Orgeln im Vatikan

Von Orgelpfeifen, Zimbelspielern und Kantoren.
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taddeo
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Re: Orgeln im Vatikan

Beitrag von taddeo »

Ivo Matthäus hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben: Allerdings darf man nicht vergessen, dass die gesamt süddeutsch-österreichische Tradition des Orgelbaus anders ist.
Wie definieren sich die Unterschiede, bezieht sich dies auf die "barocke Stimmung" allein oder gibt es noch weitere Hintergründe (Werkaufbau, Gottesdienstgestaltung)?
Die Gottesdienstgestaltung hatte nicht den entscheidenden Einfluß auf die Orgelschulen, auch wenn - um es mal sehr pauschalisiert zu sagen - im Norden die protestantischen Gottesdienste natürlich andere Ansprüche an die Orgel stellten als im Süden die katholischen.
Die Unterschiede liegen in den Dispositionen und den Klangfarben der Orgeln. Was etwa in der Wikipedia über die Orgellandschaften im Barock steht (http://de.wikipedia.org/wiki/Orgel#Orgellandschaften), gibt einen guten Überblick über die wesentlichen Unterschiede.

Ivo Matthäus
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Re: Orgeln im Vatikan

Beitrag von Ivo Matthäus »

taddeo hat geschrieben: Die Gottesdienstgestaltung hatte nicht den entscheidenden Einfluß auf die Orgelschulen, auch wenn - um es mal sehr pauschalisiert zu sagen - im Norden die protestantischen Gottesdienste natürlich andere Ansprüche an die Orgel stellten als im Süden die katholischen.
Die Unterschiede liegen in den Dispositionen und den Klangfarben der Orgeln. Was etwa in der Wikipedia über die Orgellandschaften im Barock steht (http://de.wikipedia.org/wiki/Orgel#Orgellandschaften), gibt einen guten Überblick über die wesentlichen Unterschiede.
Danke schön Taddeo für den Hinweis auf den Wikiartikel.
Aber ist der Unterschied zwischen einer Norddeutschen (z. B. Arp Schnitger) / Süddeutschen Barock (z. B. Egedacher) so gravierend oder machen Nuancen (Klangkrone) schon den Unterschied? Würde eine Toccata von Muffat Probleme bei der adäquaten Darstellung auf einer norddeutsch-barocken Orgel bereiten? Französischer Barock bleibe mal außen vor...

Mit interessierten Gruß I. M.
Ich schenke Euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in Euch. Ich nehme das Herz von Stein aus Eurer Brust und gebe Euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist auf Euch und bewirke, dass .. Ihr auf meine Gebote achtet und sie erfüllt. (Ez 36)

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taddeo
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Re: Orgeln im Vatikan

Beitrag von taddeo »

Ivo Matthäus hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben: Die Gottesdienstgestaltung hatte nicht den entscheidenden Einfluß auf die Orgelschulen, auch wenn - um es mal sehr pauschalisiert zu sagen - im Norden die protestantischen Gottesdienste natürlich andere Ansprüche an die Orgel stellten als im Süden die katholischen.
Die Unterschiede liegen in den Dispositionen und den Klangfarben der Orgeln. Was etwa in der Wikipedia über die Orgellandschaften im Barock steht (http://de.wikipedia.org/wiki/Orgel#Orgellandschaften), gibt einen guten Überblick über die wesentlichen Unterschiede.
Danke schön Taddeo für den Hinweis auf den Wikiartikel.
Aber ist der Unterschied zwischen einer Norddeutschen (z. B. Arp Schnitger) / Süddeutschen Barock (z. B. Egedacher) so gravierend oder machen Nuancen (Klangkrone) schon den Unterschied? Würde eine Toccata von Muffat Probleme bei der adäquaten Darstellung auf einer norddeutsch-barocken Orgel bereiten? Französischer Barock bleibe mal außen vor...

