Zölibat und Co.

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Juergen
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Zölibat und Co.

Beitrag von Juergen »

Ja, ich weiss, der Zölibat ist ein schönes Streitthema, und manchmal denkt man: "Nicht schooon wieder!". - Aber warum eigentlich? Ist er ein Dorn im Auge? Will man nicht darüber reden, weil die Gründe nicht einleuchtend erscheinen?
Nun, sei's drum. Hier ist es wieder, DAS Thema.

Ich möchte mit einem Zitat von Stefan Heid beginnen, der, - wie vielen sicher bekannt ist - zu jenen gehört, die den Zölibat streng verteidigen, und seine Ursprünge nicht in einer juriden Regelung, sondern vielmehr als einen Teil des Wesens des Priesters verstehen, der so eng mit dem Priestertum seit Beginn der Kirche verbunden ist, daß er von diesem nicht zu trennen ist. Ich halte Heids Überlegungen in der Zölibatsdiskussion für äußerst fruchtbar.

Hier ein Zitat aus dem Schluß eines Aufsatzes in dem Buch Der Zölibat des Priesters. Hgg. v. Klaus M. Becker u. Jürgen Eberle. Bd. 9 in der Reihe Sinn und Sendung. St. Ottilien : EOS-Verlag, 1995.
Heid, S. 70f hat geschrieben:... Kommen wir noch kurz auf mögliche Konsequenzen für die heutige Zölibatsdiskussion zu sprechen! Üblicherweise behaupten die Zölibatskritiker, der Zölibat sei erst allmählich ab dem 5. Jahrhunderts eingeführt worden; die vorkonstantinische Zeit kenne ihn noch nicht. Nach der vorgestellten These wird man dem nicht zustimmen können. Danach kannte die Kirche nämlich von Anfang an einen Zölibat, freilich nicht auf Ehelosigkeit fixiert, sondern umfassender: die Enthaltsamkeit des gesamten höheren Klerus, ob verheiratet, verwitwet oder jungfräulich.
So gesehen wird man nicht sagen können, erst seit Elvira gebe es eine Zölibatsverpflichtung. Wer mit Elvira den Zölibat beginnen läßt, erweckt den Eindruck, als sei dieser von oben durch Bischöfe und Päpste gegen den Willen der Basis druchgesetzt worden, als habe sich erst langsam römische Leibfeindlichkeit gegen das urkirchliche Recht der Kleriker auf Ehefreuden durchgesetzt. Man muß sich wohl von der Vorstellung lösen, daß "natürlich" der Klerus im Anfang jederzit seine ehelichen Rechte ausgeübt und sich die "unnatürliche" Enthaltsamkeit erst allmählich auf Druck von oben durchgesetzt habe. Nichts spricht dagegen, daß gerade die Enthaltsamkeit des Klerus am Anfang gestanden haben könnte.

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Niels
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Beitrag von Niels »

Sehr empfehlenswert ist Stefan Heids Dissertation zu diesem Thema, wo er seine Thesen ausführlich begründet (und eine Neuinterpretation der einschlägigen Quellen vornimmt):

Stefan Heid: Zölibat in der frühen Kirche. Die Anfänge der Enthaltsamkeitspflicht für Kleriker in Ost und West, Paderborn 1997 (Schöningh)
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Godjonga
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Beitrag von Godjonga »

Grüß Euch !

Ich meine das Thema Zölibat ist nicht einfach, ähnlich wie die Themen: Homosexualität und Euthanasie ... deswegen kann ich da nie eine "Kurzantwort" und Meinung dazu geben ...

Auch hier habe ich mich noch nicht endgültig zu einer Sichtweise entschlossen - tendiere aber zu einem "freiwilligen Zölibat" !

Ich meine einfach sehr wenige Menschen sind "wirklich" dazu berufen ... - bei denen ist das dann auch kein Problem , aber bei all den anderen ...

Ich glaube es gibt einige Priester, die etwas mehr "sinnenhafte" (diesseitige) Liebe benötigen (damit meine ich keine Sexualität !) und dann allein dem Willen zu gehorchen scheint mir mehr ein Krampf, als ein Kampf zu sein - dazu sollte es nicht kommen ... seine Triebe etc. kultivieren JA, aber in einem gesunden Gesamtverhältnis des Menschen ... - und das wiedeum ist natürlich bei jedem anders und individuell ...

Herzliche Grüße

Mathias
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Möhlers Thesen, die Hattrup referiert, bergen die Gefahr, die Sakramente zu entleeren, und zwar sowohl die Priesterweihe als auch die Ehe. Und was soll überhaupt die Rede vom Dogmatisieren? Muß man denn schon wieder in einer Sache, in der es offensichtlich unterschiedliche, aber gleichermaßen in der Tradition verwurzelte Bräuche gibt, durch formale Definitionen einen Teil der Kirche und der Tradition als häretisch abzustempeln versuchen?

Es gibt in der Sache für das Lehramt keinerlei Handlungsbedarf; wohl aber – mit Blick auf die gegenwärtigen Mißbräuche und Verwirrungen – für das Hirtenamt. Leider geht da manches in die falsche Richtung. Wenn etwa die spanischen und italienischen Bischöfe jüngst den Großerzbischof von Lemberg gebeten haben, zur Seelsorge an den unierten Ukrainern in ihren Ländern keine verheirateten Priester mehr zu entsenden, so ist dies nicht bloß eine von reinem Unverständnis geprägte Mißachtung der ostkirchlichen Tradition.

