Moralische Bewertung der "Pille danach"

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Reinhard
cum angelis psallat Domino
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Re: Nachrichten zum Thema Lebensschutz

Beitrag von Reinhard »

Raphael hat geschrieben:Ich bezweifele, daß die Aussage von Jutta Pliefke stimmt!

AFAIK ist derzeit keine "Pille danach" in Deutschland auf dem Markt erhältlich, die zumindest als Nebenfolge auch die Nidation bereits befruchteter Eizellen (also: menschlichen Lebens) erschwert, wenn nicht sogar verhindert.
Gibst Du bitte einmal die Quelle Deines Wissen preis ? - denn der von mir verlinkte Fachartikel sagt ja immerhin ganz eindeutig:
Sowohl Levonorgestrel 1.5 mg als auch Ulipristalacetat 30 mg wirken in den verwendeten Dosen und bei einmaliger Gabe nicht implantationshemmend (Gemzell-Danielsson et al. 2012) und auch nicht abortiv.
(Hervorhebung von mir) Die Qualität solcher Veröffentlichungen entspricht (soweit ich das aus der ärztlichen Tätigkeit meiner Frau kenne) jedem wissenschaftlichen Standard.

Allerdings muss man durchaus ggf. zwischen den Zeilen lesen, und das heißt hier konkret: Nach erfolgtem Eisprung (der durch einen Hormonwechsel nachweisbar ist !) sind diese Präparate wirkungslos: dann würde der freundliche Pro-Famila-Arzt ein Kupfer-IUD verwenden, das ausdrücklich nidationshemmend wirkt.
(-> das erklärt auch die durchschnittliche Wirksamkeit von nur 80% ! - siehe Abb. 2)

Raphael

Re: Nachrichten zum Thema Lebensschutz

Beitrag von Raphael »

Reinhard hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Ich bezweifele, daß die Aussage von Jutta Pliefke stimmt!

AFAIK ist derzeit keine "Pille danach" in Deutschland auf dem Markt erhältlich, die zumindest als Nebenfolge auch die Nidation bereits befruchteter Eizellen (also: menschlichen Lebens) erschwert, wenn nicht sogar verhindert.
Gibst Du bitte einmal die Quelle Deines Wissen preis ? - denn der von mir verlinkte Fachartikel sagt ja immerhin ganz eindeutig:
Sowohl Levonorgestrel 1.5 mg als auch Ulipristalacetat 30 mg wirken in den verwendeten Dosen und bei einmaliger Gabe nicht implantationshemmend (Gemzell-Danielsson et al. 2012) und auch nicht abortiv.
(Hervorhebung von mir) Die Qualität solcher Veröffentlichungen entspricht (soweit ich das aus der ärztlichen Tätigkeit meiner Frau kenne) jedem wissenschaftlichen Standard.

Allerdings muss man durchaus ggf. zwischen den Zeilen lesen, und das heißt hier konkret: Nach erfolgtem Eisprung (der durch einen Hormonwechsel nachweisbar ist !) sind diese Präparate wirkungslos: dann würde der freundliche Pro-Famila-Arzt ein Kupfer-IUD verwenden, das ausdrücklich nidationshemmend wirkt.
(-> das erklärt auch die durchschnittliche Wirksamkeit von nur 80% ! - siehe Abb. 2)
Mein Wissen beziehe ich aus Vorträgen der Lebensrechtsbewegung, die u.a. von Gynäkologen gehalten worden sind!

Auf die Schnelle habe ich darüber hinaus folgende Info aus dem Internet gefunden:
Wirkmechanismus

Es gibt seit kurzem 2 verschieden wirksame hormonelle Substanzen der Pille danach. Einmal das chemisch hergestellte Präparat Levonorgestrel, welches einem körpereigenen Hormon, dem Gestagen, nachgeahmt ist und einmal das Präparat Ulipristal, welches an einem Hormonrezeptor eine Veränderung vornimmt.

Die Wirkweise des Levonorgestrel (Handelsname: Duofem oder Levogynon) ist nicht vollständig geklärt. Als eine Hauptwirkung wird allerdings die Hemmung des Eisprungs (Ovulationshemmung) angegeben. Dies ist durch die Hemmung des körpereigenen Hormons LH (=luteinisierendes Hormon) erklärbar, welches in einem Teil des Gehirns (Hypophyse) ausgeschüttet wird und in der 2. Zyklushälfte normalerweise durch eine erhöhte Ausschüttung den Eisprung bewirkt. Daraus lässt sich dann aber ableiten, dass bei schon erfolgtem Eisprung keine Schwangerschaft verhindert werden kann. Die Einnistungshemmung (= Implantationshemmung) wird durch die hormonell-bedingte vorzeitige Umwandlung der inneren Gebärmutterschleimhaut (=Endometrium) erklärt, welche dann zu einer kurzen Entzugsblutung nach Absetzen der Hormone führt und dadurch die Einnistung der Eizelle verhindert (Pille danach).

Andere Wirkansätze sind, dass die erhöhte Gestagenkonzentration zu einem zäheren Schleim des Gebärmutterhalses führt (ähnlich wie die Wirkweise der Minipille), wodurch die Spermienwanderung behindert wird. Zusätzlich nimmt auch der pH-Wert des Sekretes ab, wodurch die Beweglichkeit der Spermien abnimmt.Die Wirkweise von Ulipristal (Handelsname: ellaone) besteht in der Besetzung körpereigener Progesteronrezeptoren. Progesteron (=Gelbkörperhormon) ist ein Sexualhormon, welches u.a. in den Eierstöcken der Frau gebildet wird. Die Hemmung der Progesteronwirkung führt ebenfalls zur Verhinderung des Eisprungs und zur Verhinderung einer für die Einnistung (=Nidation) notwendigen Veränderung der Gebärmutterschleimhaut (Pille danach)
(Quelle)

Also nix mit nur Ovulationshemmung, aber keine Nidationshemmung ...........

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Reinhard
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Re: Nachrichten zum Thema Lebensschutz

Beitrag von Reinhard »

Raphael hat geschrieben:Mein Wissen beziehe ich aus Vorträgen der Lebensrechtsbewegung, die u.a. von Gynäkologen gehalten worden sind!

Auf die Schnelle habe ich darüber hinaus folgende Info aus dem Internet gefunden:
(Quelle)
Nun ja, was soll man dazu sagen ...?
Hoffen wir, dass die Lebensrechler sich nicht von ihrem Eifer haben verleiten lassen, über das Ziel hinaus schießen. Vielleicht kannten sie auch einfach den aktuellen Forschungsstand vom Oktober 2012 noch nicht.
(Und den Praxis-Auftritt eines x-beliebigen Gynäkologen im Netz als Widerlegung des aktuellen Forschungsstandes heran zu ziehen erscheint mir natürlich seeeehr mutig. (falls Du das ernst gemeint haben solltest !) )

Ja, bisher war ich auch von nidationshemmender Wirkung ausgegangen, aber mir waren keine belastbaren Veröffentlichungen bekannt.
Wenn wir aber wissenschaftlich seriös sein wollen, sollten wir sinnvollerweise die Original-Arbeit " Gemzell-Danielsson et al. / Contraception xx (2012) xxx–xxx" betrachten, auf die sich die ärztlichen Fachverbände beziehen:
(aus Kap. "7. Effect on endometrial receptivity and embryo implantation")
Treatment with LNG (1.5 mg) on day LH −2 did not affect endometrial morphology or any studied markers of receptivity during the midluteal phase at the expected time of endometrial receptivity and implantation [83,84]. The same results were observed with vaginal administration of 1.5 mg LNG or repeat oral doses (0.75 mg×4 po) [85]. Recently, it was shown that postovulatory administration of LNG caused minimal changes in gene expression profiling during the receptive period [86]. Neither the magnitude nor the nature or direction of the changes endorses the hypothesis that LNG interferes with endometrial receptivity.
Lediglich bei einer regelmäßigen Einnahme wird ein aus-dem-Tritt-bringen der Uterusschleimhaut beschrieben.   In dem Fall, und nur in dem Fall wirken diese Präparate also auch nidationshemmend.
Aber davon reden wir hier nicht.

