Gefühle, Gedanken

Allgemein Katholisches.
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Julia Wolf
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Gefühle, Gedanken

Beitrag von Julia Wolf »

Ich habe mich entschlossen, doch noch weiter im Kreuzgang zu lesen und ab und zu zu schreiben (aus zeitlichen Gründen etwas weniger).
Dazu muss ich aber, das ist mir klar geworden, noch einmal deutlich über meine Bedenken und unguten Gefühle der letzten Tage schreiben, da nur so wirkliche Offenheit bestehen bleiben kann. Wenn ich dann nicht mehr hier erwünscht sein sollte, werde ich das akzeptieren. etwas vorlügen mag ich nicht.

Es gibt zwei Bereiche, die mir hier Probleme machen. Der eine ist das "Ausschließen", der andere die "Enthaltsamkeit".


Erst zum Ausschließen:
Ich habe mich als atheistisches Kind und Jugendliche von vielem in der katholischen Kleinstadt ausgeschlossen gefühlt. Viel vom Gemeisnschaftsleben lief dort damals über die Kirche ab. Ich denke, auch wenn es mir nicht unmittelbar damals bewusst war, dass ich darunter ziemlich gelitten habe.
Heute ist es anders, heute verstehen Menschen in meiner Umgebung meine Wendung zur Kirche teilweise nicht, mein Mann versucht auch immer wieder mich von der Kirche abzubringen, wenn auch mit nachlassender Tendenz. Ich muss sozusagen gegen den Strom schwimmen. Nun habe ich aber erstmals bewusst im Forum gelesen, wie viele Vorbedingungen man erfüllen muss, und wie genau man sich seine Äußerungen überlegen muss, um umgekehrt von katholischer Seite nicht ausgeschlossen zu werden (ich propagiere übrigens nicht das Frauenpriestertum, ich bin ehrlich der Meinung, dass ich das nicht beurteilen kann - aber dass ich, wäre ich für Frauenpriester, dies nicht offen sagen dürfte, das finde ich schon sehr sehr extrem, das hat mich schockiert und an kommunistische Diktaturen erinnert). Da bekomme ich dann manchmal das Gefühl, dass da kein Platz mehr für mich ist. Es ist gut, dass ich es in meiner Pfarrei ganz anders erlebe, sonst könnte ich es nicht aushalten.


Das andere Thema ist viel schwieriger für mich zu beschreiben. Es geht um meine Ängste, die ich beim Thema "Enthaltsamkeit" empfinde.

Natürlich geht es auch darum, ob ich selbst enthaltsam leben sollte, eine Josefs-Partnerschaft führen soll, ob ich noch Frau im vollen Umfang in meiner Beziehung sein darf. Ich könnte mir eine Josefs-Partnerschaft nicht vorstellen, von meinem Mann ganz zu schweigen (der es wohl überhaupt nicht verstehen könnte und die Kirche noch mehr hassen würde). Es wäre eine schwere Belastung für die Familie, die Leidtragenden unter den Spannungen auch die Kinder.

Aber da gibt es noch andere Ängste.
Ich lehne Enthaltsamkeit nicht ab. Es gibt verschiedene mir vernünftig und verständich erscheindende Gründe dafür.
Z.B. das Zölibat, das frei hält für Aufgaben, die Gott einem stellt. Ich selbst weiß, wie sehr Fmailie und Kinder Kräfte und Zeit binden. Daher kann ich das sehr gut verstehen. Ich weiß auch, dass eine feste Partnerin/Ehefrau einen Mann für sich beansprucht, er also verheiratet nie mehr so frei ist, wie unverheiratet.
Es gibt auch wohl in vielen Kulturen Entahltsamkeit, um tiefere mystische bzw. geistige Erfahrungen zu machen (auch z.B. im Buddhismus, im Schamanismus, dies ist also gar nichts ursprünglich Christliches).
Ein anderer Grund wäre einfach der Wunsch, alleine bleiben zu wollen - finde ich ganz in Ordnung.
Gesundheiltiche Gründe können auch verständlich sein.
Auch ganz nachvollziehbar ist, wenn jemand, der als Kind häufig missbraucht wurde, aufgrund traumatischer Erfahrungen die körperliche Nähe eines Menschen nicht mehr aushält.