Es bedeutet auch eine schwere Verkennung der eigenen Realität. Die Schwierigkeiten der eigenen Priester und Seminaristen sucht man irgendwo außerhalb, hier bei den Ukrainern. Statt dessen sollten man besser den eigenen Schweinestall ausmisten. Vielleicht liegt nämlich das Problem eher in der verdorbenen Priesterausbildung in vielen unserer eigenen, lateinischen Seminarien?
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Ketelhohn hat geschrieben:
Und was soll überhaupt die Rede vom Dogmatisieren? Muß man denn schon wieder in einer Sache, in der es offensichtlich unterschiedliche, aber gleichermaßen in der Tradition verwurzelte Bräuche gibt, durch formale Definitionen einen Teil der Kirche und der Tradition als häretisch abzustempeln versuchen?
Das hat er sicher nicht vor. Beachte bitte die "Definition von Zölibat" bzw. das, was er meint, was damit gesagt wird/werden kann.
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich unterstelle Hattrup auch nicht, daß er beabsichtige, was ich als Gefahr beschrieben habe, Jürgen. Die Gefahr allerdings halte ich für unabweisbar. Bei Möhler sehe ich eine grundsätzliche Verkennung der Wirkung des Sakraments. Darauf sollte man sich nicht berufen. Hattrup würde ich gern fragen, was er sich unter »Umwandlung der Ehe« vorstellt. Das ist zumindest schwerstens mißverständlich.
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Jojo
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Beitrag von Jojo »

Ich sehe es eher von der praktischen Seite: die Alternative zum zölibatären Priester wäre das evangelische Pfarrhaus. Das halte ich nicht gerade für ein sonderlich geglücktes Modell 8)

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Ketelhohn hat geschrieben:Hattrup würde ich gern fragen, was er sich unter »Umwandlung der Ehe« vorstellt. Das ist zumindest schwerstens mißverständlich.
Frag ihn doch! So wie ich ihn kenne, wird er Dir sicher gerne antworten: Dieter.Hattrup@t-online.de

So wie ich ihn verstehe, meint er das damit, was Petrus gesagt hat: "Herr, wir haben alles verlassen."

Also konkret und platt gesagt (in Bezug auf die ostkirchl. Praxis): ein Verheirateter, der Priester wird, wird nach der Weihe seinen "ehelichen Pflichten" nicht mehr nachkommen, sondern eine Josefsehe führen.

So in der Art meint Hattrup es wohl.
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das habe ich befürchtet.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Zusatz: Die Beschränkung des Worts vom Verlassen von Vater, Mutter, Brüdern etc. auf den Klerus halte ich auch für eine Verengung. Dies Wort »ist für uns alle da«, wie der Dichter sagt.
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max72
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Beitrag von max72 »

Also vielleicht ist das ja etwas zu vereinfacht. Aber mir scheint, dass bei den Katholiken das Ordensleben eben als das Vorbild dastand, und sich Priester und Laien daran etwas orientieren. Ein Priester ist eben auch in gewissem Masse "in der Welt aber nicht von dieser Welt" Und das Zoelibat ist eben da ein Teil davon.

Ein verheirateter Priester ist im gegensatz zu einem nicht verheirateten eventuell viel "weltlicher". Also ich muss sagen, mir gibt zu Denken, dass fast alle Priester die mich beeindruckt haben, Ordenspriester waren, wirklich spirituelle Personen. Und meine Beobachtung, dass die protestantischen Gegenden eben die am meisten sekularisierten Gegenden sind (schau nur mal nach Skandinavien). Da wird das Priesterdasein wirklich zu einem reinen Job (eine Pfarrerin, die ich sprach, war direkt etwas beleidigt, dass ich meinte sie sei jetzt abends immer noch Pfarrer. Fuer sie war das ein Job, der um 1700 Schluss ist....)

Obwohl halt die russich-orthodoxen verheiratete Priester haben und keine Probleme. Oder?

Gruesse

Max

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Ketelhohn hat geschrieben:Zusatz: Die Beschränkung des Worts vom Verlassen von Vater, Mutter, Brüdern etc. auf den Klerus halte ich auch für eine Verengung. Dies Wort »ist für uns alle da«, wie der Dichter sagt.
Natürlich.
Frère Roger sagte einmal, dass die Geringachtung des Zölibats Hand in Hand gehe mit der Geringachtung der Ehe - ein typisches Phänomen unserer Tage. Die Auffassung von Ehe und Zölibat seien nicht voneinander zu trennen. Schätzt man etwas gesellschaftlich nicht, ist auch der Verzicht darauf nichts wert.
Das trifft auch mein Empfinden. Wir haben es hier mit zwei geheiligten Ständen zu tun. Entheiligt man einen von ihnen, färbt das auf den anderen ab.

Ich möchte auch mal in die Diskussion werfen, dass zölibatäres Leben auch für Nichtgeweihte ein Thema sein kann - auch für Ehepaare. Das ganze wird oft mit einem Tunnelblick diskutiert. Es geht hier um Keuschheit und das betrifft uns alle irgendwie.

