Klagen über liturgische Mißbräuche

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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Stephen Dedalus ist also der Meinung, dass die sogenannten "Tradis" gewissermaßen seit nahezu 2000 Jahren einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Da mußte dann erst das 2. vatik. Konzil mit seinem neu kreierten NOM kommen, um diese Gehirnwäsche zu beenden.

Du solltest besser bedenken, dass auch eine 'Tradition fortgeschrieben wird und nicht für alle Zeiten in einem einmal geschaffenen Zustand verharrt.
Nur, die Tradition wurde nicht fortgeschrieben, sondern sie wurde ersetzt, durch etwas, was der heutige Papst noch zu Zeiten als Kardinal als "das platte Produkt eines Moments" bezeichnet hat.

Bitte stelle doch hier keine Schlussfolgerungen ein, die jeder Grundlage entbehren; oder geht es Dir nur darum, irgendetwas gesagt zu haben?
Begründe also Deine Äußerungen, damit man sich überhaupt mit diesen auseinandersetzen kann.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

ad_hoc hat geschrieben:Das, Ecce Homo, muß beachtet werden, wenn man über liturgische Mißbräuche spricht, die im Alten Ritus nicht möglich waren, sondern erst im Neuen Ritus ermöglicht worden sind.
Man kann doch nicht einfach liturgische Mißbräuche feststellen wollen, ohne sich für die Ursachen dieser Mißbräuche zu interessieren!
Das ist wieder die euphemistische Sicht der Traditionalisten. Natürlich gibt es Mißbräuche im NOM, wer würde das bestreiten. Unbestreitbar ist aber ebenso, daß viele Entwicklungen im VO ebenfalls schwer mißbräuchlich waren. Das simultane Abspulen unzähliger Privatmessen, die innere Teilnahmslosigkeit der Gemeinde (ignoriert doch nicht fortwährend die Berichte der Zeitgenossen, nur um Euer Idealbild verkaufen zu können!), die erschütternde Unwissenheit des Volkes, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Das Problem vieler Tradis ist, daß ihre Argumentation auf falschen historischen Annahmen aufbaut und irregeleitete liturgische und theologische Grundannahmen voraussetzt.
Deshalb bitte ich auch diejenigen, die so oder ähnlich argumentieren wie, Ecce Homo, Fiore Graz und weitere (es gibt noch mehrere solcher..) mich zukünftig mit irgendwelchen polemischen Antworten zu verschonen, statt dessen aber mehr Sachargumente und Beweise für die Gegenpositionen zu liefern, was bislang unterblieben ist.
Ach ja? Vielleicht willst Du sie nur nicht sehen?
Polemik wird ja von den Tradis gerne zur Anwendung gebracht. Wenn sie selbst auf welche stoßen, reagieren sie ganz allergisch. Sie beanspruchen da offenbar ein Monopol.




Gruß, ad_hoc[/quote]
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

ad_hoc hat geschrieben:Stephen Dedalus ist also der Meinung, dass die sogenannten "Tradis" gewissermaßen seit nahezu 2000 Jahren einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Da mußte dann erst das 2. vatik. Konzil mit seinem neu kreierten NOM kommen, um diese Gehirnwäsche zu beenden.
Wo hätte ich etwas von 2000 Jahren geschrieben? Der Ihalt der Gehirnwäsche besteht eben darin, daß Ihr diese 2000 Jahre für Euch reklamiert, jedoch die historische Komplexität auch der liturgischen Entwicklung leugnet. Ihr versucht den Menschen (seit den 70er Jahren, aber verstärkt aber seit den 80er und 90er Jahren) Euer Bild zu verkaufen, das aber mit der Realität nur sehr eingschränkt zu tun hat.
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

zu Stephen Dedalus noch etwas.
Auf meine Aussage:
wüßtet ihr, dass das Verständnis der auf Latein gesprochenen Gebete nicht unbedingt notwendig ist, da dieses Verständnis durch etwas weitaus Höheres ersetzt wird, nämlich durch das Sakrale, durch das Spirituelle,
hat er geantwortet:
Ich habe an genügend Messen im VO teilgenommen, um zu wissen, daß Dein Argument von der Nicht-Notwendigkeit des Verstehens Unsinn ist. Was Du damit propagierst, ist dem Wesen der christlichen Liturgie wesensfremd.
Ich habe mich dahingehend geäußert, dass das wortwörtliche Mitverfolgenkönnen der lateinischen Gebete nicht unbedingt notwendig ist, da hier der sakrale und spirituelle Aspekt der Teilnahme an der Hl. Messe zum Tragen kommt.

Aber sowohl früher als auch heute hat es Gebetbücher gegeben, die ein Mitverfolgen der Hl. Messe im Rahmen der lateinischen Gebete ermöglichten. Zudem war der Gläubige in religiöser Hinsicht einfach besser gebildet, so dass er zu jeder Zeit wußte, was am Altar geschah.
Heute wird Deutsch gesprochen und ich erlaube mir die Feststellung, dass die überall zu beobachtende Unaufmerksamkeit und Unkonzentriertheit während der deutschen Gebete und auch der Lieder, das womöglich richtige Verständnis ebenfalls behindert.

Auch Deine Aussage, wonach das, was ich propagiere, dem Wesen der christlichen Liturgie fremd wäre, ist unüberlegt.
Über Jahrhunderte hinweg wurde die Hl. Messe auf Latein gelesen, und kaum ein Gläubiger war imstande, diese Messe, zumindest die lateinischen Gebete, zu verstehen.
Aber selbst, wenn Du Deine Aussage auf diese Zeit beschränkt hättest, wäre diese Aussage nicht korrekt. Früher hatten die Gläubigen eine ganz andere Schulung durch Priester und Ordensleute. Mit dem heutigen katholischen Religionsunterricht kann ich vermutlich eine jüdische Feier besser verstehen, auch das Freitagsgebet der Muslime und, kaum zu glauben, man kommt auch mit der Bedeutung der Handhaltung der hinduistischen Götter und Göttinnen zurecht, nicht mehr aber mit dem Alten Ritus der katholischen Kirche.
Was nachfolgendbis zum zweiten vatikanischen Konzil an Literatur in deutscher Sprache vorhanden war, einschließlich der früheren Gesangbücher, genügte vollkommen, um das Geschehen im Alten Ritus mitzuverfolgen.

Gruß, ad_hoc
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Was echauffierst Du Dich so, Stephen Dedalus?
Lass mal hören. Abgesehen davon, dass Dein Verhalten nicht anders ist als das Verhalten, welches Du mir vorwirfst, behaupte ich, dass Deine Entgegnungen, mit denen Du die heutige Sicht verteidigst, nicht stimmen, schon deshalb nicht, weil von Voraussetzungen ausgegangen wird, die so nicht existiert haben.

Natürlich sind auch früher Mißbräuche vorgekommen. Allerdings nicht in diesem weiten Ausmaß und vor allem nicht einhergehend mit dem großen Glaubensabfall (weil der katholische Glauben heute nicht mehr vermittelt wird), wie dies heute der Fall ist. Heute zerstört sich die katholische Kirche von innen heraus, beginnende bei den Kardinälen und Bischöfen und fortgesetzt durch die katholischen Priester und Berufslaien, denen selbst häufig jegliche religiöse Grundlage fehlt.. Gegner der katholischen Religion müssen nichts mehr tun, sie schauen diesem traurigen Spektakel nur noch zu und amüsieren sich.