Noch einmal zur Erinnerung: Wir sprechen hier ausdrücklich nur von der Notfallmedikation nach einer Vergewaltigung, also einer Einmalgabe der "Pille danach".

Dies ist offenbar tatsächlich der aktuelle Wissensstand. - ich sehe keinen Hinweis, dass diese Ergebnisse in irgendeiner Weise zweifelhaft wären.

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Gorgasal
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Re: Nachrichten zum Thema Lebensschutz

Beitrag von Gorgasal »

Reinhard hat geschrieben:Dies ist offenbar tatsächlich der aktuelle Wissensstand. - ich sehe keinen Hinweis, dass diese Ergebnisse in irgendeiner Weise zweifelhaft wären.
Erstens ist es sehr wohltuend, in dieser Diskussion auf aktuelle Literatur zurückzugreifen. Zweitens ist das von Reinhard zitierte Paper nicht nur eine einzelne Studie, sondern ein sogenanntes Review, also eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes basierend auf mehreren Studien. Einzelnen Studien in der Medizin traue ich grundsätzlich nicht, dafür weiss ich als Statistiker zu gut, wie diese Publikationen zustande kommen. Ein aktuelles Review hingegen, das in einer renommierten Zeitschrift erscheint, ist so in etwa das beste, was man zum Stand der Forschung lesen kann.

Also ein dickes :daumen-rauf: an Reinhard!

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Robert Ketelhohn
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bitte um Nachsicht, daß ich nicht die Diskussion der letzten beiden Tage nachträglich lesen kann. Leider aber scheint nicht wahrgenommen worden zu sein, was ich zuvor im von mir angehängten Pdf-Dokument (das eine Fratzbuch-Diskussion enthält) ausgeführt habe. Ich darf darum hier noch einmal wiedergeben, was ich vorhin aus aktuellem Anlaß – wiederum auf Fratzbuch – zum Thema geschrieben habe:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das Problem ist vielleicht doch eher, daß wir Lateiner immer alles gleich verrechtlichen und in Paragraphen gießen müssen. Wenn man die Fasten- oder Nüchterheitsregeln mildern will, macht man bei uns gleich ein allgemeines Gesetz draus. Und wehe, einer wird noch allzu nüchtern erwischt.

Die orthodoxen Ostkirchen handhaben das im Einzelfall auf der Ebene der Ökonomie, ohne gleich die überkommenen Regeln aufzuheben. Mal so als Beispiel und Anregung zu weiterem Nachdenken. Was dasselbe auf der Ebene der Liturgie bedeutet, brauche ich nicht eigens zu erläutern.

Dasselbe Problem haben wir nun auch mit Erzbischof Joachims Äußerung. Es wird faktisch zu einem neuen Gesetz – und das führt zum Dammbruch. Darum war es – sit venia verbo – überaus unklug, sich zu der Sache überhaupt zu äußern.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:In der fachlichen Frage war mein alter Erzbischof, unter dessen Verantwortung ich 1989 noch in die Kirche aufgenommen wurde und dessen Weggang wir bis heute nicht wirklich verschmerzt haben – das will ich ausdrücklich bekunden –, leider auch schlecht (und wohl interessegeleitet) beraten. Es gibt bei den in Rede stehenden „Pille-danach“-Präparaten keinen isolierten ovulationshemmenden Wirkmechanismus. Der Wirkstoff, das Ulipristalacetat, wirkt als Progesteron-Agonist auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, das heißt: dort begünstigt er die Progesteronrezeption, was den den Eisprung auslösenden plötzlichen steilen Anstieg der Produktion des luteinisierenden Hormons (LH) unterbindet. Dies ist die ovulationshemmende Wirkung.

Was in der Diskussion von den Gynäkologenverbänden verschwiegen wird, ist, daß derselbe Wirkstoff auf die Uterusschleimhaut anders wirkt, nämlich als Progesteron-Antagonist: Er bewirkt eine Rückbildung der Uterusschleimhaut und verhindert so die Nidation oder führt zur Abstoßung des bereits eingenisteten Embryos.

Bei der relativ geringen Dosierung in den „Pille-danach“-Präparaten tritt die ovulationshemmende Wirkung bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel bis drei Vierteln ein. Die nidationshemmende Wirkung ist deutlich schwächer, aber nicht inexistent. Wenn sie auch nur mit zehn Prozent oder noch geringerer Wahrscheinlichkeit eintritt, reicht das aus, um die Anwendung als sittlich absolut unerlaubt einzustufen. Nicht umsonst ist die Anwendung laut Herstellerangaben bei mutmaßlich bereits bestehender Schwangerschaft absolut kontraindiziert.

Im übrigen besteht gerade wegen der hohen Versagerquote dieser Präparate (¼ oder mehr, s. o.) ein signifikant erhöhtes Risiko extrauteriner Schwangerschaften. Allein dies müßte für die Arzneimittelbehörden schon Grund genug sein, ein derartiges Präparat niemals zuzulassen. Doch darüber macht man sich natürlich keinen Kopp, das „Ding“ wird ggf. eben einfach „weggemacht“.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Abgesehen davon liegt in des Kardinals Erklärung leider eine weitere große Gefahr, ja er ist ihr bereits erlegen. Indem er nämlich ein exklusiv ovulationshemmendes Mittel – wenn es das denn gäbe – ausdrücklich für erlaubt erklärt zur Verhinderung einer Empfängnis aus Notzucht, aber ebenso explizit als unerlaubt zur Verhinderung einer Empfängnis aus ehelichem Beischlaf (die einvernehmliche Unzucht bleibt merkwürdig außer Betracht), erklärt Erzbischof Joachim die Empfängnis aus Notzucht zu einem Übel.

Dies ist eine Falle des Teufels. Die Empfängnis eines Kindes – zugleich ein Schöpfungsakt Gottes – kann niemals und unter keinen Umständen ein Übel sein. Wohl ein schweres Kreuz, eine harte Prüfung. Aber kein Übel, ebensowenig wie das empfangene Kind ein Übel ist. Die Empfängnis eines Kindes als Übel anzusehen heißt den Schöpfer zu mißachten.

Es geht dabei nicht um Verurteilung. Ich weiß, aus welchen Sorgen und Ängsten heraus oft Menschen Schwangerschaften um jeden Preis vermeiden wollen, welche Zwänge und Nöte es gibt und wie groß unsere Schwäche ist. Nichts davon ist mir fremd. Aber man hilft unsrer Schwachheit, die wir Sünder sind, nicht, indem man die Sünde verniedlicht, verschleiert und den Ist-doch-alles-nicht-so-schlimm-Mantel darüberbreitet.

Wir retten keinen vor dem Verderben, indem wir sein Gewissen verkleistern und die Sünde zu verdrängen helfen (da sind wir ohnehin schon immer alle kräftig dabei, jeder für sich), sondern indem wir, an der Wahrheit ohne Abstrich festhaltend, von der Barmherzigkeit unseres Gottes reden und sie allen verkünden, den Gewalttätern ebenso wie den Opfern.

Und da sind wir wieder bei dem weiter oben angesprochenen Problem der Verrechtlichung aller Dinge bei uns Katholen. Die kirchliche Sittenlehre wird aufgefaßt – von denen „draußen“ sowieso, aber leider auch von allzu vielen „drinnen“ –, als würde durch sie das Verdammungsurteil über alle gesprochen, die an der Vorgabe gescheitert sind. In Wahrheit ist Jesus Christus aber gerade für diese Gescheiterten (mich und dich) gestorben, ihnen wendet sich die Kirche (wo sie nicht versagt) und ihnen wendet sich der Herr durch die Hirten und Sakramente der Kirche, ja durch alle Gläubigen zu.