Geronimo
Zuletzt geändert von Geronimo am Sonntag 4. Januar 2004, 18:08, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Geronimo hat geschrieben:Ich möchte auch mal in die Diskussion werfen, dass zölibatäres Leben auch für Nichtgeweihte ein Thema sein kann...
Dafür gibt es ja (bei Frauen) die Jungfrauenweihe. --- Vielleicht ist sie etwas "aus der Mode" aber vor ein paar Jahren wurde sie einigen jungen Frauen in PB gespendet, wenn auch seiner Zeit der Erzbischof meinte, es sei das erste mal in seiner Amtszeit.

Für Männer gibt es m.W. auch irgendsowas.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob es jeder kann, ober man an eine Institut des geweihten Lebens gebunden sein muß.
Gruß Jürgen

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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Juergen hat geschrieben:
Geronimo hat geschrieben:Ich möchte auch mal in die Diskussion werfen, dass zölibatäres Leben auch für Nichtgeweihte ein Thema sein kann...
Dafür gibt es ja (bei Frauen) die Jungfrauenweihe. --- Vielleicht ist sie etwas "aus der Mode" aber vor ein paar Jahren wurde sie einigen jungen Frauen in PB gespendet, wenn auch seiner Zeit der Erzbischof meinte, es sei das erste mal in seiner Amtszeit.

Für Männer gibt es m.W. auch irgendsowas.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob es jeder kann, ober man an eine Institut des geweihten Lebens gebunden sein muß.
Ich meine das noch weiter gefaßt. Was mich stört, ist die künstlich aufgebaute Gegensätzlichkeit von einerseits Zölibat, andererseits Eheleben o.ä. in der öffentlichen Diskussion. Als gäbe es da eine gradlinige Grenze zwischen beiden Seiten. Auf der einen Seite sind die angeblich so gemarterten Priester (Ach, die Armen), auf der andren Seite wird völlig unhinterfragt angenommen, dass Zölibat bzw. Keuschheit "nur" Priester und Ordensmenschen betreffen. Wenn man so argumentiert, ist man voll auf den Zeitgeist mit seiner verlogenen Übersexualisierung hereingefallen.
Da steht dann auf der Seite das Gerede von "erfüllter Sexualität", was gleichgesetzt wird mit einem erfüllten Leben (wobei man auch stets von der ständigen Verfügbarkeit von Sexualität ausgeht) - auf der anderen Seite vegetiert nach diesem Denkschema natürlich der zölibatär lebende Mensch unglücklich dahin.
Die Zölibatsdiskussion hat ja in der Öffentlichkeit einen wunderlichen, um nicht zu sagen, schmierigen Charakter angenommen.

Gruß
Geronimo

Ralf

Beitrag von Ralf »

Auch wenn ich von Cardinal Lehmann sonst nicht soviel übernehme, aber in dem Büchlein "Es ist Zeit, an Gott zu denken" hat er sich richtigerweise darüber aufgeregt, dass über den Zölibat so viel gejammert wird. Über junge Witwen und Witwer, Alleingebliebene etc. wird nicht so viel aufhebens gemacht.

Die Priester sollen sich nicht so anstellen. Sie sollen einfach ehrlich leben und sich nicht vor den Konseqeunzen drücken. Die Vollkaskomentalität schlägt eben auch im Klerus durch.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das hat allerdings auch was mit ihrer Erziehung zu tun. In den Familien wie in den Seminarien. (Doch dies Thema haben wir nebenan bereits.)
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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

''Zölibat' ist bekanntlich das lateinische Wort für 'Ehelosigkeit' (coelebs, ehelos). Insofern gab es zur Zeit der Apostel durchaus auch den Zölibat (wenn auch selten): Jesus selber hat ihn nämlich gelebt. Da Ehelose zu dieser Zeit von der Gesellschaft nicht hoch angesehen waren, ist davon auszugehen, dass er ihn bewusst gewählt hat. Heute denkt man bei 'Zölibat' sofort an die Verpflichtung für Priester, ehelos zu leben. Eine solche entsprechende gesetzliche Regelung gibt es in der Bibel noch nicht. Und das war auch in der Folgezeit alles andere als evident. Die Geschichte des Zölibats ist alles andere als eine success story. Zunächst wurde sich jahrhundertelang nicht daran gehalten, die Bischöfe schärften es den Priestern immer wieder ein. Dann kam im 18./19. Jahrhundert die komische Vorstellung der 'kultischen Reinheit' als Begründung für den Zölibat hinzu. Diese Vorstellung geistert noch immer in manchen Köpfen rum, sie ist jedoch seit Vat. II als definitiv überholt anzusehen. 'Kultische Reinheit' - dahinter steht die Vorstellung, dass Sexualität etwas Schmutziges ist und nicht mit dem Vorstehen der Eucharistie zu vereinen ist.

