Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sehr geehrter N. N.,
erlauben Sie, daß ich mich angelegentlich des schulischen Religionsunterrichts meiner beiden ältesten Kinder an Sie wende. Meine Tochter Larissa ist acht Jahre alt und besucht die dritte Klasse der städtischen Linden-Grundschule in Velten, mein Sohn Victor, sechs Jahre alt, ist eben eingeschult worden und besucht daselbst die erste Klasse. Der Religionsunterricht wird dort ab kommender Woche beiden Kindern von Dr. B. aus Berlin erteilt.
Das Anliegen, das ich vortragen möchte, rührt von unserer bisherigen Erfahrung mit dem Religionsunterricht meiner Tochter her. – Das erste Halbjahr der ersten Klasse besuchte Larissa noch die katholische Sankt-Paulus-Schule in Moabit. Dort lagen zwar Religionsbücher von Hubertus Halbfas sowie eines kongenialen Autors bereit – dessen Name mir augenblicklich nicht mehr präsent ist –, doch wurden diese Bücher im Unterricht nicht eingesetzt, und die Lehrerin stimmte meinen diesbezüglichen besorgten Einwendungen zu. Der Unterricht selber war in Ordnung. Gleichwohl ist mir nicht nachvollziehbar, wie derartige antichristlich-esoterische Machwerke überhaupt den Weg an katholische Schulen finden können. Hier sollten Sie als Aufsichtsbehörde einschreiten.
Aber das nur am Rande, aktuell geht es um den Veltener Unterricht, welchen Larissa seit Februar 2007 besucht, nachdem wir uns in Velten angesiedelt haben. – Statt mit einem chronologischen oder systematischen Bericht zu beginnen, möchte ich den Gaul gleichsam von hinten aufzäumen und ein Ende vorigen Jahres mit meiner Tochter geführtes Telephongespräch wiedergeben; ich hatte eben nach einem andern Schulfach gefragt, und nachdem Larissa mir kurz geantwortet und dann noch eine Anekdote über einen Mitschüler erzählt hatte, fuhr sie – meiner nächsten Frage vorgreifend – fort: »… und Religion hatten wir wieder nicht. Herr B. ist immer noch krank.« – »Na klasse«, erwiderte ich, »und was machen wir jetzt? Den ersten Montag im Advent hatten wir abwarten wollen, um dann zu sehen, ob Dr. B. am Unterricht was geändert hat, und zu entscheiden, was wir tun. Und nun ist er schon die dritte Woche krank.« – »Angelina [eine ungetaufte Schulfreundin meiner Tochter] findet das auch komisch, daß wir uns in Religion gegenseitig eincremen mußten.« – »Ach, hast du mit ihr drüber gesprochen? Na, heute abend unterhalten wir uns drüber, wie’s jetzt weitergeht.« – »Papa, ich sag’ dir was. Ich geh’ da jedenfalls nicht mehr hin.« – »Du willst definitiv gar nicht mehr?« – »Nächstes Mal sagt Herr B. noch: „Zieht euch gegenseitig die Hosen runter und schaut, was ihr da drin habt und wie eure Haut sich anfühlt.“«
Hintergrund dieser treffenden Charakterisierung eines angeblich katholischen Religionsunterrichts durch ein damals siebenjähriges Mädchen war eine Unterichtsstunde im November letzten Jahres. Es sollte wohl um unterschiedliche Hautfarben von Menschen und eine daraus destillierte Dosis politisch-korrekter Moral gehen. In einer von Dr. B. vorgelesenen „Geschichte“ hatten die Charaktere nach dem Bericht meiner Tochter allerdings eher irreal getönte Häute, lila-gelb gestreift, rosa gepunktet oder ich-weiß-nicht-was. Der pädagogische Nutzen dürfte eher zweifelhaft sein. Im Rahmen dieser Lektion jedenfalls führte Dr. B. mit den Kindern jenes gruppendynamische Hemmschwellenabbauspielchen durch, auf welches Larissa sich im oben wiedergegebenen Dialog bezog. Der Lehrer hatte die Kinder gefragt, wer sich denn traue, dem Nachbarn die Arme einzucremen. Nach und nach waren alle Hände hochgegangen, außer derjenigen unserer Tochter. Bei ihr bedurfte es intensiverer Einzelnachfrage durch den Lehrer, ob sie sich nicht auch traue und die Hand heben wolle, bis sie – unter den Blicken der ganzen Klasse – schließlich einwilligte.