Anhaltende Enthaltsamkeit nur um der Enthaltsamkeit willen, nur um sich zu beweisen, dass man sich den von der Natur (und somit auch vom Schöpfer) sinnvoll eingerichteten Bedürfnissen widersetzen kann, das kann ich nicht verstehen.
Dass ich den Sinn der Freude an der Vereinigung nicht allein in der stattfindenden Vermehrung sehe, sondern auch als Ausddruck dafür, dass ich den anderen so liebe, dass ich mir Kinder von ihm vorstellen kann, auch wenn ich dies im Moment aus praktischen äußeren Gründen nicht verantworten kann, habe ich ja schon geschrieben.


Ich halte andauernde Enthaltsamkeit nur um der Enthaltsamkeit willen sogar für gotteslästerlich (schöpfungsverachtend) und gefährlich.

Es ist einmal gefährlich, weil die Macht des Triebes unterschätzt werden kann. Wer nicht dazu berufen ist und nicht dafür Freude an anderen Aufgaben erlebt (wie es der zölibatär lebendeMensch, der sich ganz Gott und den von ihm gestellten Aufgaben weiht, wohl erleben kann), kann meiner Meinung nach plötzlich ins Gegenteil umkippen, kann zum gewalttätigen Menschen werden, bei dem sich die Natur unkontrolliert holt, was der übertriebene Wille ihr verweigert. Seit ich in dem Forum für Menschen, die als Kind mehrfach missbraucht wurden, gelesen habe, ist mir die Macht der Triebe viel bewusster als früher. Es ist gefährlich, sie zu unterschätzen. (Wer sich mehr für Kindsmissbrauch interessiert, hier eine gute HP dazu: http://www.kinderschreie.de/ Überigens schätzen auch diese Täter oft gerade das unschuldige, jungfräuliche Wesen, was sie zu Kindern hinzieht.)

Es ist weiter auch gefährlich, weil sich etwas, das ich eine ungute sado-masochistische Note nennen möchte, einschleichen kann. Ich habe nichts gegen Sadomasochismus unter der Voraussetzung, dass die beteiligten Personen damit einverstanden sind (habe aber keine eigenen Erfahrungen). Aber ich bin sehr gegen Sadomasochismus - und sei er rein auf geistiger Ebene - wenn Personen mit einbezogen werden, die das nicht wollen. Und bei der Einstellung, Enthaltsamkeit sei um ihrer selbst willen wertvoll, schleicht sich so eine Haltung meiner Meinung leicht ein.
Erst einmal quält der Berreffende sich selbt. Zum Ausgleich, quasi als Belohnung hält er sich für etwas Besonderes, etwas Besseres. Das führt dazu, dass er andere, die nicht so enthaltsam leben, für minderwertig, für schmutzig, für rein triebgesteuert, für sündhaft hält. Und das ist für mich die sadistische Komponente: den anderen in Gedanken und wenn man sich traut, auch in Worten (und vielleicht sogar Bestrafungen) zu erniedrigen und als beschmutzt anzusehen. Das ist in meinen Augen ein gefährlicher Hochmut.

Für mich ist derjenige, der zur Enthaltsamkeit berufen ist und mit ihr zurecht kommt, daran zu erkennen, dass er nicht viel darüber redet, dass er anderen die Freude an der Erotik nicht neidet und nichts Schmutziges und Erniedrigendes darin sieht (dass extreme Auswüchse kritisiert werden, ist wieder etwas anderes). Dort, wo Enthaltsamkeit übermäßig gepriesen wird, werde ich mißtrauisch. Da habe ich das Gefühl, müssen sich die Menschen erst selbst noch gut zureden, dass sie wirklich etwas Gottgewolltes tun. Wer aber gottgewollt enthaltsam ist, das vermute ich, der spürt auch ohne viel Gerede, dass er das richtige tut.

Ich habe hier im Forum in dieser Hinsicht ein ungutes Gefühl bekommen. Es ist nicht ein einzelner Beitrag, oder eine einzelne Person, die dies verursacht hat, es ist die Gesamtheit, die mich schließlich beunruhigt hat.

