cantus planus hat geschrieben:Ja, der Titel wurde aufgegeben. Ich bestreite aber nachdrücklich, dass das römische Patriarchat damit "Geschichte" geworden ist.
Die Zusage des Herrn: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen gilt aber "nur" für die Kirche unter Petrus, nicht für eine menschliche Einrichtung wie das römische Patriarchat.
Das römische Patriarchat befindet sich seit Jahrzehnten in einer tiefen Sinnkrise. Es hat seine Sprache und seinen Ritus aufgegeben - und eben auch den Titel. Stattdessen gerieren sich jetzt Bischofskonferenzen wie Patriarchate und ihre Vorsitzenden wie Patriarchen. Auf die päpstlichen Enzykliken, Motu Proprio und sonstigen Erlasse und auch auf den CIC pfeifen sie, wo ihnen danach ist. Wenn man genau hinschaut, hat der Papst außer einem ziemlich interpretationsfähigen Ehrenvorsitz nur noch zwei Funktionen: Er symbolisiert wie Belgiens Monarch die Einheit der Nation die "Einheit" der Kirche und er ernennt die Bischöfe.
Dabei ist dieses Prärogativ in den letzten Jahrzehnten ebenfalls schwer beschädigt worden - falls es denn jemals Realität war. In der Praxis werden die Bischöfe zwischen Nuntius, lokaler Bischofskonferenz und Bischofskongregation ausgehandelt (um nicht ausgekungelt) zu sagen, und der Papst unterschreibt - bei an die 300 Ernennungen Jährlich auch kaum anders zu machen.
Offenbar steht jetzt auch diese Funktion unter Beschuss. Wollte man gutwillig bis naiv sein, könnte man sagen, Ziel der Veranstaltung ist eine Entwicklung wie bei den Orthodoxen, bei denen die Nationalkirchen die eigentlichen Kirchensubjekte sind und der Patriarch von Konstantinopel eine ferne Erinnerung.
Diese Naivität kann man sich aber nicht leisten. Denn so abstoßend manche nationalistischen oder national bornierten Erscheinungen bei den Orthodoxen auch sein mögen, so muß man doch zugeben, daß dieser Unfug weitgehend im Bereich der Kirchenpolitik stattfindet und die Lehre kaum berührt. Im Westen zeichnet sich aber unter den Stichworten "Säkularisierung" und "Protestantisierung" eine Entwicklung ab, die sich auch in der Lehre und im Recht von dem abkoppelt, was unaufgebbare Tradition ist. Wenn das Recht des hl. Stuhls zur Ernennung der Bischöfe weiter ausgehöhlt und faktisch beseitigt wird, wird diese Entwicklung weiter beschleunigt.