Gruß, ad_hoc
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Chiara
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Beitrag von Chiara »

Weißt du, ad_hoc, mit deiner Argumentation habe ich vor allem ein gewaltiges Problem: Das Recht, die Liturgie zu verändern, liegt mit Ausnahme des Bereichs des göttlichen Rechts (d.h. Brot und Wein sowie Wandlungsworte) bei der Kirche - und zwar 1970 genauso wie 1570 oder 570 oder 2070. Okay? Und zwar unabhängig davon, wer gerade den Fischerring trägt. Aber du sprichst ihr dieses Recht ab - ja weil dir das neue Produkt weniger gefällt als das vorige.

Dein Feindbild, das Missale von Paul VI., sieht eine Messfeier vor, welche der der ausgehenden Antike und des Frühmittelalters - als die Leute noch mitmachten (ihren Part beteten) - ähnlicher sieht als es das Missale von Pius V. je könnte. Aber das nur nebenbei. Auch dieses Missale hat also Kontinuität, auch wenn man über den Sinn oder Unsinn der einen oder anderen Abschaffung streiten kann.

Und außerdem geht mir dieses Geheule der Tradis "Man hat ja alles abgeschafft, das ist ja noch NIE passiert" langsam auf den Wecker, denn es wird von der wiederholung des Spruchs nicht wahrer. Was geschah denn nach der tridentinischen Reform? Es wurde alles eingeebnet, was jünger als 200 Jahre war, und faktisch haben nur winzige "Inseln" nicht-tridentinischer Liturgie überlebt - wie der ambrosianische und der mozarabische Ritus. Beim Vaticanum II geschah nichts anderes, nur durch die verbesserten medialen Möglichkeiten einfach schneller und effizienter.

Also, warum kann man nicht einfach mal annehmen, dass eine Entscheidung der Mutter Kirche schlicht richtig ist - so, wie sie da steht?

PS. Ich wäre SEHR vorsichtig damit, allem nach bzw. außerhalb des Konzils Stattfindenden den Heiligen Geist abzusprechen. Vor allem, weil das Konzil nur die außergewöhnliche Form der Ausübung des Primates ist.
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sofaklecks
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Mal ganz ehrlich

Beitrag von sofaklecks »

Mal ganz ehrlich festgestellt:

bevor ich auf dieses Forum aufmerksam wurde, wäre ich nie auf die Idee gekommen, jemand könne ernsthaft der Meinung sein, die Einführung der "neuen" Liturgie hätte den Niedergang der Kirche verursacht.

Ich spreche niemandem eine berechtigte tiefe Sehnsucht nach diesem alten Ritus ab. Aber er ist ein Ritus für die Eingeweihten. Die, die die unzähligen Kreuzzeichen, Verneigungen und Kniebeugen deuten können. Die Argumentation, die Gläubigen seien früher "in religiöser Hinsicht einfach besser gebildet gewesen" ist pures Wunschdenken. Wir wissen alle, dass das Bildungsniveau früher erheblich niedriger war als heute. Wäre man bösartig, täte man hinzufügen "Gott sei Dank, sonst hätte die Entwicklung noch früher eingesetzt".

Es gibt viele Gründe für die schwindende Bedeutung der Kirche. Aber die neue Liturgie hat daran ebensowenig den entscheidenden Anteil wie die Freimaurer. Oder der Klimawandel.

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Pit
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Re: Mal ganz ehrlich

Beitrag von Pit »

Danke, Du hast das geschrieben, was mir schon länger durch den Kopf geht.
Wenn die Betreiber von www.alte-messe.de schon mehr Zeit damit verbringen, zu erklären, welches Zeichen, welche Geste und Handlung der tridentinischen Liturgie auf welche Bibelstelle verweist oder dadurch inspiriert wurde etc., dann bezweifel ich, daß der einfache Bauer des 16. oder 17. oder 18. und 19. Jahrhunderts das wirklich (!) verstanden hat.

Gruß, Pit
sofaklecks hat geschrieben:Mal ganz ehrlich festgestellt:

bevor ich auf dieses Forum aufmerksam wurde, wäre ich nie auf die Idee gekommen, jemand könne ernsthaft der Meinung sein, die Einführung der "neuen" Liturgie hätte den Niedergang der Kirche verursacht.

Ich spreche niemandem eine berechtigte tiefe Sehnsucht nach diesem alten Ritus ab. Aber er ist ein Ritus für die Eingeweihten. Die, die die unzähligen Kreuzzeichen, Verneigungen und Kniebeugen deuten können. Die Argumentation, die Gläubigen seien früher "in religiöser Hinsicht einfach besser gebildet gewesen" ist pures Wunschdenken. Wir wissen alle, dass das Bildungsniveau früher erheblich niedriger war als heute. Wäre man bösartig, täte man hinzufügen "Gott sei Dank, sonst hätte die Entwicklung noch früher eingesetzt".

Es gibt viele Gründe für die schwindende Bedeutung der Kirche. Aber die neue Liturgie hat daran ebensowenig den entscheidenden Anteil wie die Freimaurer. Oder der Klimawandel.

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Kurt
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Beitrag von Kurt »

Es geht durchaus in Ordnung, dass ihr meint, die Altritusfreunde hätten einen an der Waffel. Aber wozu dienen das faktische Verbot, bzw. die verweigerten Indulte?

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Chiara
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Beitrag von Chiara »

Kurt hat geschrieben:Es geht durchaus in Ordnung, dass ihr meint, die Altritusfreunde hätten einen an der Waffel. Aber wozu dienen das faktische Verbot, bzw. die verweigerten Indulte?
Verstehe ich nicht ganz. Wie meinst du das?
Wenn ich dich richtig verstanden habe, würde ich sagen: Die Kirche hat es irgendwann 1970 für gut befunden, einen veränderten Messritus in Kraft zu setzen. Und dabei wollte sie dieselbe Einheit im Ritus gewahrt wissen wie zuvor - deswegen wurde der bisher gültige Ritus zunächst einmal komplett ersetzt.
Ich mache mir große Sorgen um die Einheit in der lateinischen Rituskirche bei einer Wiedereinsetzung des alten Ritus, gerade wenn ich mir einige Mitdiskutanten hier anschaue. Auch wenn die entsprechenden Geistlichen unterschreiben sollten, dass sie den aktuellen Ritus anerkennen - Papier ist geduldig - wäre die Probe aufs Exempel doch die Situation, dass ein solcher tridentinischer Priester um der Gemeinde willen im aktuellen Ritus zelebrieren müßte. Würde er es tun? Ich behaupte mal: Höchstwahrscheinlich nicht.
Und genau diese Einstellung wird auch den entsprechenden Gläubigen vermittelt: "Wir machen es so, wie es früher war, weil das, was jetzt ist, schlechter bzw. nicht richtig ist." Das ist der erste Denkschritt zum Schisma - und wie bereits erwähnt: Ungehorsam gegen das Lehramt. Wenn so etwas von Leuten kommt, die sich auf ihre Traditions- und Kirchentreue berufen, ist das ungefähr so glaubwürdig, wie die "Weihe" der Donauschifferinnen, um der Kirche zu dienen, d.h. eklatanter Ungehorsam, um dann "irgendwann später" zu gehorchen - wenn ich meinen Willen bekommen habe.
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Kurt
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Beitrag von Kurt »