Dies und nichts anderes hätte Erzbischof Joachim neuerlich und ohne Unterlaß verkünden sollen, anstatt verklausuliert Schlupflöcher und Fluchtwege vorm Kreuz aufzutun: »Wenn dir Gewalt angetan wurde und du fürchtest, von deinem Peiniger schwanger zu sein: dann lädt Jesus Christus dich ein, dein Kreuz auf dich zu nehmen und ihm nachzufolgen. Genau darin wirst du das Heil und wirst du dein Glück finden. – Wenn du aber schwach warst und es nicht ausgehalten hast und pharmazeutische Mittel dagegen genommen hast oder gar – was sehr schlimm ist –, dann sei trotzdem gewiß, daß Jesus dich nicht verwirft. Im Gegenteil, er ruft dich zu sich, er will dir vergeben. Wirf dich in seine Hand.
Zusatz: Das Ulipristalacetat wird auch – etwas höher dosiert – als Arzneimittel verwendet, nämlich gegen Gebärmuttermyome, wobei man sich genau denjenigen Wirkmechanismus zunutze macht, der auch die Nidation einer befruchteten Eizelle unterbinden kann, nämlich die Schleimhautrückbildung im Uterus durch Progesteronblockade.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Reinhard
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Reinhard »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Was in der Diskussion von den Gynäkologenverbänden verschwiegen wird, ist, daß derselbe Wirkstoff auf die Uterusschleimhaut anders wirkt, nämlich als Progesteron-Antagonist: Er bewirkt eine Rückbildung der Uterusschleimhaut und verhindert so die Nidation oder führt zur Abstoßung des bereits eingenisteten Embryos.

Bei der relativ geringen Dosierung in den „Pille-danach“-Präparaten tritt die ovulationshemmende Wirkung bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel bis drei Vierteln ein. Die nidationshemmende Wirkung ist deutlich schwächer, aber nicht inexistent. ...
Zusatz: Das Ulipristalacetat wird auch – etwas höher dosiert – als Arzneimittel verwendet, nämlich gegen Gebärmuttermyome, wobei man sich genau denjenigen Wirkmechanismus zunutze macht, der auch die Nidation einer befruchteten Eizelle unterbinden kann, nämlich die Schleimhautrückbildung im Uterus durch Progesteronblockade.
Worauf gründest Du Deine (fachliche) Einschätzung ? - sind Dir andere Veröffentlichungen oder Studien bekannt, die Deine Meinung belegen, oder ist das nur Deine eigene, frei schwebende Überzeugung ?

Ich frage deshalb so scharf, weil in den Studien, die der zitierten Metastudie zugrunde liegen, ausdrücklich und wiederholt das Gegenteil als gesichert ansehen wird, nämlich dass eben keine Nidationshemmung erfolgt. Quelle [85] sagt wörtlich:
(C.-X. Meng, L. Marions, B. Byström, K. Gemzell-Danielsson, "Effects of oral and vaginal administration of levonorgestrel emergency contraception on markers of endometrial receptivity")
The standard regimen of the levonorgestrel-only pill (1.5 mg either in a single dose or in a dose of 0.75 mg twice, 12 h apart) administered orally for emergency contraception (EC) has been shown to have no effect on endometrial development and markers of endometrial receptivity. We aimed to explore whether repeated oral and single vaginal administration of levonorgestrel affect the endometrium and thus potentially increase the EC efficacy, compared with the standard regimen.
Also maW: "Dass Levonorgestrel die Nidation bei 1x-Gabe nicht hemmt, wissen wir. Aber was ist jetzt, wenn wir es mehrfach geben ?" -- mit dem Ergebnis: Es hemmt die Nidation immer noch nicht nennenswert, wir sollten "bessere" Wirkstoffe finden, die dann auch mal endlich nidationshemmend wirken. ;) - Wörtlich:
RESULTS: The two regimens of levonorgestrel caused either only minor or no alterations in markers of endometrial receptivity. New agents targeting the endometrial development should be explored in order to increase EC efficacy.
Die von Dir angeführte "Versagerquote" von ¼ sind der oben ziterten Studie nach übrigens genau jene 25%, die nach dem Eisprung stattfanden - und dementsprechend auch nicht mehr verhindert / gehemmt werden.

Die Nagelprobe in dieser Frage ist tatsächlich: gibt es für die Zeit nach dem Eisprung noch irgend eine Wirksamkeit der "Pille danach" (und zwar in der Dosis, wie sie tatsächlich gegeben wird), ja oder nein ? - Wenn ja, dann gibt es Nidationshemmung, wenn nein, dann nicht.
Die Studien sagen: nein, Du sagst: Ja. - dafür bitte ich Dich deshalb um wissenschaftliche Belege, damit das nicht als "interessengesteuerte These" im Raum stehen bleibt.

Die Frage der Oikonomie wäre nochmal ein anderes Thema, auf das man später, wenn die medizinische Sachlage geklärt ist, noch mal zurückkommen muss.

Edit: Hier auf Kath.net hat ein Apotheker den Sachstand auch noch einmal referiert, im Grunde mit dem selben Ergebnis wie ich.

Raphael

Re: Nachrichten zum Thema Lebensschutz

Beitrag von Raphael »

Reinhard hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Mein Wissen beziehe ich aus Vorträgen der Lebensrechtsbewegung, die u.a. von Gynäkologen gehalten worden sind!

Auf die Schnelle habe ich darüber hinaus folgende Info aus dem Internet gefunden:
(Quelle)
Nun ja, was soll man dazu sagen ...?
Hoffen wir, dass die Lebensrechler sich nicht von ihrem Eifer haben verleiten lassen, über das Ziel hinaus schießen. Vielleicht kannten sie auch einfach den aktuellen Forschungsstand vom Oktober 2012 noch nicht.
(Und den Praxis-Auftritt eines x-beliebigen Gynäkologen im Netz als Widerlegung des aktuellen Forschungsstandes heran zu ziehen erscheint mir natürlich seeeehr mutig. (falls Du das ernst gemeint haben solltest !) )
Warum sollte ich das nicht ernst gemeint haben? :achselzuck:
Glaubst Du etwa, mir geht's bei dem Thema ums Scherzen? :vogel:

Zunächst einmal darfst Du davon ausgehen, daß die medizinischen Fachleute der Lebensrechtsbewegung selbstkritisch genug sind, um bei neuen Erkenntnissen auch eigene mögliche Irrtümer nicht a priori auszuschließen.
Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß häufig derlei "neue Erkenntnisse" interessegeleitete Meinungsbekundungen waren, die lediglich den Stand des Wissens darlegten, nicht jedoch DAS Wissen.

Auf folgendes Problem wird sogar in der nun aktuell veröffentlichten Stellungnahme der Fachverbände, die Du oben verlinkt hast, hingewiesen:
Absolute Kontraindikationen: Bestehende Schwangerschaft
Wie und durch wen wird denn nach einer bereits erfolgten Vergewaltigung festgestellt, ob die ja unstreitig mögliche Befruchtung der Eizelle nicht schon stattgefunden hat, bevor die "Pille danach" verabreicht wird? Wenn aber die Befruchtung schon stattgefunden hat, dann besteht schon die Schwangerschaft bei der vergewaltigten Frau und mithin die absolute Kontraindikation für die in Rede stehenden beiden Medikamente.

Meines Wissens wird bislang die "Pille danach" in aller Regel auf bloßen Verdacht hin gegeben; weil man eben weiß, daß das Zeitfenster für die Befruchtung durch die Spermien des Mannes relativ eng ist.