Dass Ehelosigkeit im Neuen Testament als ein besonderer Wert darstellt, ist unbestritten. Jesus war unverheiratet, und da es zu seiner Zeit das Unverheiratetsein in der Gesellschaft nicht unbedingt hoch angesehen war, ist davon auszugehen, dass er den Zölibat gewusst gewählt hat. Von einer gesetzlichen Regelung wie wir sie heute haben finden wir in der Bibel natürlich nichts. Der Pflichtzölibat gehört nicht wesenhaft zum Priestertum hinzu - ansonsten wäre die Praxis der unierten Ostkirchen nicht haltbar -, sondern es handelt sich lediglich um eine gesetzliche Regelung der Kirche, die also jederzeit abgeschafft werden könnte - wobei natürlich nicht dem "bösen Kirchenrecht" die Schuld gegeben werden sollte, denn das Kirchenrecht gibt immer nur theologische Überzeugungen wieder.

Der freiwillig gewählte Zölibat ist heute für mich weiterhin ein äußerst sinnvolles Zeichen: ein Zeichen dafür, dass es noch eine Dimensioun ÜBER der Dimension der partnerschaftlichen Liebesbeziehung und der Sexualität gibt, die ja - richtigerweise - so wichtig und vielbestimmend in unserem Leben sind. Auch in einer glücklichen Ehe gibt es nicht die hundertprozentige Erfüllung. Deshalb eröffnet der Zölibat der Priester, Ordensleute, geweihten Jungfrauen den Menschen eine Perspektive. Aufgrund der Erfahrungen von Münsterschwarzach und anderer Psychotherapeuten jedoch bin ich der Meinung, dass der Zölibat für den Weltklerus freigestellt werden soll. Sogar große spirituelle Meister unserer Zeit wie Anselm Grün plädieren mittlerweile für eine Freistellung. Wir hätten eine freiere und ehrlichere Kirche, und zudem auch mehr Priester. Jeder, der letzteren Punkt verneint, verschliesst die Augen vor der Realität.

Mit der These 'Wer berufen ist, für den ist der Zölibat kein Problem' habe ich meine Schwierigkeiten. Ich kenne einige guten Ex-Priester, die sich wirklich berufen fühlten - und nicht nur sie, auch die Bistumsleitung hat gerade in diese große Hoffnungen gesteckt und sie zum Weiterstudium nach Rom geschickt und für sie höhere Posten vorgesehen. Es ist einfach nicht wahr, wenn gesagt wird, die Aufhebung des Zölibats würde den Priestermangel nicht beheben. Die vielen guten Priester, die wegen Zölibat gescheitert sind, wären noch im Amt.

Mein Hauptargument für die Aufhebung des Zölibats ist zur Zeit die Erfahrung Münsterschwarzachs. Wie viele Priester leiden unter der Einsamkeit. Und keine tolle Priestergemeinschaft, oder Gastfamilie, die einen zum Essen einlädt, oder Gemeinde, die "wie eine Familie für den Pfarrer ist" noch die "Exklusiv"-Beziehung zu Gott kann so manchen Bedürfnissen nach Intimität und Zuneigung nachkommen. Deshalb kommt es dann ab und zu heimlichen Beziehungen, andere machen es nicht, obwohl sie es sich wünschen würden, geraten in furchtbare Gewissenskonflikte bzw. bekommen regelrechte psychische Probleme. Natürlich ist das nicht bei jedem Priester so. Ich würde sogar sagen, dass die meisten Priester glücklich sind. Das hat die rezente Zulehner-Studie ja auch bewiesen. Aber es gibt eben auch die anderen Fälle. Und mit dem oft angeführten Argument, dass das Scheitern eben auch beim Priestertum wie bei der Ehe dazugehört, und dass es eine Art der Kreuesnachfolge ist, gebe ich mich nicht zufrieden. Auch unter pastoralem Gesichtspunkt ist der Zölibat nicht immer hilfreich. Oft wird gesagt, dass der, der den Zölibat wählt, sich solidarisch erklärt mit all denen, die ungewollt 'zölibatär' leben müssen (Geschiedene, Witwen, ...). Aber fühlen sich diese, die unter dem 'Zölibat' leiden und ihn schnell überwinden möchten, wirklich verstanden von jemandem, der den Zölibat bewusst lebt? Würden Sie sich nicht besser verstanden wissen von einem Verheirateten? Auch ist es so, dass wenn heute über einem Haus die Flagge des Zölibats weht, bei den Leuten eher die Assoziation erweckt: "Da wohnt einer, der keine Ahnung vom Leben hat" als die Assoziation "Da ist einer, der ist frei, der hat Zeit für uns und versteht uns". Und trotzdem bin ich der Meinung, dass er ein wichtiges und sinnvolles Zeichen ist, den jeder gehen soll, der sich wirklich dazu berufen fühlt. Wer den Zölibat allerdings lediglich in Kauf nicht, weil er eine Berufung zum Priester verspürt (was nicht dasselbe ist, cf. Ostkirche), ohne wirklich zum Zölibat berufen zu sein, der sollte es lieber lassen, denn das geht in den allermeisten Fällen, wie die Erfahrung zeigt, schief.

Der Kirche ist das Zeichen der Zölibats hier im Westen zur Zeit so wichtig, dass sie die Koppelung Priestertum-Zölibat aufrecht erhält. Sie leistet sich also den "Luxus", auf eine Reihe von Priestern zu verzichten. Das akzeptiere ich, sage aber auch, dass sie nicht mehr jammern darf über mangelnen Priesternachwuchs.