Chiara hat geschrieben:Auch wenn die entsprechenden Geistlichen unterschreiben sollten, dass sie den aktuellen Ritus anerkennen - Papier ist geduldig - wäre die Probe aufs Exempel doch die Situation, dass ein solcher tridentinischer Priester um der Gemeinde willen im aktuellen Ritus zelebrieren müßte. Würde er es tun? Ich behaupte mal: Höchstwahrscheinlich nicht.
Und genau diese Einstellung wird auch den entsprechenden Gläubigen vermittelt: "Wir machen es so, wie es früher war, weil das, was jetzt ist, schlechter bzw. nicht richtig ist."
Aber es gibt doch schon Indultmessen. Nur in Mitteleuropa werden sie restriktiv zugelassen.
Das ist der erste Denkschritt zum Schisma - und wie bereits erwähnt: Ungehorsam gegen das Lehramt. Wenn so etwas von Leuten kommt, die sich auf ihre Traditions- und Kirchentreue berufen, ist das ungefähr so glaubwürdig, wie die "Weihe" der Donauschifferinnen, um der Kirche zu dienen, d.h. eklatanter Ungehorsam, um dann "irgendwann später" zu gehorchen - wenn ich meinen Willen bekommen habe.
Verbote provozieren Ungehorsam. Wenn aber das, was 1970 Jahre richtig war, nun verboten wird, so ist das unglaubwürdig. Wozu hat man denn bei der vermeintlichen Furcht vor Spaltungen überhaupt den Ritus angepackt? War die Angst damals, 1970, eine kleinere?

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Pit
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Beitrag von Pit »

Nein, ich glaube nicht, daß die Freunde und Befürworter des Alten Ritus (besser: des Tridentinischen Ritus) einen "an der Waffel haben", ganz sicher nicht, und so manche Erklärung des Ritus auf www.alte-messe.de erscheint mir absolut logisch und nachvollziehbar, eben nach dem ich die Erklärung gelesen hatte.
Aber glaubst Du, daß z.B. der des Lesens unkundige Otto-Normal-Verbraucher des 16./17. Jahrhunderts die Liturgie so verstand, das er die Einzelheiten nachvollziehen konnte?

Gruß, Pit
Kurt hat geschrieben:Es geht durchaus in Ordnung, dass ihr meint, die Altritusfreunde hätten einen an der Waffel. Aber wozu dienen das faktische Verbot, bzw. die verweigerten Indulte?
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Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Kurt hat geschrieben: Verbote provozieren Ungehorsam. Wenn aber das, was 1970 Jahre richtig war, nun verboten wird, so ist das unglaubwürdig. Wozu hat man denn bei der vermeintlichen Furcht vor Spaltungen überhaupt den Ritus angepackt? War die Angst damals, 1970, eine kleinere?
Möchte nochmal zur Diskussion stellen, was ich auch kürzlich schon in der Büßerzelle geschrieben habe:
Raimund Josef H. hat geschrieben:Eines darf man aber doch nicht übersehen: Die Liturgiereform ist doch nicht im 2. vatikanischen Konzil sozusagen vom Zaun gebrochen worden. Von der sog. liturgischen Bewegung ab der Mitte des 19. Jhd. über das Motu Proprio "Tra le sollecitudini" von Papst Pius X. im Jahr 1903 über Romano Guardini 1918 und die Enzyklika Mediator Dei von Papst Pius XII. (1947) und die darauf bzw. schon kurz vorher eingesetzte Liturgiekommission war das doch eine sehr schlüssige Entwicklung. Unbestritten ist doch folgender immer wieder zu lesende Satz: "Fast alle im Konzil versammelten Bischöfe erachteten eine Liturgiereform als dringend notwendig".

Ich halte es für grundsätzlich falsch hier Gegenpositionen aufzubauen. Ich finde es nicht richtig, wenn sowohl dem einen Ritus die Würde oder gar die Legitimation abgesprochen wird, als auch dem anderen eine "überholte Sicht" attestiert wird. Nein, beide Riten haben ihren Stellenwert und Papst Benedikt mit seiner intellektuellen Schärfe und väterlichen Güte wird meines Erachtens mit dem Begleitschreiben zum Motu Proprio eine bestmögliche Lösung in dieser Frage erzielen
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Chiara
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Beitrag von Chiara »

Kurt hat geschrieben:Aber es gibt doch schon Indultmessen. Nur in Mitteleuropa werden sie restriktiv zugelassen.

Und Indult heißt Ausnahme. Ich habe keine Ahnung und kann auch als Theologin nicht verstehen, warum Gläubige, die eben nicht vorschützen können, mit einem anderen Ritus aufgewachsen zu sein (die Petrusbrüder und die jungen Schwestern, deren traditionelle Einkleidung im "Oratorium" rundum dokumentiert ist), sich dem tridentinischen Ritus zuwenden. Vielleicht Elitedenken - aber das möchte ich nicht allen generell unterstellen. Wirklich, ich verstehe es nicht - und dabei liebe ich lateinische Pontifikalämter.
Kurt hat geschrieben:Verbote provozieren Ungehorsam. Wenn aber das, was 1970 Jahre richtig war, nun verboten wird, so ist das unglaubwürdig. Wozu hat man denn bei der vermeintlichen Furcht vor Spaltungen überhaupt den Ritus angepackt? War die Angst damals, 1970, eine kleinere?
Verbote provozieren Ungehorsam? Bei Kindern und pubertierenden Jugendlichen vielleicht (bei Erwachsenen sollte die Vernunft und das gläubige Vertrauen zur Kirche überwiegen). Aber deswegen käme niemand auf die Idee, einem Kind seinen Willen zu lassen. Bei den anderen sollte der Appell an die Vernunft genügen.
Das andere hat Raimund schon beantwortet. Man sah schon lange das Reformbedürfnis, und die Liturgiekonstitution (mit dem Reformauftrag) ist fast einstimmig angenommen worden. Vermutlich haben sich die Konzilsväter darauf verlassen, dass die Gläubigen die Neuerung als Weisung annehmen, und haben nicht mit Protest gerechnet (der aber verhältnismäßig gering war). Umgekehrt haben die Konzilsväter wahrscheinlich nicht geahnt, wie sehr sich die Liturgie bei der Reform von der alten Form fortentwickeln würde.

Aber vielleicht ist es auch falsch, immerzu vom "Verbot" der alten Liturgie zu sprechen. Vermutlich sahen die päpstlichen Kommissionen das viel pragmatischer und dachten in den Bahnen eines Verwaltungsaktes - eines außer Kraft setzen - eines in Kraft setzen - passt. Verbote kamen wohl erst, als einige Gruppen gar nicht daran dachten, sich anzupassen.
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Es ist eigentlich gar nicht erstaunlich, wie schnell der Inhalt des Alten Ritus und dessen Bedeutung in Vergessenheit gerät, wenn er ganz bewußt als unzeitgemäß und regelrecht als eine fast 2000 Jahre andauernde Fehlentwicklung (gegenüber dem neuen Ritus) charakterisiert wird, wenn ständig der Neue Ritus auf eine Art und Weise verteidigt werden muß, die logisch nicht nachvollziehbar, deren geschichtliche (angeblich ebenfalls Tradition) Wurzeln zwanghaft in irgendwelchen Hypothesen, wonach angeblich schon die Urchristen den jetzigen Neuen Ritus gefeiert hätten, gesucht werden und vor allem alle gegenteiligen Aussagen unbeachtet bleiben bzw. als unwahr hingestellt werden.