Zum Zweiten ist es für mich als informierten Laien gesicherte Erkenntnis, daß es sich bei der Weitergabe des Lebens um einen höchst komplexen Prozeß handelt. In diesem komplexen Prozeß gibt es nichts, was man auf die einfache Formel "auf A folgt B" reduzieren könnte. Jede Wirkung A hat immer mehrere Folgen (C, D und E usw.), die wiederum selber mehrere Folgen (F, G, H, I und J usw.) nach sich ziehen.

Diesem Novum, welches nun behauptet wird, daß nur und ausschließlich die Ovulation gehemmt werden soll, muß man also höchst skeptisch gegenüber stehen.
Reinhard hat geschrieben:Ja, bisher war ich auch von nidationshemmender Wirkung ausgegangen, aber mir waren keine belastbaren Veröffentlichungen bekannt.
Wenn wir aber wissenschaftlich seriös sein wollen, sollten wir sinnvollerweise die Original-Arbeit " Gemzell-Danielsson et al. / Contraception xx (2012) xxx–xxx" betrachten, auf die sich die ärztlichen Fachverbände beziehen:
(aus Kap. "7. Effect on endometrial receptivity and embryo implantation")
Treatment with LNG (1.5 mg) on day LH −2 did not affect endometrial morphology or any studied markers of receptivity during the midluteal phase at the expected time of endometrial receptivity and implantation [83,84]. The same results were observed with vaginal administration of 1.5 mg LNG or repeat oral doses (0.75 mg×4 po) [85]. Recently, it was shown that postovulatory administration of LNG caused minimal changes in gene expression profiling during the receptive period [86]. Neither the magnitude nor the nature or direction of the changes endorses the hypothesis that LNG interferes with endometrial receptivity.
Lediglich bei einer regelmäßigen Einnahme wird ein aus-dem-Tritt-bringen der Uterusschleimhaut beschrieben.   In dem Fall, und nur in dem Fall wirken diese Präparate also auch nidationshemmend.
Aber davon reden wir hier nicht.

Noch einmal zur Erinnerung: Wir sprechen hier ausdrücklich nur von der Notfallmedikation nach einer Vergewaltigung, also einer Einmalgabe der "Pille danach".

Dies ist offenbar tatsächlich der aktuelle Wissensstand. - ich sehe keinen Hinweis, dass diese Ergebnisse in irgendeiner Weise zweifelhaft wären.
Moraltheologische Überlegungen orientieren sich zwar schon am aktuellen Wissensstand der jeweiligen naturwissenschaftlichen Disziplinen, aber sie hecheln ihm nicht hinterher, weil die Maßstäbe, die bei ihr zum Tragen kommen, überzeitlicher Natur sind.
Also: Erst einmal mit hoher Akribie prüfen und dann entscheiden!

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Peti
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Peti »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Bitte um Nachsicht, daß ich nicht die Diskussion der letzten beiden Tage nachträglich lesen kann. Leider aber scheint nicht wahrgenommen worden zu sein, was ich zuvor im von mir angehängten Pdf-Dokument (das eine Fratzbuch-Diskussion enthält) ausgeführt habe. Ich darf darum hier noch einmal wiedergeben, was ich vorhin aus aktuellem Anlaß – wiederum auf Fratzbuch – zum Thema geschrieben habe:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das Problem ist vielleicht doch eher, daß wir Lateiner immer alles gleich verrechtlichen und in Paragraphen gießen müssen. Wenn man die Fasten- oder Nüchterheitsregeln mildern will, macht man bei uns gleich ein allgemeines Gesetz draus. Und wehe, einer wird noch allzu nüchtern erwischt.

Die orthodoxen Ostkirchen handhaben das im Einzelfall auf der Ebene der Ökonomie, ohne gleich die überkommenen Regeln aufzuheben. Mal so als Beispiel und Anregung zu weiterem Nachdenken. Was dasselbe auf der Ebene der Liturgie bedeutet, brauche ich nicht eigens zu erläutern.

Dasselbe Problem haben wir nun auch mit Erzbischof Joachims Äußerung. Es wird faktisch zu einem neuen Gesetz – und das führt zum Dammbruch. Darum war es – sit venia verbo – überaus unklug, sich zu der Sache überhaupt zu äußern.
:klatsch:
Dazu Hans Urs von Balthasar in "Kleine Fibel für verunsicherte Laien":

"Die Christen stehen in sehr verschiedener Nähe oder Entfernung vom leuchtenden, glühenden Kern des Evangeliums, es gibt unzälige Grade der Abstufung.
Ein kirchliches Gesetz aber kann auf diese nicht Rücksicht nehmen, es hat seine präzise Formulierung, und diese darf nicht auf den lauen Durschnitt zielen,
sondern muß so nahe beim Evangelium als möglich bleiben.
Erst die Auslegung kann, was die Schwäche der Menschen angeht, sich weit-und barmherzig zeigen, gemäß dem, was ostkirchliches Recht Epikie nennt.
Aber bei der Formulierung ihrer Disziplin kann die Kirche Christi nicht auf Proteste oder Forderungen einer vom Zeitgeist beeinflußten oder von geschickten Leadern manipulierten Menge horchen....
Der großen Menge wird die Nachfolge Christi immer als unmöglich, ja unmenschlich erscheinen."
Zuletzt geändert von Peti am Samstag 9. Februar 2013, 10:30, insgesamt 1-mal geändert.
Was für ein Glück für uns, dass wir wissen können, dass die Barmherzigkeit Gottes unendlich ist.
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Gamaliel
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Gamaliel »

Die Ärztevereinigung St. Lukas (ein Zusammenschluss von Ärzten in Deutschland, die nach den Regeln der katholischen Moral tätig sein wollen) hat eine kurze, übersichtliche Stellungnahme zur Wirkungsweise von "Levonorgestrel" und "Ulipristalacetat" herausgegeben:


Wirkungsweise der Postkoitalpillen (pdf-Datei)

Schlußfolgerungen daraus:
Die aktuelle Datenlage zeigt, dass sowohl LNG als UPA neben der Eisprunghemmung auch andere, frühabtreibende  Wirkungen  haben  können.  Somit  kann  man  nicht  mit  letzter  Konsequenz die Postkoitalpillen  als  reine  Ovulationshemmer  bezeichnen.
[...]
Die verfügbare Datenlage erlaubt es bei sorgfältiger Recherche nicht, eine nidationshemmende und frühabortive Wirkung sowohl für Levonorgestrel als auch Ulipristalacetat auszuschließen.
Einen Kommentar zur aktuellen Diskussion seitens der Ärztevereinigung St. Lukas gibt es hier:
Katholische Kliniken und Vergewaltigung: der Skandal wird immer skandalöser

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Robert Ketelhohn
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Peti hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Bitte um Nachsicht, daß ich nicht die Diskussion der letzten beiden Tage nachträglich lesen kann. Leider aber scheint nicht wahrgenommen worden zu sein, was ich zuvor im von mir angehängten Pdf-Dokument (das eine Fratzbuch-Diskussion enthält) ausgeführt habe. Ich darf darum hier noch einmal wiedergeben, was ich vorhin aus aktuellem Anlaß – wiederum auf Fratzbuch – zum Thema geschrieben habe:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das Problem ist vielleicht doch eher, daß wir Lateiner immer alles gleich verrechtlichen und in Paragraphen gießen müssen. Wenn man die Fasten- oder Nüchterheitsregeln mildern will, macht man bei uns gleich ein allgemeines Gesetz draus. Und wehe, einer wird noch allzu nüchtern erwischt.