Laura

Beitrag von Laura »

Ich denke, beim Zölibat ist es wichtig auch zwischen Ideal und Wirklichkeit zu unterscheiden:
Das Ideal eines Menschen, der ganz aus der Beziehung zu Gott lebt und daraus die Kraft schöpft für seinen Dienst an den Menschen ist sicherlich gut und wichtig.
Die Wirklichkeit spricht eine andere Sprache: Allein leben ist nicht einfach (das spreche ich aus Erfahrung), die leere Wohnung nach einem anstrengenden Arbeitstag ist wenig angenehm, es fehlt der "Blitzableiter", dem ich enfach nur erzählen kann, es fehlt die "Wärme" zuhause. Freunde und Geschwister etc. können dies nur bedingt ersetzen. Dass Menschen (nicht nur Priester sondern auch andere Singles) da verzweifeln und daran krank werden, ist logische Folge und traurige Realität.
Hinzu kommt, dass die Hingabe in einer konkreten Beziehung, zu einem Menschen auch eine ganz tiefe Grundsehnsucht des Menschen ist - und die ist nun einmal unerfüllt.

Und noch etwas: Hingabe und Partnerschaft sind auch Zeichen für die Liebe Gottes - in ihnen wird die Liebe Gottes konkret.
Was das Argument der Verweltlichung der Priester betrifft, vermag ich es nicht zu teilen: Mir fällt immer wieder diese Sonderwelt auf, in der sich viele Priester bewegen - und das ist für die "normalen Menschen" sicher eher abstoßend - da wäre es sicher hilfreich, wenn der Priester ein "normalerer" Mensch wäre, der eben auch mal erfahren würde, wie viel Arbeit und Sorgen (und natürlich auch Freude) z.B. drei oder vier Kinder machen!
Laura

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otto
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Beitrag von otto »

Nun ja Thierry, wenn ich da in so manches Evangelische Pastorenhaus blicke, dann komme ich nicht um die Feststellung herum, dass Ehe und Familie für so machen Pastor auch nicht die Erfüllung bringt die Du dir erwünscht.

Viele evangelische Pastorenfamilien zerbrechen, warum wohl? Weil die Pastoren/innen die Doppelbelastung von Ehe, Familie und Gemeinde nicht miteinander vereinbaren können?

Nein Thierry, die Diskussion ist immer die gleiche ein Priester ist kein Beruf, sondern eine Berufung jeder der in der Tätigkeit des Priesters nur einen Job sieht mit dem er seinen Lebensunterhalt verdienen kann, ist definitiv fehl am Platz. Wer die Geborgenheit einer Familie benötigt, wer nicht auf die Intime Nähe zu einer Frau verzichten kann, der kann auch nicht mit ganzer Kraft für die Verkündigung des „Wort Gottes“ eintreten. Die Kirche verzichtet nicht auf Priester, sie verzichtet auf halbseidene Menschen die sich nicht zwischen der Welt und den vergänglichen und Gott und den unvergänglichen Entscheiden wollen. Schon Jesus sprach sich gegen jede Art der Lauheit im Glauben aus. Mit erschrecken höre ich oft von dem Glaubensverlust in evangelischen Pfarrgemeinden. Auch von einer Pastoren Schwemme -da kein Zölibat- kann ja innerhalb der evangelischen Kirche, nicht einmal im Traum die Rede sein.

Selbstverständlich muss die katholische Kirche an dem Zölibat festhalten. Sie muss wieder das Feuer des Heiligen Geistes in den jungen Menschen entzünden, sich ganz und gar auf Gott einzulassen.
Natürlich ist ein erfülltes Leben ohne Familie und intime Nähe möglich, Millionen von Menschen sind dazu - eher unfreiwillig - gezwungen. Nur so mancher der in Ehe und Familie lebt, kann sich nicht vorstellen dass er ohne seinen Ehepartner leben könnte.
–Wie ich bereits an anderer Stelle erwähnt habe- Die katholische Kirche darf nicht die Zweifel mehren und dem Zeitgeist nach dem Munde sprechen, um den Menschen zu schmeicheln. In dieser Stimmung der Lauheit, wird es wohl nur sehr wenigen Menschen möglich sein, dass rufen Gottes zur Priesterberufung zu vernehmen.

Wer Gott dienen will, aber nicht Zölibatär leben möchte, kann doch evangelischer Pastor/in werden, ich denke dass er/sie sich in der evangelischen Glaubensgemeinschaft sehr wohl fühlen wird, und dort auch freudig empfangen wird.

[schild=1 fontcolor=000000 shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1]Jesus ruft, wer hört Ihn![/schild]
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Ketelhohn hat geschrieben:
Möhlers Thesen, die Hattrup referiert, bergen die Gefahr, die Sakramente zu entleeren, und zwar sowohl die Priesterweihe als auch die Ehe.
Hat irgendwer Möhlers Schrift gelesen (ich nicht) ?