Wer kann denn im Ernst behaupten wollen, es hätte mit der nachkonziliaren Entwicklung alles seine Richtigkeit, wenn die Kirche gerade infolge dieser Entwicklung vor großen und kaum lösbaren Problemen steht, die an und für sich deren Existenz gefährden würden, hätten wir nicht das Versprechen von Jesus, dass diese Kirche nie untergehen werde.
Der Papst hat, wie man hört, mit großen Widerständen im Vatikan zu kämpfen, seine Aussagen werden nicht nur vom Vatikan selbst, noch mehr von den Ortsbischöfen in Zweifel gezogen, uminterpretiert oder notfalls sogar unter den Tisch gekehrt. Und die Laien, die sich in der Kirche engagieren, wissen alles besser als die Priester, die Bischöfe, und wenn es ernst wird, sogar besser als der Papst.
In Frankreich und Deutschland wird durch die Bischöfe ernsthaft der Papst mit einer Kirchenspaltung konfrontiert, wenn er mehr als unbedingt notwendig Zugeständnisse an die Tradition macht, bzw. wenn er die nachkonziliare Entwicklung in irgendeiner Weise einschränken würde.

Auf das, was nicht nur von mir bereits zitiert worden ist, nämlich die Aussagen des damaligen Kardinals Josef Ratzinger zum Neuen Ritus, wird interessanterweise nicht eingegangen.
Ich bin der gleichen Meinung wie er. Und ich bin davon überzeugt, wenn er könnte, wie er wollte, würde er den neuen Ritus auf eine Art und Weise korrigieren, die neben vielen Gläubigen auch vielen Priestern und Bischöfen einen Schock versetzen würde.
Wenn also der Neue Ritus wirklich das platte Produkt des Augenblicks ist, wird er womöglich schneller entfernt werden, als man es sich vorstellen kann. Es kann nicht sein, dass eine Entwicklung mit derart schlimmen Fehlentwicklungen und Fehlinterpretationen länger akzeptiert dwerden darf.

Wer von den mich Kritisierenden hier hat sich den schon mal hinreichend mit dem Alten Ritus, mit der Entwicklung des 2. vatikanischen Konzils und vor allen Dingen mit den Auswirkungen dieses Konzils beschäftigt? Wer kennt denn noch den Unterschied in den vorhergehenden theologischen und philosophischen Vorlesungen im Gegensatz zu den heutigen? Wer hat sich beispielsweise mit den beiden von mir bereits genannten Büchern beschäftigt, wie: Der Rhein fließt in den Tiber, und, Der verwüstete Weinberg? Eine Kritik bzw. eine Richtigstellung dieser beiden Bücher hat es nie gegeben, warum wohl?
Träumt weiter.
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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

Chiara hat geschrieben:Man sah schon lange das Reformbedürfnis, und die Liturgiekonstitution (mit dem Reformauftrag) ist fast einstimmig angenommen worden. Vermutlich haben sich die Konzilsväter darauf verlassen, dass die Gläubigen die Neuerung als Weisung annehmen, und haben nicht mit Protest gerechnet (der aber verhältnismäßig gering war). Umgekehrt haben die Konzilsväter wahrscheinlich nicht geahnt, wie sehr sich die Liturgie bei der Reform von der alten Form fortentwickeln würde.

Aber vielleicht ist es auch falsch, immerzu vom "Verbot" der alten Liturgie zu sprechen. Vermutlich sahen die päpstlichen Kommissionen das viel pragmatischer und dachten in den Bahnen eines Verwaltungsaktes - eines außer Kraft setzen - eines in Kraft setzen - passt. Verbote kamen wohl erst, als einige Gruppen gar nicht daran dachten, sich anzupassen.
Dieser Argumentation liegt einer der größten Fehler der Reform zu grunde. Der Glaube berührt die Herzen, und die Liturgiereform ist ein völlig intellektuelles Konstrukt. Sie ist innerhalb kurzer Zeit gemacht worden, statt auf einer fortschreitenden Weitergabe (Tradition) zu fußen.
Ich bin niemand, der die Alte Messe pauschal für besser hält als die Neue Messe - beide Riten haben ihre Schwächen. Aber viele alte Leute, die noch den alten Ritus erlebt haben, trauern diesem bis heute(!) hinterher. Danach hat nie jemand gefragt!
Und warum junge Leute diesen Ritus wieder interessant finden, kann ich gut nachvollziehen: der neue ist zu oft zu einem hemmungslosen Experimentierfeld geworden, es ist auf äußere Gestaltung und weniger innerlichen Mitvollzug ausgelegt (wie man den Teil von der Eröffnung bis zur ersten Lesung innerlich wirklich mitvollziehen soll, hat mir noch niemand erklären können).
Ich bin noch in der Experimentierphase zwanzig Jahre nach dem Konzil aufgewachsen. Ich halte große Teile der REform für sinnvoll, aber ich sehe auch, dass Korrekturen notwendig sind.
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.

‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Cantus Planus hat geschrieben:
Und warum junge Leute diesen Ritus wieder interessant finden, kann ich gut nachvollziehen: der neue ist zu oft zu einem hemmungslosen Experimentierfeld geworden, es ist auf äußere Gestaltung und weniger innerlichen Mitvollzug ausgelegt (wie man den Teil von der Eröffnung bis zur ersten Lesung innerlich wirklich mitvollziehen soll, hat mir noch niemand erklären können).
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Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Ad_hoc - mich hätte was von dir interessiert:
Mir ist beim Überlegen aufgefallen, dass die Priester, von denen der NOM mit Missbräuchen gefeiert wird, fast alle Alt-68-er sind, sprich vor dem Konzil geweiht wurden, teils dann schon um die 5 Jahre "tätig" waren, ja und jetzt...
Jedenfalls: Wie erklärst du dir das - die müssten doch eigentlich die strenge vorkonziliare rubrikentreue Liturgie kennen und eigentlich auch lieben, oder? Komischerweise tun die das anscheinend dann gerade nicht...
wohingegen ich, wenn ich so meine Kurskollegen anschaue - immer eine "astreine" rubrikentreue heilige Messe im neuen Ritus erlebe - und auch von der Generation 30-50+, was die Pfarrer hier in der Gegend angeht... nur halt die, die vor dem Konzil schon geweiht waren, da kommt hier im Ortsbereich dann teils was vor, wo ich am liebsten die Kirche verlassen würde - bzw. nicht hingehe, weil ich weiß, was blüht...
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Ihr seid im Gebet ... mal schauen, ob/wann ich hier wieder reinsehe ...

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Linus
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Beitrag von Linus »

Chiara hat geschrieben:Ich habe keine Ahnung und kann auch als Theologin nicht verstehen, warum Gläubige, die eben nicht vorschützen können, mit einem anderen Ritus aufgewachsen zu sein, sich dem tridentinischen Ritus zuwenden.
Ich schon. (vielleicht hindert dich da deine Theologenprofession etwas). Im VO ist das heilige Numinose "einfach spürbar da" im NO muß mans (va. wo nicht korrekt zelebriert wird) echt suchen. Der VO versucht nicht zu erklären, er tut einfach, im NO verkommt der Priester schon mal zum Kommentator seines tuns.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Chiara hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Aber es gibt doch schon Indultmessen. Nur in Mitteleuropa werden sie restriktiv zugelassen.