Die orthodoxen Ostkirchen handhaben das im Einzelfall auf der Ebene der Ökonomie, ohne gleich die überkommenen Regeln aufzuheben. Mal so als Beispiel und Anregung zu weiterem Nachdenken. Was dasselbe auf der Ebene der Liturgie bedeutet, brauche ich nicht eigens zu erläutern.

Dasselbe Problem haben wir nun auch mit Erzbischof Joachims Äußerung. Es wird faktisch zu einem neuen Gesetz – und das führt zum Dammbruch. Darum war es – sit venia verbo – überaus unklug, sich zu der Sache überhaupt zu äußern.
:klatsch:
Dazu Hans Urs von Balthasar in "Kleine Fibel für verunsicherte Laien":

"Die Christen stehen in sehr verschiedener Nähe oder Entfernung vom leuchtenden, glühenden Kern des Evangeliums, es gibt unzälige Grade der Abstufung.
Ein kirchliches Gesetz aber kann auf diese nicht Rücksicht nehmen, es hat seine präzise Formulierung, und diese darf nicht auf den lauen Durschnitt zielen,
sondern muß so nahe beim Evangelium als möglich bleiben.
Erst die Auslegung kann, was die Schwäche der Menschen angeht, sich weit-und barmherzig zeigen, gemäß dem, was ostkirchliches Recht Epikie nennt.
Aber bei der Formulierung ihrer Disziplin kann die Kirche Christi nicht auf Proteste oder Forderungen einer vom Zeitgeist beeinflußten oder von geschickten Leadern manipulierten Menge horchen....
Der großen Menge wird die Nachfolge Christi immer als unmöglich, ja unmenschlich erscheinen."
Ja, genau das meinte ich.
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Juergen
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Juergen »

Das Themengebiet "Die »Pille danach« nach einer Vergewaltigung" ist ein Nebenschauplatz, der genutzt wird, um eine allgemeine Empörung hervorzurufen.

Es gibt in Deutschland im Jahr rund 8000 Vergewaltigungen.

Glaubt jemand ernsthaft, daß Pharmakonzerne für so wenige Leute ein bzw. mehrere Präparate entwickeln und auf den Markt bringen?


Die Logik ist, oder wird sein:
- Frage an die Kirche, ob das Mittel nach einer Vergewaltigung erlaubt ist?
- Wenn die Kirche mit "ja" antwortet:
--- Wenn es nach einer Vergewaltigung erlaubt ist, warum nicht immer?
--- Wenn dies Mittel erlaubt ist, warum die Pille im allgemeinen nicht?

Im Ergebnis scheinen die nun Empörten darauf hinauszuwollen, daß die Kirche jegliche Art von Verhütung – und in einem noch viel späteren Schritt auch von Abtreibung – erlauben soll. – Steter Tropfen…
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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iustus
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von iustus »

Gamaliel hat geschrieben:Die Ärztevereinigung St. Lukas (ein Zusammenschluss von Ärzten in Deutschland, die nach den Regeln der katholischen Moral tätig sein wollen) hat eine kurze, übersichtliche Stellungnahme zur Wirkungsweise von "Levonorgestrel" und "Ulipristalacetat" herausgegeben:


Wirkungsweise der Postkoitalpillen (pdf-Datei)

Schlußfolgerungen daraus:
Die aktuelle Datenlage zeigt, dass sowohl LNG als UPA neben der Eisprunghemmung auch andere, frühabtreibende  Wirkungen  haben  können.  Somit  kann  man  nicht  mit  letzter  Konsequenz die Postkoitalpillen  als  reine  Ovulationshemmer  bezeichnen.
[...]
Die verfügbare Datenlage erlaubt es bei sorgfältiger Recherche nicht, eine nidationshemmende und frühabortive Wirkung sowohl für Levonorgestrel als auch Ulipristalacetat auszuschließen.
Einen Kommentar zur aktuellen Diskussion seitens der Ärztevereinigung St. Lukas gibt es hier:
Katholische Kliniken und Vergewaltigung: der Skandal wird immer skandalöser
Steht das im Widerspruch zu den Darlegungen von Reinhard?
„Was den Gegenstand des Glaubens betrifft, hat sich das Konzil nichts Neues ausgedacht, noch hat es Altes ersetzen wollen." (Papst Benedikt XVI.)

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Gamaliel
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Gamaliel »

iustus hat geschrieben:Steht das im Widerspruch zu den Darlegungen von Reinhard?

Ja, ganz offensichtlich:
Reinhard hat geschrieben:Nach erfolgtem Eisprung (der durch einen Hormonwechsel nachweisbar ist !) sind diese Präparate wirkungslos.
Ärztevereinigung St. Lukas hat geschrieben:Die aktuelle Datenlage zeigt, dass sowohl LNG als UPA neben der Eisprunghemmung auch andere, frühabtreibende Wirkungen haben können.

iustus
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von iustus »

Danke. Ich konnte noch nicht alles durchlesen. Es hätte ja sein können, dass die Wirkung von bestimmten Voraussetzungen abhängig ist (z.B. einmalige Einnahme o.ä.) und beide Darlegungen von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgegangen sind.
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Gamaliel
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Gamaliel »

Wer der Ärztevereinigung St. Lukas nicht traut, oder einfach gerne eine zweite aktuelle Expertise (Februar 2013) einholen möchte, sei auf die Metastudie von Prof. James Trussell, Princeton, hingewiesen.


Studie: Emergency Contraception: A Last Chance to Prevent Unintended Pregnancy (pdf-Datei)

Von Bedeutung ist der Abschnitt "Mechanism of action" (Seite 5-7).

Die Erklärungen und Belege möge man der Studie selbst entnehmen. Ich zitiere hier exemplarisch nur aus dem vorletzten Absatz dieses Abschnitts:
To  make  an  informed  choice,  women  must  know  that  ECPs—like  all  regular  hormonal contraceptives such as the birth control pill, the implant Implanon, the vaginal ring NuvaRing, the  Evra  patch,  and  the  injectable  Depo‐Provera, 88   and  even  breastfeeding 89,90,91,92 —prevent pregnancy primarily by delaying or inhibiting ovulation and inhibiting fertilization, but may at times inhibit implantation of a fertilized egg in the endometrium.
(Hervorhebungen von mir)

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Robert Ketelhohn
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Reinhard hat geschrieben:Edit: Hier auf Kath.net hat ein Apotheker den Sachstand auch noch einmal referiert, im Grunde mit dem selben Ergebnis wie ich.
Nein, das kann ich nicht erkennen:
Die meisten Lehrbücher der Gynäkologie und der Pharmakologie beschreiben für LNG und UPA neben einer Hemmung oder Verzögerung des Eisprungs auch eine Wirkung auf die Einnistung des Embryos als möglich. In der aktuell gültigen Fachinformation des LNG-Präparates PiDaNa® ist dies sogar in einem amtlichen Dokument über das Arzneimittel so ausgesagt.
Lediglich ist für Levonorgestrel eine Änderung angekündigt (aber nicht erfolgt):
Der Hersteller beabsichtigt nach eigenen Angaben die Fachinformation in diesem Punkt noch in diesem Jahr ändern zu lassen. Insbesondere eine 2011 veröffentlichte Studie an 148 Frauen zeigt eine fehlende Wirkung von LNG, wenn dieses nach dem Eisprung gegeben wurde.
Insbesondere Ulipristalacetat wird, wie schon beschrieben, in höherer Dosierung auch als Arzneimittel gegen Uterusmyome gegeben, wobei der hierbei genutzte Wirkmechanismus (Progesteron-Antagonist gegenüber der Gebärmutterschleimhaut) exakt derjenige ist, der im Fall einer Befruchtung nidationshemmend wirkt. Das ist völlig klar und unbestritten.

Der (ebenso doppelte) Wirkmechanismus des Levonorgestrels wird generell als sehr ähnlich beschrieben, scheint aber insgesamt schwächer oder unsicherer zu sein. Auch die „Versagerquote“ bei der Ovulationshemmung ist noch einmal deutlich höher als ohnehin schon beim Ulipristalacetat.