Johann Adam Möhler: Vom Geist des Zölibates. Beleuchtung der Denkschrift für die Aufhebung des den katholischen Geistlichen vorgeschriebenen Zölibates / Hrsg., erl. und mit einem Nachwort versehen von D. Hattrup. Paderborn: Bonifatius, 1992.- 184 S.
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

cathol01 hat geschrieben:»… daß Sexualität etwas Schmutziges ist …«
Ist sie doch auch. Auch. „Saubere“ Sexualität ist nichts als die Ausgeburt unreifer oder kranker Phantasie. Oder das verblödende Trugbild der Film- und Reklameindustrie.
cathol01 hat geschrieben:»Erfahrungen von Münsterschwarzach«
Was meinst du damit?
cathol01 hat geschrieben:»Es ist einfach nicht wahr, wenn gesagt wird, die Aufhebung des Zölibats würde den Priestermangel nicht beheben. Die vielen guten Priester, die wegen Zölibat gescheitert sind, wären noch im Amt.«
Hier widerspreche ich ganz entschieden. Vielleicht wären sie noch im Amt, aber wären sie gute Priester? Ich bezweifele das. Damit meine ich nicht, daß sie schlechte Priester wären, weil sie verheiratet wären. Das ist nicht der Punkt. Ich kenne verheiratete Priester (russisch-orthodoxe nämlich), die sind weitaus bessere Priester als viele frustrierte Zölibatäre.

Aber ein Priester, der seine Berufung verläßt, weil er den Zölibat nicht halten zu können meint, der ist der eigentlichen Berufung auch dann nicht treu, wenn man ihn heiraten läßt. Das aber nicht, weil er „ungeeignet“ wäre. Alle sind aus sich selbst und aus ihrer eigenen Kraft untauglich. Das Problem liegt vielmehr darin, daß man sie allein läßt. Niemand hat sie gelehrt, aus Gottes Kraft zu leben. Das Übel liegt in der Priester-„Ausbildung“ (und meist auch schon zuvor in der Erziehung in der Familie).

Darum löst man das Problem des – scheinbaren oder tatsächlichen – Priestermangels auch nicht mit einer Freigabe des Zölibats. Im Gegenteil, wir bekämen bloß noch mehr schlechte Priester. (Nochmals: nicht „schlechte“ oder ungeeignete Menschen; sondern allein Gelassene, von den Hirten schutzlos ins Haifischmeer Geworfene.)

In solcher Situation etwas am Zölibat drehen zu wollen ist so, als wollte man einen Grippekranken durch Amputation der Triefnase heilen. Mensch Leute, packen wir doch das Übel bei der Wurzel!
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Beitrag von Juergen »

Ketelhohn hat geschrieben:
cathol01 hat geschrieben:»Erfahrungen von Münsterschwarzach«
Was meinst du damit?
Vielleicht meint damit, daß er dort eine Reihe "gescheiterter" Priester getroffen hat. Münsterschwarzach ist (oder war zumindest) der Ort, an den Paderborner Priester geschickt wurden, die - aus welchen Gründen auch immer - Probleme mit Ihrer Berufung, dem Amt, dem Zölibat etc. hatten. Ob auch andere Diözesen dort Priester hingeschickt haben, entzieht sich meiner Kenntnis, - mag aber möglich sein.
Ketelhohn hat geschrieben:
cathol01 hat geschrieben:»Es ist einfach nicht wahr, wenn gesagt wird, die Aufhebung des Zölibats würde den Priestermangel nicht beheben. Die vielen guten Priester, die wegen Zölibat gescheitert sind, wären noch im Amt.«
Hier widerspreche ich ganz entschieden. Vielleicht wären sie noch im Amt, aber wären sie gute Priester? Ich bezweifele das. Damit meine ich nicht, daß sie schlechte Priester wären, weil sie verheiratet wären. Das ist nicht der Punkt. Ich kenne verheiratete Priester (russisch-orthodoxe nämlich), die sind weitaus bessere Priester als viele frustrierte Zölibatäre.
Da kann ich Dir nur zustimmen.
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max72
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Beitrag von max72 »

Ketelhohn hat geschrieben:
cathol01 hat geschrieben:»… daß Sexualität etwas Schmutziges ist …«
Ist sie doch auch. Auch. „Saubere“ Sexualität ist nichts als die Ausgeburt unreifer oder kranker Phantasie. Oder das verblödende Trugbild der Film- und Reklameindustrie.
Hmm...... Zumindest eine sehr missverstaendliche Aussage?
In solcher Situation etwas am Zölibat drehen zu wollen ist so, als wollte man einen Grippekranken durch Amputation der Triefnase heilen. Mensch Leute, packen wir doch das Übel bei der Wurzel![/color]
Gut, was ist die Wurzel? Was wir uns bewusst sein muessen ist, dass Heilige, oder auch grosse religioese Personen, die Welt von einem ganz anderen standpunkt sehen. Die sagen uns, dass wir die welt nicht so sehen wie sie wirklich ist. Und weil wir eben von falschen Annahmen ausgehen, machen wir falsche Folgerungen. (Die meisten gehen heute zB davon aus, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, keinen Gott etc und haben ein Weltbild aufgrund dieser Annahmen)

Wenn man nun die Welt wirklich sieht wie sie wirklich ist. Und wenn man vertraut, dass die grossen religioesen Personen wirklich eine bessere Einsicht in die Sicht der Dinge haben, dann frage ich mich warum eben alle Religionen was Sexualitaet angeht ganz aehnliche Ansichten haben.

Die Haltung zur Sexualitaet ist nur eine Folge aus unserer generellen Weltanschauung. Anscheinend ergibt ein Standpunkt, wie ihn weise und heilige Personen generell haben, eben eine ganz andere Sicht auf Sexualitaet als das was unsere Welt heute glaubt.