Und Indult heißt Ausnahme.
Eher eine vorübergehende Duldung.
Ich habe keine Ahnung und kann auch als Theologin nicht verstehen, warum Gläubige, die eben nicht vorschützen können, mit einem anderen Ritus aufgewachsen zu sein (die Petrusbrüder und die jungen Schwestern, deren traditionelle Einkleidung im "Oratorium" rundum dokumentiert ist), sich dem tridentinischen Ritus zuwenden.
Wenn man als Theologin etwas nicht versteht, dann bedeutet das ja nicht, dass es falsch ist. Vielleicht stimmt ja auch nur etwas mit der Denkweise nicht.
Vielleicht Elitedenken - aber das möchte ich nicht allen generell unterstellen. Wirklich, ich verstehe es nicht - und dabei liebe ich lateinische Pontifikalämter.
Ein Elitedenken ist ein Begriff, der den Gottesdienst als Funktion begreift: "Wie nützt Liturgie am meisten". Am Ende kommen solche Reformen heraus, und hat man sich erst mal auf den Pfad begeben, dann gibt es eigentlich keinen triftigen Grund mehr, warum man nicht auch im "erotischen" oder "martialischen" Gottesdienst endet.
Ich - und vermutlich die meisten Altritusfreunde - fragen aber wohl eher nach dem Wesen des Gottesdienstes. Bei mir ist es auch das Bewußtsein, das Erbe der Generationen vorzufinden, und nicht ein Reformgesetz, wie es täglich auch vom Bundestag verhunzt wird. Wem das, was für unsere Großeltern Lebensmittelpunkt war, nicht mehr gut genug erscheint, der entlarvt doch eigentliches Elitedenken.
Kurt hat geschrieben:Verbote provozieren Ungehorsam. Wenn aber das, was 1970 Jahre richtig war, nun verboten wird, so ist das unglaubwürdig. Wozu hat man denn bei der vermeintlichen Furcht vor Spaltungen überhaupt den Ritus angepackt? War die Angst damals, 1970, eine kleinere?
Verbote provozieren Ungehorsam? Bei Kindern und pubertierenden Jugendlichen vielleicht (bei Erwachsenen sollte die Vernunft und das gläubige Vertrauen zur Kirche überwiegen). Aber deswegen käme niemand auf die Idee, einem Kind seinen Willen zu lassen. Bei den anderen sollte der Appell an die Vernunft genügen.
Dein Vertrauen in die Vernunft der Erwachsenen in Ehren: aber ich habe eher Vertrauen in unsere Kinder und die pubertierenden Jugendlichen, als in angeblich vernünftige Erwachsene. Wären sie wirklich vernünftig, bräuchten sie keine Verbote. Und wären sie vernünftig, würden sie Kinder nicht für dumm verkaufen.
Das andere hat Raimund schon beantwortet. Man sah schon lange das Reformbedürfnis, und die Liturgiekonstitution (mit dem Reformauftrag) ist fast einstimmig angenommen worden. Vermutlich haben sich die Konzilsväter darauf verlassen, dass die Gläubigen die Neuerung als Weisung annehmen, und haben nicht mit Protest gerechnet (der aber verhältnismäßig gering war). Umgekehrt haben die Konzilsväter wahrscheinlich nicht geahnt, wie sehr sich die Liturgie bei der Reform von der alten Form fortentwickeln würde.
Gegen das Reformbedürfnis ist ja nichts einzuwenden. Aber das Konzil hat keinen Auftrag erteilt, den Alten Ritus zu verbieten.
Aber vielleicht ist es auch falsch, immerzu vom "Verbot" der alten Liturgie zu sprechen. Vermutlich sahen die päpstlichen Kommissionen das viel pragmatischer und dachten in den Bahnen eines Verwaltungsaktes - eines außer Kraft setzen - eines in Kraft setzen - passt. Verbote kamen wohl erst, als einige Gruppen gar nicht daran dachten, sich anzupassen.
Das ist ja das Problem: Wie kann man einen Ritus mit einem Verwaltungsakt gleichsetzen? Es ist, als tausche man seine Eltern per Verwaltungsakt aus.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Chiara hat geschrieben:Und Indult heißt Ausnahme. Ich habe keine Ahnung und kann auch als Theologin nicht verstehen, warum Gläubige, die eben nicht vorschützen können, mit einem anderen Ritus aufgewachsen zu sein (die Petrusbrüder und die jungen Schwestern, deren traditionelle Einkleidung im "Oratorium" rundum dokumentiert ist), sich dem tridentinischen Ritus zuwenden. Vielleicht Elitedenken - aber das möchte ich nicht allen generell unterstellen. Wirklich, ich verstehe es nicht - und dabei liebe ich lateinische Pontifikalämter.
Was schreckt vom „Novus Ordo“ ab?

1. Theaterhaftes Gegenüber von Klerus und Volk statt gemeinsamer Ausrichtung versus orientem (oder wenigstens zum Tabernakel hin, wenn denn die Kirche nicht geostet ist; das Gegenüber ist zwar de jure kein Element des „Novus Ordo“ – sogar erst nachträglich erlaubt worden –, wohl aber de facto);

2. Laien in Ausübung liturgischer Dienste ohne niedere Weihe in Alltagsklamotten (außer im Kindesalter stehenden Ministranten als „clericuli“), Frauen als Lektoren und gar „Kommunionhelfer“, Mädchen und gar junge Frauen als Ministranten;

3. wilde („kreative“) Schaffung neuer Hochgebete vom grünen Tisch aus (ich meine diejenigen der Bugnini-Kommission, von allem weiteren will ich gar nicht reden; gut gewesen wäre – und vollauf genügt hätte – eine behutsame Anpassung des römischen Kanons unter Verdeutlichung der Epiklese);

4. der Semipelagianismus, welcher in der Gesamtschau der neuen und geänderten Orationen sichtbar wird (bereits im lateinischen Text, die Übersetzungen verschlimmern nur, sie allein zu überarbeiten könnte das Problem nicht lösen);

5. der Begriff des „Novus Ordo“ selbst: als könne man die Liturgie „neu“ „machen“.

Den Rest bilden diverse Punkte, die eher in den Verantwortungsbereich des einzelnen Zelebranten fallen.