Aber ich schätze im Forum auch solche, die ganz anderer Meinung sind als ich. Z.B. bei Otto mag ich die Direktheit, mit der er seine Ansichten vertritt. Bei Dirk schätze ich das Bemühen um Einfachheit (auch wenn ich mit seinem Beitrag ganz am Anfang, als ich ins Forum kam, über Demut, ehrlich gesagt überhaupt nicht zurecht komme). Jürgens Kommentare finde ich manchmal unpassend, aber ein andermal muss ich dann wieder lachen (Milkapumpen z.B.), und irgendwie tut mir seine nicht-sentimentale, etwas bissige Art dann auch wieder gut, usw. usw.. Jeder kann etwas Positives beisteuern, so sehr auch unsere Meinungen auseinander liegen mögen (die anderen erwähne ich nicht eigens, da ich mit ihnen nicht ganz so weit ausseinander liege, wie mit oben genannten). Und daher werde ich im Forum, falls noch erlaubt, doch noch weiter schreiben.

Ich bin übrigens kein Drewermannfan. Es mag wichtig sein, was er schreibt, und ich finde es gut, dass es ihn gibt, aber ich kann seine Bücher nicht lange lesen, da ich die Bitterkeit und die starke Ausrichtung auf die Sexualität nicht mag.

Ich werde Antworten auf dieses Posting lesen, aber ich werde sie wahrscheinlich nicht wiederum selbt beantworten, denn dann kommen wieder mehrere Antworten auf meine Atnwort und so fort. Ich möchte aber gerade nicht mehr am Thema Sexualität und Enthaltsamkeit hängen bleiben, sondern indem ich meine Position hier einmal deutlich beschreibe, möchte ich mich davon lösen und mich anderen Themen zuwenden.

Ich danke Euch fürs Lesen
herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

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umusungu
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Beitrag von umusungu »

Danke für Deinen offenen und ehrlichen Beitrag ...... ja, so vielschichtig ist das Leben.

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Erich_D
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Re: Gefühle, Gedanken

Beitrag von Erich_D »

Liebe Julia,

ich erlaube mir auf Deinen Beitrag zu antworten, indem ich zuerst einige Worte über meine Person verliere.

Ich bin 47 Jahre alt. Einen großen, letztlich den größten Teil meines Lebens habe ich ferne vom Glauben verbracht, entweder in Gleichgültigkeit und Desinteresse, oder auch in bewusster Ablehnung. Im Gegensatz zu Dir war dies aber nichts mit einem Gefühl der Ausgeschlossenheit verbunden, da in meiner Umgebung eher jene, die "noch glaubten", als etwas komische Vögel betrachtet wurden, jedenfalls aber die Teilnahme am kirchlichen Leben, Gebet, Kirchgang und anderes mehr, praktisch nicht existierte. Heute ist das für mich anders. Für meine Familie, meine Eltern, meine Geschwister und alle anderen Verwandten hingegen hat sich, soweit ich das heute noch beurteilen kann, kaum etwas verändert. In meiner eigenen Familie bin ich der einzige, der ausdrücklich katholisch und gläubig ist.

Was die "vielen Vorbedingungen" betrifft, um katholisch zu sein, von denen Du sprichst, so würde ich die diesbezüglichen Beiträge hier im Forum nicht überbewerten. Vom Heiligen Gregor I, 'der Große' genannt, einst Laie und Präfekt von Rom, später Mönch und Priester und schließlich zum Papst erwählt, stammt das Wort: "Die heilige Kirche tadelt gewisse Dinge mit Eifer, sie toleriert anderes mit Milde, sie schließt ihre Augen vor wieder anderen und erträgt sie mit nachdenklicher Aufmerksamkeit ...".

Die Kirche, auch wenn mitunter aus den Beiträgen hier im Forum ein anderer Eindruck entsteht, ist wohl fähig manches mit Milde zu tolerieren, vor anderm die Augen zu verschließen, und wieder anderes mit nachdenklicher Aufmerksamkeit zu ertragen. Gewiss hat sie auch das Amt zu tadeln, in erster Linie aber ist die Kirche zur Seelsorge berufen, und nicht zum Ausschluss. Wenn Du also dies in Deiner Kirche, bei jenen Priestern, mit denen Du in der realen Welt abseits des Forums zu tun hast, eben nicht jenes Gefühl des Ausschlusses hast, dann wird dies auch nicht unbegründet sein. Die Kirche ist toleranter als wir hier im Forum (zu unser aller Glück!).