Dies war für mich Anlaß, das Gespräch mit dem Lehrer zu suchen. Ein Entschuß, der schon lange fällig war. Nachdem Larissa zum Februar 2007 an die genannte Veltner Grundschule gewechselt war, hatte sich längst gezeigt, daß ein eigentlicher Religionsunterricht nicht mehr stattfand. Was in Velten unterm Namen katholischen Religionsunterrichts und in Verantwortung der Erzdiözese von Dr. B. geboten wird, ist alles andere. Auf meine Standardfrage am Montagabend – damals dem Tag der wöchentlichen Religionsstunde –, was denn im Religionsunterricht Thema gewesen sei, bekam ich von Larissa stets die mißmutige, gepreßte Antwort: »Wir haben wieder nur Sachkunde gemacht.«
Unterrichtsgegenstand waren durchwegs irgendwelche vom Lehrer vorgelesenen Geschichten mit gewissem Moralanspruch und erhobenem Zeigefinger, natürlich immer brav „politisch-korrekt“, jedoch nicht nur für das Kind, sondern auch für uns Eltern ohne jeden ersichtlichen Bezug zum Glauben, zur Religion, zur Kirche. Profane Themen, von unserer Tochter als „Sachkunde“ eingeordnet.
Ein kurzes Gespräch meiner Frau mit dem Lehrer im Sommer war ergebnislos verlaufen und hatte meine Gattin bereits frustriert und zur Abmeldung vom Religionsunterricht plaidieren lassen. Nach dem Eincreme-Ereignis führte ich nun also selbst ein Gespräch mit Dr. B.. Es verlief ohne echte Kommunikation, sondern eher als Reihung abwechselnder Monologe. Die Problematik solchen Eincremens blieb Dr. B. unzugänglich. Ferner erfuhr ich unter anderm, daß Jesus Christus in Dr. B.s Unterricht nicht vorkomme, weil Kinder der unteren Klassenstufen damit »überfordert« seien. Weiterhin bete er mit den Kindern nicht, weil er gelernt habe, zum Beten solle man in sein Kämmerlein gehen; nur Pharisäer beteten öffentlich. Anders gesagt: Wenn wir in der heiligen Messe beten, sind wir alle Pharisäer. Wenn wir zu Hause in der Familie gemeinsam beten, sind wir eine Pharisäerfamilie.
Nun gut. Das Gespräch endete und ließ alle Fragen offen. Wir hielten zu Hause „Familienrat“ und beschlossen, zumindest einige Stunden Religionsunterrichts abzuwarten und zu schauen, ob Dr. B. sich unser Gespräch nicht doch zu Herzen nehme und etwas am Unterricht ändere. Wie oben angedeutet, fiel dann aber praktisch den ganzen Advent über wegen Krankheit des Lehrers der Religionsunterricht aus. Nach Weihnachten gab es jedoch tatsächlich etwas Neues: Wider Erwarten wurde die Weihnachtsgeschichte durchgenommen. Zwar etwas verspätet, aber die Erkrankung des Lehrers mag das rechtfertigen.
Wir warteten also weiter. Nachdem das Weihnachtsthema nun abgeschlossen war – freilich ohne daß den Kindern auch nur eine Ahnung vermittelt worden wäre, daß jener Jesus in der Krippe mehr ist als irgendein niedlicher Säugling – und unterdessen erneut zwei Unterrichtsstunden wegen Lehrerkrankheit ausgefallen waren, ging der Unterricht leider im alten Stil weiter. Zu Frühjahrsbeginn kam Larissa nach einer Religionsstunde nach Hause und fragte ihre Mutter: »Wann meldet ihr mich endlich von diesem Unterricht bei Herrn B. ab? Meldet mich doch lieber beim christlichen Religionsunterricht an!« – „Christlicher Religionsunterricht“, so heißt an der Schule wohl der protestantische Religionsunterricht. Dort werden, wie Larissa von Mitschülern erfahren hat, biblische Geschichten durchgenommen.
Nun scheidet insbesondere wegen der heterodoxen Anschauungen der Protestanten in Sachen Ekklesiologie und Sakramentenlehre aus unserer Sicht eine Teilnahme am protestantischen Religionsunterricht aus. Es ist aber beschämend, daß eine Zweitkläßlerin wegen des Zustands des katholischen Religionsunterrichts bitten muß, am protestantischen Unterricht teilnehmen zu dürfen, um überhaupt Religionsunterricht zu erhalten.
Ich befragte nun Larissa noch einmal detailliert, wie sie auf die Idee gekommen sei, am protestantischen Religionsunterricht teilnehmen zu wollen. Sie legte mir ihre Gründe wie folgt dar: Erstens müsse es eigentlich ein „evangelisch-katholischer Religionsunterricht“ sein, sonst hieße er ja nicht „christlicher Religionsunterricht“. Zweitens sei eine katholische Mitschülerin bereits vom katholischen zu diesem „christlichen Religionsunterricht“ hinübergewechselt. Drittens sei der „christliche Religionsunterricht“ einfach besser, es sei richtiger Religionsunterricht. Larissa habe, sagt sie, im Unterrichtsraum, in welchem der evangelische Unterricht stattfindet (und den sie offenbar inspiziert hat) Bilder oder Plakate biblischer Geschichten hängen sehen, so vom barmherzigen Samariter oder „Jesus mit dem verlorenen Schaf“ (also als der Gute Hirte). Ferner habe sie an der Tür gehört (sogar gelauscht hat sie also schon!), daß aus der Bibel vorgelesen werde.