Was am tradierten römischen Ritus gleichwohl reformwürdig war (und bleibt):

1. seine Absolutsetzung in der lateinischen Ritenfamilie, das heißt die weitgehende Unterdrückung der andern, ursprünglich sogar eindeutig weiter verbreiteten Riten (das hatte bereits mit den karolingischen Reformen begonnen und wurde vom Tridentinum verschärft);

2. die Verhinderung der Schaffung volkssprachlicher (und dennoch sakralsprachlicher) Liturgien (das Missale von 1965 war dazu ein erster, leider wieder fallengelassener Ansatz);

3. der Ausschluß der Laien von der Kelchkommunion;

4. die Undeutlichkeit der Epiklese;

5. zu späte Kommunion und Firmung der Kinder (hinsichtlich der Erstkommunion versucht man’s schon verbreitet, sie möglichst früh zu feiern, aber da geht noch mehr, und vor allem muß die Firmung endlich vom Mißverständnis befreit werden, eine Art Jugendweihe zu sein, also auch früher gespendet werden, am besten gleich nach der Taufe oder – wenn die Erstkommunion denn nicht gleich nach der Taufe gespendet wird – mit eben der Erstkommunion zusammen);

6. das stille Sprechen des Canons;

7. das Beten des Vaterunsers, außer der Schlußbitte, nur durch den Zelebranten statt durchs ganze Volk;

8. Verlust der Ostung von Liturgie und Gebet (was man wiederzuentdecken beginnt, aber langsam und meist nur theoretisch, weil die vorhandenen Kirchenbauten in der Regel nicht geostet sind, ja nicht einmal halbwegs geöstelt).

(Ich weiß, in diesem Strang geht es eigentlich nur um den „Novus Ordo“; aber die Gegenüberstellung scheint mir zur Verdeutlichung doch sinnvoll. Eine detaillierte Diskussion der für den tradierten römischen Ritus genannten Punkte aber, falls gewünscht, bitte in der »Büßerzelle« führen!)

P.S.: „Indult“ heißt, um genau zu sein, „Gnadenerweis“, Chiara.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Cavaliere
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Beitrag von Cavaliere »

Ein weiterer Grund warum der alte Ritus die juengere Generation fasziniert ist seine Katholizitaet. Damit meine ich, dass er unverwechselbar den katholischen Glauben vollzieht. Die praktische Konsequenz: ein Protestant wird sich im klassischen Ritus nie wohl fuehlen und das gemeinsame Abendmahl einfordern. Junge Menschen werden heute zunehmend von diesem katholischen Profil angezogen, weil sie spueren, dass hier die Kirche in all ihren Dimensionen lebt und die reichen nun mal auch in die Vergangenheit.

Ein gutes Bsp. sind die Ordensgemeinschaften. Es ist zu Beobachten, dass jene Ordensgemeinschaften mit klarem katholischen Profil Zulauf haben. Siehe Heiligenkreuz, wo das Stundengebet in Latein gebetet wird und der Novizentrakt ausgebaut werden muss. Der Papst bestaetigt diesen Weg durch seinen Besuch im September. Ich denke, dass der kurze Besuch in Heiligenkreuz von groszer Symbolkraft ist.

In einer Krise setzt man auf bewaehrtes und die Seelen haben sich
in den letzten 200 Jahren nicht veraendert. Somit werden die Seelen noch immer von diesen alten Traditionen angeruehrt.

Ich sehe auch hier die Rolle der Orthodoxie in Gottes Plan. Sie zeigt uns was wir verloren haben.
Zuletzt geändert von Cavaliere am Freitag 15. Juni 2007, 14:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Cavaliere hat geschrieben:Ich sehe auch hier die Rolle der Orthodoxie in Gottes Plan. Sie zeigt uns, was wir verloren haben.
Siehe hier: dload.php?action=file&file_id=10
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

cantus planus hat geschrieben:Dieser Argumentation liegt einer der größten Fehler der Reform zu grunde. Der Glaube berührt die Herzen, und die Liturgiereform ist ein völlig intellektuelles Konstrukt. Sie ist innerhalb kurzer Zeit gemacht worden, statt auf einer fortschreitenden Weitergabe (Tradition) zu fußen.
Ich frage mich immer, was dieses Argument eigentlich aussagen soll. Oder konkreter: Warum soll eine Meßordnung schlecht sein, nur weil sie innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne geschaffen wurde? Ich denke, hier versucht man, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, indem man den NOM als "künstlich" hinstellt.

Zwei Argumente will ich hier nennen, die imho gegen diesen Punkt sprechen:

1. Der NOM wurde zwar innerhalb weniger Jahre zusammengestellt, aber er fußt auf der kirchlichen und katholischen Tradition. Alle zentralen Elemente des klassischen Ordinarium Missae findet man darin, die Grundstruktur der Messe wurde beibehalten etc. Natürlich gibt es Veränderungen, aber genau das war ja auch gewollt. Man kann über diese Veränderungen im Detail sprechen, aber der Meßritus als solcher ist eben nicht "traditionslos". Viel einschneidender als die Änderung der Meßtexte selbst ist vor allem die neue Art der Zelebration (versus populum und hörbar in der Volkssprache).

2. Daß eine Liturgie "gemacht" wird, sagt noch nichts über ihre Qualität aus. Das beste Beispiel ist das Book of Common Prayer, von Erzbischof Thomas Cranmer 1549/1552 zwar auf der Basis alter lateinischer Liturgien geschaffen, aber doch eine Neuschöpfung in vieler Hinsicht. Die Liturgien dieses Buches gehören zum schönsten, was die Kirche in ihrer Geschichte hervorgebracht hat. Besonders die Formulare für Mattins und Evensong haben zahllose Musiker inspiriert und werden seit hunderten von Jahren quasi unverändert gefeiert. Jeder, der einmal einen Choral Evensong in einer englischen Kathedrale mitgefeiert hat, kann sich davon überzeugen. Ja, diese Liturgien sind sozusagen "in der Retorte" entstanden. Sie sind aber daher nicht weniger gut und sehr sehr lebendig.
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cantus planus
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Beitrag von cantus planus »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Dieser Argumentation liegt einer der größten Fehler der Reform zu grunde. Der Glaube berührt die Herzen, und die Liturgiereform ist ein völlig intellektuelles Konstrukt. Sie ist innerhalb kurzer Zeit gemacht worden, statt auf einer fortschreitenden Weitergabe (Tradition) zu fußen.
Ich frage mich immer, was dieses Argument eigentlich aussagen soll. Oder konkreter: Warum soll eine Meßordnung schlecht sein, nur weil sie innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne geschaffen wurde? Ich denke, hier versucht man, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, indem man den NOM als "künstlich" hinstellt.
Für mich ist der NOM normal, weil ich mit ihm aufgewachsen bin. Aber frag mal Leute, die die Umstellung miterlebt haben: sie wurden teilw. von einem Sonntag auf den anderen davon überrascht. Und noch dazu hat man teilweise in dieser Zeit die komplette Kirche "entrümpelt".
Wer sein Leben lang vor einem bestimmten Heiligenbild um Fürsprache gebeten hat - und plötzlich ist es weg, weil nicht mehr zeitgemäß ... ?!
Stephen Dedalus hat geschrieben:Zwei Argumente will ich hier nennen, die imho gegen diesen Punkt sprechen:

1. Der NOM wurde zwar innerhalb weniger Jahre zusammengestellt, aber er fußt auf der kirchlichen und katholischen Tradition. Alle zentralen Elemente des klassischen Ordinarium Missae findet man darin, die Grundstruktur der Messe wurde beibehalten etc. Natürlich gibt es Veränderungen, aber genau das war ja auch gewollt. Man kann über diese Veränderungen im Detail sprechen, aber der Meßritus als solcher ist eben nicht "traditionslos". Viel einschneidender als die Änderung der Meßtexte selbst ist vor allem die neue Art der Zelebration (versus populum und hörbar in der Volkssprache).
Ich betone nochmals, dass ich viele Änderungen ja als Verbesserung begrüße. Aber man darf darüber nicht die Augen vor zweifelsfreien Schwächen des NOM verschließen.
Stephen Dedalus hat geschrieben:2. Daß eine Liturgie "gemacht" wird, sagt noch nichts über ihre Qualität aus. Das beste Beispiel ist das Book of Common Prayer, von Erzbischof Thomas Cranmer 1549/1552 zwar auf der Basis alter lateinischer Liturgien geschaffen, aber doch eine Neuschöpfung in vieler Hinsicht. Die Liturgien dieses Buches gehören zum schönsten, was die Kirche in ihrer Geschichte hervorgebracht hat. Besonders die Formulare für Mattins und Evensong haben zahllose Musiker inspiriert und werden seit hunderten von Jahren quasi unverändert gefeiert. Jeder, der einmal einen Choral Evensong in einer englischen Kathedrale mitgefeiert hat, kann sich davon überzeugen. Ja, diese Liturgien sind sozusagen "in der Retorte" entstanden. Sie sind aber daher nicht weniger gut und sehr sehr lebendig.
Diesem Argument stelle ich einfach neue Hochgebete entgegen, wie z.B. "Jesus, der Weg". So gut der Ansatz gemeint sein mag: Diese Gebete sind literarischer Müll. Pardon!

Ansonsten verweise ich auf Roberts Beitrag, der mit das Wort aus dem Mund genommen hat.
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Ecce Homo hat geschrieben:
Mir ist beim Überlegen aufgefallen, dass die Priester, von denen der NOM mit Missbräuchen gefeiert wird, fast alle Alt-68-er sind, sprich vor dem Konzil geweiht wurden, teils dann schon um die 5 Jahre "tätig" waren, ja und jetzt...
Jedenfalls: Wie erklärst du dir das - die müssten doch eigentlich die strenge vorkonziliare rubrikentreue Liturgie kennen und eigentlich auch lieben, oder? Komischerweise tun die das anscheinend dann gerade nicht...
wohingegen ich, wenn ich so meine Kurskollegen anschaue - immer eine "astreine" rubrikentreue heilige Messe im neuen Ritus erlebe - und auch von der Generation 30-50+, was die Pfarrer hier in der Gegend angeht... nur halt die, die vor dem Konzil schon geweiht waren, da kommt hier im Ortsbereich dann teils was vor, wo ich am liebsten die Kirche verlassen würde - bzw. nicht hingehe, weil ich weiß, was blüht...
Mit dem, was Dir bei Deinen Überlegungen aufgefallen ist, magst Du schon Recht haben. Überlegenswert ist hierbei besonders, warum gerade diese Priester den NOM vorziehen. Wohl der Einfachheit halber, um das zunächst Naheliegende mal anzunehmen. Dann vermutlich deshalb, weil gerade diesen Priestern die alte Sicht der Stellung des Priesters mißfallen hat. Sie wollten sich in ihrem ganzen Wesen nicht vollkommen auf Gott hin orientieren und die Gläubigen zu ihrer persönlichen Heiligung führen, sie wollten vielmehr Mensch sein unter Menschen, was konsequenterweise dazu führen mußte, dass sie willigerweise die Verantwortung für die ihnen anvertrauten Gläubigen vor Gott nicht mehr allein tragen wollten, sondern die Gläubigen zur Mitverantwortung heranziehen wollten, z. B. durch stärkere Einbindung in die Kirchengemeinde. Dies konnte aber nur dazu führen, dass diese Gläubigen sich selbst zu wichtig genommen haben und sich eine Kompetenz anmaßten, die ihnen einfach nicht zustand. Denken wir dabei an die Besetzung unterschiedlicher Ausschüsse, die nahezu ausschließlich von sachlich inkompetenten Gläubigen besetzt sind. Die Folgen sind ebenfalls ersichtlich.

Ich kenne selbstverständlich auch Priester, die nur den NOM kennen und diesen auch feiern. Darunter gibt es Priester, welche die Hl. Messe sehr würdig und in aller Andacht feiern, aber auch hier, leider, sind diejenigen in der Überzahl, die mehr oder weniger große Mißbräuche in der Hl. Messe zugelassen haben.

Persönlich kannte ich einen Kaplan, der den Alten Ritus noch kannte, dann in den Neuen Ritus wechselte, aber auch weiterhin mit großer Andacht die Hl. Messe im neuen Ritus feierte. Die Leute strömten bei ihm in die Kirche vor allem deshalb, weil er überwältigend predigen konnte und die Leute auch anschrie; das habe diese gemocht, vielleicht auch gebraucht. Dan wurde er als Studentenseelsorger an eine Uni in Rhl.-Pf. versetzt - und wenige Jahre später hat er sein Priesteramt aufgegeben, geheiratet und unterrichtete danach als Religionslehrer.
Von fünf Freunden, Ministrantenkollegen und/oder sonstwie im BDKJ organisiert, die Priester geworden sind, ist nur noch einer als Priester tätig. Ich frage mich, ob dies zu Zeiten des Alten Ritus auch so gewesen war.

Ohne Zweifel, Ecce Homo, und das gilt auch für Chiara, bemüht ihr Euch, den katholischen Glauben zu erfassen und ihn zu leben. Allerdings frage ich mich, in wie weit dies für Theologen möglich ist, die nach dem neueren Lehrplan studieren und deshalb mit wichtigen Erkenntnissen gar nicht erst konfrontiert worden sind. Dass ihr trotzdem eine größtenteils richtige Einstellung habt, gehört für mich, ich habe dies schon öfter erwähnt, zu den neuen Wundern; aus der nachkonziliaren Entwicklung scheint mir eine solche Gläubigkeit ansonsten nicht möglich zu sein.
Allerdings verstehe ich auch, dass mit der zunehmenden Kritik an den nachkonziliaren Auslegungen Eurer eigenes kirchliches Weltbild und Verständnis einer Sinnkrise unterworfen werden könnte.

Gruß, ad_hoc
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Ich hatte ja lange darauf gewartet, dass Robert Ketelhohn in diesem Thread Stellung beziehen würde.
Auch wenn er mich schon verschiedene Male wegen seiner mir unverständlichen politischen Weltsicht konfus gemacht hat, erstaunen mich zumindest in theologischer Hinsicht seine hervorragenden Kenntnisse und seine tiefe Einsicht in das Wesen der Kirch und ihre Zusammenhänge. Da sind mir seine politischen Ansichten schon wieder fast egal, auch wenn sie mir unverständlich bleiben.

Aber: in seiner Stellungnahme weiter oben hat er Recht und in den meisten Punkten bin ich mit ihm einer Meinung, sowohl was seine Auffassung zum Neuen Ritus anbelangt, aber auch seine Auffassung zum Alten Ritus.

Gruß, ad_hoc
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Cavaliere
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Beitrag von Cavaliere »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Cavaliere hat geschrieben:Ich sehe auch hier die Rolle der Orthodoxie in Gottes Plan. Sie zeigt uns, was wir verloren haben.
Siehe hier: dload.php?action=file&file_id=10
Vielen Dank fuer den Hinweis! Ein sehr schoener und ermutigender Text.

sofaklecks
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Waffel

Beitrag von sofaklecks »

Ich meine durchaus nicht, dass diejenigen, die Gott im Alten Ritus begegnen wollen, einen an der Waffel haben.