Gruss

max

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Max hat geschrieben:»Hmm ... Zumindest eine sehr missverstaendliche Aussage?«
Was hast du denn verstanden?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

max72
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Registriert: Montag 10. November 2003, 16:42

Beitrag von max72 »

Ketelhohn hat geschrieben:
Max hat geschrieben:»Hmm ... Zumindest eine sehr missverstaendliche Aussage?«
Was hast du denn verstanden?
EDIT: sehe jetzt gerade Dein Wort "auch". Dass sie "auch" schmutzig ist, ist ne andere Sache...

Nun, dass Sexualitaet im rechten Masse und in den rechten Umstaenden vollkommen ok ist, und nicht schmutzig, bestreitet die Kirche ja auch nicht? Nichtmal der Katechismus?

Wuerde aber lieber noch was dazu hoeren, was Du als die Wurzel des Problems siehst.

Gruss

Max

Jojo
Beiträge: 251
Registriert: Dienstag 11. November 2003, 19:12

Beitrag von Jojo »

cathol01 hat geschrieben: Sogar große spirituelle Meister unserer Zeit wie Anselm Grün plädieren mittlerweile für eine Freistellung
Wenn Grün dafür ist, ein Grund mehr, dagegen zu sein :D :D
Es ist einfach nicht wahr, wenn gesagt wird, die Aufhebung des Zölibats würde den Priestermangel nicht beheben. Die vielen guten Priester, die wegen Zölibat gescheitert sind, wären noch im Amt.
Das halte ich für spekulativ, denn es nicht gesagt, dass sie nicht auch mit einer Ehefrau gescheitert wären.
Mein Hauptargument für die Aufhebung des Zölibats ist zur Zeit die Erfahrung Münsterschwarzachs. Wie viele Priester leiden unter der Einsamkeit.


Ich halte das Argument nicht für stichhaltig. Ok, manche leiden unter der Einsamkeit (dass die meisten glücklich sind, schreibst du ja selbst), aber ich halte es für eine Illusion, die Erlaubnis zur Heirat als Allheilmittel zu betrachten.
Nehmen wir einmal an, die vielen Einsamen dürften heiraten. Dann käme über kurz oder lang (eher über kurz ;-) ) folgendes Problem: wie viele Priester leiden unter ihrer Ehe!! (und dass dies kommt, ist nicht spekulativ. Dazu brauchen wir uns nur die Zahlen der gescheiterten Ehen und Beziehungen im allgemeinen sowie die der evangelischen Pfarrhäuser im besonderen anzusehen). Konsequent nach obiger Argumentation müsste man also die Priester aus dem Ehesakrament wieder entbinden können. Mit dem Argument: hätte man Herrn Xens Ehe auflösen können, wäre er bestimmt auch heute noch Priester (und wäre nicht zwecks Erlösung vom Leidensdruck aus dem Amt ausgeschieden um die Scheidung einreichen zu können) und wir hätten nicht so einen Priestermangel!.

Wie Ralf auch schon sagte, es wird heute um Befindlichkeitsstörungen zu viel Aufhebens gemacht. Dass die auf den ersten Bick einleuchtetende Formel: "Nehmt den Priestern (bzw. einigen davon) ihre Befindlichkeitsstörungen und ihre Zahl wird sich vergrößern" so wirklich stimmt, halte ich für unwahrscheinlich.
Oft wird gesagt, dass der, der den Zölibat wählt, sich solidarisch erklärt mit all denen, die ungewollt 'zölibatär' leben müssen (Geschiedene, Witwen, ...). Aber fühlen sich diese, die unter dem 'Zölibat' leiden und ihn schnell überwinden möchten, wirklich verstanden von jemandem, der den Zölibat bewusst lebt?


Nein, aber vielleicht von einem, der auch nicht so ganz einfach mit seinem "Schicksal" zurechtkommt (und trotzdem versucht, damit klar zu kommen)
Auch ist es so, dass wenn heute über einem Haus die Flagge des Zölibats weht, bei den Leuten eher die Assoziation erweckt: "Da wohnt einer, der keine Ahnung vom Leben hat" als die Assoziation "Da ist einer, der ist frei, der hat Zeit für uns und versteht uns".
Also, dass die Flagge Zölibat mit der Assoziation "keine Ahnung vom Leben" gekoppelt ist, wird sicher nicht stimmen. Sie weht überdeutlich auf jedem Kloster und welch hohes Maß an Kompetenz den unter dieser Flagge Segelnden zugetraut wird, war ja auch hier schon im Forum nachzulesen. Dass die Assoziation "Da ist einer, der ist frei, der hat Zeit für uns und versteht uns" nicht mit dem Weltpriester gekoppelt ist, liegt an der Entwicklung des Priesterberufs zunehmend zu einem Administrator-Job, der vor lauter Verwalten von Papierkram, Gremien und sonstigen "Notwendigkeiten" nicht mehr genug Zeit für das Wesentliche hat .

