Kurze Gregorianikfrage

Von Orgelpfeifen, Zimbelspielern und Kantoren.
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ad-fontes
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von ad-fontes »

cantus planus hat geschrieben:Ja, die enthalten bestimmte Zeichen. Aber ist es sicher, dass sie genau so interpretiert werden, wie Pérès es tut? Ich kann das nicht belegen. Das Gegenteil freilich auch nicht.
Denkst beispielsweise der indice per incipit musicali des Facsimile von B 79 sei willkürlich und wertlos*?
In questo sistema ogni semitono ha valore unitario. La prima nota viene indicata dall' equivalente lettera alfabetica (do = c, re = d, mi = e, fa = f, sol = g, la = a, si bemolle = b, si naturale = h). Ogni nota ascendente viene indicata con il numero equivalente ai semitoni dell'intervallo corrispondente, tenendo conto che l'unisono viene segnalato con il numero zero (0). Nei movimenti discendenti il numero, sempre equivalente ai semitono dell'intervallo, è preceduto dal segno meno (-). Infine, le note che constituiscono una figura neumatica unitaria sono collegate tra di loro con il segno uguale (0). Ad esempio, la sequenza di torculus (sol la fa) e porrectus (fa re mi) sarà codificata in: G = 2 = -4 0 = -3 = 2
Beispiel 1. Ant. der 1. Nocturn vom 1. Adventssonntag Missus est Gabriel angelus ad
Incipit hat geschrieben:G 2 = 2 -2 -4= 4 2 4 -2 3= -1 1 0 -3 -2 -2
Explicit hat geschrieben:c 0 -1= -2 4 1 -3 -2 2 -2= -2 2 -2 2

*Falls jemand Muße hat, das System zu erklären, gerne, bin ich selbst doch nur einfachster Dilettant.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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lifestylekatholik
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von lifestylekatholik »

ad-fontes hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Ja, die enthalten bestimmte Zeichen. Aber ist es sicher, dass sie genau so interpretiert werden, wie Pérès es tut? Ich kann das nicht belegen. Das Gegenteil freilich auch nicht.
Denkst beispielsweise der indice per incipit musicali des Facsimile von B 79 sei willkürlich und wertlos*?
Abgesehen davon, dass das bereits 13. Jh. ist; -- was hat das damit zu tun? Es geht doch nicht um die Grundgestalt der Melodie, sondern darum, ob und wie sich die Auszierungen und Zusätze, die sich in der Aufnahme finden, sicher so aus den überkommenen Manuskripten herleiten lassen. Das ist doch die interessante Frage, und nicht, ob das nu diastematische Neumen sind oder nicht.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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ad-fontes
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von ad-fontes »

Gut, dann versuche ich anders zu fragen: Bei den Aufnahmen von Peres, die nicht den Codex Bodmer 74 zur Grundlage haben, sondern Vat. lat. 5319, wieviel Varianz (Eigeninterpretation/Zusätze) besteht (finden sich) zur Transkription von Landwehr-Melnicki, die im Bärenreiter-Verlag 1970 erschien?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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lifestylekatholik
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von lifestylekatholik »

ad-fontes hat geschrieben:Gut, dann versuche ich anders zu fragen: Bei den Aufnahmen von Peres, die nicht den Codex Bodmer 74 zur Grundlage haben, sondern Vat. lat. 5319, wieviel Varianz (Eigeninterpretation/Zusätze) besteht (finden sich) zur Transkription von Landwehr-Melnicki, die im Bärenreiter-Verlag 1970 erschien?
Stelle eine Abbildung von Vat. lat. 5319 und der Parallelstelle der Transkription und einen Verweis auf eine Interpretation des entsprechenden Stücks durch Pérès ein. Dann werde ich der Bitte gern nachkommen.

EDIT: Kuck mal hier. Links müsste ein Intr. aus Vat. lat. 5319 sein. Du siehst ganz normale diastematische Neumen, wie sie jeder kennt. Sehr klar notiert.

Dir wird auffallen, dass da nur eine Stimme notiert ist, und zwar ohne Krakel, also ohne Zusatzzeichen zur Ausführung. Jetzt höre dir die Aufnahme an, um die es ging. Dir werden einige Eigentümlichkeiten auffallen. Sicherlich die beiden auffälligsten: Ab 0:26 min setzt ein Ison ein. Woher hat Pérès den? Mit Sicherheit nicht aus dem Notenbild! Dann hörst du bei 0:36 min auf popule ein überstarkes Vibrato des Sängers. Woher kommt das? Mit Sicherheit nicht aus dem Notenbild. Dieser Sänger singt überhaupt nicht mit der heute üblichen Singstimme, sondern mit der mehr gepressten modernen byzantinischen. Wo im Notentext steht, dass das so sein soll? Wie gelangte Pérès überhaupt zur agogischen Gestaltung des Stücks? Im Notentext dürften mensurierte Noten ebenso fehlen wie Tempo- oder gar MM-Angaben. -- All diese Dinge hat Pérès hinzugedichtet. Teilweise muss man soetwas hinzudichten, um ein Stück überhaupt vernünftig singen zu können. Aber es sind immer Entscheidungen, für die man Rechenschaft ablegen können muss. Ison und das überstarke Beben auf einem Ton sind ohne Zweifel Elemente des heutigen byzantinischen Gesangs, und sie prägen das Klangbild ohne Zweifel sehr stark. Wie also kommt Pérès dazu, diese Elemente auf ein nicht-byzantinisches Repertoire zu übertragen? Denn all das steht mit Sicherheit nicht im Notentext.
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ad-fontes
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von ad-fontes »