Ich habe nur kein Verständnis für die Auffassung, die Veränderungen in der Liturgie seien die alleinige oder massgebliche Ursache für die Veränderungen in der Kirche der letzten Jahrzehnte.

In der Orgelempore hat monsieur moi nach einem Orgelstück gefragt, das zum Einzug in einer Messe gespielt wurde, die nach dem alten Ritus zelebriert ist. Ich habe mir das Video ganz angesehen, denn darin ist auf jede Kleinigkeit geachtet. Es hat mich an meine Tätigkeit als Ministrant erinnert. Es hat mir gefallen, weil ich mit meinen Kenntnissen der Messe nicht nur folgen, sondern sie unschwer hätte aktiv mitfeiern können. In der Tat, die de angelis Messe und das Credo III kann man auf der ganzen Welt mitsingen. Aber nicht jeden Sonntag. Und vor allem ist es ohne Lateinkenntnisse kein reiner Genuss.

Ich bin immer ein Verfechter situationsentsprechender Liturgien gewesen. Eines festen Kanons, der von vernünftigen Ausgestaltungen des Wortgottesdienstes umrahmt wird.

Und in meiner Vorstellung von einer schönen Liturgie hat die alte Messe zu Hochfesten zelebriert ein würdigen Platz, ebenso bei stillen Messen für kleine Gruppen entsprechend Gebildeter.

Nur zum Kampfmittel darf sie nicht werden.

sofaklecks

Kurt
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Re: Waffel

Beitrag von Kurt »

sofaklecks hat geschrieben:Und in meiner Vorstellung von einer schönen Liturgie hat die alte Messe zu Hochfesten zelebriert ein würdigen Platz, ebenso bei stillen Messen für kleine Gruppen entsprechend Gebildeter.
Der Alte Ritus ist kein Opernersatz für einige, die etwas komisch sind oder über einen besonderen Geschmack verfügen.
Wäre er nur etwas für kleine Gruppen Gebildeter, wie Du schreibst, dann wäre folglich der NOM etwas für die große Gruppe Verblödeter.

Ich will nicht leugnen, dass man überproportional viele Altphilologen und Lateinlehrer vorfindet, aber auffällig ist auch, dass man immer einige Kranke findet, die es richtig heftig erwischt hat. Es rührt mich immer wieder an, wie manche sich mit letzter Kraft hinknien, um den Leib des Herrn zu schmecken. Sie gehen bestimmt nicht wegen oder trotz des Lateins dahin, sehr wohl aber meiden sie den Ringelpitz, in dem sie keinerlei Trost finden.
Nur zum Kampfmittel darf sie nicht werden.
Ich gebe Dir Recht, Riten eignen sich nicht als Kampfmittel .
Die Altritusfreunde haben die Neue Messe auch weder verboten, noch fordern sie es.
Umgekehrt ist es aber der Fall. Alles, wofür zu kämpfen lohnt, ist, dass das Verbot aufgehoben wird. Das aber wird gerade in Mitteleuropa auf das Heftigste bekämpft. Warum?

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hallo Sofaklecks

Deine Beiträge sind für mich im Wesentlichen ein Hochgenuß, vor allem deshalb, weil sie interessant und intelligent gestaltet sind und Rückschlüsse auf die Kultiviertheit und die hohe Bildung des Verfassers zulassen.
Allerdings. Zu viel an Verständnis, zu viel an Ausgewogenheit, zu viel an Toleranz ist ebenso wenig richtig, wie dort noch vermittelnd eingreifen zu wollen, wo klare Aussagen gefragt sind.

Kurt ist mir in seinen Äußerungen, die ich teile, zuvor gekommen. So kann ich nur noch anfügen, dass für mich selbst, aber das habe ich hier schon mehrfach erwähnt, die Hl. Messe nach dem Neuen Ritus absolut gültig ist, wenn sie in der richtigen Andacht, in der richtigen Einstellung und ohne liturgische Mißbräuche stattfindet.
Allerdings, ob die Tiefe des Neuen Ritus an die Tiefe des Alten Ritus herankommt, bezweifle ich ganz entschieden.
Nicht, weil der Neue Ritus möglicherweise ungültig sein könnte, sondern weil er als Raum für liturgische Mißbräuche und Fehlinterpretationen gibt, finde ich notwendige Korrekturen unerläßlich. Allerdings, wenn ich einen Origionalschlüssel habe, dann verwende ich keinen Ersatzschlüssel.

Du hast geschrieben:
Ich habe nur kein Verständnis für die Auffassung, die Veränderungen in der Liturgie seien die alleinige oder massgebliche Ursache für die Veränderungen in der Kirche der letzten Jahrzehnte.
Die Verständnisfrage kann hier so nicht gestellt werden, denn es ist tatsächlich so, dass die Veränderungen in der Liturgie ihren Ursprung in den Fehlinterpretationen der Konzilsbeschlüsse haben und deshalb tatsächlich zumindest massgeblich die Ursache für Veränderungen in der Kirche sind, einmal auf die Fehlinterpretationen des Konzils bezogen, und zum anderen als einer Folge dieser Fehlinterpretationen im Neuen Ritus allen Mißbräuchen alle Türen und Toren geöffnet wurden.

Als Kind habe ich das Latein selbstverständlich auch nicht verstanden, aber es gab zu jeder Zeit für Kinder ein Gebetbuch, mit denen man die Hl. Messe nachvollziehen konnte, für Erwachsene ein Gebet- und Gesangbuch, mit denen ebenfalls die Hl. Messe mitgefeiert werden konnte und für die Ehrgeizigen gab es den sogenannten Schott, der die Messtexte vollständig enthielt.

Viel erhebender als das wörtliche Verständnis der lateinischen Gebete aber war tatsächlich die erhöhte Andacht, das Gefühl für die Würde des Priesters während der Hl. Messe, der Opfercharakter, und der unübersehbare Gottesbezug in den heiligen Handlungen, ganz anders als heute, wo die Hl. Messe sichtlich auf die Menschen ausgerichtet ist.

Als Kampfmittel sieht dies sicherlich niemand an, dann schon eher als Symbol für die unterschiedlichen Inhalte, Werte und Orientierung.

Gruß, ad_hoc
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sofaklecks
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Opernersatz

Beitrag von sofaklecks »

Zuerst wollte ich mich heftig gegen den Opernersatz sträuben (ein kluger Return auf meine ensprechende Frage alio loco; gut gebrüllt, Löwe!).

Die Gefahr liegt in der Tat nahe, dass jemand das so empfindet, nämlich als ein vor wenig beteiligten Zuschauern gegebenes grandioses Schauspiel. Ich empfinde das nicht so. Ich hätte den alten Ritus gerade wegen seiner Schönheit als besonderen Ritus für das festtägliche Hochamt als passend empfunden.

Aber jetzt wird deutlich, dass die Unduldsamkeit beiderseits die Lager besetzt hält. Nun sieht man: Die alte Messe soll nicht neben den neuen Ritus treten, sondern ihn wieder ersetzen, weil mit dem neuen so viel Missbrauch getrieben worden sei. Nicht der Missbrauch wird abgeschafft, sondern das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Aus einem Fehler sollen anderthalbe gemacht werden.

Wenn das so ist, dann ist die Zulassung grundfalsch. Und offenbar ist es so.

Klar genug?

sofaklecks

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