meinen Glauben und auch sonst ein positiv denkender Mensch. Auch wenn diese Zeilen nicht so aussehen.

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taddeo
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von taddeo »

thomas12 hat geschrieben:Wie kommt man mit sowas zurecht?
Ich kann aus eigener, jahrzehntelanger Erfahrung sehr gut nachfühlen, wie es Dir geht.
Es gibt da nur ein einziges Mittel, denke ich: weiterzuglauben, weiterzupraktizieren, so, wie man es selber als richtig erkennt und soweit es im Rahmen der äußeren Gegebenheiten möglich ist. Man muß dann nicht jedes "Engagement" mitmachen oder übernehmen nur um des Engagements willen. Ich habe jahrelang warten müssen, bis sich meine Lebenssituation dahingegend ergeben hat, wieder in einer Pfarrei aktiv mitzuwirken.
Man darf nur nicht den Fehler machen, zu glauben, die eigene actuosa participatio in der Kirche erschöpfe sich in äußeren Aktivitäten. Das Unkraut wachsen zu lassen, kann manchmal anstrengender sein, als es auszureißen.

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thomas12
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von thomas12 »

taddeo hat geschrieben: Man darf nur nicht den Fehler machen, zu glauben, die eigene actuosa participatio in der Kirche erschöpfe sich in äußeren Aktivitäten.
Also meine tätige Teilnahme erschöpft sich nicht in äußeren Aktivitäten. Ich bin eigentliche auch derjenige, der vieles macht, was keiner sieht. Ich führe diese Tätigkeit ja auch nicht wegen irgendeiner Anerkennung aus, sonst sollte ich ja auch vielleicht in einen Schützenverein oder was ähnliches gehen.
Es ist ja auch schon gut, wenn man hört, dass es nicht nur mir so geht.
Gruß Thomas
Zuletzt geändert von thomas12 am Sonntag 16. Dezember 2012, 22:58, insgesamt 2-mal geändert.

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Reinhard
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von Reinhard »

Ja Thomas, solche Verzweiflung über die "real existierenden Mitchristen" kenne ich.

"Wie kommt man damit zurecht ?" - da gibt es verschiedene Seiten. Eines ist sicherlich, die menschlich- allzumenschliche Seite zu sehen, wo jeder seine Macke hat, und jeder eine andere, die irgendwem anderen auf den Wecker geht. Das ist in der Pfarrgemeinde ähnlich wie in der Ehe: wenn man sich nur gut genug kennt, dann gibt es irgendwann gegenseitige Lieblings-Schwachstellen, an denen man sich gegenseitig äußerst effektiv auf den Keks geht. - Ist einfach so, muss man aber mit lernen umzugehen, sinnigerweise in gegenseitiger Vergebung und Liebe.

Ein zweiter Punkt ist der der Herangehensweise: Du beschreibst vieles, wie es üblicherweise von den Gremien aus gesehen wird: man packt alles von der Struktur und Planung her an, und nicht vom Gebet her !
Klar muss auch die Organisation irgendwie laufen, aber geistliche Dinge funktionieren normalerweise nur vom Gebet und von der Berufung durch Gott her. - gerade ein Gebetskreis wäre z.B. solch ein Fall. Da wäre es viel sinnvoller, zuerst darum zu beten, und dann zu gucken, in welcher Richtung Gott Dich lenkt. Auch die Heiligen haben sich ihre Berufung nicht ausgesucht, und sie haben nur dort wirklich etwas bewegen können, wo sie ihrer Berufung treu geblieben sind.
Die Kirche lebt aus dem Gebet heraus, und Du gehörst zu dieser Kirche !

In meinen letzten Exerzitien ist mir ein Punkt besonders klar geworden: oft braucht Gott eine lange Vorbereitung für Seine Leute, bis Er sie an dem von Ihm vorgesehenen Platz einsetzen kann. Bis dahin ist Geduld angesagt, möglicherweise über Jahre !
Um hier zwischen der nötigen Geduld und sinnloser Trägheit unterscheiden zu können, bedarf es des Gebets, und im Zweifel ist ein Geistlicher Begleiter auch eine gute Hilfe dabei.

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thomas12
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von thomas12 »

Hallo Reinhard,

das ist ein guter Ansatz. Ich habe mir überlegt, wenn ich mit meiner Weiterbildung fertig bin (noch ein halbes Jahr), einen Bibel- oder Gebetskreis zu gründen. Unser neuer Pfarrer scheint hierbei ein wenig aufgeschlossener zu sein als sein Vorgänger.
Kann sein, dass es nicht klappt, aber dann habe ich es wenigstens versucht.