Wo jetzt fürs eine oder andere Präparat (meist geht es aber um Ulipristalacetat, Levonorgestrel spielt wegen der unsichereren Wirkung nur eine untergeordnete Rolle) die nidationshemmende Wirkung bestritten wird, wird immer auf die konkrete (relativ niedrige) Dosierung des Wirkstoffs in den in Rede stehenden Präparaten abgehoben. Die generelle Möglichkeit der Nidationshemmung wird, soweit ich sehe, nirgends bestritten, fürs Ulipristalacetat ist sie ganz offenkundig und wird, wie gezeigt, medizinisch genutzt.

Nachgewiesen ist für beide Präparate eine signifikante Erhöhung des Risikos ektoper (extrauteriner) Schwangerschaften. (Bitte gugel selber nach den Belegen, ich schreibe ja hier keine Diss. und merke mir nicht jede Quelle.) Daß dies die Zulassung nicht verhindert hat, ist wohl nur damit zu erklären, daß man es heute als unproblematisch ansieht, die „Dinger“ ggf. aus den Tuben „wegzumachen“.

Unter den beschriebenen Umständen ist es m. E. ganz unverantwortlich, kirchlicherseits faktisch solche Präparate „freizugeben“, auch wenn man sich etwas listig aus der Verantwortung stiehlt, dieselbe den Ärzten zuschiebend.

Vielmehr gilt für die ganze Sache und wie man „kirchenamtlich“ damit umgehen sollte, was ich oben geschrieben und was Peti dankenswerterweise um das Zitat von Hans Urs von Balthasar ergänzt hat.

Nachfolge Christi endlich bedeutet für ein vergewaltigtes Mädchen, ein möglicherweise aus der Gewalttat empfangenes Kind in Liebe anzunehmen. Das Kreuz auf sich zu nehmen. Denn im verherrlichten Kreuz des auferstandenen Herrn liegt das Heil, und allein in ihm.

Wenn es aber zu schwach war und das Kreuz zu tragen sich nicht getraut hat, dann geht der Gute Hirte ihm wiederum nach und lädt es in seine Arme. Dazu hat er die Kirche mit den Sakramenten des Heils ausgestattet. Er verwirft nicht. Er heilt alle, die Heilung empfangen wollen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

iustus hat geschrieben:Es hätte ja sein können, dass die Wirkung von bestimmten Voraussetzungen abhängig ist
Von der Dosierung. Damit bewegen wir uns aber auf der Ebene von Wahrscheinlichkeiten, nicht eindeutiger Ursache-Wirkung-Mechanismen.

Es wird übrigens eingewandt, daß man auch in andern Fällen um eines beabsichtigten Erfolgs willen schwere Risiken in Kauf nehme, so in der Krebstherapie oder in der Palliativmedizin.

Das ist zwar richtig. Diese Argumentation verkennt aber, daß dort ein (schwereres, vor allem aber: überhaupt ein) Übel bekämpft wird, nämlich der Tumor oder der Schmerz.

Ein aus Notzucht entstandenes Kind ist kein Übel, nie und nimmer. Es zu bekämpfen ist eine immer in sich schlechte Handlung. Das Übel war die Vergewaltigung, die ist geschehen und kann nicht mehr bekämpft werden. Das Kind, wenn eins empfangen wird, ist kein Übel, sondern Geschöpf und Geschenk Gottes. In der konkreten Situation sicher meist auch ein Kreuz für die Mutter. Aber das Kreuz ist erst recht kein Übel, sondern unsre Rettung.
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iustus
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von iustus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ein aus Notzucht entstandenes Kind ist kein Übel, nie und nimmer.
Wohl wahr. Das bereits entstandene Kind nicht. Aber hier bekämpft werden soll ja einen Schritt vorher die Zeugung.
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Juergen
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Juergen »

Die Zeugung wird auch durch die normale Pille, Kondome etc. verhindert. Mithin ist diese "Pille danach" nicht anders zu bewerten, als die "normale Pille" oder sonstige Verhütungsmittel.

Lediglich, wenn die Wirkweise nicht genau bekannt ist, und die Pille sowohl als Zeugungsverhüterin und als auch als Einnistungsverhüterin wirken KANN ist die Bewertung eine andere: Dann ist sie noch verbotener als die normale Pille.
Gruß Jürgen

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iustus
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von iustus »

http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 55867.html
Das Ergebnis seiner Beratung mit Fachleuten sei „keine neue Lehrmeinung, vielmehr die Anwendung unserer bisherigen moraltheologischen Prinzipien auf eine neue Situation, die jetzt durch eine Vielzahl neuer Medikamente gegeben ist, die unter den Begriff ,Pille danach‘ fallen, aber keine abtreibende Wirkung haben, sondern ausschließlich eine Verhinderung der Befruchtung verursachen.“
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Pelikan
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Pelikan »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Es wird übrigens eingewandt, daß man auch in andern Fällen um eines beabsichtigten Erfolgs willen schwere Risiken in Kauf nehme, so in der Krebstherapie oder in der Palliativmedizin.

Das ist zwar richtig. Diese Argumentation verkennt aber, daß dort ein (schwereres, vor allem aber: überhaupt ein) Übel bekämpft wird, nämlich der Tumor oder der Schmerz.

Ein aus Notzucht entstandenes Kind ist kein Übel, nie und nimmer.
Ich weiß nicht, wie du darauf gekommen bist, jemand würde ein Kind als Übel ansehen. Diese Idee und sogar das Wort "Übel" wurden von dir in die Debatte eingebracht. Meisners Pressestelle spricht von einer "verbrecherischen Befruchtung". Ist es diese Formulierung, auf die du so heftig reagierst? Sie ist in der Tat in mehr als einer Hinsicht problematisch, aber wir betrachten hier ausschließlich einen Zeitpunkt, an dem noch kein Kind existiert.

Meine Frage, wie du einen aus seiner Bestimmung gerissenen Zeugungsakt nennen würdest, war nicht rhetorisch gemeint. Es findet eine Befruchtung auf eine Weise statt, die nicht stattfinden darf. Allerdings ist die Befruchtung an sich nur ein biochemischer Vorgang, der so wenig verbrecherisch sein kann wie eine Zellteilung. Sie erlangt moralische Qualität nur durch Einbettung in menschliche Handlungen. Wenn sie nicht im Rahmen eines ehelichen Aktes stattfindet, ist sie nicht erstrebenswert.

Die Glaubenskongregation spricht in Donum Vitae mit Blick auf die IVF von einer Zeugung, "die der ihr eigenen Vollkommenheit beraubt ist" und "in Widerspruch steht zur Würde der Fortpflanzung und der ehelichen Vereinigung".

Es ist diese Art von Zeugung, die wie ein Übel bekämpft wird. Wenn in vitro, warum nicht in vivo? (die naturwissenschaftliche Kontroverse über Nebenwirkungen außer Acht gelassen)

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Reinhard
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Reinhard »

Juergen hat geschrieben:Lediglich, wenn die Wirkweise nicht genau bekannt ist, und die Pille sowohl als Zeugungsverhüterin und als auch als Einnistungsverhüterin wirken KANN ist die Bewertung eine andere: Dann ist sie noch verbotener als die normale Pille.
Genau im Gegenteil:

Von der "normalen" Pille (spezielle der "Minipille") ist ihre nidationshemmende Wirkung bestens bekannt, während nach aktuellem Wissensstand die "Pille danach" (speziell Levonorgestrel) nicht nidationshemmend wirkt.

Somit werden durch die "Pille danach" offenbar keine befruchteten Eizellen getötet, wohl aber durch die "normale" Pille !
Also genau umgekehrt.