Gute Idee! Über die Heutigkeit der Realisation waren wir uns ja grundsätzlich einig. Mit deiner bzw. eurer musikologischen Expertise wird es bestimmt möglich sein, daß wir/ich noch genauer erkenne/n, wo die Bruchstellen zwischen Überliefertem und Ergänztem verlaufen. :daumen-rauf:
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Galilei
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von Galilei »

Die Vesperhymnen »Rerum, Deus, fons omnium« und »Deus, creator omnium« werden im Dom zu Münster auf eine einfache gregorianische Melodie gesungen, die mir ansonsten noch nirgendwo begegnet ist.
Ich habe mal versucht, sie nach Gehör zu notieren (man entschuldige die „Gotteslob-Notation“, auf die Schnelle hab ich’s nicht besser hinbekommen):



Kann vielleicht jemand eine Fundstelle dazu angeben und ggf. die Melodie korrigieren?

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cantus planus
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von cantus planus »

Guck mal ins Gotteslob, ob es 675 sein könnte. Wir im Stundengebet gerne verwendet und passt auf viele Hymnustexte.
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Juergen
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von Juergen »

Hat eine leichte Ähnlichkeit mit GL 550 - isset aber nich.
Gruß Jürgen

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cantus planus
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von cantus planus »

Nee, das war mit Sicherheit 675. Das wird meistens genommen, wenn's nicht 279 ist (passt hier aber gar nicht zur Melodievorgabe).
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Galilei
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von Galilei »

Danke, Jürgen und Cantus.

279 und 550 sind es nicht.
Bei 675 stimmt definitiv die erste Hälfte (jetzt weiß ich auch, warum mir meine Version noch etwas komisch vorkam), die zweite habe ich etwas anders im Ohr, aber ich kann mich täuschen. Ich werde bei nächster Gelegenheit versuchen, das zu überprüfen.

(Falls jemand anders eher da ist: samstags 15 Uhr, Sakramentskapelle; wer mitbeten will, muss sein eigenes Stundenbuch mitbringen.)

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taddeo
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von taddeo »

Ich hab mich schon mehrfach über Melodien aus dem monastischen Stundenbuch (bzw. Antiphonale Monasticum) gewundert, weil die wesentlich einfacher waren als die, die ich aus dem Liber Usualis kannte. Vielleicht wäre das ein Hinweis auf die Melodiequelle? :hmm:

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Galilei
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von Galilei »

taddeo hat geschrieben:Ich hab mich schon mehrfach über Melodien aus dem monastischen Stundenbuch (bzw. Antiphonale Monasticum) gewundert, weil die wesentlich einfacher waren als die, die ich aus dem Liber Usualis kannte. Vielleicht wäre das ein Hinweis auf die Melodiequelle? :hmm:
Auf welche Ausgabe beziehst Du Dich?

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taddeo
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von taddeo »

Galilei hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Ich hab mich schon mehrfach über Melodien aus dem monastischen Stundenbuch (bzw. Antiphonale Monasticum) gewundert, weil die wesentlich einfacher waren als die, die ich aus dem Liber Usualis kannte. Vielleicht wäre das ein Hinweis auf die Melodiequelle? :hmm:
Auf welche Ausgabe beziehst Du Dich?
Auf gar keine konkrete. Nur auf das, was ich in verschiedenen Benediktinerklöstern schon öfter gehört habe (Niederaltaich, Weltenburg, Plankstetten). Woraus die im einzelnen singen, weiß ich leider nicht.
Die Niederaltaicher verwenden fürs lateinische Stundengebet jedenfalls das alte Antiphonale Monasticum, nicht das erneuerte.

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Juergen
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von Juergen »

Galilei hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Ich hab mich schon mehrfach über Melodien aus dem monastischen Stundenbuch (bzw. Antiphonale Monasticum) gewundert, weil die wesentlich einfacher waren als die, die ich aus dem Liber Usualis kannte. Vielleicht wäre das ein Hinweis auf die Melodiequelle? :hmm:
Auf welche Ausgabe beziehst Du Dich?
In Gerleve verkaufen die ein dünnes Büchlein ("Vesperale Monasticum" mit Vesper und Komplet) relativ preiswert. Ich habe da in den 90ern vielleicht so 10 Mark für bezahlt.
Die Melodie habe ich aber auf Anhieb nicht darin gefunden.
Gruß Jürgen

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Galilei
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Re: Kurze Gregorianikfrage

Beitrag von Galilei »

Juergen hat geschrieben:In Gerleve verkaufen die ein dünnes Büchlein ("Vesperale Monasticum" mit Vesper und Komplet) relativ preiswert. Ich habe da in den 90ern vielleicht so 10 Mark für bezahlt.
Die Melodie habe ich aber auf Anhieb nicht darin gefunden.
Ja, das habe ich auch. Da scheint die Melodie in der Tat nicht enthalten zu sein.

Kurios finde ich an dieser Ausgabe, dass es für den Komplet-Hymnus »Te lucis ante terminum« 13 (!) verschiedene Melodien gibt, die jeweils bestimmten Festgraden und -kreisen zugeordnet sind (S. 154 ff.).

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