Was die Frage der Enthaltsamkeit betrifft, nach meinem Dafürhalten wäre Enthaltsamkeit rein um der Enthaltsamkeit willen tatsächlich ein Übel. Das ist aber auch nicht das, was die Kirche zu diesem Thema lehrt. Es gibt, nach Deiner und der Vorstellung der Kirche, gute Gründe enthaltsam zu sein, eben solche, wie Du sie aufzählst. Enthaltsamkeit um der Enthaltsamkeit willen zählt nicht dazu. Im Gegenteil: derart auf sich selbst bezogene wäre sie imo Sünde. Auch glaube ich nicht, dass die Freude an der sexuellen Vereinigung mit dem Ehepartner alleine in Hinblick auf die Zeugung von Kindern zu suchen ist. Mitunter wird in der Diskussion um die Kirche alles auf die Sexualmoral zugespitzt, ihre angebliche sex- und leibfeindliche Einstellung in den Vordergrund gerückt. Und häufig reagieren manche Vertreter der Kirche, auch vielen Laien auf derartige Anwürfe so, dass sie gerade durch allzu hektisches Reagieren diesen Eindruck noch verstärken. Wenn ich die kirchliche Lehre zum Umgang mit der Sexualität für mich selber in wenigen Worten zusammefassen müsste, würde ich dies so tun: Leiblichkeit und Sexualität des Menschen, auch die Freude daran, sind Gottes Geschenke. Sexualität ist ein Gut; wie jedes Gut kann sie aber auch mißbraucht werden, und zwar sowohl in der Ausübung, als auch in dem Verzicht darauf (Enthaltsamkeit als Versuchung? Interessanter Gedanke). Mißbraucht wird sie bei hauptsächlich eigensüchtigem Vollzug, wenn es also in erster Linie um mich geht, meine Befriedigung, und andere sind nur Mittel zum Zweck.

Soweit also meine spontane Zusammenfassung katholischer Sexualmoral. Leider wird über sie oft genug vergessen, dass sie nur ein Teil dessen ist, was unser Leben als Christen in dieser Welt ausmacht. Mitunter denke ich, dass, würden wir uns mit anderen Themen ebenso beschäftigen wie mit dem Sex, die Welt vielleicht ein etwas besserer Ort wäre. Das richtet sich, um nicht mißverstanden zu werden, nicht alleine gegen die Kirche, also uns, sondern ebenso gegen ihre Kritiker, die - wie es mir scheint - an diesem Thema ja noch viel fester kleben. Die Welt ist mehr, viel mehr, als Sex. Gott sei Dank bin ich verheiratet und habe 2 Kinder, sonst wäre ich mit solchen Worten in den Augen mancher denn doch wieder leib- und sexfeindlich ;D .

Da schreibe ich und schreibe, und will doch eigentlich hauptsächlich eines sagen: ja selbstverständlich sollst Du im Forum weiterschreiben. Hier ist nicht einer, der Dir das Recht dazu abstreiten will und abstreiten kann. Du bist hier nicht nur zugelassen, sondern auch ausdrücklich erwünscht. Der einzige Grund jemanden nicht zuzulassen, wären Verstöße gegen die Regeln des Forums. Und an diese bist Du noch nicht einmal von ferne angestreift. Schreib also bitte weiter hier und nimm Dir jene Beiträge anderer, mit denen Du etwas anfangen kannst, aus dem Forum mit.

Viele Grüße
Erich
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Niels
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Re: Gefühle, Gedanken

Beitrag von Niels »

Erich Dumfarth hat geschrieben: Du bist hier nicht nur zugelassen, sondern auch ausdrücklich erwünscht.
Schreib also bitte weiter hier und nimm Dir jene Beiträge anderer, mit denen Du etwas anfangen kannst, aus dem Forum mit.
*unterschreib*
:ja: :ja: :ja:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Liebe Julia!