Mit interessierten Gruß I. M.
Also im Klangbild sind die Unterschiede wohl schon beachtlich, wenn man sich soweit mit Orgeln auskennt, daß man diese Unterschiede auch hört. Die süddeutschen Orgeln haben einfach einen etwas "weicheren" Klang, sowohl durch ihre Disposition an sich (mit Gamba, Gedackten, Flöten), als auch durch die Bauweise einzelner Register wie relativ weit mensurierten Prinzipalen. Das heißt aber weiß Gott nicht, daß man nicht einen Muffat auch auf einer norddeutschen Orgel spielen könnte. Es gibt ja auch noch den Organisten, der die Registrierung auswählt. Etwas anderes ist es mit der "kurzen Oktav" in Pedal und Manualen, die in Süddeutschland Standard war. Da kann man bei manchem norddeutschen Komponisten Probleme kriegen, der sowas nicht kannte und unten vollchromatisch komponiert hat.
Und was heißt schon "adäquat"? Ein Komponist hat sicherlich irgendeine Klangvorstellung, wenn er ein Stück schreibt. Aber er kalkuliert immer ein, daß ein fremder Intrepret dieses Stück auf jedem beliebigen Instrument etwas anders spielen wird. Das muß im Stück schon drin sein, wenn es was taugt. Und gerade die Barockkomponisten waren weltläufig genug, um sowas zu berücksichtigen.

Ivo Matthäus
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Re: Orgeln im Vatikan

Beitrag von Ivo Matthäus »

Die Unterschiede sind also nicht so gravierend, wenn man von gewissen technische Besonderheiten wie dem kleineren Pedal absieht. Dass das Klangbild sich deutlich unterscheidet, weiß und höre ich auch.
Herzlichen Dank nach P. :huhu:

I. M.
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taddeo
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Re: Orgeln im Vatikan

Beitrag von taddeo »

Ivo Matthäus hat geschrieben:Die Unterschiede sind also nicht so gravierend, wenn man von gewissen technische Besonderheiten wie dem kleineren Pedal absieht. Dass das Klangbild sich deutlich unterscheidet, weiß und höre ich auch.
Herzlichen Dank nach P. :huhu:

I. M.
Nein, gravierend sind die Unterschiede nicht, was die Eignung für die Orgelliteratur ihrer Zeit angeht.

Ein wunderbares Exemplar einer süddeutschen Barockorgel ist übrigens die niegelnagelneu restaurierte Egedacher-Orgel in Vornbach am Inn. Die war kurz vor dem kompletten Ruin, bis sie letztes Jahr wieder eingeweiht werden konnte. Sie klingt einfach fantastisch, aber im Vergleich mit modernen Orgeln sehr gewöhnungsbedürftig. Jedes Register hat darin einen unverwechselbaren Charakter, die Werckmeister-Stimmung führt aber dazu, daß manche Tonarten total schräg klingen, weil die Intervalle eben nicht temperiert gestimmt sind. Ich hab sie schon live gehört, und es hat anfangs etwas Befremdliches an sich, wenn so ein barockes Präludium chromatisch durch die Tonarten geistert und mit jedem Vorzeichen im Notentext der Klang schräger wird, bis es sich in Richtung F-Dur/G-Dur/C-Dur wieder in Wohlgefallen auflöst. Aber wie individuell das dann klingt, ist echt der Wahnsinn.
Man kann es wohl etwas vergleichen mit Barockmusik, die von einem modernen Sinfonieorchester gespielt wird oder von einem kleinen Originalklangensemble auf historischen Instrumenten.

Leider gibt es von dieser Orgel nicht mal ne gescheite Präsentation im Netz, geschweige denn Audios oder Videos. Die Orgelbaufirma Kuhn, die sie restauriert hat, hat wenigstens ein Porträt dazu:
http://www.orgelbau.ch/site/index.cfm?i ... mer=814

Die Disposition zeigt alle Charakteristika einer süddeutschen Barockorgel, vor allem die Vielzahl an ziemlich hohen Mixtur-Registern selbst im Pedal, was dem Klang einen silbrigen Charakter gibt.

Ivo Matthäus
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Re: Orgeln im Vatikan

Beitrag von Ivo Matthäus »

Eine interessante Orgel, für den örtlichen Organisten nach deiner Schilderung aber nicht unproblematisch, da er genau überlegen muss, was und wie es spielbar ist und wo der :panisch: Faktor anfängt, denn so eine herbe Schönheit ist nun mal nicht jedermanns Geschmack.

I. M.
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