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Juergen
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Juergen »

Reinhard hat geschrieben:Von der "normalen" Pille (spezielle der "Minipille") ist ihre nidationshemmende Wirkung bestens bekannt, während nach aktuellem Wissensstand die "Pille danach" (speziell Levonorgestrel) nicht nidationshemmend wirkt.
Wikipedia: Minipille hat geschrieben:Wirkungsweise
Im Unterschied zur Antibabypille enthält die Minipille keine Hormone vom Typ der Östrogene, sondern nur Gestagene wie beispielsweise Desogestrel, Levonorgestrel oder Norethisteron. In der englischsprachigen Literatur wird die Minipille auch als „pro-gestagen-only pill“ („POP“) bezeichnet.

Die Wirkung älterer Präparate der Minipille beruht vorwiegend auf einer Verdickung des Gebärmutterhalssekretes (Zervikalsekret). Hierdurch wird die Wanderung von Spermien aus der Scheide in die Gebärmutter und Eileiter verhindert, wo normalerweise die Befruchtung der Eizelle erfolgt. Neuere Präparate der Minipille bewirken zusätzlich eine Hemmung des Eisprungs. Ob es darüber hinaus noch zu einer Hemmung der Einnistung (Nidation) befruchteter Eizellen kommt, ist unklar.
Oder meintest Du die "Mikropille"?
Wikipedia: Mikropille hat geschrieben:Die Mikropille ist eine hormonelle Verhütungsmethode für die Frau. Eine Mikropille besteht aus einer Kombination aus einem Gelbkörperhormon (Gestagen) und einem Follikelhormon (Östrogen). Sie ist eine Weiterentwicklung der klassischen Antibabypille, von der die Mikropille sich durch eine deutlich verringerte Hormondosis unterscheidet. Die Mikropille wird bisweilen mit der Minipille (welche nur Gestagene enthält) verwechselt. Durch die Kombination aus Östrogenen und Gestagenen verhindert die Mikropille die Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter und den Eisprung (Ovulationshemmung).
:hmm:


Trotzdem war es relativer Blödsinn, den ich da geschrieben habe. :tuete:
Gruß Jürgen

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Reinhard
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Reinhard »

Juergen hat geschrieben:
Reinhard hat geschrieben:Von der "normalen" Pille (spezielle der "Minipille") ist ihre nidationshemmende Wirkung bestens bekannt, während nach aktuellem Wissensstand die "Pille danach" (speziell Levonorgestrel) nicht nidationshemmend wirkt.
Oder meintest Du die "Mikropille"?
Die Unterscheidung zur "Mikropille" war mir bisher nicht begegnet (ist der womöglich neu ?), ich kannte für beides nur den Begriff "Minipille". - auf dieser Basis schrieb ich.

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Robert Ketelhohn
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

iustus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ein aus Notzucht entstandenes Kind ist kein Übel, nie und nimmer.
Wohl wahr. Das bereits entstandene Kind nicht. Aber hier bekämpft werden soll ja einen Schritt vorher die Zeugung.
Wie kann die Empfängnis eines Kindes ein Übel sein, wenn das Kind keins ist? – Ich muß es wiederholen:
Das Übel war die Vergewaltigung, die ist geschehen und kann nicht mehr bekämpft werden. Das Kind, wenn eins empfangen wird, ist kein Übel, sondern Geschöpf und Geschenk Gottes. In der konkreten Situation sicher meist auch ein Kreuz für die Mutter. Aber das Kreuz ist erst recht kein Übel, sondern unsre Rettung.
Wenn die künstliche Kontrazeption immer eine in sich schlechte Handlung darstellt – und das ist sichere Lehre der Kirche –, dann gilt das immer und nicht nur bei ehelichem Verkehr, wie Erzbischof Joachim irrig behauptet hat. Andernfalls müßte man auch die Abtreibung eines aus Notzucht empfangenen Kindes gutheißen. Oder man bestreitet implizit das intrinsecus malum esse der künstlichen Kontrazeption – und genau das geschieht hier. Königstein v2.0.
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Juergen hat geschrieben:Die Zeugung wird auch durch die normale Pille, Kondome etc. verhindert. Mithin ist diese "Pille danach" nicht anders zu bewerten, als die "normale Pille" oder sonstige Verhütungsmittel.

Lediglich, wenn die Wirkweise nicht genau bekannt ist, und die Pille sowohl als Zeugungsverhüterin und als auch als Einnistungsverhüterin wirken KANN ist die Bewertung eine andere: Dann ist sie noch verbotener als die normale Pille.
Du sagst es. Königstein v2.0, und zwar insofern Nidationshemmung nicht in Betracht kommt. Des Kardinals Unterscheidung zwischen ehelicher Empfängnis und nichtehelicher Empfängnis ist ganz absurd und höbe Humanæ vitæ auf. (Daß eine Nidationshemmung gar nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wie oben mehrfach dargelegt, kommt hinzu und macht das ganze nur noch schlimmer.)

Das ist simpelste Logik. In welchem Umfang die hier auch bei „konservativen“ Katholiken ausgeschaltet werden kann, zeigt, wie sauer und schwer es auch an sich treuen Gläubigen fällt, die kirchliche Lehre anzunehmen, und wie riesengroß das Verlangen, sich wenigstens „ein Stück weit“ den Erwartungen und Vorgaben der Welt anzugleichen und nicht mehr so schief angeschaut zu werden. Doch selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

iustus hat geschrieben:http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 55867.html
Das Ergebnis seiner Beratung mit Fachleuten sei „keine neue Lehrmeinung, vielmehr die Anwendung unserer bisherigen moraltheologischen Prinzipien auf eine neue Situation, die jetzt durch eine Vielzahl neuer Medikamente gegeben ist, die unter den Begriff ,Pille danach‘ fallen, aber keine abtreibende Wirkung haben, sondern ausschließlich eine Verhinderung der Befruchtung verursachen.“
Das ist sachlicher Unfug. Die „Vielzahl“ sind genau zwei Wirkstoffe, und über die habe ich oben genug gesagt.
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Juergen
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Juergen »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Wenn die künstliche Kontrazeption immer eine in sich schlechte Handlung darstellt – und das ist sichere Lehre der Kirche –, dann gilt das immer und nicht nur bei ehelichem Verkehr, wie Erzbischof Joachim irrig behauptet hat…
Ja, Humanae Vitae beschäftigt sich vor allem mit Eheleuten und hat Dinge wie Vergewaltigung nicht direkt im Sinn. Man könnte aber wohl doch auch etwas für den Fall der Vergewaltigung daraus ableiten:
Unerlaubte Wege der Geburtenregelung

14. Gemäß diesen fundamentalen Grundsätzen menschlicher und christlicher Eheauffassung müssen Wir noch einmal öffentlich erklären: Der direkte Abbruch einer begonnenen Zeugung, vor allem die direkte Abtreibung - auch wenn zu Heilzwecken vorgenommen -, sind kein rechtmäßiger Weg, die Zahl der Kinder zu beschränken, und daher absolut zu verwerfen14.

Gleicherweise muß, wie das kirchliche Lehramt des öfteren dargetan hat, die direkte, dauernde oder zeitlich begrenzte Sterilisierung des Mannes oder der Frau verurteilt werden15.

Ebenso ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel16.