Auch ich hab dem Beitrag von Erich im Grunde nichts mehr hinzuzufügen und möchte dir nur sagen, dass ich es SEHR schade fände, wenn du dem Forum den Rücken zukehren würdest. Also: herzliche Bitte zu bleiben!

Vielleicht sollten wir einfach 'ne Unterschriftenliste auslegen? ;)

LG
Biggi

Lucia

Beitrag von Lucia »

Biggi hat geschrieben:
Vielleicht sollten wir einfach 'ne Unterschriftenliste auslegen? ;)

LG
Biggi
*mitunterschreib*

Gerade aus Deinen sehr offenen und ehrlichen Beiträgen kann ich viel für mich mitnehmen: BLEIB!

Gruß,
Lucia

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Ich danke Euch ganz herzlich für die positive Aufnahme meines kritischen Postings! :ja: :ja: :ja:

Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich hatte zwar doch gehofft (war mir aber nicht ganz sicher), dass man mir nicht gleich ganz den "Kopf abreißen" würde, aber dass ich so viele positive Antworten (auch über mail) bekommen würde, das hätte ich wirklich nicht gedacht. Das hat mich auch berührt und mir gezeigt, dass ich noch viele Vorurteile mit mir herumschleppe.

Ich hoffe nur, dass die, die sich nicht gemeldet haben, nicht so schockiert sind, dass sie keine kritischen Worte mehr finden oder sich verdrängt fühlen. Ich will niemanden hier im Forum missen.

Noch mal vielen Dank (Ihr macht mich direkt etwas verlegen) :freude: :freude: :freude:
und herzliche Grüße
Julia
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T. Boesche-Zacharow

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Julia Wolf hat geschrieben:»Ich hoffe nur, dass die, die sich nicht gemeldet haben, nicht so schockiert sind, daß sie keine kritischen Worte mehr finden oder sich verdrängt fühlen.«
Ganz sicher nicht, Julia. Und den vorigen Beiträgen schließe ich mich gern an. – Was deine Sorge hinsichtlich des Ausschließens betrifft, so hat zwar eigentlich Erich alles gesagt, ich will aber nun doch noch meinerseits einen Gedanken beitragen. Wenn wir hier immer wieder um gewisse „Dogmen“ ringen, also überliefertes Glaubensgut der Kirche, das so viele heute nicht oder nur schwer annehmen können, dann gibt es dabei – um mal grob zu vereinfachen – zwei Positionen. Die einen sehen die große Hürde – sei es für sich, sei es für andere – und wollen diese Hürde tiefer legen oder auch Trampelpfade drum herum bauen.

Die andern – wie ich, zum Beispiel – halten dagegen, das seien gar keine Hürden. Vielmehr seien es, meinen sie, sichere Brücken, die über gefährliche Abgründe leiten; oder auch Stufen und Leitern, die uns auf dem schmalen Pfad des Lebens hinan und immer ein Stückchen näher zum Ziel bringen.

Wenn einer vor einer solchen Leiter zurückschreckt, weil sie ihm gar zu lang oder steil erscheint oder weil er das obere Ende nicht erkennen kann; oder wenn einen schon beim Anblick der Brücke schwindelt, weil er das Auge nicht vom Abgrund zu wenden vermag, über den sie führt: Dann heißt das noch lang nicht, daß er den Weg verlassen hat.

Vielleicht muß er weiter den Saumpfad gehen, Serpentine um Serpentine, wo er über die Leiter ein großes Stück Weges hätte abkürzen können. Oder er muß einen Umweg um den Abgrund gehen. Das glaub mir: Solche Umwege gehen wir alle. Jeder hat seine Leitern und Brücken, denen er sich nicht anzuvertrauen wagt.

Wozu ich bloß einladen möchte, ich dies: Erklärt diese Leitern und Brücken nicht zu Hindernissen und räumt sie nicht weg. Denn dem nächsten, der nach euch kommt, sind sie vielleicht ein wichtiger Abschnitt des Wegs. Und wer selber allzu eifrig Brücken wegräumt, der verliert bald die Orientierung. Dann weiß er nicht weiter und versucht sich selber Brücken zu bauen. Bloß werden seine Wackelkonstrukte ihn niemals tragen können.