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taddeo
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von taddeo »

thomas12 hat geschrieben:Also meine tätige Teilnahme erschöpft sich nicht in äußeren Aktivitäten. Ich bin eigentliche auch derjenige, der vieles macht, was keiner sieht. Ich führe diese Tätigkeit ja auch nicht wegen irgendeiner Anerkennung aus, sonst sollte ich ja auch vielleicht in einen Schützenverein oder was ähnliches gehen.
Es ist ja auch schon gut, wenn man hört, dass es nicht nur mir so geht.
Gruß Thomas
Du darfst Dir sicher sein, daß es sehr vielen - gerade etwas "altmodischer" eingestellten - Katholiken genauso geht.
Was ich mit "tätiger Teilnahme" meinte: Das persönliche "Tun" ist sicher wichtig für die Kirche. Aber es kann durchaus Situationen geben - und heutzutage gibt es die immer öfter, bis dahin, daß sie mancherorts zum Regelfall werden können -, in denen man einfach nichts mehr tun kann außer nichts zu tun, zu beten, und ansonsten den Staub von seinen Sandalen zu schütteln. Es gibt Pfarreien, in denen ist Hopfen und Malz verloren, bis vielleicht ein neuer Pfarrer andere Chancen eröffnet. Sich an den gegenwärtigen Gegebenheiten dort abzuarbeiten, bringt niemandem etwas, fördert allenfalls Zwist und gibt Ärgernis. Ich stehe derzeit gottlob nicht in dieser Situation, aber in der Vergangenheit war es durchaus längere Zeit so, daß ich nicht mal in meiner Wohnpfarrei in die Kirche gegangen bin, weil mir das den Ärger nicht wert war.

@Reinhard
Das mit der Vorbereitung stimmt wohl, diese Erfahrung mache ich bis heute. Gott belohnt die Treue, die man ihm auch in Durstzeiten hält.

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Peregrin
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von Peregrin »

thomas12 hat geschrieben:Anstatt zu überlegen, wie man das Evangelium zu den Menschen bringt, geht es stundenlang um Fragen wer, wann was bekommt, wer einen Kuchen zur Feier mitbringt und wer die Stühle aufstellt. ...
Dann bring halt einmal einen Kuchen mit oder stell die Stühle auf.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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thomas12
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von thomas12 »

Peregrin hat geschrieben:
thomas12 hat geschrieben:Anstatt zu überlegen, wie man das Evangelium zu den Menschen bringt, geht es stundenlang um Fragen wer, wann was bekommt, wer einen Kuchen zur Feier mitbringt und wer die Stühle aufstellt. ...
Dann bring halt einmal einen Kuchen mit oder stell die Stühle auf.
Mach ich doch sowieso, aber bei manchen könnte man meinern, dass dies ihr einziges Interesse ist.
Ich finde, die Kernaussage bleibt hier auf der Strecke. Es sind doch sowieso immer die Gleichen Leute, welche helfen. Warum muß man hier stundenlang darüber diskutieren.
(Das mit dem Kuchen und den Stühlen war übrigends nur ein Beispiel.)

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Kantorin
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Re: Manchmal ist es wirklich zum verzweifeln

Beitrag von Kantorin »

Ach, das ist nicht nur bei Kirchens so, dass die äußeren Aktivitäten und Planungen wichtiger werden als der Kern der Sache.

Mein Chor mit geriatrischem Moment (Danke Reinhard! ;D ) ist mit der Vorbereitung der "Weihnachtsfeier" inklusive Ehrungen für x Jahrzehnte Chorsingen schwer beschäftigt und verteilt Aufgaben und plant den Ablauf und verschickt Einladungen und und und. Dass der Chor am unteren Ende der Dreistimmigkeit herumkrebst, dank mangelnder Anzahl an Singenden bald nicht mehr singfähig sein wird und spätestens nächstes Jahr eingehen wird, das will keiner hören, besonders nicht von der Chorleiterin.

Der Chor wurde vor meiner Zeit vom vorherigen Vorsitzenden vor die Wand gefahren und ich versuche seit drei Jahren mit dem neuen Vorstand, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Aber leider hat der Vorstand auch das Sagen - das ist ja nicht MEIN Chor und ich bin nur die Honorarkraft...

Und so ist es leider auch in den Gemeinden: Da gibt es Leute, die bestimmen, wo es langgeht (Pfarrer, PGR/Kirchenvorstand andere einflussreiche Leute), die sich oft am Äußeren abarbeiten und aufreiben und das Kerngeschäft vergessen.

Aber diese (Über-)Aktiven brauchen auch Leute, die sie ans Kerngeschäft erinnern und sich dadurch so unbeliebt machen wie die Propheten im AT. :blinker:

"Mit dem Pfarrer geht Vieles, gegen den Pfarrer geht gar nichts."
Ich würde mir das OK vom Pfarrer holen und einen Gebetskreis anbieten. Vielleicht kennst du ein paar Gemeindemitglieder, die auch diesen Wunsch haben? Zur Not ziehst du das am Anfang allein durch oder betest privat für dein Anliegen und die Gemeinde. Manchmal hilft auch nur ein Wechsel der Gemeinde, falls man zwischen mehreren Gemeinden wählen kann...
Mein huldreicher Gott kommt mir entgegen. (Psalm 59)

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Kantorin
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Re: Manchmal ist es wirklich zum Verzweifeln

Beitrag von Kantorin »

Aus der Reihe "99 Möglichkeiten einen Verein zu ruinieren":

http://www.frank-montillon.de/61--artikel.html

Hier geht es eigentlich um den Gesangsverein, mit ein paar klitzekleinen Änderungen ist der Text aber auch auf Gemeinden anwendbar. :ikb_devil2:
Mein huldreicher Gott kommt mir entgegen. (Psalm 59)

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