Abschließend bekräftigte Larissa noch einmal, sie wolle endlich von Dr. B.s Unterricht abgemeldet werden. – Nach reiflicher Überlegung und Erörterung der Sache mit meiner Frau meldete ich Larissa vom katholischen Religionsunterricht jedoch immer noch nicht ab, sondern beschloß, noch etwas abzuwarten und mich zunächst nötigenfalls an Sie zu wenden.
Dies ist bis heute unterblieben, teils, weil private, gesundheitliche und berufliche Dinge mir wenig Raum ließen, teils aber auch, weil es immer wieder Ansatzpunkte im Unterricht gab, die mich auf Änderung hoffen ließen. So wurden von Dr. B. im Frühjahr oder Sommer mehrfach geschichtliche Hintergründe zum Leben in Palästina zur Zeit Jesu thematisiert. Ein Beispiel: Fischer am See Genezareth. Nach der ersten Stunde zu diesem Thema sagte ich meiner Tochter: »Na, nun kommen vielleicht doch endlich die Apostel dran, und wie Jesus sie berief«, und erklärte ihr noch einiges dazu, namentlich über die Fischer unter den Aposteln.
Allein das Thema endete, ohne daß die Rede auf irgendeinen Apostel kam, geschweige denn auf den Herrn selber. Und so verliefen alle vermuteten Anknüpfungspunkte für christliche, kirchliche, religiöse Themen im Sande. Nichts kam. Das Schuljahr endete – wohl sechs Wochen lang, wenn ich mich recht erinnere – mit dem Vorlesen irgendeines Buchs über einen Jungen namens Franz von einer gewissen Christine Nöstlinger. Das Buch selbst kenne ich nicht und kann darüber nichts sagen – ich entsinne mich nur, daß ich als Junge eine Aversion gegen den Stil dieser Autorin hatte, deren Bücher meine Schwestern zeitweilig lasen –, jedenfalls aber hat das mit Religionsunterricht nichts, aber auch gar nichts zu tun, und erst recht nicht, wenn’s wochenlang ausgedehnt wird.
Hinzukommt, daß die Schüler angehalten wurden, während des Vorlesens „Mandalas“ auszumalen. Glücklicherweise hatte Larissa den Mumm, sich zu melden und dem Lehrer zu sagen, ihre Eltern hätten ihr erklärt, es sei für Christen nicht gut, Mandalas zu malen, und sie wolle das nicht. Sie sollte dann etwas anderes malen und entschied sich für Ikonen: eine Ikone von der heiligen Agnes, deren Geschichte sie gerade in ihrem Heiligenbuch gelesen hatte, eine vom heiligen Nikolaus, wie sie bei uns im Hause hängt, und dergleichen mehr.
Doch auch wenn das Kind hier souverän reagiert hat und ich ihm sogar noch von Maria Magdalena als „apostola apostolorum“ erzählte und riet, sich doch auch als eine solche Apostolin in ihrer Klasse zu sehen, ist das für Grundschüler natürlich eine gewaltige Überforderung, und was da von Dr. B. anstelle ordentlichen Religionsunterrichts erteilt wird, ist grob mißbräuchlich und verfehlt Sinn und Zweck dieser Einrichtung vollständig.
Diese nutzlosen bis schädlichen Unterrichtsformen der letzten anderthalb Jahre sollen Larissa ab jetzt und Victor von vornherein erspart bleiben. Wir bleiben dennoch dabei, unsere Kinder zum Religionsunterricht angemeldet zu lassen und keinesfalls abzumelden. Im Gegenteil, wir betonen den Anspruch unserer Kinder auf echt katholischen Religionsunterricht und verlangen, daß ein solcher endlich erteilt werde. Das bedeutet vor allem die Unterweisung in Glaubensleben und -lehre der Kirche, samt gemeinsamem Gebet und Kennenlernen der Heiligen Schrift, der Liturgie und Feste, ja vor allem des dreifaltigen Gottes selbst.
Wir fordern Sie auf und ermutigen Sie, kurzfristig und auf Dauer die Erteilung solch genuin kirchlichen Religionsunterrichts an der Veltner Linden-Grundschule sicherzustellen, und erwarten die baldige Mitteilung Ihrer diesbezüglichen Bemühungen ebenso wie den sichtbaren Erfolg vor Ort.
Mit freundlichem Gruß