Die Brücken kann bloß Einer bauen, und sie sind längst gebaut. Für jeden. Darum stör dich nicht dran, wenn du an Brücken vorüberkommst, die dich ängstigen. Laß sie liegen und geh weiter, bis du an deine Brücke kommst.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben: Ich hatte zwar doch gehofft (war mir aber nicht ganz sicher), dass man mir nicht gleich ganz den "Kopf abreißen" würde, .....
Kopf abreißen? Wieso? Da steht nichts in Deinem Posting, was ich nicht auch unterschreiben würde...

Ich habe mich auch etwas gewundert, welche Blüten der Exkommunikations-Thread trieb - ich nehme für mich persönlich daraus mit, daß da offenbar noch viel Aufklärungsbedarf besteht.
Leider bin ich selbst da nicht hinreichend bewandert, um genauestens erklären zu können. Aber soviel weiß ich: um sich "zu trennen" (ex-kommunikation) gehört schon einiges dazu. Das "passiert einem nicht so einfach".
Exkommunikation also ausgeschlossen sein, ist was anderes, als nicht disponiert zum Empfang der Sakramente zu sein. Ich glaube, den Unterschied hatten wir noch nie erwähnt?
Ich kann mir einer Sünde bewußt sein, die ich beichten muß, bevor ich Sakramente empfange... ohne deshalb aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen zu sein. Übrigens eine Feststellung, die wir dem Bischof überlassen sollten.

Daß die Ehe und Sexualität etwas Heiliges ist, kenne ich nie anders.... ("darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die beiden werden ein Fleisch sein" sagt Jesus) und wundere mich immer, daß da offenbar so viele Irrtümer herrschen.
Daß die Ehelosigkeit, Keuschheit, oder wie du es auch nennen willst ebenfalls von Jesus genannt wird... und sich also beide Berufungen (Ehe und Ehelosigkeit) ergo gelichwertig aber eben als verschiedene berufungen darstellen, ist mir auch schlicht selbstverständlich.

Klarerweise "verstehe" ich Berufung a nicht so ganz, wenn ich zu b berufen bin - sonst würde ich ja a leben. Ich muß ja auch nicht immer alles verstehen. Es genügt, wenn ich die Berufung des anderen respektiere. Ich verteidige die Ehe genauso, wie die Ehelosigkeit. denn beides hat seine Berechtigung, seinen Raum, und Menschen, die aus dieser Sehnsucht heraus leben.

Kurzum, ich freue mich daß Du da bist und hoffe auf noch viele gute Beiträge von Dir!
(PS: ich unterschriebe die Liste auch! ) :ja:

Edith
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Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 20:38

Re: Gefühle, Gedanken

Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben: Anhaltende Enthaltsamkeit nur um der Enthaltsamkeit willen,
.......
Nachtrag:
hat das ernsthaft jemand behauptet?

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Ketelhohn hat geschrieben: Die andern – wie ich, zum Beispiel – halten dagegen, das seien gar keine Hürden. Vielmehr seien es, meinen sie, sichere Brücken, die über gefährliche Abgründe leiten; oder auch Stufen und Leitern, die uns auf dem schmalen Pfad des Lebens hinan und immer ein Stückchen näher zum Ziel bringen.

Wenn einer vor einer solchen Leiter zurückschreckt, weil sie ihm gar zu lang oder steil erscheint oder weil er das obere Ende nicht erkennen kann; oder wenn einen schon beim Anblick der Brücke schwindelt, weil er das Auge nicht vom Abgrund zu wenden vermag, über den sie führt: Dann heißt das noch lang nicht, daß er den Weg verlassen hat.

Vielleicht muß er weiter den Saumpfad gehen, Serpentine um Serpentine, wo er über die Leiter ein großes Stück Weges hätte abkürzen können. Oder er muß einen Umweg um den Abgrund gehen. Das glaub mir: Solche Umwege gehen wir alle. Jeder hat seine Leitern und Brücken, denen er sich nicht anzuvertrauen wagt.

