Stephen Dedalus hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Auf die Gefahr hin, einigen auf die Füße zu treten:
Wer oben abgebildete kahle Kubus-Kirche „schön“
zu finden meint und erklärt, der ist emotional schwer
geschädigt.
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Klar Robert, nachdem schon das Wort "pervertiert" gefallen ist, sind wir jetzt emotional geschädigt ... noch was? Vielleicht auch "entartet"?
Joreth hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Auf die Gefahr hin, einigen auf die Füße zu treten:
Wer oben abgebildete kahle Kubus-Kirche „schön“
zu finden meint und erklärt, der ist emotional schwer
geschädigt.
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wie kannst du so etwas auch nur wagen zu denken....
mit welchem recht?
Meine Lieben, ich hatte, als ich das schrieb, noch von niemandem gelesen, er finde jene kahlen Kubus-Kirchen „schön“. Auch weiterhin, bis jetzt, bekennt niemand, er finde diese Kirchen „schön“. Ich finde Begriffe wie „beeindruckend“, „betörend“, verschiedene „intellektuelle Erläuterungen“, schließlich noch gut gefallen. Keiner wagt zu sagen, er finde diese Kirchen „schön“.
Schönheit ist etwas, was sich sehr wohl an objektiven Kriterien messen läßt – die durchaus immer unterschiedlichen Geschmäckern noch Raum lassen, aber doch eine klare Entscheidung ermöglichen, ob etwas schön genannt werden kann oder nicht.
Irgendwo hatten wir hier schon einmal einen Strang zum Thema Schönheit. Vielleicht findet den einer. Oder ihr lest einmal bei den alten Philosophen nach. Ich konstatiere jedenfalls, daß hier bislang noch keiner derart emotional geschädigt ist, daß er schön nennte, was objektiv nicht schön ist. Und daß trotz aller tief verinnerlichten gesellschaftlichen Zwänge, dies Unschöne irgendwie positiv zu beschreiben – und kraft der Macht der Selbstsuggestion auch noch zu glauben.
Jürgen hat geschrieben:Das mag ja stimmen, doch kann man die Frage stellen, ob "Symbole", die man erst erklären muß, überhaupt noch Symbole sind. Sind Symbole nicht eigentlich mehr oder weniger selbsterklärend?
Nein, Jürgen. Hier widerspreche ich. Das Symbol ist kein Piktogramm. Die christlichen Symbole bedürfen sehr wohl der Erklärung, der Mystagogie. Das gilt für zeichenhafte Handlungen ebenso wie für Bildwerke und Architektur. Sie sind wie eine Sprache, die man zwar erlernen muß, aber auch erlernen kann, und die sich dann immer weiter erschließt.
Es kommt darauf an, ob diese Sprache, ob das Zeichen dem Bezeichneten angemessen ist; ob es zum Eigentlichen hindurch-, hinaufschauen läßt; ob es enthüllt – oder letztlich doch bloß verhüllt, wie willkürlich gesetzte Kniffe einer Geheimsprache:
Stephen Dedalus hat geschrieben:Die im Detailbild der Frontwand sichtbaren "Nagelzeichen" zeigen ein eigens für Herz-Jesu entwickeltes Nagelalphabet, das auf der gesamten Frontwand die Passion Christi nach dem Evangelisten Johannes wiedergibt.
Ich möchte dies anhand eines Zitats verdeutlichen; es stammt von dem abgefallenen katholischen Theologen und Freimaurer Alec Mellor, welcher der Kirche die Maurerei als „getrennte Brüder“ andienen wollte. Dies Thema will ich hier nicht vertiefen, aber was er zum Thema »Freimaurerischer Symbolismus und christliche Liturgie« schreibt (Alec Mellor, Logen - Rituale - Hochgrade. Handbuch der Freimaurerei, 1985 o. O., S. 303-305), scheint mir hier überaus passend:
Alec Mellor hat geschrieben:Freimaurerischer Symbolismus und christliche Liturgie
Auch die Kirche bedient sich der Symbole, sei es bei der Spendung der Sakramente, sei es im Gottesdienst. Die Erneuerung der Liturgie in unserer Gegenwart zeigt es deutlicher als je zuvor, und die Scharen der Gläubigen am Abend des Karsamstags erleben Symbolismus in tiefen Zügen. Indessen besteht zwischen der christlichen Liturgie und dem freimaurerischen Symbolismus ein wesenhafter Unterschied: die Liturgie sucht die Transparenz, der maurerische Symbolismus aber ist eine Hülle.
Der Mensch ist keineswegs ein reines Vernunftwesen, welches durch die Katechese am gewissesten angesprochen werden kann. Im Gegenteil: die religiöse Botschaft erreicht den Menschen gerade durch die empfindsamsten und verletzlichsten Organe, durch sein Herz und sogar durch seine Sinne, bis er schließlich in allen Fasern von der Gottheit durchdrungen ist. Diese wortlose Sprache der Liturgie, die noch von der Kunst unterstützt wird, ist von der Kirche gewollt, um ihn die großen Dinge, die auf dem Altar geschehen, nicht nur verstehen, sondern fühlen und greifen zu lassen […] Eine stumme Liturgie würde ihr Ziel verfehlen. Ein Ritus muß eine direkte, manchmal heftige Anrede der Seele sein. Das ist sein eigentlicher Grund und seine Rechtfertigung, und nicht, daß er den Wißbegierigen oder den Archäologen gefällt. Man könnte die Liturgie auch mit einem Vergrößerungsglas vergleichen, welches uns die Kirche als Seh-Hilfe anbietet – uns, die wir nach den Worten der Schrift zwar Augen haben, aber doch nicht sehen. Wenn der Diakon das »Exultet« anstimmt, kündigt er das strahlende göttliche Licht an, und wenn er die fünf Weihrauchkörner der Osterkerze in Kreuzesform auslegt, so will er damit kundtun, daß wir den Sinn der Wachssäule erfassen, die eine leuchtende Flamme zu Ehren Gottes entzündet […]
Der Geist des freimaurerischen Rituals ist davon völlig verschieden. Es beruht auf dem Glauben, daß es gewisse Wahrheiten gebe, die zu tief sind, als daß Worte oder Begriffe sie ausdrücken könnten. Allein die Symbole können eine stumme Andeutung davon geben. Der Mehrzahl der Menschen »sagen« diese Symbole nichts, und deshalb ist es auch gleichgültig, ob die Gegner der Freimaurerei sie öffentlich machen oder nicht. Für denjenigen indes, welcher der Einweihung fähig ist, sprechen sie. Ein im echten Sinn des Wortes Eingeweihter ist jener, der das Rätsel zu entziffern und zu verstehen gewußt hat, aber die Riten der Einweihung selbst können ihm mit der Mitteilung der Symbole nur den Schlüssel des Symbolisierten geben. Es liegt an ihm, diese Kryptographie in Klarschrift zu übersetzen […]
Der christliche, der kirchliche Künstler, der Maler, Ikonenschreiber, Bildhauer, Steinmetz und Architekt: Er muß Mystagoge sein. Ist er Kryptograph, hat er seine Berufung verfehlt.