Man darf, um diese absichtlich unfruchtbar gemachten ehelichen Akte zu rechtfertigen, nicht als Argument geltend machen, man müsse das Übel wählen, das als das weniger schwere erscheine; auch nicht, daß solche Akte eine gewisse Einheit darstellen mit früheren oder nachfolgenden fruchtbaren Akten und deshalb an ihrer einen und gleichen Gutheit teilhaben. Wenn es auch zuweilen erlaubt ist, das kleinere sittliche Übel zu dulden, um ein größeres zu verhindern oder um etwas sittlich Höherwertiges zu fördern17, so ist es dennoch niemals erlaubt - auch aus noch so ernsten Gründen nicht -, Böses zu tun um eines guten Zweckes willen18: das heißt etwas zu wollen, was seiner Natur nach die sittliche Ordnung verletzt und deshalb als des Menschen unwürdig gelten muß; das gilt auch, wenn dies mit der Absicht geschieht, das Wohl des einzelnen, der Familie oder der menschlichen Gesellschaft zu schützen oder zu fördern. Völlig irrig ist deshalb die Meinung, ein absichtlich unfruchtbar gemachter und damit in sich unsittlicher ehelicher Akt könne durch die fruchtbaren ehelichen Akte des gesamtehelichen Lebens seine Rechtfertigung erhalten.


Fußnoten:
14 Vgl. Catechisrnus Romanus Concilii Tridentini, II. Teil, c. VIII; Pius XI., Enz. Casti Connubii: AAS 22 (1930), S. 562-564; Pius XII., Anspr. an die italienische medizinisch-biologische Vereinigung vom hl. Lukas, 12. Nov. 1944: Anspr. und Radiobotschaften, VI (1944), S. 191-192; Ansprache an die katholische Vereinigung der Hebammen Italiens, 29. Okt. 1951: AAS 43 (1951), S. 842-843; S. 857-859; Johannes XXIII., Enz. Pacem in Terris, 11. April 1963: AAS 55 (1963), S. 259-260; 2. Vatikanisches Konzil, Gaudium et Spes, Nr. 51.

15 Vgl. Pius XI., Enz. Casti Connubii: AAS 22 (1930), S. 565; Dekret d. Hl. Off., 22. Februar 1940, AAS 32 (1940), S. 73; Pius XII., Ansprache an die katholische Vereinigung der Hebammen Italiens, 29. Okt. 1951: AAS 43 (1951), S. 843-844; An den 7. Kongreß der internationalen Gesellschaft für Hämatologie, 12. Sept. 1958: AAS 50 (1958), S. 734-735.

16 Vgl. Catechismus Romanus Concilii Tridentini, II. Teil, c. VIII; Pius XI., Enz. Casti Connubii: AAS 22 (1930), S. 559-561; Pius XII., An die katholische Vereinigung der Hebammen Italiens, 29. Okt. 1951: AAS 43 (1951), S. 843; AAS 45 (1953), S. 674-675; An den 7. Kongreß der internationalen Gesellschaft für Hämatologie, 12. Sept. 1958: AAS 50 (1958), S. 734-735; Johannes XXIII., Enz. Mater et Magistra: AAS 53 (1961), S. 447.

17 Vgl. Pius XII., Anspr. an den Nationalkongreß der Vereinigung kath. Juristen Italiens, 6. Dez. 1953: AAS 45 (1953), S. 798-799.

18 Vgl. Röm 3,8.
Gruß Jürgen

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Robert Ketelhohn
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pelikan hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Es wird übrigens eingewandt, daß man auch in andern Fällen um eines beabsichtigten Erfolgs willen schwere Risiken in Kauf nehme, so in der Krebstherapie oder in der Palliativmedizin.

Das ist zwar richtig. Diese Argumentation verkennt aber, daß dort ein (schwereres, vor allem aber: überhaupt ein) Übel bekämpft wird, nämlich der Tumor oder der Schmerz.

Ein aus Notzucht entstandenes Kind ist kein Übel, nie und nimmer.
Ich weiß nicht, wie du darauf gekommen bist, jemand würde ein Kind als Übel ansehen. Diese Idee und sogar das Wort "Übel" wurden von dir in die Debatte eingebracht. Meisners Pressestelle spricht von einer "verbrecherischen Befruchtung". Ist es diese Formulierung, auf die du so heftig reagierst? Sie ist in der Tat in mehr als einer Hinsicht problematisch, aber wir betrachten hier ausschließlich einen Zeitpunkt, an dem noch kein Kind existiert.

Meine Frage, wie du einen aus seiner Bestimmung gerissenen Zeugungsakt nennen würdest, war nicht rhetorisch gemeint. Es findet eine Befruchtung auf eine Weise statt, die nicht stattfinden darf. Allerdings ist die Befruchtung an sich nur ein biochemischer Vorgang, der so wenig verbrecherisch sein kann wie eine Zellteilung. Sie erlangt moralische Qualität nur durch Einbettung in menschliche Handlungen. Wenn sie nicht im Rahmen eines ehelichen Aktes stattfindet, ist sie nicht erstrebenswert.

Die Glaubenskongregation spricht in Donum Vitae mit Blick auf die IVF von einer Zeugung, "die der ihr eigenen Vollkommenheit beraubt ist" und "in Widerspruch steht zur Würde der Fortpflanzung und der ehelichen Vereinigung".

Es ist diese Art von Zeugung, die wie ein Übel bekämpft wird. Wenn in vitro, warum nicht in vivo? (die naturwissenschaftliche Kontroverse über Nebenwirkungen außer Acht gelassen)
Vergleich das oben zu Justus und Jürgen Gesagte. – Übel sind die äußeren Umstände, die Vergewaltigung oder das Zusammenbringen von Ei und Samen in vitro. Das darf und soll man zu Recht bekämpfen, das verhüte man, wo nur möglich. Die Empfängnis aber selbst ist kein Übel, auch übrigens kein bloßer biochemischer Vorgang – das von dir zu hören überrascht mich denn doch –, sondern Schöpfungsakt Gottes. Darum auch nicht etwa neutral – neutral können bloß menschliche Handlungen sein, und die Empfängnis ist keine menschliche Handlung –, sondern ein absolutes Gut.
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von iustus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ein aus Notzucht entstandenes Kind ist kein Übel, nie und nimmer.
Wohl wahr. Das bereits entstandene Kind nicht. Aber hier bekämpft werden soll ja einen Schritt vorher die Zeugung.
Wie kann die Empfängnis eines Kindes ein Übel sein, wenn das Kind keins ist?


Das ist in der Tat eine Frage. Sie ist mir bislang bei Minderjährigen begegnet, die in sehr jungen Jahren schwanger werden. Das Kind ist kein Übel, das steht fest. Aber mit der Empfängnis in einem solchen Alter sieht es möglicherweise anders aus.
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Juergen
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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Juergen »

iustus hat geschrieben:Das ist in der Tat eine Frage. Sie ist mir bislang bei Minderjährigen begegnet, die in sehr jungen Jahren schwanger werden. Das Kind ist kein Übel, das steht fest. Aber mit der Empfängnis in einem solchen Alter sieht es möglicherweise anders aus.
Üben wir uns jetzt in Äquivokationen des Wortes »Übel«? :hmm:
Gruß Jürgen

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Re: Moralische Bewertung der "Pille danach"

Beitrag von Fragesteller »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Übel sind die äußeren Umstände, die Vergewaltigung oder das Zusammenbringen von Ei und Samen in vitro. Das darf und soll man zu Recht bekämpfen, das verhüte man, wo nur möglich.
Aber was Du im Falle der in-vitro-Befruchtung zu verhindern suchst, ist nicht das Hantieren mit einer Petrischale - daran wäre ja nichts verwerflich - sondern das Eintreten einer Empfängnis in einer solchen. Es sind hier also eben nicht die äußeren Umstände, die schlecht sind, sondern die Tatsache, dass sie eben "Umstände" eines bestimmten (in sich guten) Geschehens sind. Daher gilt es dieses Geschehen zu verhindern, so lange es nicht zu spät ist.

(Im Falle einer Vergewaltigung sind die Umstände natürlich schon schlecht. Das Übel wird aber durch das Eintreten einer Empfängnis durchaus noch vermehrt)

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