Wozu ich bloß einladen möchte, ich dies: Erklärt diese Leitern und Brücken nicht zu Hindernissen und räumt sie nicht weg. Denn dem nächsten, der nach euch kommt, sind sie vielleicht ein wichtiger Abschnitt des Wegs. Und wer selber allzu eifrig Brücken wegräumt, der verliert bald die Orientierung. Dann weiß er nicht weiter und versucht sich selber Brücken zu bauen. Bloß werden seine Wackelkonstrukte ihn niemals tragen können.

Die Brücken kann bloß Einer bauen, und sie sind längst gebaut. Für jeden. Darum stör dich nicht dran, wenn du an Brücken vorüberkommst, die dich ängstigen. Laß sie liegen und geh weiter, bis du an deine Brücke kommst.[/color]

Ich finde das sehr schön beschrieben und kann auch viel anfangen damit. Ich sehe Glauben sowieso als ein ständiges, nie beendetes Wachsen und Reifen.

Nur mein Eindruck war, dass es die katholische Kirche nicht so sieht. Da ist der Berg, und entweder du nimmst gleich den ganzen Berg, einem Bergführer blind vertrauend, auch wenn er dich über Steilstücke führt, wo dir schwindlig wird und für dich Unerfahrenen Absturzgefahr besteht.
Bist du nicht bereit mit zu kommen, dann heißt es, der Berg ist für Dich geschlossen, es gibt nur den einen Weg, mit dem Bergführer (der nicht Jesus Christus in diesem Fall ist, sondern das katholische Lehrgebäude), es gibt keine anderen, auch keinen mit umständlichen Serpentinen.

Und das ist dann auch etwas, das ich beim Buddhismus schätzen gelernt habe, diese Toleranz gegenüber dem Weg des einzelnen, das Wissen, dass das Erkennen nur langsam und mühevoll reifen kann. Und nicht die Forderung, quasi schon von anfang an erleuchtet sein zu müssen.

Es sollte mich freuen, wenn die amtliche katholische Kirche hier anders ist, als ich sie wahrnehme.

Vielen Dank für Deinen anschaulichen Beitrag!
Herzliche Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Julia Wolf hat geschrieben:
Es sollte mich freuen, wenn die amtliche katholische Kirche hier anders ist, als ich sie wahrnehme.
Ist sie, Julia! Mit absoluter Sicherheit!
Mir scheint, du differenzierst nicht genug zwischen dem "Lehramt" und dem "Hirtenamt" in der Kirche. Die widersprechen sich zwar nicht (obgleich sie in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen), können oft sogar in ein und derselben Person vereint sein, haben aber unterschiedliche Perspektiven und Ziele. Die Klärung dessen, was katholisch ist und was nicht, ist sicher notwendig, aber das geduldige Begleiten von Menschen auf dem Weg zu Gott (UND DAS SIND WIR ALLE! ANGEKOMMEN SIND WIR ERST IM TOD!) ist eine ganz andere Aufgabe. Und das impliziert auch das Warten-können und Erst-mal-so-stehen-lassen von Meinungen und Haltungen, die vielleicht nicht der Vollreife des Christen entsprechen. Entscheidend scheint mir "lediglich" (und das ist viel!), dass jeder so redlich wie möglich das umsetzt, was er als den Willen Gottes für sich erkennt. Und sich nicht bequeme Ausflüchte sucht, um den eigenen Willen in den Willen Gottes umzudefinieren. Alles andere wird dann schon. Schließlich hat Gott in der Entwicklung unseres Glaubenslebens ein ganz entscheidendes Wörtchen mitzureden. Und wenn wir ihn hören wollen, tut er das auch...

Lieben Gruß,
Biggi

Bernd Heinrich Stein

Beitrag von Bernd Heinrich Stein »

Biggi hat geschrieben: Entscheidend scheint mir "lediglich" (und das ist viel!), dass jeder so redlich wie möglich das umsetzt, was er als den Willen Gottes für sich erkennt. Und sich nicht bequeme Ausflüchte sucht, um den eigenen Willen in den Willen Gottes umzudefinieren. Alles andere wird dann schon. Schließlich hat Gott in der Entwicklung unseres Glaubenslebens ein ganz entscheidendes Wörtchen mitzureden. Und wenn wir ihn hören wollen, tut er das auch...
Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen! :)

Heinrich

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