Robert Ketelhohn hat geschrieben:Es ist allerdings, wie ich oben bereits andeutete, zunächst kaum vorstellbar, weshalb man sich auf den (Nicht-)Fall Marco Schneider stürzte, wenn man doch bereits dies Dossier placiert hatte. Immerhin wäre als Erklärung denkbar, daß das Dossier das Werk des Sekretariats der Bischofskonferenz ist, der andere Fall dagegen unhängig davon von nicht eingeweihten Augsburger Dreckschleudern konstruiert wurde.
Ich denke, dafür gibt es eine Erklärung: Der Nicht-Fall Marco Schneider ist unter allen bisher genannten der einzige, bei dem man einen Minderjährigen ins Spiel bringen konnte - ein Fall für den Staatsanwalt.
Die anderen "Fälle", die von den Erhebern der Beschuldigungen als "Bedrängung" oder "Grenzüberschreitung" "empfunden" worden sind, sind nur was den Sachverhalt betrifft extrem unscharf beschrieben - sie bieten auch keinerlei Ansatzpunkte für die Beschuldigung des Missbrauchs Minderjähriger. Für die kirchliche Disziplin wären sie allerdings, wenn und soweit sie tatsächlichen Hintergrund haben, durchaus von Bedeutung.
Das ist in meinen Augen das Unappetitlichste an diesem ganzen Fall: Die Vermischung der verschiedensten Elemente und Ebenen.
Es gibt eine weitverbreitete Unzufriedenheit mit Bischof Mixa, die teils auf dessen persönliche Schwächen zurückgehen mag, größtenteils jedoch auf seine prinzipienfeste Haltung in "sensiblen Fragen" zurückgeht. Die Unzufriedenheit reicht von der Ordinariatskamarilla, deren Beförderungswünsche nicht ausreichend berücksichtigt wurden, über die WsK-Truppen bis zur Bischofskonferenz, deren feingesponnene Diplomatie durch die eine oder andere Mixa-Predigt gestört wurde. Abschießen konnte man ihn jedoch wegen all dem nicht.
Dann gab es seit Jahren Gerüchte über persönliche Verfehlungen, über deren Wahrheitsgehalt man wenig sagen kann - m. E. überschreiten diese Gerüchte nicht das, was in relativ abgeschlossenen Gruppen üblich ist. Wahrscheinlich kursiert derlei in vielen Diözesen - in weltlichen Großbetrieben ebenfalls. Auch mit diesen Gerüchten konnte man wohl gegenüber dem Papst bzw. der Bischofskongregation nicht viel anfangen, und anscheinend war (und
ist) kein "Betroffener" bereit und in der Lage, wirklich substantielle Beschuldigungen zu erheben. Strafrechtlich relevantes scheint jedenfalls nicht vorzuliegen zu sein - daher erschien der "Umweg" über M.S zunächst sehr attraktiv: Der Staatsanwalt sollte die Arbeit übernehmen, die man selbst nicht leisten konnte.
Ihre Brisanz erhielt diese Mischung dadurch, daß sie geschickt durchgerührt den Medien auf dem Höhepunkt der Mißbrauchs-Erregung serviert wurde - dadurch entstanden Zugzwänge, denen sich das gegenwärtige Kirchenregiment wohl nicht entziehen zu können glaubte. Das ist letztlich genau das selbe Verfahren wie damals in der Sache Wagner.