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Max hat geschrieben:»Nun, daß Sexualitaet im rechten Maße und in den rechten Umständen vollkommen ok ist, und nicht schmutzig, bestreitet die Kirche ja auch nicht?«
Ich meinte schon, daß sie immer schmutzig ist. Die Sexualität, meine ich, nicht die Kirche. – Auch schmutzig, betonte ich, weil sie natürlich nicht nur schmutzig ist. Im Gegenteil, sie ist heilig. Sogar sakramental. Ich habe sogar schon vom Ehebett als einer Art Altar reden hören – und da ist was dran.

Schmutzig ist sie aber dennoch. Einmal in sehr konkreter Weise, wenn ich dies einmal anmerken darf. Aber auch in einem übertragenen Sinne: weil nämlich unsere Geschlechtsorgane der direkten willentlichen Beeinflussung völlig entzogen sind. Allenfalls indirekt können wir ihrem Tun oder Lassen zu steuern versuchen. Allzu leicht kommt es aber umgekehrt, daß sie uns steuern.
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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Jojo hat geschrieben:
Ich halte das Argument nicht für stichhaltig. Ok, manche leiden unter der Einsamkeit (dass die meisten glücklich sind, schreibst du ja selbst), aber ich halte es für eine Illusion, die Erlaubnis zur Heirat als Allheilmittel zu betrachten.
Nehmen wir einmal an, die vielen Einsamen dürften heiraten. Dann käme über kurz oder lang (eher über kurz ;-) ) folgendes Problem: wie viele Priester leiden unter ihrer Ehe!!
*************************************

Allerdings. Wieso sollte die Ehe als solche einen Priester glücklicher machen oder weniger einsam? Ehe als Allheilmittel? An dieser Schnapsidee scheitern heutzutage viele Menschen. Und welchen Druck solche Ehe/Familien aushalten müssten, sieht man an den evagelischen Pfarrfamilien - die Vorzeigefamilie per se. Na, wenn das erstrebenswert ist ....

Es ist wirklich purer Unsinn anzunehmen, dass nur ein Verheirateter die Probleme von Eheleuten oder Familien begreift - mein Beichtvater (Weltpriester) versteht prima, was in mir vorgeht. Besser als ich selbst.

Gruß
Geronimo

_________________

Lucia

Beitrag von Lucia »

Ketelhohn hat geschrieben:
Max hat geschrieben:»Nun, daß Sexualitaet im rechten Maße und in den rechten Umständen vollkommen ok ist, und nicht schmutzig, bestreitet die Kirche ja auch nicht?«
Ich meinte schon, daß sie immer schmutzig ist. Die Sexualität, meine ich, nicht die Kirche. – Auch schmutzig, betonte ich, weil sie natürlich nicht nur schmutzig ist. Im Gegenteil, sie ist heilig. Sogar sakramental. Ich habe sogar schon vom Ehebett als einer Art Altar reden hören – und da ist was dran.

Schmutzig ist sie aber dennoch. Einmal in sehr konkreter Weise, wenn ich dies einmal anmerken darf. Aber auch in einem übertragenen Sinne: weil nämlich unsere Geschlechtsorgane der direkten willentlichen Beeinflussung völlig entzogen sind. Allenfalls indirekt können wir ihrem Tun oder Lassen zu steuern versuchen. Allzu leicht kommt es aber umgekehrt, daß sie uns steuern.
Och nö. Sexualität heißt zunächt einfach mal die Zugehörigkeit zu einem biologischen Geschlecht; männlich oder weiblich. Und das ist nicht schmutzig, sondern gottgewollt "als Mann und Frau schuf er ihn" steht doch schon in der Genesis. Sexualität ist ein essentieller Bestandteil des Mensch-Seins. Und das gilt auch für Kinder, unverheiratete, zölibatäre - ja sogar für noch nicht Geborene.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lucia hat geschrieben:»Sexualität heißt zunächt einfach mal die Zugehörigkeit zu einem biologischen Geschlecht«
Na, Lucia, im obigen Zusammenhang ging es schon konkret um den Vollzug des Geschlechtsverkehrs.
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otto
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Beitrag von otto »

Ketelhohn hat geschrieben:Ich meinte schon, daß sie immer schmutzig ist. Die Sexualität, meine ich, nicht die Kirche. – Auch schmutzig, betonte ich, weil sie natürlich nicht nur schmutzig ist. Im Gegenteil, sie ist heilig. Sogar sakramental. Ich habe sogar schon vom Ehebett als einer Art Altar reden hören – und da ist was dran.
Robert, das ist nach meinem Endfinden etwas zu spirituell ausgedrückt.
Das Ehebett als Altar? Nein das überbewertet die Sexualität doch um ein vielfaches.
Ebenso wenig kann ich in der Sexualität mit seinem Ehepartner etwas Schmutziges erkennen.

Ich denke wie Lucia Sexualität heißt zunächst einfach mal die Zugehörigkeit zu einem biologischen Geschlecht; männlich oder weiblich. Und in der Ehe ist sie unter anderem auch Ausdruck von Liebe und Geborgenheit. In so einem Ideal ist sie erstrebenswert, aber nicht immer erreichbar. Aber zu einem erfüllten Leben ist sie nicht zwingend notwendig.

Ich rufe jeden jungen Menschen dazu auf, sich selber zuprüfen wie wichtig im die Geborgenheit und die Liebe zu dem anderen Geschlecht ist, jeder der sich nicht sicher ist, sollte keinen Zölibatäres Lebensentwurf wählen.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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